Mitglied
- Beitritt
- 13.05.2004
- Beiträge
- 1
- Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
- Kommentare: 2
Could it be a dream
Der Regen schlug gegen das Fenster, so als wollte er dieses mit aller Gewalt durchbrechen. Das schlagen der Tropfen brachte ihn fast um den Verstand. Dieses eintönige Klopfen, als wären Tausende von Vögeln an der Scheibe und wollten in sein Zimmer.
Schweißnass saß er in seinem Bett, das er vor drei Wochen das letzte Mal neu bezogen hatte. Der Geruch von kaltem Schweiß und verdorbenen Lebensmitteln, die aus den Abfallkübeln ragten, schwängerte die Luft. Die Küche roch nach altem abgestandenem Bier, dessen Geruch sich mit dem von kaltem Rauch vermischte. Was er auch tat, und woran er auch dachte, er kam immer zu der gleichen Überlegung. Wer immer dieser Kerl war, und was immer er auch vor hatte, er musste es rauskriegen, noch bevor etwas Grauenhaftes geschah.
*
„Malone.“ Eintönig wie immer meldete er sich am Telefon. Es war Mittag, der Tag hatte so oder so schon schlecht angefangen und jetzt läutete in der Mittagspause auch noch das Telefon. „ Spreche ich mit dem Troy Malone, der in der Fifth Avenue wohnt?“. „ Ja, wer will das wissen, noch dazu in der Mittagszeit?“. Kurzes Schweigen am anderen Ende der Leitung. „ Das ist nicht so wichtig. Ich habe gehört, Sie seien in Schwierigkeiten, finanzieller Natur und dachte mir, Sie könnten vielleicht etwas `Hilfe` gebrauchen?“.
„ Sie müssen sich irren, wenn ich finanzielle Schwierigkeiten hätte, wäre es das letzte das ich tun würde, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.“ „ Niemand sagte etwas von Öffentlichkeit, ich sagte doch, ich habe es gehört. Von wem und wann – Nebensache. Es stimmt also?“
„ Hören Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind, und was sie wollen, aber ich kann auf Hilfe eines Unbekannten verzichten.“ Der letzte Satz kam ihm lauter über die Lippen, als er es sich eigentlich gedacht hatte, aber das war ihm auch egal. Mit einem lauten Knall schlug er den Hörer auf die Gabel.
Wer, außer seiner Frau, konnte von seiner Lage wissen? - Er hatte gespielt und mehr verloren, als er ausgeben konnte.
Er glaubte auch nicht, dass sie mit jemand anderem darüber gesprochen hatte, das würde sie niemals tun – oder?
Es dauerte keine fünf Minuten und das Telefon läutete erneut – „ Jetzt hör mir mal zu Kumpel, ich brauche deine Hilfe nicht, hast du das verstanden?“ Kurze Stille, dann ein ganz leises Grinsen, das zu einem hysterischen Lachen anschwoll. „ Du brauchst meine Hilfe nicht? Na, wenn das so ist, dann brauchst du ja Deine Frau auch nicht mehr? Ich meine es wirklich nur gut mit dir. Ach übrigens, deine Frau ist eine Wucht.“
„ Was haben Sie mit meiner Frau gemacht, sie verdammtes Schwein?„
„ Nichts, noch nichts, aber ich kann mir ja mal etwas einfallen lassen, mal sehen, wir hätten da die Möglichkeit, sie in zwei gleich große Teile zu schneiden und dann in den East River zu werfen um zu sehen, ob es hier wirklich keine Raubfische gibt. Wir könnten Ihr auch eine Kanone an den Kopf halten, abdrücken und zusehen, wie das wenige Gehirn, das Sie hat, an der Wand verteilt wird oder...“. „ Hören Sie auf.“ Panik stieg in ihm hoch, was, wenn der Kerl seine Frau wirklich hatte, was, wenn Pete wieder da war? Nein, es war schon zu lange her, er konnte nicht wissen, wo er wohnte und schon gar nicht, wer seine Frau sein sollte. Sein Kopf begann zu dröhnen und drohte zu zerspringen. Er stellte sich vor, was geschehen würde, wenn dieser Verrückte seine Frau wirklich umbringen würde. Tausende Vorstellungen und Gedanken sausten durch seinen Kopf. Er sah sich mit seiner Frau vor dem Standesamt, als der Beamte ihn fragte, ob er sie heiraten wolle. Ihm kam das Ja – Wort so leise vor und alle anderen behaupteten, es wäre nicht zu überhören gewesen. Die vielen schönen Momente mit seiner Frau, sollte das alles wirklich vorbei sein? Der Ausflug nach Rom, als er Ihr den Antrag gemacht hatte, all das kam in ihm hoch und drohte sein Herz zu sprengen.
*
“Mr. Und Mrs. Malone?” Der Mann an der Rezeption fragte sehr leise und bedächtig. „Ja, das sind wir, ist etwas mit dem Zimmer nicht in Ordnung?“. „Nein, alles okay, Sie müssen nur wissen, wir haben sehr oft Leute hier, die sich für jemand anderen ausgeben und danach trifft die wahren Gäste beinahe der Schlag!“. Ein kurzes Grinsen flog über Troy`s Gesicht. Er wusste nur zu genau, was der Mann damit meinte. Er zog die Pässe aus der Tasche und legte sie auf das Anmeldepult. Das wichtigste war, das sie jetzt hier waren und den Urlaub genießen konnten. Die Tage vergingen wie im Flug. Anfangs dachte er sich noch, sieben Tage, endlich mal ein längerer Urlaub mit Mary. Es war, als hätten sie sich gerade erst kennen gelernt. Drei Jahre war es schon her, dass er seine Mary getroffen hatte und er bereute keine Sekunde.
Noch niemals hatte er solchen Spaß an kleinen Dingen. Spaziergänge am Abend am Strand, bei leiser Musik und Kerzenschein saßen sie auf der Terrasse und genossen die untergehende Sonne, die alles in ein wunderschönes rotes Licht tauchte. Als sie abreisten, sagte der Mann an der Rezeption: „ Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise und beehren Sie uns bald wieder. Bitte verzeihen sie die kleinen Unannehmlichkeiten – und ich hätte da noch eine Frage?“. „Nur raus damit“ Troy verzog den Mund zu einem wie ihm schien freundlichen Grinsen. „Sind sie bei der Polizei?“. Troy lächelte noch immer, sah den Mann ruhig an und meinte: „Nein, ich bin nur ein achtsamer Bürger, der weiß wie man sich selbst verteidigt. Frage beantwortet?“. Der junge Mann hinter dem Empfang lächelte unsicher und man sah, dass es ihm peinlich war, gefragt zu haben. „Ja Sir, natürlich, entschuldigen Sie bitte meine Neugier!“. „Kein Thema“. Beim gehen sah Mary ihn ungläubig an und meinte: „Warum hast du den Mann angelogen, es ist doch kein Geheimnis, dass du Polizist bist?“. „Nein, natürlich nicht, es ist nur, ich habe ein komisches Gefühl, als würde ich den Mann wiedersehen. Frag mich nicht warum, wie gesagt, nur so ein Gefühl.“ Mit Unannehmlichkeiten war nichts anderes gemeint, als dass man versucht hatte, ihr Zimmer aufzubrechen. Nur gut, dass Troy nochmals aufs Zimmer musste, wer weiß, was die Einbrecher alles mitgenommen hätten.
Der Flug war sehr ruhig und irgendwie freute er sich schon wieder auf sein eigenes Bett und auf seine Arbeit. Der Polizeidienst war zwar anstrengend, aber Troy wüsste nicht, was er ohne die Herausforderung machen würde.
Er war nun schon neun Jahre als Detective bei der LAPD.
Mary sagte zwar manchmal, sie hätte Angst, er würde einmal nicht mehr nach Haus kommen, aber davor hatte er keine Angst. Seine Angst bestand eher darin, dass ihn seine Vergangenheit einholen könnte.
Er war zwar mit Leib und Seele Polizist, hatte aber früher in der Army das gemacht, was er jetzt so verurteilte. Er war bei den Navy – Seals und sein Job war es Menschen auf die grausamste Art und Weise zu töten die man sich vorstellen konnte. Manches mal holte ihn die Vergangenheit ein, besonders, wenn etwas geschah, wie das mit dem Jungen, das jetzt schon so lang her war oder das mit Pete. Er hatte sich immer einen Bruder gewünscht, hätte ihm jemand gesagt, wie sein Bruder sich entwickeln würde, er hätte ihn gefragt, ob er verrückt sei.
*
Pete war sein etwas zurückgebliebener Bruder. Als Troy 17 war, hatte man Pete in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Es war alles so normal gewesen, er hatte mit Pete gespielt, sie hatten wirklich sehr viel Spaß und dann das.
Pete wurde vorgeworfen ein kleines Mädchen ermordet zu haben. Sie musste etwa zwölf gewesen sein, ein hübsches Ding, immer freundlich und wahrscheinlich wurde Ihr genau das zum Verhängnis. Troy kannte sie aus der Nachbarschaft, nur an den Namen konnte er sich nicht mehr erinnern. Er konnte noch heute die Zeitungsanzeige vor sich sehen: zwölfjähriges Mädchen vermisst, hinweise an – und so weiter! Man kennt das ja zur Genüge aus den Zeitungen. Sie war etwa drei Wochen vermisst, als der erste Verdacht auf Pete fiel. Die Polizei fand Kleidungsstücke des Mädchens in Petes Auto. Troy konnte sich nur zu gut an den Tag erinnern, als man Pete festnahm. Seine Mom brach in Tränen aus und sein Vater sagte nur, er hätte das alles kommen sehen. Als man Pete festnahm, trug dieser ein Lächeln auf dem Gesicht, das einem kalte Schauer über den Rücken jagte. Die Beweise der Staatsanwaltschaft waren anfangs noch sehr vage, verdichteten sich jedoch, je länger Pete verhört wurde. Er gab anfangs zu, das Mädchen gekannt zu haben, „aber nur vom Sehen“, versicherte er den Beamten. Die Schlinge zog sich enger und enger. Der Beweis war erbracht, als er weinend zusammenbrach und den Mord zugab. Die Verhandlung zog sich über vier Monate, da man die Leiche des Mädchens erst nach etwa 2 Monaten vollständig gefunden hatte und auch dann nur anhand des Kieferabdruckes bestimmen konnte, das es sich um die Vermisste handelte. Er sagte ihnen zwar, wo sie das Mädchen finden konnten, verschwieg aber, dass er sie in mehrere Stücke zerteilt hatte, verstreut auf eine Fläche von fast einer Meile! Das Urteil lautete 15 Jahre unbedingt. Die Verhandlung war eine einzige Farce, die Geschworenen hatten ihn schon verurteilt, noch bevor die Verhandlung begonnen hatte.
Die entscheidende Aussage kam jedoch von Troy. Er war der einzige der wusste, dass Pete an besagten Tag nicht zu Hause war, wie es seine Mutter bestätigt hatte.
Was hätte er tun sollen, wie seine Mutter lügen?
Nein, niemals, nicht einmal für seinen Bruder, schon gar nicht, wenn es um ein derart abartiges Verbrechen ging. Aber konnte man bei einem Tier, wie Pete es war, noch von Bruder sprechen? Troy überlegte wann die Verhandlung war.
*
„ Kann ich meine Frau sprechen?“. Tausend Gedanken sausten ihm durch den Kopf, er überlegte, ob er die Stimme schon mal gehört hatte, konnte sich jedoch nicht richtig konzentrieren. „Troy, ich bin es, Marie. Bitte tu, was er sagt, er ist verrückt, bitte hilf mir!!“ Mit einem leisen Knack war die Leitung tot.
Sein Kopf begann zu dröhnen. Es war lange her, dass er dieses Gefühl verspürt hatte, das letzte mal war es gewesen, da war er noch im Polizeidienst, kurz ehe, es fiel ihm auch heute noch schwer nur daran zu denken -
Ja, es war kurz, bevor es zu dieser Schiesserei kam und er aus Versehen den Jungen erschoss. Es hatte ihn nicht nur mitgenommen, weil es um einen Jungen ging, nein, es nahm ihn so sehr mit, weil er den Jungen kannte.
Jahrelang sah er das Bild des Jungen vor Augen, er war plötzlich da gewesen, Troy konnte nicht mehr ausweichen. Er konnte nur noch sehen, wie der Schädel des Jungen, von der Wucht der Kugel getroffen, zersprang. Wie ein Kreisel drehte sich der Junge um seine eigene Achse und schlug zu allem Übel auch noch mit seinem zerfetzten Kopf auf den Asphalt. Überall war Blut, das schlimmste aber war, das der Junge noch gelebt hatte. Langsam drehte er das was von seinem Kopf noch übrig war in Troy`s Richtung. Kehlige Laute kamen aus seinem Mund und blutiger Speichel floss ihm über das, was mal sein Kinn gewesen war. Troy wurde speiübel, aber er konnte sich nicht abwenden, irgendwie kam ihm der Junge bekannt vor, er konnte ihn aber nicht einordnen. In zuckenden Bewegungen flatterte sein Augenlied und eine einsame Träne kam hervor. Langsam sank er in sich zusammen. Als der Leichenwagen abgefahren war, saß Troy noch immer am Bordstein und wusste nicht, was er denken oder tun sollte. Er erhob sich wie in Trance und fuhr mit einem Kollegen aufs Revier. „Sidney Carter!“- „He, was meinst du damit?“. Sein Boss hatte den Namen ausgesprochen. „Sidney Carter, das war den Name des Jungen. 22, gutes Elternhaus. Kein Schwein weiß, welcher Teufel ihn geritten hat, das zu tun. Er arbeitete als Empfangsdiener in einem Hotel an der Küste“. Da durchfuhr es Troy, jetzt wusste er, warum ihm das Gesicht des Jungen so bekannt vorgekommen war. Er war der junge Mann, der sich im Hotel bei Troy und Mary verabschiedet hatte. Verdammt warum hatte er das gemacht!
Drei Jahre hatte er gebraucht, um diesen Vorfall zu verarbeiten. Jetzt, er wusste selbst nicht warum, war dieses Gefühl, das er damals gehabt hatte wieder da, und er sah wieder den Jungen vor sich liegen.
*
Langsam fuhr der Leichenwagen an die rückwärtige Rampe des Hospitales. Der Fahrer stieg aus und holte die fahrbare Bahre aus dem Keller mit der die Leichen in das Kühlhaus gebracht wurden. Der Lift fuhr langsam um eine zu große Erschütterung zu vermeiden. Es war schon einmal passiert, dass sich eine Leiche selbständig gemacht hatte, da der Lift zu schnell fuhr. Beim Anhalten war sie von der Bahre gerutscht und hatte sich, da die Leiche sehr stark verstümmelt war, auf dem Fußboden verteilt. Aufgrund dieses Vorfalles war der Lift langsamer gemacht worden, sodass er nunmehr fast 5 Minuten vom Keller ins Erdgeschoss brauchte. Die Bahre rollte mit einem leisen Quietschen aus dem Lift. `Wird zeit dass das verdammte Ding mal geschmiert wird` dachte sich der Fahrer. Er ging an die Rückseite des Leichenwagens, und lud die Leiche auf die Bahre. Langsam fuhr er in den Vorraum der an der rechten Seite eine kleine Tür hatte, die in den Sezierraum führte. `Das wird in diesem Fall nicht nötig sein, da keine besonderen Umstände vorliegen` das waren die Worte des Arztes gewesen, der die Leiche am Tatort untersuchte. Also rollte er die Bahre in Richtung des Fahrstuhles. Etwas war anders, denn er wusste genau, dass der Fahrstuhl nicht im Keller sein konnte. Er war allein und niemand konnte mit dem Lift hinab gefahren sein. Ohne sich weitere Gedanken zu machen, drückte er den Knopf und mit einem leisen knacken hörte er, wie der Lift nach oben kam. Die Zeit verging wie in einer Zeitlupenaufnahme und es schien schier endlos zu dauern, bis der Fahrstuhl da war. Leises Quietschen war zu hören, als sich die Türen öffneten, aber das war nicht das, was den Mann desorientierte. Da standen 2 Männer in weißen Mänteln und mit einer Gesichtsmaske im Lift. „Wir übernehmen das schon, Turner ( das war der Arzt, der die Untersuchung durchgeführt hatte) hat uns gebeten ihn zu übernehmen. „Das kann ich leider nicht machen, ich habe die Order die Leiche in den Keller und ins Kühlfach zu bringen. Es tut mir leid, aber da müssen Sie von Dr. Turner falsch informiert worden sein!“ Mit einem kurzen Kopfnicken erklärten sich die beiden Männer bereit, dies zuzulassen. Sie blieben im Lift stehen und warteten, bis der Mann mit der Bahre ebenfalls darin war. „In den Keller!!“ Diese Art der Aussprache lies dem Fahrer des Leichenwagens einen kalten Schauer über den Rücken laufen. Sie waren auf halbem Weg als sich einer der beiden Männer zu Wort meldete. „Tut mir leid, aber wir können nicht zulassen, dass du den Kerl einfrierst. Er wird noch gebraucht!“ Verdutzt sah der Fahrer die beiden Männer an. Gerade als er zu einer Frage ansetzen wollte, holte der größere der beiden eine Waffe, versehen mit einem Schalldämpfer heraus. Die Worte blieben ihm im Hals stecken. „Sie können ihn haben, OK? Aber bitte lassen sie mich gehen, ich habe eine Frau und 2 Kinder zu Haus. Bitte, bi…“ mehr konnte er nicht mehr sagen. Die Wucht der Kugel war so stark, dass dem Mann der gesamte Kopf von den Schultern gerissen wurde.
*
Drei Tage vergingen, als erneut das Telefon läutete. „Hallo Troy, hast du dir meinen Vorschlag überlegt?“
Er hatte sich die ganze Zeit überlegt, was er machen sagen, tun würde, aber alles war wie weggewischt.
„ Ich mache alles was sie sagen, aber verschonen Sie meine Frau, ich bitte Sie, nein ich flehe Sie an!“ Er konnte nicht glauben, dass er das gesagt hatte, dass er diesen Mistkerl auf Knien anflehte. Er kannte sich selbst nicht mehr, das konnte doch nicht er selbst sein?
„Das hört sich schon besser an. Dann hör jetzt mal ganz genau zu..“
Das Telefongespräch hatte nicht länger als zehn Minuten gedauert, aber Troy hatte fast vier Stunden gebraucht um alles in eine Reihenfolge zu bringen.
*
„ Wenn dein Alter genau das macht, was ich gesagt habe, kannst du morgen schon bei ihm sein.“ Das Gesicht des Mannes war aschfahl, beinahe so als wäre er gar nicht mehr am Leben. Ja, genau so stellte sich Marie eine Leiche vor, die schon sehr lang tot war. Die Haare waren zerzaust und hingen ihm wirr ins Gesicht, die Augen waren von einem tiefen Schwarz, so etwas hatte sie noch nie gesehen und eines der beiden Augen schien irgendwie fehl am Platz zu sein. Es war beinahe so, als hätte er sich das Auge aufgemalt, aber das konnte nicht sein. Es spiegelte sich in dem bisschen Licht, das in den Raum drang - ein Glasauge, das musste es sein und eine lange Narbe zog sich über die Seite des Gesichtes, in der er das Glasauge hatte. Der Gang, sie musste beinahe lachen, erinnerte an eine flügellahme Ente, der man beide Flügel gestutzt hatte. Wäre Sie sich nicht genau der Lage bewusst, in der sie war, hätte sie laut aufgelacht. Der Geruch in dem kleinen Raum war ungewöhnlich, es roch irgendwie nach Räucherstäbchen, oder so etwas in der Art. Es passte so gar nicht zum Raum selbst, der mehr eine Höhle, als ein Zimmer war. Überall lag alte Kleidung, die von den Mäusen, von denen es hier genug gab, zerfressen war.
*
`Meinen alten Boss umbringen`? Der Kerl muss wirklich wahnsinnig sein. Er und Murphy waren die besten Freunde. Ohne die Hilfe seines ehemaligen Vorgesetzten hätte Troy es nie geschafft, über die Sache mit dem Jungen hinwegzukommen.
Während er darüber nachdachte hörte er immer wieder die Stimme des Fremden im Ohr, „es muss morgen vormittag geschehen, er gibt eine Konferenz und seine Familie wird auch da sein. Aber nicht nur er. Es hängt von dir allein ab, wie du es planst und durchführst, denn sie werden auch da sein!!“
Wen der Fremde mit sie gemeint hatte, wusste Troy nur zu genau, eine Spezialeinheit, die für Polizei und Army gleichermaßen arbeitete und sie nannten sich selbst `die Bluthunde`: Allen voran war da ein Typ namens Elroy, der von seinen Begleitern nur >Beast< genannt wurde. Eine durchtrainierte Kampfmaschine, ein Schrank von einem Mann, der nur ein Ziel kannte – einen Auftrag durchzuführen, so schnell, sauber und zuverlässig wie möglich. Ob er dabei über Leichen gehen musste, war ihm egal, das Einzige, das zählte war, dass er dabei die Oberhand behielt.
Fünf lange Jahre war er in der Legion, bis er eines Tages das Anrecht bekam seine Maden, die mit ihm in der Legion kämpften, auszubilden. Seine Vorliebe war es seine Untergebenen in die Enge zu treiben, bis diese wie wilde Tiere begannen um sich zu schlagen.
Das machte ihn zu einer perfekten Waffe und zum meistgehassten Ausbilder.
Das ganze Team bestand aus fünf Männern, jeder mehr Killer als der andere, da waren neben Elroy: Burton ein ehemaliger Vietnamveteran, der vergessen hatte, dass der Krieg vorbei war, ein kleiner Pisser, der jedem die Schnauze polierte, egal, wer und wann. Huxton, ein Kampfflieger, der wegen schlechter Führung seine Lizenz zum Fliegen verloren hatte, aber bei Elroy die Lizenz zum töten bekommen hatte. Rogers, ebenfalls Ausbilder in der Legion, aber bei weitem nicht so brutal und gehasst wie Elroy und dann war da noch ein kleiner Chinese, den alle nur Ciau nannten, da niemand seinen richtigen Namen aussprechen konnte. Seine Spezialität war der Nahkampf, ohne Waffen ohne Gnade und was sie alle betraf – ohne Gewissen.
*
Troy kannte Beast nur zu gut. Sie waren gemeinsam bei den Seals, bevor Troy zur Polizei ging und Elroy seine Einheit übernahm. Er war gerade ein Jahr bei der Polizei, als er hörte, Elroy hätte seinem Vorgesetzten in einem Streit das Kampfmesser in die Rippen gejagt und beinahe getötet. Das einzige, das Troy wusste, war dass Elroy die Seals verlassen hatte und zur Legion ging. `Da passt er genau hin` hatte Troy bei sich gedacht. Für kurze Zeit waren sie sogar die besten Freunde, kaum zu glauben!
Seite an Seite kämpften sie für ihre sogenannte „Gerechtigkeit“.
„Ich werde für dich da sein, wann immer du mich brauchst.“ Elroy`s Worte fielen ihm wieder ein. Wann immer du mich brauchst, in diesem Augenblick klang es wie ein schlechter Scherz. Sein einstmals bester Freund würde ihm die Rübe runterschießen, wenn er genau das machte, was der Unbekannte verlangte.
*
Die Sonne kam ihm heißer als sonst vor, vielleicht aber nicht, weil er so nervös war, dass sogar das Niesen einer Maus eine Explosion in seinem Kopf war, sondern weil er sich die ganze Zeit über schon fragte, ob er es wirklich tun solle.
Er wartete schon seit zwei Stunden, er wusste, dass die Pressekonferenz erst um Elf zu Ende sein würde, konnte aber nicht rumsitzen und warten. Andauernd ging ihm der Gedanke durch den Kopf, was der Verrückte mit seiner Frau machen würde und warum zum Teufel kam ihm die Stimme so bekannt vor?
Dann, als er gerade in Gedanken versunken an seinen letzten Urlaub mit Marie dachte, war es so weit. Die Leute der Presse stürmten das Rathaus als wäre der Präsident selbst hier. Die Zeit verging viel zu langsam. Minuten wurden zu Stunden.
Er wäre beinahe eingeschlafen, als es so weit war.
Die Smith & Wesson war mit einem vollen Magazin, also 12 Schuss geladen, bis auf den letzten Schuss verbrauchte er sie alle.
Jeder Schuss war wie ein Donnerschlag in seinem Kopf, obwohl er einen Schalldämper benutzte.
Der erste Schuss war der schwerste, als er jedoch sah was Geschah, fühlte er sich wieder in die Zeit der Navy Seals zurückversetzt – Töten um jeden Preis!
Der Auflauf war riesig, denn die Schüsse, durch den Schalldämpfer nicht zu hören, wurden erst bemerkt, als Murphys Kopf wie eine überreife Melone zerplatzte.
Die Menge bekam im ersten Augenblick gar nicht mit, dass auch Murphys Frau und deren 4 Jahre alte Tochter zu Boden gingen. Überall Blut und Gehirnmasse, wohin man auch sah. Troy musste unwillkürlich an die Sache mit dem Jungen denken, mit dem einen Unterschied, das es diesmal kein Versehen war.
Es ging alles sehr schnell und zu einfach, wie es Troy schien.
Er verstaute die Waffe und alle 12 Hülsen mit einer Ruhe, von der er sich selbst fragte, wo er sie hernahm.
Der Jaguar stand im Schatten einer alten Eiche, nähe des Rathauses, es war also angenehm kühl, als er sich in den Wagen setzte.
Trotz der kühlen Luft rang er wie ein Erstickender nach Luft.
Nach einigen Minuten hatte sich seine Aufregung gelegt und er fuhr den Wagen langsam an.
*
„Jetzt müsste es eigentlich schon vorbei sein, wenn dein Alter nicht versagt hat.“ Die Stimme des Mannes schnitt wie ein Messer durch die Luft. Maries Atem ging stoßweise, so als wäre sie ein Hundertmeterläufer, der gerade die Ziellinie überschritten hat. Sie war ganz in Gedanken versunken, als im Fernseher, der Marke Sony, die Meldung kam, dass der Polizist Murphy samt Familie vor dem Rathaus getötet wurde. Ihre Augen wurden glasig, und Sie fing langsam in sich hineinzuweinen.
*
Er hatte die Stadt schon lang hinter sich gelassen, als er im Rückspiegel eine kleine Staubwolke sah, die ihn anfangs nicht so sehr beunruhigte. Die Unruhe wurde stärker, als sich aus der Staubwolke ein Wagen schälte, der so unscheinbar war, dass er es schon wieder nicht war. Ein schwarzer Geländewagen, dessen Marke schon durch seine kantige Bauweise erkennbar war. Ein Hummer der amerikanischen Marine. Er brauchte gar nicht lange zu Überlegen, wer es war, denn das war schon klar, als er den Wagen sah.
Der schwarze Wagen holte schnell auf und war bald nur noch 200 Meter entfernt. Die Front sah wie das übergroße Maul eines Ungeheuers aus. Vier Männer waren in dem Wagen, der jetzt den Abstand zu seinem Jaguar hielt.
So schnell wie er aufgetaucht war, war der Wagen auch wieder verschwunden. Er war nirgends zu sehen, keine Staubwolke, nichts.
Um sicher zu gehen, das er sich nicht getäuscht hatte, blieb er stehen und stieg aus um in die Runde zu sehen. Der Wagen war und blieb verschwunden.
Er legte sich flach auf den Boden und drückte sein Ohr dagegen, nichts war zu hören. Er stieg wieder in den Wagen und ließ ihn langsam anrollen.
Er fuhr direkt zu seinem Haus, da er damit rechnete, dass der Verrückte, der seine Frau hatte, anrufen würde.
Er fuhr den Wagen in die Garage und ließ per Fernsteuerung das Tor herunter. Kaum war er im Wohnzimmer, als das Telefon anschlug:
„Hat ja einwandfrei geklappt, oder?“ Die Stimme schien direkt aus dem Raum zu kommen. „ Was ist mit meiner Frau, geht es Ihr gut?“ Ein leises knacken am anderen Ende der Leitung und sie war tot. „Ja, es geht mir gut.“
Wie erstarrt blieb Troy stehen und sah seine Frau aus großen Augen an. “Geht es dir auch wirklich gut?“ Sie war aschfahl und torkelte etwas. Langsam sank Sie zu Boden, so als würde man einen Film in Zeitlupe abspielen. Troy trat auf sie zu, und in dem Augenblick als er sie in den Arm nehmen wollte, bekam er einen Schlag auf den Kopf.
*
Durch einen Schleier sah er seine Frau an. „ Was ist geschehen?“
„ Du musst schlecht geträumt haben, du hast die ganze Nacht unruhig geschlafen.“ „ Wo ist er, wo ist der Scheißkerl?“ „ Wer, wen meinst du?“ Sie sah ihn aus fragenden Augen an. “Der Scheißkerl, der mir, uns das eingebrockt hat.“ „ Ich weiß nicht was Du meinst.“ Jetzt bist du verrückt, dachte er bei sich. „ Da war doch dieser Verrückte, der dich entführt hatte und dann von mir verlangte, dass ich Murphy umbringen solle.“ „ Wovon sprichst du, Schatz. Murphy war gestern hier und du hast mit ihm auf seinen Sohn angestoßen, ein bisschen zu viel wie ich meine
“ Er verstand die Welt nicht mehr, was war mit dem Typ passiert? Er konnte doch nicht geträumt haben, oder? Ungläubig sah er sie an, darauf wartend, dass sich Ihr Gesicht verändern würde, er wusste nicht, was er erwartete, vielleicht, dass sie verschwand oder dass es der Typ war, aber nichts geschah.
Er wusste nicht genau, was los war, aber er konnte sich nur an seinen `Traum` erinnern. Er fasste sich an die Schläfen und spürte eine kleine Wölbung, die sehr schmerzte, als er sie berührte.
Nachdem er sich die Zähne geputzt und das Gesicht gewaschen hatte, setzte er sich an den Tisch und wollte gerade Kaffee einschenken, als es an der Tür läutete.
„ Lass nur Marie, ich geh schon.“
Ich kann das doch nicht alles geträumt haben. Tausend Gedanken schossen durch seinen Kopf, die Anrufe, das Flehen seiner Frau, die Schüsse die er auf Murphy abgefeuert hatte.
Das kann kein Traum gewesen sein. Bevor er die Tür öffnete, sah er noch in den Spiegel der Garderobe. `Oh Gott, du siehst aus, als wärst du ein Geist`. Er erschrak vor seinem eigenen Spiegelbild. Wieder schlug die Türglocke an. „Ja, ja, ich komme ja schon.“ Er öffnete die Tür und erstarrte zu Eis. In der Tür stand kein geringerer als – der Junge, verdammt es war der Junge, aber wie konnte er leben, er sah aus als wäre er gerade aus einer Kloake gestiegen und roch auch so. „Mister Malone, man soll einen Hotelbediensteten doch nicht belügen, oder? Ich wußte von Anfang an, dass sie ein verdammter Bulle sind, was glauben Sie wohl, wer versucht hat in Ihr Hotelzimmer einzubrechen?“. „Das kann nicht sein, ich habe doch gesehen, wie du gestorben bist. Ich habs doch gesehen!!“ „Du hast nur gesehen, was du sehen solltest.“ Eine tiefe Stimme hatte gesprochen. Hinter dem Jungen, na ja, er war ja kein Junge mehr, schälte sich ein Schatten aus der Tür. „Schön dich wieder zu sehen, Troy!“. Es klang, als würde er seinen Namen ausspucken. Der Schatten wurde deutlicher. „Ich habe dir doch gesagt, ich finde dich, egal in welchem Loch du dich verkriechst. Du hast mir die Karriere versaut und du hast mir das genommen, was mir mehr als alles andere auf der Welt bedeutet – komm her Mary, mein Schatz!“. Mit einem eisigen Grinsen auf den Lippen schmiegte sich Mary an ihm vorbei. „Du hast doch wohl nicht wirklich geglaubt, dass ich dich liebe, du mieser kleiner Versager?“. Ein schräges Lachen zog sich über ihr Gesicht und eine schallende Ohrfeige traf seine Wange. Es war nicht die Ohrfeige, die schmerzte. Was schmerzte war, das die Ohrfeige von Mary kam, die er so sehr geliebt hatte. Er wäre für sie durch die Hölle gegangen.„Was soll das, was ist hier los? Mary, sag mir, dass ich das nur träume. Ich würde doch alles für dich tun. Ich würde für dich durch die Hölle gehen“ – „keine Sorge, das wirst du!“. Jetzt wußte er, wer der Schatten in der Tür war – Elroy. „El, verdammt was soll das?“ Er wußte nicht mehr, was er glauben sollte. „Nenn mich nie wieder El !!!“ Er hob die Hand, als wolle er ihn schlagen, schnippte aber nur mit dem Finger. „Er gehört euch“ über Elroy`s Gesicht zog sich ein finsteres Lachen und dann waren sie da – die Bluthunde!!