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Cool war er

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08.07.2003
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Cool war er

Ich traf ihn an einem Sonntag im Park. Er war der Typ, den man heimlich aus den Augenwinkeln beobachtet: schulterlanges, dunkles Haar; groß und schlank; grobe, aber symmetrisch geschwungene Augenbrauen und einen leicht schlurfenden, aber unglaublich coolen Gang. Durch meine langen Ponyfransen beobachtete ich ihn, wie er betont lässig herumschlenderte, möglichst darauf bedacht, das bunte Treiben um sich herum zu ignorieren.
Ich saß im Gras, direkt neben dem Weg und hörte Pell Mell . Der Fokus des ganzen Parks lag unübersehbar auf ihm und aus den Wolken erklang unsere Musik.
Er blieb vor mir stehen, so schön und so cool. „Hey“, sagte er und ich war froh, dass seine Stimme weder zu hoch noch zu tief war, sondern genau in mein Bild passte. Wir lächelten uns an und er setzte sich neben mich, nicht zu weit weg, sondern so nah, dass sich unsere Knie berührten. Seine Augen lächelten müde aber freundlich. Mit einer geschmeidigen Bewegung zauberte er eine Zigarettenschachtel aus seiner schwarzen Cordhose und hielt sie mir fragend entgegen. Er rauchte Gauloises.
Als die Sonne unterging kam er mit zu mir. Er sprach nicht besonders viel und wir schwiegen mehr, als dass wir redeten, aber was er sagte war nicht dumm und klang lebendig. Seine Stimme war wie Butterbier und hallte noch lange nach, wenn er schon aufgehört hatte zu reden und mich nur noch mit diesem warmen Blick anlächelte.
Meine Wohnung schien ihm zu gefallen. Er lief von Foto zu Foto, natürlich langsam und wegsparend, cool eben. Ab und zu lachte er leise auf, zum Beispiel bei dem Foto von meinem Bruder und seiner Rattenfamilie. Er war gründlich, ließ nichts aus und ich nutzte die Zeit um uns die Lasagne von gestern aufzuwärmen. Plötzlich quiekte es aus dem Schlafzimmer und so quieken konnte nur Lino, mein geliebtes Meerschweinchen. Das Quieken wurde schriller. Ich öffnete die Tür zu dem Zimmer und mein erster Blick fiel auf den Käfig. Er war leer und die Klappe war offen. Das Quieken hatte aufgehört. Der Typ stand mir mit dem Rücken zugewandt am Fenster. „Er heisst Lino“, sagte ich. Er antwortete nichts, starrte nur in die Nacht. Ich ging einige Schritte auf ihn zu. Da drehte er sich um. Die Hände waren verschmiert von Blut und braunes Fell lag ihm zu Füßen. Seine Backen waren gefüllt und aus seinem Mund hing eins von Linos Beinchen. Er hatte verweinte Augen und starrte mich verzweifelt an.

 

hi bloom

Ich kann mich Existence nur anschließen, auch mir hat der groteske Schluss ausgesprochen gut gefallen.
Allerdings würde ich ihn anders interpretieren.
Ich hatte das Gefühl, dass die Geschichte am Schluss selbst einen Ausbruchversuch aus dem Alltagsgeschehen unternimmt.
Den Szenen, wo beschrieben wird, wie sich die beiden kennenlernen geht jede Romantik ab, alles ist sachlich und cool. Das bringst du mit deiner Sprache überzeugend rüber. Am Schluss wird dann die Protagonistin aus ihren niedlichen Vorstellungen gerissen.
Das warn jedenfalls meine Gedanken beim Lesen, in jedem Fall eine sehr gut geschriebene Geschichte, die vielleicht auch in "Seltsam" gepasst hätte.

Liebe Grüße
wolkenkind

 

ja, ich glaube die Erklärung Wolkenkinds kommt der Sache schon recht nah. Es ging mir vor allem um das Unerwartete, das schließlich in allem und jedem steckt. Vielleicht nicht immer in solchen Ausmaßen, aber es ist ohne Frage da.
Vielen Dank für die pos. Kritik!
bloom

 

Hallo bloom,
deine Geschichte ist schön geschrieben und flüßig zu lesen. Du fesselst den Leser vom ersten Satz an.

Das Ende ist ziemlich plötzlich finde, es fehlt fast eine Art Erklärung. Und Wolkenkind hat Recht, die Storie wäre fast besser in der Rubrik "seltsam" aufgehoben.

Ich mag gar nit darüber nachdenken, warum der Typ das gemacht hat, obwohl mir glaube ich, auch keine Erklärung einfallen würde.

Zusammengefasst:
gruselig schöne Storie.

Steffi

 

Hmmm... ein Verrückter, ein Vampir, ein ausgehungerter Diätbesessener der nicht erwarten konnte daß die verdammte Lasagne endlich heiss wird... ;-)
Fragen über Fragen, herrlich so ein kurioses Ende.
Genial "Alltag" gewählt...

 

Also ich weiß ja nicht,
bäääh, mir ist richtig übel geworden, nach dem Schluss, vorallem, da ich gerade gegessen hatte.
Der Schluss kam plötzlich, aber heftig.
Wirklich seltsame Geschichte,
toller, eigentlich eher ruhiger Stil.
Gruß
WibiB

 

Hi Bloom,

ich schließe mich an - ohne etwas neues sagen zu können. Ja, dein schreibstil ist sehr schön.. das ende schockiert, aber es wirkt eben, ohne, dass man dir vorwerfen kann, eine Erklärung schuldig zu bleiben.

Prima Einstand auf Kg.de..

viele grüße, streicher

 

Und noch ein Lob...
Ich finde die Geschichte auch sehr gut geschrieben und die Pointe gut eingesetzt. Gerade, weil die Geschichte so kurz ist, wirkt das krasse Ende, und wie man sieht lässt es ja viel Spielraum für Spekulationen.
Es könnte ja sein, dass der arme Typ dazu gezwungen wurde als Vegetarier zu leben, und als er nun das Meerschweinchen sieht, bekommt er Appetit...
Oder aber er ist in einer Familie aufgewachsen, in der das Essen roher Tiere schlichtweg normal ist...
Mir gefällt die Geschichte jedenfalls.

 

Cool!

Für mich zeigt diese Geschichte, wie sich auch hinter abgeklärter Lässigkeit und erfreulichem Äußeren eine verstörte, kranke (nicht abwertend gemeint) Persönlichkeit verbergen kann. Besonders gut gefällt mir, dass du nicht direkt mit dem Schock selbst aufhörst, sondern auch noch die verweinten Augen, die Verzweiflung erwähnst.

fg
Nurso

 

Moin, bloom.

Gelungene Geschichte, die alles hat. Deine Protagonistin ist so auf das Coolsein fixiert und dabei so erschreckend gleichgültig, daß ich fast meine, der Tod ihres Meerschweinchens wird ihr den Jungen nicht unsympathisch machen. Er ist so cool und ißt Meerschweinchen - yeah! Außerdem ist er doch so verzweifelt. Irgendwie sehe ich sie den Burschen trösten, es schüttelt mich!

Danke für die toll geschriebene, ungewöhnliche Geschichte.

Liebe Grüße

 

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