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Cool war er
Ich traf ihn an einem Sonntag im Park. Er war der Typ, den man heimlich aus den Augenwinkeln beobachtet: schulterlanges, dunkles Haar; groß und schlank; grobe, aber symmetrisch geschwungene Augenbrauen und einen leicht schlurfenden, aber unglaublich coolen Gang. Durch meine langen Ponyfransen beobachtete ich ihn, wie er betont lässig herumschlenderte, möglichst darauf bedacht, das bunte Treiben um sich herum zu ignorieren.
Ich saß im Gras, direkt neben dem Weg und hörte Pell Mell . Der Fokus des ganzen Parks lag unübersehbar auf ihm und aus den Wolken erklang unsere Musik.
Er blieb vor mir stehen, so schön und so cool. „Hey“, sagte er und ich war froh, dass seine Stimme weder zu hoch noch zu tief war, sondern genau in mein Bild passte. Wir lächelten uns an und er setzte sich neben mich, nicht zu weit weg, sondern so nah, dass sich unsere Knie berührten. Seine Augen lächelten müde aber freundlich. Mit einer geschmeidigen Bewegung zauberte er eine Zigarettenschachtel aus seiner schwarzen Cordhose und hielt sie mir fragend entgegen. Er rauchte Gauloises.
Als die Sonne unterging kam er mit zu mir. Er sprach nicht besonders viel und wir schwiegen mehr, als dass wir redeten, aber was er sagte war nicht dumm und klang lebendig. Seine Stimme war wie Butterbier und hallte noch lange nach, wenn er schon aufgehört hatte zu reden und mich nur noch mit diesem warmen Blick anlächelte.
Meine Wohnung schien ihm zu gefallen. Er lief von Foto zu Foto, natürlich langsam und wegsparend, cool eben. Ab und zu lachte er leise auf, zum Beispiel bei dem Foto von meinem Bruder und seiner Rattenfamilie. Er war gründlich, ließ nichts aus und ich nutzte die Zeit um uns die Lasagne von gestern aufzuwärmen. Plötzlich quiekte es aus dem Schlafzimmer und so quieken konnte nur Lino, mein geliebtes Meerschweinchen. Das Quieken wurde schriller. Ich öffnete die Tür zu dem Zimmer und mein erster Blick fiel auf den Käfig. Er war leer und die Klappe war offen. Das Quieken hatte aufgehört. Der Typ stand mir mit dem Rücken zugewandt am Fenster. „Er heisst Lino“, sagte ich. Er antwortete nichts, starrte nur in die Nacht. Ich ging einige Schritte auf ihn zu. Da drehte er sich um. Die Hände waren verschmiert von Blut und braunes Fell lag ihm zu Füßen. Seine Backen waren gefüllt und aus seinem Mund hing eins von Linos Beinchen. Er hatte verweinte Augen und starrte mich verzweifelt an.