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Circus

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07.12.2014
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Circus

>> Eintritt << ragt es über die ausgetretenen Pfade Richtung Einlass.
Es ist ein ganz und gar klägliches Bild; teure Karten, teure Kulisse, aber durch und durch billige Schauspielerei. Wir waren enttäuscht, es war, ist und vermutlich bleibt es eine Farce - dieser jährliche Besuch.
Schausteller umringten die Besucher, es sollte vermutlich anders sein, doch waltet das Chaos, wo es will.
Ich hatte so einen sandigen Geschmack im Mund, irgendetwas verklebte meinen Gaumen. Ich las eine drittklassige Biografie über James Dean und trank das allabendliche Hefeweizen – 2,50€ für 0,5 ml.
Der kleine, quengelige, nicht ganz 55 Jahre alte Paul hatte großes Vergnügen, während er sich sein alkoholfreies Bier zu Gemüte führte. Er war doch nicht 55, eher 5-6. Gänzlich ausgewachsen, in blauem Leinenhemd gekleidet, mit brauner Cordhose, eine auf seine Größe Zugeschnittene – selbstverständlich, grüne Lackschuhe Größe 32 und quietschbuntem Basecap mit der Aufschrift ^^Circus Gonzala^^ gekleidet; er hatte sich offensichtlich selbst angezogen.


„Will Elefanten“ sagte er mit zittriger, aber von Entschlossenheit durchdrungener Stimme.
„Du willst die Elefanten sehen, Paul?“ erwiderte ich; zugegeben in einer selbstgefälligen Pose, zwangsläufig von oben herab.
„Will Elefanten“ sagte er erneut, lauter, energischer, erwartungsvoller.
„Gut, wir sehen uns die Elefanten an, Großer.“ war meine Antwort und wiederholt fiel mir meine Hochnäsigkeit auf. Großer sage ich, er ist älter als ich.


Verdammte Dickhäuter! - fressen, saufen, pennen. Tiere in einem Käfig, nun also mal wieder Tiere in einem Käfig. Ich hasse das. Keine Ablehnung, kein Aufbegehren, manifestierte, verfestigte Verachtung. Ich rieche diesen, die Nase nicht nur streichelnden, sie schlagenden, Kotgeruch und verteufle das alles.

Ist Elefantenleder teuer? Es würde farblich perfekt zu Paul´s changierendem Leinenhemd passen – als Schuh oder Tasche selbstverständlich.

„Unverkennbar Paul, der Babyelefant scheint dich zu mögen. Willst du dich auf den Großen setzen?“ scherzte ich, die mangelnde Weitsicht Paul`s ignorierend.
„Elefant reiten! Elefant!“ schrie er hervor, er hatte wohl einen Bericht über Indien gesehen, da waren diese grauen Giganten probate Transportmittel.
Bei meiner Erklärung, dass das nicht gehen würde, fing er an zu weinen; ich kaufte ihm ein weiteres alkoholfreies Bier; er war wieder glücklich.
„Katzen fangen! Katze, Katze.“, er meinte die dressierten Hunde.
Er hat sich in die Hose uriniert, er ist halt so. Ich habe ihm ja die zweite Flasche gekauft, nur damit er ruhig sein soll – pädagogisch wertvoll...



>>Ausgang<<

 
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Dein Text, Fabian, strotzt vor Sprachwitz und, ja, ich nenn‘s mal Eloquenz, und du der Autor scheinst mir ein gehöriges Maß an Fantasie und Fabulierlust zu besitzen, allerbeste Voraussetzungen sozusagen fürs Geschichtenschreiben. Allein, mir fehlt momentan (nach viermaligem Lesen deiner Geschichte) vollkommen der Durchblick. Ich check‘s ums Verrecken nicht, wer da jetzt wo mit wem warum zugange ist. Nein, ganz so schlimm ist es auch nicht, das Wo scheint mir klar: ein Zirkus, was sonst. (Steht ja überdies im Titel.) Aber darüber hinaus steh ich echt daneben. Ein Vater mit seinem Sohn? Nein, kann nicht sein, weil der Vater ja nicht jünger als der Sohn sein kann. Und welcher erwachsene Mann trinkt schon Bier in homöopathischer

0,5 ml
Verabreichung?

Zum ständigen Tempuswechsel zwischen Präsens und Präteritum getraue ich mich eigentlich gar nichts zu sagen, einfach deshalb, weil ich befürchte, dass nach der nicht gerade homöopathischen Dosis von vier Bier möglicherweise ich selber daran schuld bin, diese grammatische Extravaganz nicht als von dir bewusst eingesetztes Stilmittel erkennen und entsprechend würdigen zu können.

Ein seltsamer, interessanter, nicht unwitziger und zum darüber nachdenken und grinsen allemal geeigneter Text. Ein erfrischendes Debüt sozusagen. Ob's eine taugliche Geschichte ist, mögen Berufenere als ich beurteilen.

Willkommen hier, Fabian.

offshore

 
Zuletzt bearbeitet:

Herrlich, ich springe im Dreieck und kann mir mein Grinsen nicht verkneifen. Sowohl wurde ich auf einen Fehler hingewiesen, als auch auf eine undurchsichtige Art gerühmt. Zuallererst ein Eingeständnis: So ist die 0,5ml ein Fehler, ein ganz und gar grober Fehler. Es ist schon ein halber Liter gemeint.

Wir waren enttäuscht, es war, ist und vermutlich bleibt es eine Farce - dieser jährliche Besuch.

Eine Inkonsistenz und eine darauf folgende Inkonsequenz in Bezug auf die Zeit war gewollt. Es ist eine sich wiederholende Prozedur und daher ist Zeit in diesem Kontext relativ, zumindest war das eines der maßgeblichen Motive.
Den wahren Charakter der Akteure hatte ich absichtlich verschleiert, aber in der Nachbesprechung (als was ich das hier sehe) kann man es ja beleuchten. Es ist ein Betreuer/Erzieher/Heilerziehungspfleger mit einem Menschen der an Trisomie 21 leidet. Daher das Alter von 55, aber das wahre Alter 5-6 was hier das geistige Alter darstellt.

Es war auch ein sehr schnell hingeschriebenes Textchen, die Tage versuche ich einmal etwas "runderes" abzutippen.

Ihr Kommentar ist wie eingangs erwähnt sehr undurchsichtig. Es ist mir nicht erkennbar, ob es zynisch ist oder aber sehr ehrlich. Wie auch immer, es hat mich dazu bewogen, aufzustehen und diesen Kommentar zu schreiben, desweiteren hat es mich sehr erfreut, eben weil es so zweischneidig scheint.

Vielen Dank für diese herzliche Begrüßung.

 

Fabian93 schrieb:
Ihr Kommentar ist wie eingangs erwähnt sehr undurchsichtig. Es ist mir nicht erkennbar ob es zynisch ist oder aber sehr ehrlich.
Mein Zynismus ist mir heilig, Fabian, den hebe ich mir für ganz besondere Anlässe auf. Dieser Kommentar hier ist einfach nur ehrlich.

Und das:

offshore schrieb:
Dein Text, Fabian, strotzt vor Sprachwitz und, ja, ich nenn‘s mal Eloquenz, und du der Autor scheinst mir ein gehöriges Maß an Fantasie und Fabulierlust zu besitzen, allerbeste Voraussetzungen sozusagen fürs Geschichtenschreiben.
[...]
Ein seltsamer, interessanter, nicht unwitziger und zum darüber nachdenken und grinsen allemal geeigneter Text.
solltest du sozusagen als die Essenz meines Kommentares verstehen. Und überdies werde ich dir vermutlich morgen noch mehr zu deinem Text sagen.

offshore

(Und im Übrigen sind wir hier im Forum alle per Du.)

 
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Hallo Fabian93,
ich habe beim Lesen den Witz gefühlt, habe es aber anders gedeutet, als du es jetzt erläuterst. Auf einen Betreuer und dessen Trisomanhängsel bin ich nicht gekommen. Ich dachte es wären zwei seltsame Freunde: ein Normaler und ein Liliputaner als Clown. Liliputaner, wegen der Schuhgrösse 32. Liliputaner (nach der Insel Liliput in Gullivers Reisen) ist der Spitzname für Menschen, die während Kindheit und Jugend die nötige Menge an Wachstumshormon nicht selbst produzieren können. Sie bleiben klein, werden aber erwachsen. Warum der wie ein Kind spricht, ist mir jetzt klar: ein Liliputaner mit Trisomie 21.
Die ansonsten gesunden Liliputaner sind früher häufig im Circus aufgetreten, was mich in meiner Hypothese bestärkt hat. Heute bekommen sie rekombinantes Wachstumshormon und entwickeln sich normal. So sind sie selten geworden.
Es gefällt mir, wie dein normaler Protagonist die Elefanten riecht.
Und der Kommentar ist genauso schnell hingeschmiert.

„Will Elefanten“[Komma] sagte er mit zittriger
Kommas fehlen weiter unten auch noch.
„Katzen fangen! Katze, Katze.“,[Komma weg] er [Er] meinte die dressierten Hunde.
Nicht ungern gelesen.
Viele Grüsse Fugu

 

Hallo Fabian 93,
mit dem Wissen um die Krankheit sehe ich wenig Witziges, vielmehr scheint mir das Tagikomische gut dargestellt. Eintritt - Ausgang:

Es ist ein ganz und gar klägliches Bild; teure Karten, teure Kulisse, aber durch und durch billige Schauspielerei. Wir waren enttäuscht, es war, ist und vermutlich bleibt es eine Farce - dieser jährliche Besuch.
Hier ereichst du die Dimension einer Lebensauffassung, die bei Kafka auf der Galerie gemacht wird.
Warum gehen die beiden Biertrinker hin?
Rituale entlasten. Rituale enttäuschen auch wieder, weil sie oft das Versprochene nicht halten können.
Das Bier als Trost - das beendet den Besuch.
Der Ausgang ist der Eingang, der tragikomische Teufelskreis rotiert.
Eine schöne Parabel (nicht ganz) auf das Leben ist dir spontan gelungen.
Fröhlichst Wilhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hola Fabian 93,
ein undurchschaubarer C/Zirkusbesuch verleitet zu komplizierten Spekulationen. Du kannst Dir ein Grinsen nicht verkneifen. Klarer Fall.
Es ist mir unverständlich, wie ich als Nichteingeweihter mit dieser arg gerafften KG zurechtkommen soll.
Dann kommt von Dir die nachgeschobene Erklärung - und ich erfahre, dass es sich um ein schnell hingeschriebenes Textchen handelt. Bei diesem Thema!
Dabei muss das gar nichts Tragisches werden, aber etwas Rücksicht auf den Leser wäre schon wünschenswert. Denn ich lande mit gefurchter Stirn beim letzten Wort und verstehe Bahnhof.
Leicht frustrierend ist das.
Du sagst: "...weil es so zweischneidig scheint." Demnach war das nicht beabsichtigt. Aber es gibt ja diese Zufälle. Und in den Kommentaren geht's von der Insel Liliput zu Kafka - da brat' mir doch einer einen Storch!
Mir fehlt offensichtlich der Durchblick.
Hingegen ist mir gleich aufgefallen, dass der Preis für die Halbe Bier schon frech kalkuliert ist - immerhin 2.500.00 Euro! Da kann man ja höchstens eine trinken.
Aber wir werden uns dem Glühwein widmen.
Schöne Grüße!
Joséfelipe

 

Werter Fugusan,

danke für deine Kritik. Im speziellen danke ich dir sehr für den Hinweis auf Grammatikschnitzer!
Zu deiner Liliputaner Interpretation muss ich sagen, dass es soweit schlüssig wäre, jedoch raubt der letzte Satz mit - " pädagogisch wertvoll " dem ganzen die Basis, aber ich gestehe, die Liliputaner waren auch maßgeblich an der Themenfindung beteiligt. Letztens hatte ich die exzellente Verfilmung von Günther Grass´s Blechtrommel gesehen und da gab es eine Szene auf einem Circus, wo auch Liliputaner (bzw. andere nicht Weiterwachsen-Wollende ) zugegen waren.


Hallo Wilhelm Berliner,

ich meide es generell, etwas zu meinem Schreiben zu sagen, es soll jedem als ein Geschenk dastehen, als ein Gedanke der im besten Fall einen Waldbrand auslöst. Daher freut es mich umso mehr, dass eine kleine Erklärung der Darstellungsebene dir weitere Nuancen in der Interpretation ermöglicht.
Der Aufbau war auf Anfang und Ende ausgelegt und alles sollte sich in einer kurzen, zeitlosen und kryptischen Handlung abspielen. Das generische war hier als Stilmittel gedacht, auch sollte eine Distanz zwischen beiden Akteuren klar erkennbar sein, trotz der emotionalen Verbundenheit.
Zugegeben, etwas zu ambitioniert für wenig Text.


Bei solch engagierter Leserschaft freue ich mich schon, wenn ich etwas verkopftere Projekte einstelle.

Hallo josefelipe,

ich grinse sicherlich nicht über die entstandene Spekulation, vielmehr über die Beschäftigung mit meinem Erzeugnis, was will ein Schreiberling mehr.

Bei dem Begriff der "Zweischneidigkeit" bezog ich mich hingegen auf das Kommentar von ernst, was er im Folgenden ja klärte.

Auch bei dir freue ich mich sehr, dass du dich mit dem Geschriebenen so intensiv auseinander setzt, aber die Hilflosigkeit des Lesers nehme ich bereitwillig hin, denn der Leser darf alles draus machen. Die Metaphorik mit dem Geschenk ist mir etwas sehr ernstes.

Ich danke noch einmal ausdrücklich für die Kommentare.

 

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