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Ciao bella!
„Jetzt kann ich’s.“
„Was?“
„Na, das Küssen.“
Durch die Dunkelheit kann ich Leas triumphierendes Grinsen nicht wirklich erkennen, jedoch weiß ich genau, dass genau dieses sich in jenem Moment auf ihrem Gesicht breit macht.
„Wurde ja auch Zeit…“, meinte ich und sah meine 15-jährige Freundin an, die mich bei diesen Worten mit Sicherheit umbringen würde, hätte Danio, der inzwischen betrunken und schlafend am Boden liegt, sie nicht abgefüllt. Sie lacht und bohrt mit ihren Fingern in den Sand, schüttelt den Kopf und meint nur: „Du hast ja schon Erfahrung, vielleicht hättest du zuerst mit mir üben müssen, dann hätte ich mich jetzt nicht so blöd angestellt am Anfang“
„Wäre aber schon irgendwie seltsam gewesen.“
„Wieso?“
„Ist das nicht ein wenig lesbisch?“
„Naja, wäre schlimmer wenn wir Jungs wären.“
Als sich unsere Blicke treffen, beginnen wir zu lachen. Kokoslachen. Oh mein Gott, ich liebe dieses Kokoszeugs. „Luca, schmeiß noch mal die Malibuflasche rüber!“ Er unterbricht das Gespräch mit den anderen, den Deutschen, den Österreichern und den Italienern, die alle am Lagerfeuer sitzen, und lächelt mich an. Ein italienisches Lächeln bei dem ich dahin schmelze. Ich möchte auch so etwas. Ein Kuss am Strand von einem Italiener.
Die Flasche trifft mich am Kopf. Er nahm es ein wenig zu wörtlich. „Scheiße“, Lea nimmt meinen Kopf auf ihren Schoß. Ich kann nicht aufhören zu lachen während etwas Warmes meine Schläfe hinab rinnt. Metallener Salzgeruch, beißend, es ist der drückende Geruch von Blut. Meine Finger tasten die wunde Stelle ab und als ich meine roten Finger betrachte, kann ich nicht aufhören zu kichern. „Luca?“ Er sitzt nun auch neben mir, wie die ganzen anderen, die mir anfangs gar nicht aufgefallen sind. „Schau! Nur wegen dir!“ Ich halte ihm meine Finger vor die Nase und schreie plötzlich: „Scheiße, mein Kopf rinnt aus!“ Er grinst, greift sich aber mit der Hand an den Hinterkopf und rauft sich unsicher die Haare, weicht meinem Blick aus. Tomaso zieht eine Augenbraue hoch und lässt ein unangebrachtes Kichern los. „Es ist nur eine kleine Wunde, aber es blutet wie sau“, meint Lea und versucht mich zu beruhigen, da mir auf einmal unkontrollierte Tränen über die Wangen laufen. „Ich denke es ist besser, wenn wir zum Campingplatz zurückgehen“, meint Lea. „Los, los, komm wir gehen!“ Sie springt auf, nur um gleich darauf wieder hinzufallen, da sie der Schwindel übermannt. „Ich begleite euch besser“, bietet Alina, eine der Deutschen, sich an. Wir legen ihr beide einen Arm über die Schultern und lassen uns von ihr stützen. „Meine Fresse, nächstes Mal sauft ihr euch aber bitte nicht so zu.“
Es ist heiß, glühend heiß. Ich setze mir eine Kappe auf, stürze auf wackeligen Beinen aus dem Zelt und blinzle wegen der Sonne. Lea sitzt am Frühstückstisch und wollte sich gerade das letzte Brötchen nehmen, als sie mich sieht. Ich setze mich zu ihr. „Morgen.“ Anscheinend klebt mein Blick gierig an dem Brötchen, so dass sie sich dazu entscheidet es mir zu überlassen. Sorgfältig bestreiche ich es mit Nutella, gebe zu etwas Kakaopulver kalte Milch hinzu und nippe dann an meinem Becher.
„Oh mein Gott, ich will noch so welche“, sie lächelt verträumt.
„Ich hab’s mir jetzt eh anders überlegt du kannst meins haben“, sage ich und blicke auf das unberührte Nutellabrot auf meinem Teller.
„Den mag ich aber nicht.“
„Ja klar, ich mag männliche Nutellabrote auch nicht“, ich verdrehe die Augen. „Nutellabrot ist sachlich.“
„Wer redet von Nutellabroten? Ich meine die Italiener.“
Als ich ihr ins Gesicht sehe können wir uns vor Lachen kaum mehr halten, was mein Kopfweh, das der morgendliche Kater mit sich bringt, nicht gerade verbessert. Lea hingegen spürt die Nachwirkungen der gestrigen Nacht kaum mehr uns sie beschließt zum Pool zu unseren neuen Freunden zu gehen, während ich, wie sie meint, mich ausruhen sollte. Als sie weg ist, versuche ich draußen auf einer Picknickdecke zu schlafen, doch es will einfach nicht funktionieren. Also beschließe ich mir die Zähne zu putzen und anschließend duschen zu gehen.
Im Waschraum vor dem Spiegel nehme ich meine Kappe ab, um mein Gedicht ganz sehen zu können. Ich erschrecke, als ich die Wunde an meiner Schläfe sehe. Ich hatte sie völlig vergessen. Sie war etwas blau und lila außen rum um die Kruste, doch es war nicht weiter schlimm. Unter der Dusche lasse ich das kühle Wasser meinen Körper hinab laufen und versuche die Nacht zuvor wegzuwaschen, um frisch in den neuen Tag starten zu können.
Ich werde Luca küssen. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber ich werde ihn küssen. Wieso eigentlich genau ihn? Wenn ich so darüber nachdenke ist es mir plötzlich egal wer es ist. Ich möchte nur einen Kuss am Strand, nur ein kleines Erlebnis. Nur einmal italienische Lippen spüren.
Ich nehme das Handtuch vom Haken und schlinge es mir um den Körper. Inzwischen ist eine junge Frau in den Waschraum gekommen. Sie steht am Waschbecken und pudert ihr Gesicht. „Vielleicht pudert sie sich auch die letzte Nacht weg“, überlege ich und schlendere zurück. Es geht mir besser, viel besser. Ich bin fit genug für den Pool. Rasch ziehe ich mir im Zelt meinen Bikini an. Es wäre mir auch nichts anderes übrig geblieben, wollte ich nicht an einem Hitzeschlag zu Grunde gehen. Frohlockend mache ich mich auf den Weg, hindurch zwischen Bungalows und Zeltplätzen. Nur noch am Spielplatz vorbei und dann bin ich schon da. Lächelnd gehe ich auf sie zu, meine Clique, meine neuen Freunde. Luca nimmt die Sonnenbrille ab, als er mich erblickt und ruft: „Ciao Bella!“ Ich lache, verzeihe ihm sofort die Aktion von gestern und erhoffe einen Kuss am Strand, der wenn ich ihm in seine Augen sehe, gar nicht mehr so unmöglich zu sein scheint.