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Christrosen

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22.11.2013
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Christrosen

Christrosen

„Es wird durchgeblüht!“, donnerte vor vielen Jahren der Staudenzüchter Karl Förster mit Worten, die wie ein Befehl an die Natur klangen.
Niklas legt seine Gartenschere beiseite, greift zur kurzen Hacke und lockert ein wenig den Boden zwischen den kleinen Hortensien.
Er hat oft über diesen Satz nachgedacht. Weshalb soll durchgeblüht werden? Was meinte Förster? Der Mann war nicht so starrköpfig zu glauben, dass die Natur Befehle entgegen nimmt. Blüten haben ihre Zeit. Sie beginnt mit den Schneeglöckchen und endet bei den späten Astern. Im Spätherbst ist Schluss mit der Blütenpracht. Danach kommt die Kälte, fällt der Schnee, friert die Flora ein.
Im Normalfall ist das so, denkt Niklas, freut sich einen Moment, lehnt seine Hacke hinter den großen Stein und greift zur Gießkanne.
Wenn er an das Motto des Staudenzüchters denkt, muss er lächeln.
Nein, denkt er, Förster war nicht so vermessen zu glauben, die Natur würde sich dem Menschen unterordnen. Dieser Anspruch ist reines Wunschdenken. Jedes Ding hat seine Zeit, es kommt, es geht, etwas Neues erscheint und verschwindet auch wieder. Förster wollte wahrscheinlich nur ein wenig Härte aus der Natur nehmen, diesen ständigen Wechsel aus Abbruch und Neubeginn mildern. Er wollte Übergänge schaffen, ein Stück Gleichmäßigkeit und Kontinuität in das Leben schütten. Blüten sind Leben, sie sind ein Zeichen im Winter. Immer muss etwas blühen, immer muss ein Stück Leben in die Welt scheinen. Das war Försters Sache und es ist auch die Sache von Niklas und Petra geworden. Sie hatten damals beschlossen, die Idee des alten Gärtners aufzunehmen und auf ihrer kleinen Parzelle umzusetzen.
Vom Frühlingsbeginn bis kurz vor dem Winter ist ein blühender Garten kein Problem. Erst im Herbst wird es spannend. Niklas und Petra hatten überlegt, welche Pflanzen auf die letzten Rosen und die späten Herbstastern folgen sollten. Hier gab es einige Möglichkeiten, doch viele davon, wie die Zaubernuss, der Seidelbast oder der Winterjasmin erwiesen sich als unsichere Kandidaten. Niklas entschied sich für einen echten und sicheren Winterblüher. Wenn die anderen Pflanzen Allüren bekamen, half die Christrose mit ihren weißen, porzellanartigen Blüten.
Sie leuchtet zuverlässig im Winter.
Niklas trinkt einen Schluck Mineralwasser, setzt sich auf die Bank und lässt seine Gedanken frei.
Er sieht ab und an hinüber zu den Spaziergängern, die an der Parzelle vorüber gehen. Sie haben ihre Ziele, betrachten den kleinen Garten oft und gespannt vom Weg aus. Nur wenn sie sich unbeobachtet fühlen, treten sie näher und freuen sich an den Pflanzen. Sie erkennen die spielerische Leichtigkeit der kleinen Anlage, freuen sich am Farbspiel der Blüten und fühlen eine besondere Ausstrahlung, eine Art freundliche und unaufdringliche Stimmung.
Die kleine Parzelle von Niklas und Petra ist stadtbekannt. Wenn Niklas am Garten arbeitet, freut er sich über Besuch, über Menschen, die ihn zu den Pflanzen fragen, mit ihm ein wenig fachsimpeln. Meist aber betrachten ihn die Leute nur aus der Ferne, halten unaufdringlichen Abstand.
Niklas und Petra haben eine ganz klare Arbeitsteilung. Niklas ist zuständig für die Pflege. Er trägt die Stauden herbei, topft um, entfernt abgeblühte Pflanzen und schafft sie zur privaten Gärtnerei. Im Garten ihres Reihenhauses haben die beiden ein kleines Gewächshaus, überdachte Frühbeete und einen Wintergarten eingerichtet. Hier zieht Niklas die Stauden heran, hier finden die abgeblühten Pflanzen Ruhe und Kraft bis zur nächsten Blüte.
Petra hat den kreativen Part übernommen. Sie entwickelt die Ideen, sie inspiriert Niklas. Petra braucht nicht einmal etwas zu sagen, sie verstehen sich blind, wie Menschen, die füreinander gemacht sind und ihre Zeit auf der Welt gemeinsam durchwandern.
Etwa zwei Stunden täglich sind Niklas und Petra am Werk. Meist arbeiten sie am Nachmittag im kleinen Garten, nach Arbeitsschluss, wenn Niklas Feierabend hat.
Im Sommer sitzen sie oft auf der Bank, Niklas öffnet einen Wein, schaut auf die steinerne Skulptur, die wie ein Wächter in dem kleinen Garten steht.
Diesen Stein hat er allein ausgesucht, Petra hat ihn, wie sonst auch immer, dazu inspiriert. Eigentlich besteht die Skulptur aus zwei Steinen, die wie durch eine Brücke miteinander verbunden sind. Steine, Skulptur, Pflanzen und die Bank bilden eine Einheit. Alles passt zueinander, gehört zueinander, so wie Niklas zu Petra.
Bevor die Dunkelheit naht, zündet Niklas ein Teelicht an. Er besitzt einen umfangreichen Vorrat von diesen großen Lichtern, die eine ganze Nacht über brennen, denn in ihrem gemeinsamen Garten soll es nie dunkel sein. Dann schaut Niklas über die Anlage, verstaut sein Werkzeug hinter der Bank, verabschiedet sich von Petra und verlässt das Gelände, denn bei Anbruch der Dunkelheit werden die Friedhofstore verschlossen.

 

Hallo Svenson!

Haha genial! Hat mir sehr gut gefallen. Der Titel spricht an, klingt schön und ermuntert zum öffnen der Geschichte. Die Geschichte plätschert dann (scheins) so dahin und beim lesen dachte ich mir bald "okay, schön, die haben einen Garten, ist ja super, aber kommt jetzt noch was?" Bis zum letzten Satz dachte ich echt es käm nichts mehr und dann kam doch noch was und hat mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert. Danke sehr! :)

Bin leider im Stress, Korrektur lesen wird wohl jemand anderes übernehmen müssen, bin ich ohnehin nicht so gut drin, wenn nicht mach ich es morgen, ist mir aber soweit auch nichts aufgefallen.

LG
Marley

 

Hallo Svenson

Eigentlich ist es sehr spät, doch der bescheidene Titel Deiner kurzen Geschichte gab mir Anreiz sie zu lesen, bevor ich mich zur Ruhe begebe.

Sie ist unaufgeregt, zieht sich gradlinig hin und ist lieblich. Zwischendrin kam mir der meckernde Gedanke auf, es müsste da ein Konflikt hinein, eine Wende, die eintrifft, am Ende sollte es anders sein als zu Beginn. Ich ziehe mein Meckern zurück, mir ist es genügend, ja erfüllend, die Wende zeigt sich am Schluss.

Mich sprachen erst der Titel und dann die Geschichte auch deshalb an, da in meinem kleinen Hortus romānus (römischer Garten, so bezeichnet wegen der daselbst platzierten Skulpturen) derzeit auch die Christrosen blühen, umgeben von einer winterharten Sorte des blauen Enzians. Letztere ziehen ihre glockigen Blüten derzeit zwar zusammen, da es sehr kalt ist, doch wenn die Sonne sie erwärmt und die Temperatur ein paar Grad steigt, öffnen sie sich.

Noch eine Kleinigkeit:

Er sieht ab und an hinüber zu den Spaziergängern, die an der Parzelle vorüber gehen.

vorübergehen. Dies darfst Du in einem Wort schreiben.

Nun geh ich mit schönen Gedanken zur Ruhe. :)

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Svenson,
Schöne Geschichte.
Mir ging es ähnlich wie meinen Vor-Kommentatoren, ich wartete auf eine Wende, die im letzten Satz kam. Dann hab ich die Geschichte noch ein Mal mit diesem Wissen gelesen und ein paar Stellen bemerkt, die für mich dann nicht ganz stimmen.
Zu Beginn ist nicht ganz deutlich, ob er sich in dem Moment auf dem Friedhof fragt, was Förster gemeint hat, denn die Idee, die durch diesen inspsiriert wurde, ist ja längst umgesetzt. Das "was meinte er" hat sich Niklas schon vor der Umsetzung gedacht und verstanden. da wäre ein "was hatte er gemeint" statt "meinte" angebrachter...

Es ist ein sehr schöner Kunstgriff, wie du das "Petras Part ist Inspiration, ohne Worte" eingebaut hast. Aber für mich passt dann nicht, dass sie gemeinsam "auf der Bank sitzen".

Das Bild des "ein wenig Härte nehmen aus diesem ständigen Wechsel aus Abbruch und Neubeginn" durch das Pflegen, Erhalten des "Gartens" = Aufrechterhalten der Beziehung zwischen den beiden, ist durch die ganze Geschichte spürbar - wenn man das Ende kennt.
Davor, beim ersten Lesen, ist mir als Unkundiger, was Botanik betrifft, ein bisschen zu viel Fachgesimpel darin, da ich die Pflanzen nicht vor mir sehe nur durch Nennung ihres Namens.
Übrigens
"friert die Fauna ein"? Ist das nicht die Tierwelt? Die friert, aber nicht ein. Flora müsste es heißen, oder?

Hat mir aber trotzdem gefallen, und Fehler habe ich keine gefunden.
Schönen Gruß
Dea louise

 

Habe wie gesagt noch mal Korrektur gelesen, konnte aber nichts finden. Also entweder ich bin blind oder doof oder du bist einfach top in Rechtschreibung ;)

 

Hallo Marley,
danke für Deine Zeit, die Du meiner Geschichte gespendet hast. Mit Grammatik und Rechtschreibung kenne ich mich nicht aus. Durch viele Jahre Lesen und Schreiben habe ich ein Gefühl entwickelt, das mich zwar richtig schreiben lässt, doch Regeln habe ich als fauler Schüler nie gelernt. Wenn ich spüre, dass etwas falsch ist, stelle ich meinen Satz um.

Hallo Anakreon,
das Vorübergehen habe ich nicht gespürt, bedanke mich für Deinen Hinweis und mehr noch für den blauen Enzian, für den ich eine der resistenten Alpensorten wählen werde, die, halbsonnig im Steingarten, vielleicht nach Rückschnitt ein zweites Mal im Winter blüht. Mich freut, im Moment bedeutend mehr Platz als Niklas zu haben, so nehme ich diesen unsicheren Kandidaten gern in meinen nördlichen Garten auf.

Hallo Dea Louise,
es muss natürlich die Flora sein und ich habe es geändert.
Das Nachdenken von Niklas über Försters Motto muss ich, vom zeitlichen Zustand aus betrachtet, präziser beschreiben, danke.
Das gemeinsame Sitzen auf der Bank belasse ich, da sie weiter bei ihm ist, auch wenn die Welten trennen.
Danke für Deine Mühe mit meiner Geschichte, ich freue mich darüber.

 

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