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Serie Chrissy (3): Die Nachbarn des Judenhauses

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CoK

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24.08.2020
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Chrissy (3): Die Nachbarn des Judenhauses

In unseren ersten großen Ferien im Sommer 1966 saßen Birgit und ich im Garten und warteten auf Jutta.
Die beiden wohnten nebeneinander. Im Lattenzaun fehlte ein Brett, Jutta schlüpfte durch die Lücke. „Ich hab mein Gummi mitgebracht, wir können twisten.“
„Nein, erst spielen wir fangen.“ Birgit hüpfte nicht gerne. Sie nahm uns an die Hand und gemeinsam liefen wir durch den Garten auf die Dorfstraße. Sie war unser Kinderzimmer, es gab damals noch keinen Spielplatz oder Kindergarten.
In unserer Hofeinfahrt gegenüber sah ich Marie, meine um ein Jahr jüngere Schwester den Kinderwagen unserer Kleinsten schieben. Lotte, die vier Jahre alt war, spielte auf der Mauer Kaufhaus. Vor ihr stand ein Schuhkarton mit Löwenzahn, Kronkorken, kleinen Ästen und igitt, sogar mit Papas Zigarettenkippen gefüllt. Marie musste bei ihr einkaufen. Sie bezahlte mit Kieselsteinen.
Papa kam aus dem Haus, winkte mir zu. Er hatte Urlaub und ging wie jeden Tag zum Frühschoppen.
„Ich will auszählen“, Birgit fing an:
„Eine kleine Dickmadam
zog sich eine Hose an.
Die Hose krachte, Dickmadam lachte,
zog sie wieder aus und du bist raus.“
Ich fand es gemein, dass immer ich diejenige war, die übrig blieb. Eins, zwei, drei zählte ich und lief los. Jutta zu fangen brauchte ich nicht zu versuchen, sie war schneller als ich. Birgit war mollig und langsam, sie konnte ich einholen. „Du bist“, rief ich und tippte ihr dabei auf den Rücken. Sie drehte sich um und lief auf Jutta zu. Es war klar, dass die sich nach einer Weile fangen ließ, sie war schließlich Birgits beste Freundin. Bevor sie Jutta erreichte, hörten wir Frau Ackermann rufen: „Jutta, du musst auf Andreas aufpassen, ich möchte schnell zum Bäcker.“
„Och, menno, schon wieder“, murrte sie, „ich will doch noch twisten!“ Wie Rumpelstilzchen stampfte sie vor Wut und lief maulend nach Hause.
Wir setzten uns auf den Randstein des Gehwegs. „Der doofe Andreas, immer muss Jutta auf ihn achtgeben.“
„Bald sind die Sommerferien vorbei, dann sitzt Jutta neben mir und kann nicht mehr aufpassen.“
Warum wollte Birgit nicht neben mir sitzen, der Gedanke machte mich traurig.
Es knarrte und quietschte, das große Tor mit den schmiedeeisernen Beschlägen wurde geöffnet. Neugierig schauten wir zur Werkstatt hinüber. Unser Nachbar war der einzige Schmied, den es in der Umgebung gab. Er führte ein schwarzes Pferd ins Freie, es schien Durst zu haben, denn es trabte über die Pflastersteine zum Wassertrog. Der Schmied band die Zügel an Eisenringen fest, die an dem Steintrog hingen. Er schaute zu uns, mit dem Zeigefinger deutete er auf Birgit und winkte sie zu sich.
Den Mann konnte ich nicht leiden. Seine Frau mochte ich sehr gerne. Sie saß in einem Rollstuhl. Weil sie die große Eichentreppe nicht hinuntersteigen konnte, gingen Birgit und ich für sie einkaufen. Wenn Frau Precht etwas brauchte, öffnete sie ihr Fenster und rief eine von uns nach oben. Manchmal bekamen wir zehn Pfennig fürs Besorgen. Nach jedem Einkauf strich sie mir über den Kopf und lobte, was für ein fleißiges Mädchen ich doch sei.
Wenn ich zu ihr ging, stieg ich auf Zehenspitzen leise die knarzende Eichentreppe hinauf. Das Zimmer von Benno war neben der Treppe, und wenn er mich hörte, dann wollte er mich fangen. Aus seinem Mund lief Spucke und tropfte auf sein schmutziges Hemd. Benno war groß und stark. Er hatte schräge, dunkle Augen, sprechen konnte er nicht und brummte nur. Manchmal gelang es ihm, mich einzufangen, dann hielt er mich fest. Ich schrie immer laut um Hilfe. Wenn Frau Precht mich hörte, fuhr sie mit dem Rollstuhl an die Tür und rief: „Benno komm zu mir!“ Sobald er die Stimme seiner Mutter hörte, ließ er mich los. Stieg die Treppe hinauf und kniete sich vor ihren Rollstuhl. Sie streichelte sanft mit ihren kleinen faltigen Händen über seine verfilzten Haare. „Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben, Benno ist krank. Er will nur mit dir spielen.“ Wenn Herr Precht mich hörte, stürmte er auf seinen Sohn zu und schlug ihn mit seiner großen Hand ins Gesicht. “Hau ab du Depp!“, brüllte er. Benno hielt sich immer beide Arme an den Kopf und geduckt haute er ab in sein Zimmer.

Birgit kam wieder zurück. „Der Schmied will dir zwanzig Pfennig schenken. Dafür kannst du dir einen Schockoladenkusswecken kaufen.“
Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Das war das größte überhaupt, ein Brötchen, in das ein Schockoladenkuss gedrückt wurde. So etwas gab es höchstens am Geburtstag.
„Soll ich für den Schmied einkaufen gehen?“
„Nein, du musst nur zu ihm in die Schmiede kommen, er will dir was zeigen.“
„Hat er es dir auch schon gezeigt?“
„Ja“, und ich habe mir beim Bäcker einen Schokoladenkusswecken geholt.
„Und Jutta?“
„Nein, Jutta hat er es noch nicht gezeigt.“
Ich war so stolz, Birgit und ich durften es sehen.
Vielleicht werde ich Birgits beste Freundin.
Schnell lief ich über die Straße. Der Schmied hielt das Tor auf und ich schlüpfte hinein. Es roch nach Feuer und Eisen. Der dunkle, vom Rauch geschwärzte Raum hatte nur ein kleines dreckiges Fenster, durch das wenige Strahlen Tageslicht in die Werkstatt fielen. Winzige Rußflocken tanzten darin. Der Schmied nahm mich an die Hand. Er führte mich zwischen der Esse, in der die Kohlen noch qualmten, und dem Amboss vorbei in eine Ecke. An der Wand hingen verrußte Werkzeuge.
Mir war heiß. Ich verstand nicht, warum der große Schmied sich vor mich auf den Boden kniete. Was wollte er mir zeigen?
Sein rotes Gesicht mit den auf mich starrenden Augen machte mir Angst und ich wurde ganz steif.
Mit seiner Hand fasste er unter mein Kleid, er grub seine Finger in meinen Slip. Automatisch ging ich einen Schritt zurück. Stieß ans Mauerwerk. Weit weg wie unter meiner Bettdecke hörte ich ihn: „Ich will dich doch nur ein bisschen streicheln, ich tue dir nicht weh. Du brauchst keine Angst zu haben.“ Er redete schnell und schnaufte seltsam laut. Ich spürte seinen großen, rauen Finger und weinte auf. Das tat weh, ich wollte das nicht. Ich dachte an Mama. „Mädchen dürfen nur beim Waschen ihr Pippi anlangen und sonst darf da niemand hinfassen.“
Der Schmied hob mein Kleid höher, zog meine Unterhose zu sich und beugte seinen großen Kopf darüber.
"Du darfst dein Pippi keinem zeigen, sonst straft dich der liebe Gott.“ Das sagte Mama, wenn ich badete.
Ich schrie, der Schmied zog die Hand zurück. Er nahm den Kopf weg und stand auf. „Komm, das war gar nicht schlimm.“ Grob, wischte er mit der Hand über mein tränennasses Gesicht. Er öffnete seinen Geldbeutel: „Schau, da ist viel Geld drin und jedes Mal, wenn du kommst, schenke ich dir zwanzig Pfennig. Hier“, er drückte mir die beiden Münzen in die Hand. „Wehe, du erzählst jemand etwas davon, das ist unser Geheimnis. Ich sage sonst dem Benno, er soll dich verhauen und du darfst nicht mehr zu meiner Frau kommen.“
Er wollte nach meiner Hand fassen, doch so schnell ich konnte, rannte ich zum Ausgang. Ich bekam das schwere Tor nicht auf. Der Schmied war hinter mir. „Bis bald, meine Kleine“, hörte ich ihn. Sobald er das Tor einen Spalt weit geöffnet hatte, zwängte ich mich durch. Schnell lief ich nach Hause. Auf der anderen Straßenseite saß Birgit auf dem Randstein und wartete auf mich. Ich schaute sie böse an, sie hatte mich angelogen und mir nicht gesagt, was der Schmied machen würde. Birgit war nicht mehr meine Freundin.
Ich stieg die Leiter zum Heuboden hinauf. Legte mich auf Opas gemähtes Gras. Warum hatte der Schmied, seine Finger in mein Pipi gebohrt? Das war nicht gestreichelt. Es brannte.
Leise wimmerte ich. Mama würde wütend sein. Aber er hatte es nicht anschauen dürfen. Der liebe Gott konnte also nicht wütend auf mich sein. Ich legte meine Hand zwischen meine Beine und drückte sie ganz fest zusammen. Jetzt tat es nicht mehr so weh.
In der anderen hielt ich die zwanzig Pfennig.

Am Abend, als ich meine Unterhose auszog, sah ich, dass etwas Blut darin war. Ich versteckte den Slip zwischen den schmutzigen Windeln meiner kleinen Schwester. Die zwanzig Pfennig legte ich unters Kopfkissen. In dieser Nacht konnte ich lange nicht einschlafen. Würde der liebe Gott mich jetzt bestrafen? Nie wieder wollte ich zu dem Schmied in die Werkstatt gehen.
Meine kleinen Schwestern … was, wenn sie auch zwanzig Pfennig haben wollten? Mama konnte ich es nicht erzählen, sonst würde Benno mich schlagen und zu der netten Frau Precht durfte ich dann auch nicht mehr gehen.
Ich nahm mir vor, auf meine Schwestern aufzupassen. Zum ersten Mal war ich zu traurig, um zu weinen, ich schaute in die Dunkelheit. Da sah ich meine drei Schatten am Bett stehen. Stumm erzählte ich ihnen, was passiert war. Sie gingen vor mir auf und ab, bis ich einschlief.

Nach dem Aufwachen kam mir ein Gedanke: Vielleicht sitzt die arme Frau Precht im Rollstuhl, weil der Schmied ihr auch wehgetan hat?
Ich musste Mama fragen. Das Bett von ihr und Papa war leer und das Gitterbettchen meiner kleinsten Schwester auch. Im unteren Stockbett sah ich, dass Lotta quer im Bett lag und ihre Beine über Maries Bauch gelegt hatte. Die beiden schliefen noch. Leise öffnete ich die Schlafzimmertür, Mama saß im Wohnzimmer und hielt Anna im Arm, sie nuckelte an ihrem Busen. "Pst“, machte Mama und hielt den Zeigefinger vor den Mund. Ich nickte und leise schloss ich die Tür.
„Mama, warum sitzt die Frau Precht im Rollstuhl?“, flüsterte ich.
„Frag Oma“, kam es leise zurück.
Ich wollte schon im Nachthemd loslaufen, da hörte ich sie: „Halt, erst anziehen.“ Schnell zog ich mein Nachthemd aus und tauschte es gegen ein Kleid, das auf dem Stuhl neben der Schlafzimmertür hing. Barfuß stieg ich die Treppen zu Omas Küche hoch. Sie saß allein am Tisch und trank Kaffee. „Guten Morgen, Omi.“ Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Du hast doch Ferien, warum bist du denn schon auf?“
„Bin aufgewacht.- Oma, warum sitzt Frau Precht in einem Rollstuhl?“
„Kind, du stellst aber auch immer Fragen!“ Omas runzelige Stirn wurde noch runzeliger. Kopfschüttelnd sah sie mich an.
„Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn man Kindern diese Geschichte erzählt, aber du gibst vorher sowieso keine Ruhe.“
Neugierig setzte ich mich auf Opas Stuhl.
„Du weißt doch, dass früher hier im Haus Juden gewohnt haben.“
„Ja, Judith, ihre Eltern und Oma und Opa. Dann war Krieg und die Soldaten haben alle mitgenommen.“
Oma nickte zustimmend.
„Damals hat Frau Precht die Großeltern von Judith auf dem Dachboden versteckt. Judiths Mutter und sie waren gute Freundinnen, sie sind zusammen in die Schule gegangen. Die Frau des Schmieds wollte nicht, dass das alte Ehepaar in ein Lager kommt.
Das hat jemand den Soldaten verraten und die fanden die alten Leute auf dem Dachboden. Die Soldaten waren wütend und haben sie die Treppe hinunter gestoßen. Birgits Oma hat Frau Precht gefunden und gepflegt, seit dieser Zeit sitzt sie im Rollstuhl.“
„Die Arme, warum hat ihr denn der Schmied nicht geholfen?“
„Ach Kind, der war doch Soldat und im Krieg. Der Heiland möge uns beschützen, dass so etwas nie wieder passiert“, Oma bekreuzigte sich.
„Du hast bestimmt noch nichts gegessen, jetzt frühstückst du erst einmal.“ Oma strich mir ein Marmeladenbrot. „Opa holt Löwenzahn, wenn du willst, kannst du ihm nachher helfen, die Hasen zu füttern.“ Klar wollte ich, im Stall waren zehn kleine Häschen und eines davon gehörte mir.
Opa war noch nicht da, ich holte meinen Schnuffel aus dem Hasenstall. Lotte kam aus dem Haus und wollte das Häschen streicheln. „Wo ist denn Marie?“, fragte ich sie. „Beim Pferd!“
Ich setzte Schnuffel zurück in den Stall und lief durch die Hofeinfahrt zum Nachbarn. Wir durften nicht in die Nähe der Pferde gehen, die beim Schmied beschlagen wurden. An dieses Verbot hielten wir uns. Zum einen, weil wir Angst vor den großen Pferden hatten, zum anderen, weil wir Angst vor Papa hatten. Als ich um die Hausecke bog, sah ich, dass der Schmied meine Schwester auf dem Arm hielt und sie das Pferd streichelte. „Marie“ schrie ich, „du musst heimkommen.“
„Warum?“
Ich log: „Weil Mama es sagt.“
Der Schmied ließ Marie herunter. Bevor ich sie aufhalten konnte, stürmte sie ins Haus. „Mama, bin da.“
Mama kam aus der Küche. „Und?“
Wir standen im Hausgang: Marie sah mich an, Mama sah Marie an und ich sah auf den Boden.
„Ich hab gelogen, ich wollte, dass Marie reinkommt.“
„Ich will aber wieder zurück zu dem Pferd.“
Jetzt heulte ich los.
„Was ist denn?“
„Ich will nicht, dass der Schmied Marie wehtut.“
„Wie kommst du denn darauf?“
Ich weinte so laut, dass meine kleine Schwester aufwachte und mitweinte.
„Marie, geh zu Anna und gib ihr den Schnuller.“
Mama schüttelte mich am Arm: „Hör jetzt sofort mit dem Geheule auf, jetzt hast du Anna geweckt.“
Es war wie hinfallen, nur ganz langsam. Ich erzählte Mama von der dunklen Ecke.

 

Puh, lieb Conny,

da ist (ich sag das mal so, Du wirst die Ironie verstehen, ist aber alles andere als bös’ gemeint) was schiefgelaufen, aber wahrscheinlich hätte ich sogar den ersten Fehler überhaupt „übersehen“, wenn Du schreibst

Es war der Sommer 1966 und unsere ersten Sommerferien.

Ein Satz, der sogar für die große Gemeinde hierorts interessant sein könnte:

„Ferien“ gibt’s nur als Plural im Gegensatz zum „Urlaub“, es war zwar „der“ Sommer 1966"., aber es waren unsere Sommerferien,

denn es gibt zwar „den“ singulären Urlaub, „Ferien“ aber nur im Plural.

Bis bald

FRiedel

 

Hi CoK!
Sorry für das kurze Statement, aber wäre es möglich, dass eine Namensverwechslung vorliegt, bei Max und Andreas?
Das Mädchen muss auf Andreas aufpassen, der dann zum doofen Max mutiert oder hab ich da was falsch verstanden?
Melde mich später ausführlicher.
LG

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Manuela

du hast natürlich völlig recht. Vielen Dank für diesen kurzen Einschub. Ich hatte zwei Brüder im Kopf und ich unkonzentriert …

Liebe Grüße

den wenigen Sätzen dieser Geschichte, dieser, hm, Erinnerungen?, stecken ja tiefere Tragödien, die sich wie weite Ebenen ausbreiten, wenn man mal den Hügel erobert hat und dachte, man sei am Ziel. Gerade in letzter Zeit habe ich den Eindruck, dass die Enkel nun anfangen, das Grauen aufzudecken. Gut so.
Ja, ich bin gespannt ob es für meinen Enkel genauso sein wird. Meine Kinder interessieren sich überhaupt nicht dafür.
Irgendwas stimmt da nicht ...
Hoffe jetzt stimmt es.
Komma nach "Nein"
Gemacht
Slip ... hat das damals schon jemand gesagt? Als Kind? Bei uns waren es nur die Unterhosen oder die Verniedlichungsform.
Ja, ich habe recherchiert. Bei uns wurde damals Schlüpfer gesagt, dass verstehen aber viele nicht. Ich habe jetzt trotzdem Unterhose geschrieben, weil es zeitmäßiger klingt
Bis bald, ...

Guten Morgen, Omi." Ich ...

Da fehlt was ...

Da kann das Komma weg ...

und hier wieder hin, nach hinfallen.
Ich hab die Satzzeichen gesetzt.
wenn sie nur einmal auftauchen. Wenn sie keine besondere Rolle spielen, ist Brüderchen oder Schwesterchen vielleicht besser, wenn es aus Sicht des Kindes ist.
Ja, aber ich habe dann die Schwierigkeit, dass ich so oft Schwesterchen schreiben muss, weil es alles Mädchen sind.

Vielen lieben Dank für dein Kommentar und die Korrektur.

Grüße aus dem Schwabenländle
CoK


Lieber @ Friedel

Es war der Sommer 1966 und unsere ersten Sommerferien.

Ein Satz, der sogar für die große Gemeinde hierorts interessant sein könnte:


„Ferien“ gibt’s nur als Plural im Gegensatz zum „Urlaub“, es war zwar „der“ Sommer 1966"., aber es waren unsere Sommerferien,

denn es gibt zwar „den“ singulären Urlaub, „Ferien“ aber nur im Plural.

Ironie ist, ich hatte mir gestern Abend Easy Deutsch angehört. Obst, Milch, Durst, ohne Plural.
Leute, Eltern, Ferien ohne Singular.
Aber wie schreibe ich denn jetzt, dass es die ersten Sommerferien waren?

Liebe Grüße aus dem Schwabenländle

 
Zuletzt bearbeitet:

Aber wie schreibe ich denn jetzt, dass es die ersten Sommerferien waren?

Hastu einen guten Draht zum Wettergott? Beim Grollen hierorts durften die Hunde gerade mal ihre Geschäfte verrichten (hab keinen Bock darauf, morgen oder in zwei, drei Tagen wieder Häuptling Triefnase zu sein),

liebe Conny!

aber – keine Bange, ich werd jetzt nicht den Karl Kraus geben über das neutralstmögliche Subjekt im neutralen „es“, aber setz das „eigentliche“ Satzsubjekt („uns“) in die ihm angemessene Position und Du sparst sogar Buchstaben: „Unsere ersten Sommerferien waren (im) Sommer 1966.“

Karl Kraus hat eine ganze Fackel ("seine Zeitschrift", schau mal hier »Mir fällt zu Hitler nichts ein«)

Übrigens auch ein interessanter Mann/Beitrag für uns gegen Rassismus,

lieber @Morphin,

wobei das Problem ist - der Jude Karl Kraus hatte antisemitische Anflüge ...

Bedankt Euch nicht bei mir, sondern Donars Wetter!

Friedel
rein

 

Sorry, dass ich einfach so reinschneie, ich habe nur, quasi en passant, einen Blick darauf geworfen und störe mich irgendwie daran.

Einfachste Lösung: „Es waren im Sommer 1966 unsere ersten Sommerferien.“
Warum nicht:
Es waren unsere ersten Sommerferien, 1966.
Oder dergleichen. Aber muss ich denn erwähnen, dass die Sommerferien im Sommer waren?

Bin auch schon wieder weg :Pfeif:

 

Recht hastu, liebe @Putrid Palace,

deshalb biete ich alternativ die "großen Ferien" an, wie die "Sommerferien" 1966 u. a. auch genannt werden, quasi klimawandelneutral auf ziemlich lange Zeit, wenn schon nicht "ewig".

Regnet immer noch nicht ... aber Bläck Fööss laufen ...

Tschüss & schönen Abend noch vom

Friedel

 

Dear CoK!
Du könntest die ersten beiden Sätze zusammenziehen. So ließe sich Hilfsverb und die Sommerdoppelung vermeiden.

Es war der Sommer 1966 und unsere ersten Sommerferien.
Birgit und ich warteten im Garten auf Jutta.
In unseren ersten großen Ferien, im Sommer 1966, saßen Birgit und ich im Garten und warteten auf Jutta.

 

Hallo Friedel

Karl Kraus hat eine ganze Fackel ("seine Zeitschrift", schau mal hier »Mir fällt zu Hitler nichts ein«)

Werde Ich lesen.
(War das nicht diese Karl Kraus der auch einen Draht zu Rilke hatte?)

Hallo @Putrid Palace

Danke fürs Reinschneien.

Es waren unsere ersten Sommerferien, 1966.
Oder dergleichen. Aber muss ich denn erwähnen, dass die Sommerferien im Sommer waren?
Stimmt. (Wieder so eine Redunanz)

Ich habe den Satz geändert.


Hallo @Manuela

In unseren ersten großen Ferien, im Sommer 1966, saßen Birgit und ich im Garten und warteten auf Jutta.
Danke für diesen Vorschlag.
Mir gefällt dieser Satz sehr gut. (Ist jetzt kein Laiensatz mehr)

Ich danke euch allen und wünsche euch ein schönes Wochenende
Liebe Grüße CoK

 

Salü @CoK

Möge der Missbrauch am Ende ein Ende haben und die Schwestern verschont bleiben.
Das ist wieder so eine Geschichte, die in ihrer Unaufgeregtheit eindringlich erzählt, wie Erwachsene ihre autoritäre Macht einsetzen, um ihre niedrigen Begierden zu befriedigen. Natürlich ist die Freundin nicht ganz unschuldig, treibt sie doch in ihrer Abgeklärtheit dem Schmied sein nächstes Opfer zu.

Ich fand die Erzählsprache dem Alter deiner Erzählerin angemessen und konnte mich, bis auf wenige Ausnahmen gut in sie hineinversetzen.

Wenn Frau Precht mich hörte, fuhr sie mit dem Rollstuhl an die Tür und rief ihn: „Benno komm zu mir!“

“Hau ab du Depp!“Komma brüllte er.

„Nein(“),du musst nur zu ihm in die Schmiede kommen, er will dir was zeigen.“
Falsches Luder, diese Birgit
„Ja“, und(,) ich habe mir beim Bäcker einen Schokoladenkusswecken geholt.

„Nein, Jutta hat er es noch nicht gezeigt“
„Nein, Jutta durfte es noch nicht sehen.“
Weit weg wie unter meiner Bettdecke hörte ich ihn:
Hier stolperte ich über das Gleichnis, habe kein Bild bekommen. Weit weg unter der Bettdecke ist mir zu abstrakt. Aber geht vlt nur mir so.
Ich spürte seinen großen, rauen Finger [in mir] und weinte auf.
Klingt irgendwie komisch. Aufweinen.
Das ist ja so ein schrecklicher Überraschungsmoment.
... und rang nach Luft. o.ä.

Das tat weh, ich will das nicht.
Hier bin ich unsicher, aber gegühlt würde ich sagen: Es tat weh, ich wollte das nicht.
Du darfst dein Pippi keinem zeigen, sonst straft dich der liebe Gott.
Ich verstehe die Verschlüsselung, aber Pippi warf mich bei jeder Erwähnung aus dem Lesefluss. Assoziiere ich halt eher mit Urin. Habe aber leider auch keinen Ersatzvorschlag.

Aber er hatte es nicht anschauen dürfen. Der liebe Gott konnte also nicht wütend auf mich sein.
Da krieg ich so nen Hals.(=Gut geschrieben.)
Dieses Dogma verhindert Aufklärung und begünstigt den Missbrauch. Deine Prota fühlt sich nicht schuldig, da der Schmied ja ihre Scheide nicht gesehen hat. Ja, braves Kind.
Da sah ich meine drei Schatten am Bett stehen. Stumm erzählte ich ihnen, was passiert war. Sie gingen vor mir auf und ab, bis ich einschlief.
Hab ich was verpasst? Hier fehlt mir der Kontext, hab die auch in der vorherigen Geschichte nicht entdeckt.
Vielleicht sitzt die arme Frau Precht im Rollstuhl, weil der Schmied ihr auch weh tat
getan hat – bin aber nicht sicher.
Wo ist denn Marie?“, fragte ich sie[.] „Beim Pferd!“

„Marie“[,] schrie ich, „du musst heimkommen.“

Mama kam aus der Küche „und?“
Mama kam aus der Küche. „Und?“

Marie sah mich an, Mama Marie und ich sah auf den Boden.
Musste ich mehrfach lesen, bis ich die Blickstaffette erkannte.
Deshalb befürworte ich hier eine Wortwiederholung als Stilmittel:
Marie sah mich an, Mama sah Marie an und ich sah auf den Boden.

„Ich hab gelogen, ich wollte[,] dass Marie reinkommt.“

Es war wie hinfallen, nur ganz langsam.
Klasse Satz.

Ich mochte die Geschichte, auch wenn nur schwer zu ertragen, so hat mich der Text berührt. Danke dafür.
Liebe Grüsse, dot

P.S.
Du könntest in den Bearbeitungsfeldern "Vorheriger Teil"/"Nächster Teil" die Adressen deiner ersten Geschichten der Serie angeben. So können die Leser in deiner Serie hin und her navigieren.

 

Hallo @dotslash

Ich freue mich, dass du meine Geschichte gelesen hast und dass ich dich berühren konnte. Ich danke dir für dein Kommentieren und deine Korrektur.
Die Interpunktion habe ich verbessert.


Ich fand die Erzählsprache dem Alter deiner Erzählerin angemessen und konnte mich, bis auf wenige Ausnahmen gut in sie hineinversetzen.
Das freut mich.
Möge der Missbrauch am Ende ein Ende haben und die Schwestern verschont bleiben.
Nein, hat er nicht.
Hier stolperte ich über das Gleichnis, habe kein Bild bekommen. Weit weg unter der Bettdecke ist mir zu abstrakt. Aber geht vlt nur mir so.
Als Kind habe ich mich oft unter der Bettdecke versteckt und ich hatte oft Angst und vergleich passte für mich.
Klingt irgendwie komisch. Aufweinen.
Das ist ja so ein schrecklicher Überraschungsmoment.
... und rang nach Luft. o.ä.
Bei Kindern kommt es doch vor, dass sie schnell aufweinen und dann aber gleich wieder still sind.
Hier bin ich unsicher, aber gegühlt würde ich sagen: Es tat weh, ich wollte das nicht.
Ich bin mir auch nicht sicher, vielleicht bekomme ich noch einen anderen Kommentar dazu.
Ich verstehe die Verschlüsselung, aber Pippi warf mich bei jeder Erwähnung aus dem Lesefluss. Assoziiere ich halt eher mit Urin. Habe aber leider auch keinen Ersatzvorschlag.
Früher wurde dieser Ausdruck für die Scheide bei Mädchen benützt.
(Oma hat gesagt: Beim Apfel kommt Apfelsaft raus und bei deinem Pippi kommt das Pippi raus.)

Hab ich was verpasst? Hier fehlt mir der Kontext, hab die auch in der vorherigen Geschichte nicht entdeckt.
Sorry, ich hatte die drei schon eingeführt. Ich habe jetzt oben die links für die Serie ergänzt.
Da krieg ich so nen Hals.(=Gut geschrieben.)
Dieses Dogma verhindert Aufklärung und begünstigt den Missbrauch. Deine Prota fühlt sich nicht schuldig, da der Schmied ja ihre Scheide nicht gesehen hat. Ja, braves Kind.
Es war zumindest ein kleiner Trost.
getan hat – bin aber nicht sicher.
Bin mir auch nicht sicher.
Musste ich mehrfach lesen, bis ich die Blickstaffette erkannte.
Deshalb befürworte ich hier eine Wortwiederholung als Stilmittel:
Marie sah mich an, Mama sah Marie an und ich sah auf den Boden.
Ich habe die Wortwiederholung eingefügt.
Klasse Satz.
Danke
Du könntest in den Bearbeitungsfeldern "Vorheriger Teil"/"Nächster Teil" die Adressen deiner ersten Geschichten der Serie angeben. So können die Leser in deiner Serie hin und her navigieren.
Danke habe ich nachgeholt.

Wünsche dir ein schönes Wochenende und schicke dir liebe Grüße von der schwäbischen Alb CoK

 

Liebe @CoK ,

hatte gar nicht mitbekommen, dass du an einer Serie arbeitest.

Wegen der ruhigen, unprätentiösen Sprache bin ich von einer harmlosen, beschwingten Kindergeschichte ausgegangen, bis sich das Unbehagen bemerkbar machte, der Schmied seine Begierde und seine Finger nicht unter Kontrolle hatte. Puh!

Beim Stöbern durch die Kommentare und deine Antworten bin ich zu dem Schluss gekommen, dass du uns mit dieser Serie keine Fiktion anbietest, zumindest über weite Strecken. Sollte es so sein, dann gilt diesem mutigen Schritt mein vollster Respekt. Das Tabu ist tabu.

Kindheits-und Jugenderlebnisse in Geschichten festhalten, als eine Form der Vergangenheitsbewältigung. Dieser Motor treibt mich auch seit einiger Zeit an und ich dachte immer: Mensch, das kann doch nicht sein, gräbst Tote aus, lebst im Gestern. Das ist das untrügliche Zeichen, dass du alt wirst. Dann ist mir unlängst das Zitat von M. Birthler untergekommen: „Sich mit der Vergangenheit beschäftigen heißt, sich selber ernst zu nehmen, als Individuum und auch als Gesellschaft.“

Und das war für mich der Aufbruch zur Zeitreise. :D

Zum Text: Der liest sich richtig gut und für mich erzählt da ein kleines Mädchen von seinen schmerzhaften Erlebnissen, versucht, die Welt zu verstehen.

Hab nur ein paar winzige Anmerkungen.

„Och, meno schon wieder“, murrte sie, „ich will doch noch twisten!“ Wie Rumpelstilzchen stampfte sie vor Wut und lief maulend nach Hause.
menno

... die große Eichentreppe nicht hinunter steigen konnte, gingen Birgit und ich für sie einkaufen.
mit diesen zusammengeschriebenen Verben tue ich mich auch oftmals schwer, ich denke hinuntersteigen

Nach jedem Einkauf streichelte sie mir über den Kopf und lobte, was für ein fleißiges Mädchen ich doch sei.
ist keineswegs falsch, aber vllt. kann dir auch strich gefallen, da kannst du die Doppelung vermeiden

Sie streichelte sanft mit ihren kleinen faltigen Händen über seine verfilzten Haare. „Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben, Benno ist krank. Er will nur spielen.“
hier passt das Streicheln besser
Bei "Er will nur spielen", denke ich sofort an die Worte eines Hundebesitzers. Vllt. "Er will nur mit dir spielen", das entschärft den Gag etwas.

Wenn Herr Precht mich hörte, stürmte er auf seinen Sohn zu und schlug ihn mit seiner großen Hand ins Gesicht. “Hau ab du Depp!“, brüllte er. Benno hielt sich immer beide Arme an den Kopf und geduckt haute er ab in sein Zimmer.
vllt. geduckt verzog er sich oder geduckt floh er ...

Birgit kam wieder zurück. „Der Schmied will dir zwanzig Pfennig schenken. Dafür kannst du dir einen Schockoladenkusswecken kaufen.“
Ich weiß ja nun, was Birgit beim Schmied widerfahren ist und begreife nicht, wie das Kind so abgebrüht sein kann. Birgit muss doch auch Angst vor dem Kerl haben und seelischen Schaden genommen haben. Jetzt schickt sie ohne Zögern die Freundin in die Hölle. Was läuft da? Äußert sich auf die Art und Weise die Auswirkung der Verletzung?

„Soll ich für den Schmied einkaufen gehen?“
„Nein, du musst nur zu ihm in die Schmiede kommen, er will dir was zeigen.“
„Hat er es dir auch schon gezeigt?“
„Ja“, und ich habe mir beim Bäcker einen Schokoladenkusswecken geholt.
Ein schlichtes Ja. Ist das Verdrängung oder wirkt Einschüchterung? Die Belohnung in Form von Naschereien kann doch nicht so anziehend sein für Birgit.

Der dunkle, vom Rauch geschwärzte Raum hatte nur ein kleines dreckiges Fenster, durch das wenige Strahlen Tageslicht in die Werkstatt fielen. Winzige Rußflocken tanzten darin.
Ist das korrekt? Physikalisch gesehen. Wenig Strahlen Tageslicht? Sind das nicht immer die Strahlen der Sonne? Und wenn es so düster ist, sieht man die Flocken dann wirklich tanzen?

Er redete schnell und schnaufte seltsam laut. Ich spürte seinen großen, rauen Finger und weinte auf. Das tat weh, ich will das nicht.
@dotslash hat gemeint, das muss wollte heißen, ich meine das auch. Nur in der wörtlichen Rede wäre das Präsens gerechtfertigt.

Ich dachte an Mama. „Mädchen dürfen nur beim Waschen ihr Pippi anlangen und sonst darf da niemand hinfassen.“
Na, da fand wenigsten ansatzweise der Versuch einer Sexualerziehung statt.

"Du darfst dein Pippi keinem zeigen, sonst straft dich der liebe Gott.“ Das sagte Mama, wenn ich badete.
Nein, doch nicht. Frühe Weichenstellung für Keuschheit unter Androhung göttlicher Rache bei Zuwiderhandlung.

„Komm, das war gar nicht schlimm.“ Grob, wischte er mit der Hand über mein tränennasses Gesicht. Er öffnete seinen Geldbeutel: „Schau, da ist viel Geld drin und jedes Mal, wenn du kommst, schenke ich dir zwanzig Pfennig. Hier“, er drückte mir die beiden Münzen in die Hand.
Da geht mir das Messer in der Tasche auf und ich befürchte, der alte Lustmolch hält den Kindesmissbrauch für die normalste Sache der Welt. Eine schöne Parallele zu den Übergriffen katholischer Priester auf ihre Schutzbefohlenen. Wird nicht als Sakrileg gewertet, also die Augen zu und weiter so! Sorry, für den Zynismus.

„Wehe, du erzählst jemand etwas davon, das ist unser Geheimnis. Ich sage sonst dem Benno, er soll dich verhauen und du darfst nicht mehr zu meiner Frau kommen.“
Ja, die Kinder werden in die Enge getrieben, mit Drohungen wird versucht sie gefügig und schweigsam zu machen. Ich weiß nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist, aber das funktioniert.

Warum hat der Schmied, seine Finger in mein Pipi gebohrt? Das war nicht gestreichelt. Es brannte.
Leise wimmerte ich. Mama würde wütend sein. Ich durfte doch niemand mein Pippi anfassen lassen.
würde mich für eine Variante entscheiden

Aber er hatte es nicht anschauen dürfen. Der liebe Gott konnte also nicht wütend auf mich sein. Ich legte meine Hand zwischen meine Beine und drückte sie ganz fest zusammen. Jetzt tat es nicht mehr so weh.
In der anderen hielt ich die zwanzig Pfennig.
Das ist ja ein toller Trost.

Am Abend, als ich meine Unterhose auszog, sah ich, dass etwas Blut darin war. Ich versteckte den Slip zwischen den schmutzigen Windeln meiner kleinen Schwester.
Irgendwo schreibst du, dass den Begriff "Schlüpfer" niemand mehr versteht, kann ich mir nicht vorstellen, ich denke, den kannst du auf jeden Fall auch verwenden. In meiner Heimat sagt man heute noch nicht "Höschen", man hängt eben an dem Kulturgut.

Nach dem Aufwachen kam mir ein Gedanke: Vielleicht sitzt die arme Frau Precht im Rollstuhl, weil der Schmied ihr auch weh tat?
Eigentlich: weh getan hatte oder weh getan hat, denn das ist ja vor dem Sitzen im Rollstuhl geschehen. Wenn der Text im Präteritum erzählt wird, sind Rückblicke und alles was vor diesem Augenblick geschah im PQP wiederzugeben. Also ich handhabe das so.
(Was ja nix heißen muss :lol:)

„Ja, Sarah, ihre Eltern und Oma und Opa. Dann war Krieg und die Soldaten haben alle mitgenommen.“
Oma nickte zustimmend.
„Damals hat Frau Precht die Großeltern von Sarah auf dem Dachboden versteckt. Sarahs Mutter und sie waren gute Freundinnen, sie sind zusammen in die Schule gegangen. Die Frau des Schmieds wollte nicht, dass das alte Ehepaar in ein Lager kommt.
Das hat jemand den Soldaten verraten und die fanden die alten Leute auf dem Dachboden. Die Soldaten waren wütend und haben sie die Treppe hinunter gestoßen. Birgits Oma hat Frau Precht gefunden und gepflegt, seit dieser Zeit sitzt sie im Rollstuhl.“
Wer ist Sarah? Den Abschnitt musste ich mehrmals lesen, ich konnte auch das Familiengeflecht nicht auseinanderdröseln.

„Ich hab gelogen, ich wollte, daß Marie reinkommt.“
dass, daß war einmal

Es war wie hinfallen, nur ganz langsam. Ich erzählte Mama von der dunklen Ecke.
Ein wunderbarer Satz.

Deine Prota ist ehrenhaft und tapfer, in ihren Versuchen die kleinere Schwester zu beschützen und man sollte meinen, das Beste, was passieren konnte, war, die Mutter einzuweihen.
Natürlich kann ich nicht wissen, wie sich die Mutter nach dem Geständnis verhalten hat, aber in Anbetracht der Zeit und der Umstände sowie ihrer Reden von dem rachsüchtigen Gott, befürchte ich: Es ist gar nichts passiert.
Sie wird sich hüten, den Schmied anzuzeigen. Da stände das Wort eines geachtetes Gemeindemitglieds gegen die Bezichtigung eines "Flüchtlingkindes". Und dann die Schande, die darf um Gottes willen nicht an die Öffentlichkeit dringen. Totschweigen als gängiges Mittel.
Weiter male ich mir die Situation nicht aus, das ist ja deine Geschichte, aber ein bisschen aufregen darf ich mich schon.

Liebe CoK, du packst mit der Erzählung ein brisantes, aktuelles Thema an, obwohl sie vor fast sechzig Jahren handelt. Ich finde, du schreibst sehr einfühlsam und ohne das Bestreben großartig Dramatik zu erzeugen. So war es. Und das ist das Grauen.
Danke fürs Teilen der Geschichte.

Herzliche Grüße
peregrina

 

Liebe @peregrina

Danke, dass du dir Zeit für meinen Text genommen hast. Für die Korrekturen und deine Kommentare bin ich dankbar. Ich kann damit meine Geschichte besser machen.

Kindheits-und Jugenderlebnisse in Geschichten festhalten, als eine Form der Vergangenheitsbewältigung. Dieser Motor treibt mich auch seit einiger Zeit an und ich dachte immer: Mensch, das kann doch nicht sein, gräbst Tote aus, lebst im Gestern. Das ist das untrügliche Zeichen, dass du alt wirst. Dann ist mir unlängst
Vergangenheitsbewältigung, das ist ein großes Wort. Ich habe das schon oft gehört, ich habe verziehen. Ich schreibe, damit es vielleicht meine Kinder und Enkelkinder einmal lesen und verstehen. Ich musste in meiner Geschichte viele Tote ausgraben, nur so bleiben Sie in Erinnerung.
Ich habe Texte von dir gelesen und es wird dir sicher besser gelingen, wie mir mit meinen mageren Schreibkenntnissen.
Sich mit der Vergangenheit beschäftigen heißt, sich selber ernst zu nehmen, als Individuum und auch als Gesellschaft.“
Ein gutes Zitat.
Und das war für mich der Aufbruch zur Zeitreise. :D
Wer reisen kann, hat viel zu erzählen.
Zum Text: Der liest sich richtig gut und für mich erzählt da ein kleines Mädchen von seinen schmerzhaften Erlebnissen, versucht, die Welt zu verstehen.
:)
Verbessert
hinuntersteigen
Verbessert
ist keineswegs falsch, aber vllt. kann dir auch strich gefallen, da kannst du die Doppelung vermeiden
Ja, gefällt mir sehr gut.
hier passt das Streicheln besser
Bei "Er will nur spielen", denke ich sofort an die Worte eines Hundebesitzers. Vllt. "Er will nur mit dir spielen", das entschärft den Gag etwas.
Ich habe es entschärft.
vllt. geduckt verzog er sich oder geduckt floh er ...
Ich konnte mich von dem „haute ab“ nicht trennen. Ich denke ein Kind spricht so.
Ich weiß ja nun, was Birgit beim Schmied widerfahren ist und begreife nicht, wie das Kind so abgebrüht sein kann. Birgit muss doch auch Angst vor dem Kerl haben und seelischen Schaden genommen haben. Jetzt schickt sie ohne Zögern die Freundin in die Hölle. Was läuft da? Äußert sich auf die Art und Weise die Auswirkung der Verletzung
Das kann sein.
Ein schlichtes Ja. Ist das Verdrängung oder wirkt Einschüchterung? Die Belohnung in Form von Naschereien kann doch nicht so anziehend sein für Birgit.
Meiner Meinung nach ist es die Einschüchterung.

Ist das korrekt? Physikalisch gesehen. Wenig Strahlen Tageslicht? Sind das nicht immer die Strahlen der Sonne? Und wenn es so düster ist, sieht man die Flocken dann wirklich tanzen?
Ich dachte wenn dieses Licht so gebündelt in einen Raum fällt kann ich von wenigen Strahlen Tageslicht sprechen. In meiner Erinnerung war es so.
@dotslash hat gemeint, das muss wollte heißen, ich meine das auch. Nur in der wörtlichen Rede wäre das Präsens gerechtfertigt.
Ich habe das Präsens geändert.
a, da fand wenigsten ansatzweise der Versuch einer Sexualerziehung statt.
Ja, es war auch das einzige Mal
Nein, doch nicht. Frühe Weichenstellung für Keuschheit unter Androhung göttlicher Rache bei Zuwiderhandlung.
Der liebe Gott musste für so manches herhalten.
Da geht mir das Messer in der Tasche auf und ich befürchte, der alte Lustmolch hält den Kindesmissbrauch für die normalste Sache der Welt. Eine schöne Parallele zu den Übergriffen katholischer Priester auf ihre Schutzbefohlenen. Wird nicht als Sakrileg gewertet, also die Augen zu und weiter so! Sorry, für den Zynismus.
Er tat es, weil er es konnte.
Ja, die Kinder werden in die Enge getrieben, mit Drohungen wird versucht sie gefügig und schweigsam zu machen. Ich weiß nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist, aber das funktioniert
Viel zu hoch
würde mich für eine Variante entscheiden
Ich habe eine Variante gewählt.
Das ist ja ein toller Trost.
Ein kleiner ist besser als gar keiner.
Irgendwo schreibst du, dass den Begriff "Schlüpfer" niemand mehr versteht, kann ich mir nicht vorstellen, ich denke, den kannst du auf jeden Fall auch verwenden. In meiner Heimat sagt man heute noch nicht "Höschen", man hängt eben an dem Kulturgut.
Stimmt schon, ich hatte allerdings gelesen, dass Schlüpfer auch Schlupf- Schuhe sein können.
Eigentlich: weh getan hatte oder weh getan hat, denn das ist ja vor dem Sitzen im Rollstuhl geschehen. Wenn der Text im Präteritum erzählt wird, sind Rückblicke und alles was vor diesem Augenblick geschah im PQP wiederzugeben. Also ich handhabe das so.
(Was ja nix heißen muss :lol:)
Du machst es sicher richtig, ich habe es geändert
Wer ist Sarah? Den Abschnitt musste ich mehrmals lesen, ich konnte auch das Familiengeflecht nicht auseinanderdröseln.
Oh je, ich und meine Namen, :bonk:es muss natürlich Judith heißen
dass, daß war einmal
Immer wieder kommt sie, die Macht der alten Gewohnheit.
Sie wird sich hüten, den Schmied anzuzeigen. Da stände das Wort eines geachtetes Gemeindemitglieds gegen die Bezichtigung eines "Flüchtlingkindes". Und dann die Schande, die darf um Gottes willen nicht an die Öffentlichkeit dringen. Totschweigen als gängiges Mittel.
Ja, so war das damals.

Ich Danke dir für das Lesen meiner Geschichte und dass du sie verstanden hast, wie ich mir wünschte, dass sie verstanden wird.

Liebe Grüße, dein Besuch hat mich sehr gefreut
CoK

 

Ich noch mal, wenn ich darf,

liebe Conny,

nicht erschrecken, denn jede Änderung birgt die gleichen Gefahren, wie ein neuer Text.

Wie dem auch sei – hier noch mal ein bisschen Flusenlese und zwar gleich hier

In unseren ersten großen Ferien, im Sommer 1966, saßen Birgit und ich im Garten und warteten auf Jutta.
Kommas weg!, es ist halt ein langgeratenes Satz-Objekt, das vllt. durch seine Zweistelligkeit (Akkusativ und Dativ) jemand schon verwirren kann, wenn das SPO-Schema starr angewendet wird

Jutta zu fangen, brauchte ich nicht zu versuchen, sie war schneller als ich.
Erstes Komma weg! Das ist ein sehr komplexes Prädikat aus dem Modalverb brauchen (andere sind zB können, müssen sollen etc., also Verben, die oft mit einem anderen Verb auftreten), und den Vollverben fangen und versuchen. Es könnte sogar ein Infinitv eingespart werden durch schlichtes Möbelrücken: „Ich brauchte nicht Jutta zu fangen versuchen …“

„Och, mennoKOMMA schon wieder“, murrte sie, „…

Er hatte schrägeKOMMA dunkle Augen, sprechen…
Die beiden Attribute/Adjektive sind gleichrangig – anders wäre es, wenn es etwa „tief dunkle“ Augen wären

Hau ab du Depp!“, brüllte er. Benno hielt sich immer beide Arme an den Kopf und geduckt haute er ab in sein Zimmer.
Man muss doch nicht den Stil eines Brutalos nachahmen. Eleganter er „machte sich davon“ oder „verschwand“ zB

„Nein, Jutta hat er es noch nicht gezeigt“
Punkt nicht vergessen!

Vielleicht würde nun ich Birgits beste Freundin werden.
Warum der Konjunktiv wenn das „vielleicht“ schon unbestimmt genug ist? Ein „werden“ lässt sich allemal sparen: „Vielleicht werde ich Birgits beste Freundin“

Hier Wahrung der Zeiteinheit:

Ich schaute sie böse an, sie hat[te] mich angelogen und mir nicht gesagt, was der Schmied machen würde.
+
Warum hat[te] der Schmied, seine Finger in mein Pipi gebohrt?

Vielleicht sitzt die arme Frau Precht im Rollstuhl, weil der Schmied ihr auch weh getan hat?
„wehtun“, auch als Partizip zusammen

Dat war't

Bis bald

Friedel

 

Lieber Friedel

Ich noch mal, wenn ich darf,
Ich bitte darum und danke dir für die Korrektur.
Danke für deine Aufmerksamkeit, ich habe es verbessert.

Liebe Grüße an dich
Conny

 

Liebe @CoK

mir ging es ähnlich wie @peregrina. Als ich anfing zu lesen, dachte ich auch an eine relativ unverfängliche Kindergeschichte. Und dann wurde es richtig heftig. Der Text ist flüssig geschrieben, anfangs braucht man ein bisschen Zeit, um sich reinzufinden wegen den Namen. Aber dann ist alles klar und man kommt in den Flow. Hat mich zutiefst erschüttert was die kleinen Mädchen da erleben musste. Zum einen der böse Schmied, der mit dem Geld lockt und seine furchtbaren Neigungen zu befriedigen, zum anderen die Freundin, die wohl nichts groß dabei sieht und sich über das Geld freust. Du schilderst die Gefühle der Mädchen sehr treffend. Der Gedankengang des Mädchens, dass die Frau des Schmieds wegen seiner groben Finger im Rollstuhl gelandet ist passt gut. Ich finde es mutig, dass sie sich erkundigt, was mit der Dame passiert ist. Ein weiterer erschütternder Moment ist, als die kleine Schwester beim Schmied und dem Pferd ist. Und noch mutiger ist, dass sie sich - um die Schwester zu schützen - der Mutter anvertraut. Hat mich sehr erschüttert und bewegt.

Ganz liebe Grüße und einen wundervollen Tag,
Silvita

 

Liebe @Silvita

es freut mich sehr, dass du meine Chrissy-Serie weiter verfolgst.
Wenn sie dich bewegt und erschüttert, habe ich etwas richtig gemacht.
Ich danke dir fürs Lesen und deinen aufbauenden Kommentar.

Liebe Grüße und einen schönen Abend
CoK

 

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