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- 07.05.2003
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Child Army
Child Army
Lex - Soldat Stufe 1
Lex starrte durch den Lauf des Gewehres, das schwer auf seiner Schulter lag. Vor ihm saß dieses kleine Mädchen, zitternd vor Angst; um es herum die leblosen Körper seiner Eltern, die Lex schon getötet hatte. Kein Wimpernzucken, nicht eine einzige Sekunde zögern - nein, nicht einmal seine Hände zitterten. Er bog den Abzug nach hinten, ein Schuss ertönte, traf das Kind am Kopf und dann wurde es ganz still. Der Anblick ihrer Leiche erweckte in Lex weder Schuldgefühle noch Mitleid. Ohne noch lange zu warten, drehte er sich um und marschierte weiter.
Er wollte den Rest der Truppe aufsuchen, und ihnen mitteilen, das Sektor A24 nun vollständig ausgelöscht sei, als ihm ein Rascheln in einem nahe gelegenen Busch auffiel. Blitzschnell fuhr er herum, seine Waffe auf das Gestrüpp gerichtet, aus dem im selben Moment eine Frau gekrochen kam. Sie war am rechten Arm verwundet, und scheinbar von einem anderen Soldaten angeschossen worden.
Soldaten - jetzt benutzte Lex dieses Wort auch schon in seinen Gedanken. Die Wärter nannten sie ständig so, obwohl sie keine wahren. Sie waren nur Kinder.
Er starrte die Frau mit seinen dunkelgrünen Augen einem Moment lang an, wie sie vor ihm kauerte und flehend, ängstlich zu ihm aufblickte. Dann drückte er abermals ab, und der Schuss saß, wie auch bei dem Mädchen. Sie fiel sofort tot zu Boden. Ihr Blut durchtränkte den Waldboden und färbte ihn leicht rot.
„Tötet jeden, den ihr seht, außer es ist ein Soldat", so hieß der Auftrag und Lex verweigerte Befehle niemals. Wieder drehte er sich in die Richtung um, in die er vorgehabt hatte zu gehen. Dabei waren seine Bewegungen viel weniger menschlich, als vielmehr mechanisch, wie die eines programmierten Roboters.
Er hielt sein Gewehr immer noch schussbereit, für jeden der ihm begegnen sollte, hatte sie Hände um den eisernen Griff gelegt. Seine kurzen, schwarz glänzenden Haare, waren an einigen Stellen überhaupt nicht mehr schwarz - sondern rötlich. Auch sein Gesicht war an vielen Stellen mit Blut bespritzt, seine Schuhe fast gänzlich rot. Lex war ein „Soldat" in der so genannten Stufe 1 und das bedeutete absoluten Gehorsam und Gnadenlosigkeit egal was kam. Mittlerweile war dies für ihn auch kein Problem mehr, doch vor einigen Jahren hatte er es sehr schwer gehabt - denn Lex war erst 14 Jahre alt.
Laura - Mädchen aus dem Dorf im Sektor A78
An diesem Morgen im Lager wurden die Mädchen von einer lauten Sirene geweckt. Eine Übung, wie viele andere, wie sie die Kinder in den Nächten oft um den Schlaf brachte. Das war nur zu ihrer eigenen Sicherheit, denn die Armee konnte jeden Tag auftauchen und versuchen das Dorf zu zerstören. Als sie das letzte Mal hier gewesen waren, hatten sie alle Jungen mitgenommen, um sie „auszubilden", wie sie es nannten. Lauras Bruder Lex war ihnen auch in die Finger gekommen. Das Ganze war nun schon drei Jahre her. Damals war er elf gewesen und sie dreizehn. Mittlerweile musste er um die vierzehn sein und sie war sechzehn Jahre alt. Manchmal vermisste sie ihren Bruder, doch sie wusste das es nur eine frage der Zeit war, bis diese Armee aus Kindern gestürzt würde. Man munkelte im ganzen Land, der Staat hätte einen Plan.
'Hoffentlich sehe ich ihn dann wieder...', dachte Laura betrübt, während sie im Schlafanzug, zusammen mit einigen anderen Mädchen aus dem Dorf das Lager verlies. Draußen stand ein kugelsicher Lastwagen, in dem sie alle, falls es jemals zum Angriff kommen sollte, gerettet werden konnten. Also stiegen die Kinder ein und warteten bis einer der Erwachsenen sie wieder zurück in ihre Betten bringen würde. Laura fand diese Übungen schrecklich, weil sie sie daran erinnerten, wie nah die Gefahr war, doch sie wusste, dass es unbedingt nötig war sich auf alles vorzubereiten.
Cedric - Soldat Stufe 2
Das tägliche Training hatte wieder einmal begonnen. Cedric hasste es - wahrscheinlich hassten es alle. Übungen mit dem Gewehr, Ziel schießen und Ausdauerlauf. Klettern über hohe Mauern oder Zäune, und natürlich Reaktionsübungen wurden hier, jeden Mittag durchgeführt. Die Wärter sagten stets: „Wenn ihr nicht mehr könnt, dann hört einfach auf."
Das hört sich netter an, als es war - das wusste Cedric. Denn jeden Mittag wurde der, der als erstes zusammenbrach oder wessen Kräfte ihn als erstes verließen, erschossen. Es sollte die Soldaten dazu zwingen das Äußerste aus sich herauszuholen und diese Methode funktionierte bestens. Er selbst war überaus sportlich und musste deswegen keine Angst vor dieser Strafe haben, doch trotzdem...., trotzdem musste er jeden Mittag mit ansehen wie einer seiner Kameraden getötet wurde. Sie würden dieses Spielchen sicher nicht mehr sehr lange treiben, denn immerhin verloren sie so ihre eigenen Truppenmitglieder. Scheinbar war es eine Art Auslese - jedenfalls würden sie wohl bald damit aufhören. Das hoffte Cedric zumindest. Er drehte Runden um den großen, roten platz, das Gewehr auf der Schulter, so schwer das es furchtbar wehtat. Seine blauen Augen waren bereits ganz wässrig und er hatte keine Ahnung wie lange er das noch aushalten konnte. Die braunen Haare klebten gradezu auf seinem Kopf. Sein Atem ging keuchend und stockweise, die Beine zu bewegen wurde anstrengender, da sie plötzlich aus Blei zu bestehen schienen. Er blickte nach vorn um zu sehen wer die Truppe anführte. Ganz an der Spitze lief, wie immer, Lex. Er war der beliebteste Soldat der Wärter, weil er immer und überall der beste war und niemals Befehle verweigerte. Als man Cedric einmal befohlen hatte, eine junge Frau zu foltern um aus ihr den Aufenthaltsort ihres Mannes herauszuquetschen, da hatte er sich geweigert. Das unterschied ihn eben von Kindern wie Lex. Dies predigten auch ständig die Wärter. „Es gibt zwei Arten Soldaten", sagten sie immer. „Die einen sind folgsam, beugen sich und tun was man ihnen befiehlt. Die andere Sorte, Stufe 2, beugt sich nur körperlich, nicht geistig und wird diese Stärke deshalb niemals erreichen!"
Cedric wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er die Stimme eines Wärters hörte. Er drehte den Kopf nach hinten, und sah dort einen rundlichen Jungen der zusammengebrochen war. „Möchtest du dich ein wenig hinlegen?", fragte der Mann freundlich. „Ja...", keuchte der Junge.
„Gut. Dann kannst du gleich liegen bleiben." Er hob seine Waffe, zielte auf den Kopf des Jungen und drückte ab. Cedric lief weiter. Er musste die Tränen zurückhalten. Nein, lange würde er es nicht mehr hier aushalten - er war sicher, irgendwann würde er verrückt. Wenn sie nicht bald jemand hier wegholte, dann würde er sich umbringen. Lieber sich selbst, als so viele andere. Das ertrug er einfach nicht mehr.
Lex - Soldat Stufe 1
Als Lex beim Rest der Truppe angekommen war, stellte er fest, dass sie das Dorf bereits vollständig zerstört hatten. Ein Wärter kam zu ihm, und teilte ihm mit: „Noch heute werdet ihr ins Sektor A78 marschieren und auch dieses Dorf eliminieren. Teilen sie das ihren Truppenmitgliedern mit."
Lex war der Liebling der Wärter und das war kein Geheimnis. Meist sagten sie ihm als erstes die wichtigsten Dinge und er musste sie dann nur weitergeben, wie in diesem Fall. Die Armee machte sich sofort auf den Weg. Sektor A78 war nur wenige Kilometer entfernt, vielleicht würden sie es schaffen, noch vor Sonnenuntergang dort zu sein. Während des Marschs durch den Wald, erinnerte Lex sich eine Sekunde lang daran, dass in diesem Dorf seine Schwester Laura lebte, verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder. Wenn er jetzt an sie dachte, würden diese Gefühle zu ihr ihn schwächen. Und Schwäche wurde mit dem Tod bestraft.
Laura - Mädchen aus dem Dorf im Sektor A78
Laura hockte in dem grünbraunen Lastwagen, im hinteren Teil, zwischen Kisten und anderen Mädchen und wartete ungeduldig darauf, das jemand käme und ihnen bescheid sagte, dass dies alles nur eine Übung war. Doch nichts geschah. Plötzlich hörte sie Draußen Schüsse, und damit wurde ihre schlimmste Befürchtung war.
Das hier war überhaupt keine Übung!
Sie machte sich so klein wie möglich und versteckte sich hinter einer herumliegenden Kiste, als die Hintertür des Transportmittels plötzlich aufgerissen wurde. So konnte Laura einen kurzen Blick nach Draußen werfen - und was sie da sah, war einfach grauenvoll. Alle Erwachsenen aus dem Dorf waren tot, ihre leblosen Körper lagen stapelweise auf dem Erdboden. Und nun sah Laura auch ihre eigenen Eltern, an einen Baumstamm gelehnt - von fünft oder sechs Schüssen durchbohrt.
„Oh mein Gott...", flüsterte sie leise und ihr Blick wanderte nun zu dem Jungen, der die Tür geöffnet hatte. Es dauerte einen Augenblick bis sie begriff.
„Lex! Lex, du bist es! Hol mich hier raus, bitte!" Der Angesprochene schien keine Notiz von ihr zu nehmen, hatte den Blick starr auf die Mädchen im Lastwagen gerichtet. Dann hob er sein Gewehr.
In einem winzigen Augenblick ging an Laura die ganze Zeit vorüber, die sie mit ihrem Bruder verbracht hatte. Ihr kleiner Bruder... Sie erinnerte sich daran, wie sie und er zusammen, als er fünf Jahre alt war zu dem großen Teich gegangen waren und Kaulquappen gefangen hatten. Sie erinnerte sich an das Segelboot aus Holz, das sie gemeinsam geschnitzt hatten, und dann, als er mit acht Jahren diese furchtbare Grippe bekommen hatte, da war sie jeden Tag für ihn da gewesen. Andere Geschwister stritten sich oft - bei ihr und Lex war das ganz anders gewesen. Wie Pech und Schwefel hatten sie zusammengehalten, immer! Immer waren sie für einander da gewesen - sollte das jetzt alles vorbei sein? Wie weit hatte die Akademie Lex denn nur gebracht? Entsetzt sah sie ihm in die Augen, die nicht mehr die ihren Bruders zu sein schienen - so ausdruckslos.
„Nein! Bitte Lex! Nein!"
Doch es war längst zu spät. Tausend Schüsse auf einmal, so schien es, durchbohrten die Köpfe und Herzen der Mädchen. Nur Laura, die noch immer zitternd hinter der großen Holzkiste hockte, hatte keinen Treffer abbekommen. Wie unter Trance sah sie zu ihren toten Freundinnen hinüber und dann auf zu Lex. „Nein...", schluchzte sie. „Lex? Lex!" Ihr Bruder drehte sich in ihre Richtung, und starrte sie kalt an. Dann hob er erneut seine Waffe, zielte auf ihren Kopf und hielt kurz inne. Es waren höchstens zwei Sekunden, die ihr vorkamen wie eine Ewigkeit. Dann ertönte aus dem Hintergrund eine Stimme.
„Lass gut sein Lex, du darfst nicht alle erledigen." Ein Wärter kam auf den Wagen zu, mit einem Grinsen im Gesicht. „Irgendwer muss uns ja schließlich noch sagen, in welchem Dorf der Spion sich nun versteckt hält. Das könnte uns ne ganze Menge Arbeit ersparen." Lauras Hände krallten sich um die Kiste. Die Erwachsenen im Dorf hatten immer gesagt: Und wenn sie alle Dörfer in Schutt und Asche legen, niemals dürfen sie erfahren wo der Spion steckt. Sagt es ihnen auf keinen Fall, schwört, das ihr kein Wort sagt.... Doch... Was würden die mit ihr anstellen, wenn sie sich weigerte zu sprechen? Laura wollte es sich nicht ausmalen. Sie wurde grob von ihrem kleinen Bruder gepackt, an den Händen gefesselt und, mit dem Gewehr im Rücken, zu einem Armee Wagen geführt. Mit dem sollten die Soldaten zurück ins Lager gelangen. Laura, auf dem Rücksitz, verkniff sich krampfhaft ihr Schluchzen, doch es fiel mit jeder Erinnerung die in ihrem Kopf aufstieg schwerer. All diese Leichen, das Blut, und... Sie wünschte dies alles sei nur ein furchtbarer Alptraum.
Cedric - Soldat Stufe 2
Als Die Truppen vom Einsatz zurück kamen, ging es für Stufe zwei sofort in die Betten. Sie sollten sich ausschlafen, um morgen früh sehr zeitig aufzustehen und Dorf A65 anzugreifen. Cedric graute schon jetzt davor. Wie lange sollte das noch so weitergehen? Wenn dieser Spion endlich gefunden wurde, würde dann dieses Grauen endlich ein Ende nehmen? Cedric lag stundenlang wach, dachte über den morgigen Tage, seine Situation und über seine Familie nach.
Seine Familie... Sollte er jemals ihr rauskommen, wie würde sein Leben dann weiter verlaufen? Konnten seine Eltern ihn denn einfach so wieder aufnehmen, als währe nichts gewesen, nach all dem was er... Getan hatte? Sein kleiner Bruder würde ihn sicher für immer hassen, die Freunde aus der Schule, von denen er einige hatte töten müssen, würden ihn verachten. Unter Zwang versuchte er diese Gedanken zu verdrängen, doch das war schwer.
Um halb eins morgens, als er immer noch nicht schlief, musste er auf die Toilette. Normalerweise durfte man in der Nacht den Schlafsaal nicht verlassen, aber unter diesen Umständen...
Cedric schnappte seine Pantoffel, stieg langsam und geräuschlos aus dem Bett und lief den Gang entlang, bis an die Tür. Diese Tür war dafür bekannt zu knarren und darum öffnete er sie so langsam wie nur irgend möglich, um jeden Laut zu vermeiden. Auf Zehenspitzen huschte er durch die Flure, in Richtung Klo. In der Dunkelheit tastete er umher, als ihm auffiel das ganz am Ende des Ganges in einem Zimmer noch Licht brannte. Was mochte das sein? Wer war denn um diese Uhrzeit noch auf? Cedric sah sich kurz um. Niemand zu sehen, und er wollte eigentlich nur schnell auf die Toilette und dann gleich wieder zurück in den Schlafsaal, doch seine Neugier siegte.
Erstrecht als aus besagtem Zimmer plötzlich ein grauen erfüllter Schrei drang. „Lex! Ah, hör auf! Ah!"
Er lief so schnell er konnte zur offen stehenden Eingangstür des Zimmers, und als er hineinblickte, sah er etwas, das alles übertraf was er je erlebt hatte.
Lex - Soldat Stufe 1
Seit er hier war, hatte sich viel geändert.
--- Laura blies, und die Schirmchen der Pusteblume flogen wild durch die Luft. Lachend versuchte ich mit den Händen nach ihnen zu greifen, und meine große Schwester kicherte, weil ich wohl ziemlich komisch dabei aussehen musste. Die Wiesen waren so frisch und grün, wie selten in den heißen Sommertagen und der Duft der Blumen erfüllte uns mit Glück. Lachend ließen wir uns ins Gras fallen und blickten hinauf in den klaren blauen Himmel. „Siehst du? Diese Wolke da sieht aus wie Ein Vogel mit Hörnern." Ich musste lachen, denn obwohl diese Vorstellung absurd war, stimmte es ein wenig. ---
Lex starrte hinab auf seine, sich unter Schmerzen windende Schwester. Warmes Blut ergoss sich über seine Hände, und ihr Schrei drang tief in seinen Kopf. Doch er fand dort keinen Widerhall, sondern klang eher wie der Schrei eines wildfremden Mädchens, eines, wie er schon Dutzende getötet hatte. Es machte für ihn keinen Unterschied, ob das hier seine große Schwester war, oder nicht.
--- „Sieh mal, die da sieht genauso aus wie die Pusteblume", lachte ich und rollte mich ein Stück über die Wiese. Ein Spritzer traf mich von der Seite, denn meine Schwester hatte eine Hand voll Wasser aus dem Bach geschöpft, um mich nass zu spritzen. ---
'Wasser?' Nein, das war kein Wasser. Das war Blut.
--- Vater kam über das Weizenfeld zu uns gelaufen und verkündete, es sei Zeit für das Abendbrot. Ich war hungrig und von dem langes Tag erschöpft. „Laura!", quengelte ich. „Ich mag nicht den ganzen Weg bis nach Hause zurück laufen. Trag mich!" Vater schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, das kommt nicht in Frage, Laura bricht uns doch zusammen." Meine große Schwester sah mich liebevoll an, und meinte: „Aber Paps, er ist doch erst vier. Ich mach das gern." ---
„Wo befindet sich euer Spion?", fragte Lex mit monotoner Stimme. Statt einer Antwort kam ein schmerzstöhnendes Schluchzen und eine kräftige Kopfbewegung, die zeigen sollte, dass Laura nicht bereit war zu reden. Ein junger Wärter stand, die Arme vor der Brust verschränkt, vollkommen locker an die Wand gelehnt dort, und besah sich das Schauspiel. „Bring sie zum reden!", befahl er und reichte Lex eine Zange, in die ein ca. Sieben Zentimeter langes Eisenrohr, das glühend heiß war, geklemmt war. Der Junge verstand sofort, und presste das glühende Stück auf die nackte Haut ihres linken Unterarmes. Wieder ein Schrei, ... Dann nur noch ein Wimmern....
--- Zuhause angekommen setzten wir alle uns an den großen Holztisch auf der Terrasse und aßen. Die Sonne ging langsam unter, und das Zwitschern der Vögel klang so wundervoll, wie immer. Nachher wollten Laura und ich noch ein wenig im Garten spielen. „Ach Lex mein kleiner Bruder, ich hab dich lieb." ---
Schließlich verstummte die weibliche Gestalt vor Lex Füßen. Sie war wohl ohnmächtig geworden, unter den Schmerzen. Der Wärter lachte kurz auf und sagte dann: „Bring sie um. Die redet eh nicht, wir suchen uns jemand anderen. Erschieß sie und dann geh'n wir." Er hatte sich schon zur Tür gewand. Lex fragte sich, warum ihn all das überhaupt kein Bisschen berührte. Wieso fiel es ihm nicht einmal schwer? Fast wusste er die Antwort schon. Sie war nur ein Mensch, und der Befehl laute sie zu töten. Und ein Befehl war nun einmal ein Befehl.
Mit einem letzten, kurzen Blick hielt er ihr die Pistole an den Kopf und drückte ab.
Cedric - Soldat Stufe 2
Er stolperte den Gang zurück, riss die Tür zur Jungentoilette auf, ging zu einer der Kloschüsseln und übergab sich.
In seinem Kopf drehte sich alles, und sein Magen spielte verrückt. Natürlich hatte er davon gehört, dass es Soldaten gab die auch Foltern vollzogen, doch das es so... grausam sein würde, hätte er niemals gedacht. Einen wildfremden Menschen aus zehn Metern Entfernung zu erschießen; und ihn zu quälen, während man ihm in die Augen blickte, war etwas grundverschiedenes.
Als Cedric an diesem Abend ins Bett ging, fiel ihm das einschlafen noch schwerer als zuvor. Immer wieder sah er die Erinnerungen vor sich, in grausiger Lebendigkeit...
Um sechs Uhr mussten alle kampfbereit und fertig vor dem Lager in einer Reihe stehen, salutieren und sich die Erläuterungen des Plans für den Angriff anhören. Im Großen und Ganzen sollte alles wie immer ablaufen. Sie würden auftauchen, die Dorfbewohner nach dem Aufenthaltsort des Spions fragen und diese würden sich weigern zu sprechen. Dann mussten die Soldaten alle Bewohner eliminieren, wie immer eben. Cedric stand in der Reihe nur wenige Meter von Lex entfernt und warf ihm nun einen kurzen Blick zu. Er wirkte vollkommen gelassen. War dieser Junge da wirklich der selbe Lex, der gestern Abend dieses Mädchen gefoltert hatte?
Der Marsch ging dieses Mal durch ein Moor, ca. Fünf Kilometer weit, auf Sumpfwegen zwischen Farnen und Heidekraut. Cedric widerstand der Versuchung einfach stehen zu bleiben, um vom Erdboden verschluckt zu werden. Im Gleichschritt marschierten die Soldaten nun einen steilen Hang hinauf, zwischen abgestorbenen, halb verrotteten Baumstämmen. Dann, auf dem Plateau angekommen, blickten sie hinab ins Tal, wo still und friedlich das Dorf lag. Cedric war vom Aufstieg erschöpft und hätte sich gern ein wenig ausgeruht, doch die Wärter trieben sie unermüdlich weiter. Wegen dem aufgeweichten Boden, den der gestrige Regen hervorgerufen hatte, rutschte Cedric einige Male aus.
Unten angekommen, bot sich ihnen der selbe Anblick wie immer. Verlassene Straßen und verwaiste Märkte, weil sich alle Bewohner sich in ihren Häusern versteckten. Wie sinnlos das war, schienen sie nicht zu wissen.
„Ihr da, geht ins linke Viertel!", rief der Führer einigen Soldaten zu „Und der Rest nach rechts, los doch!" Gerade wollten die Kinder der Anweisung folgen, als ein Schuss aus dem Hintergrund ertönte, und der Führer, am Kopf getroffen, zu Boden fiel.
Sofort hoben alle die Gewehre und zielten ins Dickicht. Einige Sekunden der Anspannung vergingen, dann raschelte es im Gestrüpp und ein stattlich gebauter Mann trat daraus hervor. Er hob beschwichtigend die Hände, zeigte, dass er unbewaffnet war, und erklärte mit ruhiger, aber dennoch lauter Stimme an die Armee gewandt: „Nicht schießen, wir kommen um euch zu helfen!"
Einige, unter ihnen auch Cedric, ließen ihre Waffen sinken und betrachteten den angeblichen Retter ungläubig. Man hörte ein Klicken und jede Menge darauf folgende, ohrenbetäubende Schüsse, während Lex „Friss Blei!", schrie. Der Mann fiel, von Dutzenden Patronen durchlöchert, blutend zu Boden. Sekunden lang schauten alle schockiert auf Lex, der in aller Seelenruhe sein Gewehr nachlud. Dann, ohne Vorwarnung, hörten sie ein rauchendes Geräusch. „Weg hier, Schlafgas! Wir haben keine Masken!" Die Gaspatrone landete kurz vor ihren Füßen und verströmte beim Aufprall, weißlichen Rauch, der sich ihnen schnell näherte. Einigen Soldaten gelang die Flucht, andere fielen dem Schlafgas zum Opfer und kippten augenblicklich um. Cedric tat ohne nachzudenken, das was Lex gesagt hatte, drehte sich um und lief so schnell er konnte weg vom Dorf, in den Wald. Er blickte nicht zurück, lief einfach nur so schnell er konnte und rempelte gegen ein paar andere Flüchtende. Ihm war egal wohin er lief; jetzt wo sie keinen Führer mehr hatten, zählte nur noch das Überleben.
„Hast du keine Augen im Kopf?", rief Lex, als er sich, nach einem Zusammenprall mit Cedric wieder aufrichtete. Der vierzehnjährige blickte sich um. „Wo sind die anderen? Verdammt...." Er wartete kurz und führte seinen Weg dann, etwas langsamer als zuvor fort. Cedric folgte ihm jedoch nicht, sondern lief in Richtung Osten, in der, nicht allzu weit entfernt ein weiteres Dorf sein musste. Lex drehte sich zu ihm um, als er merkte, dass er ihm nicht folgte. „Wo willst du hin?", fragte er.
„Weg natürlich, das ist die perfekte Chance." Cedric wusste, das dies hier eine Möglichkeit war, die nicht jedem Soldaten so schnell geboten wurde. Er konnte fliehen, für immer von hier verschwinden! „Wieso willst du weg?", fragte Lex und Cedric blickte ihn verständnislos an. „Falls du es schon vergessen hast: Wir sind nicht freiwillig hier! Täglich werden wir geschlagen, angeschrien und dazu gezwungen Menschenleben aus zu löschen!", rief der Jüngere. Er hoffte Lex endlich hier herausholen zu können... „Komm doch mit, du könntest frei sein."
„Niemals. Ich habe einen Befehl erhalten und werde meine Mission erfüllen." Im selben Moment, da Lex dies sagte, stiegen weiße Rauchwolken aus dem Gestrüpp hinter ihm auf. Cedric wollte sofort umdrehen und weglaufen, doch da... Da fühlte er auch schon wie seine Glieder langsam schwer wurden. Er hatte einfach keine Kraft mehr zum laufen, ganz plötzlich zog es ihm die Augen zu, und er schlief ein...
Viktor - Psychiater für Kriegsmissbrauchte Kinder
Die „Truppen" waren endlich besiegt worden, was für ein Glück. So viele Kinder hatten für diesen sinnlosen Krieg leiden müssen, und jetzt waren sie alle endlich frei. Viktor sollte heute fünf von diesen Kindern einen Besuch abstatten, mit ihnen reden und Wege für ihr weiteres Leben finden. Der erste seiner Patienten hieß Cedric, und er war erst seit wenigen Monaten in der Armee gewesen.
Als Viktor die Tür zu seinem Zimmer öffnete, sah er die Eltern des Jungen um sein Bett sitzen. Der Vater blickte seinen Sohn mitleidig an, die Mutter streichelte sein Haar. Viktor atmete erleichtert auf. Wenn die Eltern der Soldatenkinder bereit waren, ihnen zu vergeben, dann war der Rest einfach. Cedric schien auch ganz ruhig zu sein, war wahrscheinlich froh, dass nun das Grauen vorbei war.
Als der Psychiater sich auf den Rand seines Bettes setzte und „Hallo, Cedric" sagte, da blickte sein Gegenüber ihn freundlich an und reichte ihm die Hand.
Nach einer Dreiviertelstunde Gespräch war alles geklärt: Cedric würde mit seinen Eltern in ein anderes Land fahren, solange bis der Krieg vorbei war. Der Junge hatte keine bleibenden Schäden von dem Erlebten davon getragen und würde vielleicht, so hoffte Viktor, irgendwann wieder ein normales Leben führen können.
Auf dem Weg zu seinem zweiten Patienten, Lex, musste der Psychiater die Treppen von sieben Etagen des Krankenhauses hinauf laufen, und danach war er ziemlich außer Puste. Er klopfte zweimal kurz hintereinander an die Zimmertür. Als niemand antwortete öffnete er sie vorsichtig und blickte auf das Bett. Es war leer. Die Decke war zurückgeschlagen und das Laken voller Falten. Dann fiel Viktors Blick auf das Fenster, das weit geöffnet war...