Chicken oder Beef?
„Entschuldigen Sie, Ihre Vor- und Nachname bitte noch.“
Hier bin ich also. Wo? Moment, da muss ich auch noch mal nachgucken. Verzeihen Sie mir meine Geistesabwesenheit. Oh ja, hier steht es. Ich bin also in der Bank. Aber das ist unwichtig.
Denn was ich jetzt machen werde, hat nichts mit der Bank zu tun.
Ich möchte mit Ihnen über.. meine Gedanken sprechen.
Ich möchte mich mit Ihnen unterhalten.
Aber da fällt mir ein, Sie können mir gar nicht antworten. Also wäre es keine Unterhaltung in dem Sinne.
Ach, egal, ich fange einfach an.
Ich bin Schauspieler vom Beruf.
Ich dachte, Sie sollten es wissen.
Aber mein Beruf hat eigentlich auch nichts mit dem zu tun, was ich Ihnen gleich erzählen werde.
Also da wären wir.
Haben Sie sich schon mal gefragt, wie viele Geschichtenschreiber es auf der Welt gibt? Bestimmt haben Sie’s. Und stellen Sie sich vor, die gleiche Geschichte, die Sie vor einige Wochen geschrieben haben, hat schon mal ein japanischer Hobbyschreiber vor Jahren geschrieben. Wie fänden Sie das? Es wäre also gar nichts neues, Ihre Story.
Und was ist mit der Erfindung eines Hobbyerfinders? Er schaltet den Fernseher beim Frühstücken an und erfährt, dass dieselbe Erfindung vor Tagen von einem indischen Spezialist gemacht worden war. Toll.
Was machen wir also? Hören wir auf, Geschichten zu schreiben? Sie wohl nicht.
Sie sitzen eines Tages mit einem guten Freund im Garten und fangen an zu philosophieren. Plötzlich fällt Ihnen etwas großartiges ein, Sie staunen drüber, wollen es gleich der ganzen Welt erzählen, aber Ihr Freund sagt, den Satz habe schon mal ein berühmter Philosoph von sich gegeben. Was fühlen Sie dabei? Sind Sie traurig, enttäuscht, oder freuen Sie sich, dass Sie sich mit einem großen Philosoph vergleichen können?
Und? Hören Sie auf zu philosophieren? Nein.
Als ich kleiner war, hatte ich mir Gedanken über dieses „Déjà Vu“ gemacht.
Ich dachte, vielleicht wiederholen wir unser Leben. Das würde heißen, vielleicht schreibe ich diese Story schon zum 999. Mal. Und daher kommt es manchmal vor, dass mir eine Tat oder ein Bild bekannt vorkommt. Was meinen Sie?
Ich habe mir auch gedacht, dass das Wählen vielleicht gar kein Wählen ist. Vielleicht war es so geplant, dass ich mich zum Beispiel für ein Chicken-Sandwich entscheide, statt für ein Beef-Sandwich. Und ich hätte ohnehin das Chicken-Sandwich genommen, obwohl ich damals gedacht habe, ich hätte mich anders entscheiden können.
Aber trotzdem hören wir nicht auf, uns einzubilden, wir könnten wählen, oder?
Meine Mutter hatte gesagt, dass ich nur so darüber denke, weil ich mich nicht anstrengen wollte. Weil ich sagen wollte, ich hätte auch mit Mühe keine 1 in Deutsch bekommen, weil es sowieso vorgeplant war. Nun, vielleicht hatte Sie Recht.
Aber nachdem ich ein Jahr lang darüber nachdachte, erschien mir dieser Gedanke so oder so unlogisch.
Langweilen Sie sich schon beim lesen? Das tut mir Leid. Ich werde mich bemühen, mich kurz zu fassen.
Ein letzter Gedanke noch.
Ich möchte kurz über den Tod reden. Früher hatte ich keine Angst vor dem Tod, ich glaubte nämlich an den Himmel und an das Weiterleben nach dem Tod. Ich hatte mich sogar nach dem Tod gesehnt. Kaum erwarten konnte ich es. Ich wollte sehen, wie meine Mitmenschen reagieren würden, wenn ich sterbe. Aber nun bezweifle ich, dass meine Seele nach dem Tod überhaupt noch weiterexistieren würde. Das heißt, nach dem Tod, käme nichts mehr. Vielleicht wüsste ich nicht mal, dass ich tot bin. Das Auto käme zu schnell und bevor ich realisierte, was da geschah, wäre ich schon tot. Und dann, nichts. Wäre das nicht schrecklich?
Und wenn ich gestorben bin und all die Menschen, die mich gekannt haben gestorben sind.. (sagen wir, spätestens im Jahr 2200) Dann ist es so, als hätte ich nicht mal existiert. Sicherlich werde ich in kein Historyschulbuch stehen! Und wer würde mich kennen? Niemand. Niemand wird jemals irgend etwas von mir gehört haben. Und seien Sie ehrlich, nicht viele Menschen interessieren sich für ihre Vorfahren, nicht wahr?
Da fange ich wirklich an zu bezweifeln, ob sich meine Existenz lohnt.
Aber ich begehe trotzdem kein Selbstmord, weil ich, wie gesagt, plötzlich Angst vor dem Tod habe.
Gedankenverloren trage ich meine Vor- und Nachname ein, die in 200 Jahren niemand mehr kennen wird.
„Danke. Und in 3 Minuten werden Sie auf der Mitgliederliste stehen.“
Das war’s also.
Und übrigens, ich weiß, dass meine Gedanken nichts neues sind.
Auch meine Geschichten nicht.
Aber.. Egal, jedenfalls danke für’s Lesen.
Ach, und wollen Sie ein Chicken-Sandwich oder ein Beef-Sandwich?
Natürlich auf meine Kosten.