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Chemischer Basenaustausch

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20.11.2003
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Chemischer Basenaustausch

Grelles Licht erhellt die Dunkelheit. Klipp, das Badezimmer ist erhellt. Bedächtig und gewissenhaft nähert sie sich dem Schrank. Zielsicher sucht sie die Rasierklingen ihres Freundes. Lieber hätte sie die Klingen ihres Mannes gesucht, aber wenn sie einen Mann hätte, würde sie nicht nach Rasierklingen suchen müssen. Aber so...
Da, endlich erspüren ihre Finger das kalte Metall. Vorsichtig wie etwas Heiliges nimmt sie eine Klinge heraus. Wie schön sie im Licht schimmert. Konzentriert geht es weiter. Die Tür wird abgeschlossen, die Pulsadern freigemacht und die Position will gut gewählt sein. Vor dem Waschbecken ist es am Besten, das gibt am wenigsten Sauerei. Denn Mühe will sie keinem machen, das hat sie schon zu oft gemacht. Ihr Atem geht schwer und ihre Gedanken sind ausgesprochen klar und deutlich. Kein Nervenflattern, nur dieses glückliche Gefühl im Bauch, dass sie es bald geschafft hat, dass bald alles vorbei sein wird. Wie wird es wohl sein? Wird sie nachher noch denken können, was ist der letzte Gedanke, bevor alles schwarz wird? Sie denkt an ihn, an den, der ihr alles versprochen hat und es dann doch nicht einhalten wollte. Schon vorher gab es Versprechungen, doch diese war anders. Ein letztes Mal hatte sie sich aufgerafft, daran zu glauben. Zu glauben, dass sie jemand wirklich so liebt, wie sie ist. Egal, sie will nicht mehr nachdenken, denn ihre Augen füllen sich schon wieder mit Tränen. Ein Blick in den Spiegel, vor ihrem geistigen Auge sieht sie ein kleines Kind, noch nicht voll entwickelt. Ihr eigen Fleisch und Blut. Sie sieht, wie ihm die Arme herausgerissen werden, seine Beinchen zerplatzen in tausend Stücke und aus seinem kleinen Köpfchen quillt Gehirnmasse hervor. Es schreit nicht, kein Laut kommt aus seinem süssen Mund. Wie auch, es kann noch nicht schreien, aber es lebt. Sie sieht sich daneben stehen, einfach zuschauen ohne etwas zu unternehmen. Machtlosigkeit oder Kaltblütigkeit? Es macht für das fleischliche Wesen keinen Unterschied, wenn es in Fetzen gerissen wird. Weg mit dem Bild, sie will es nicht mehr sehen, erträgt es nicht mehr. Wie sehr wünschte sie sich ein Kind, eine Familie, doch sie wird nie im Leben Mutter werden. Nach der Abtreibung hat sie gedacht, es ginge. Ihr neuer Freund gab ihr die Hoffnung, die Hoffnung endlich geliebt zu werden. Endlich Mutter sein zu können. Doch wie die anderen nahm auch er seine Worte nicht so ernst. Gestern sagte er zu ihr, er würde sie nicht mehr so lieben wie am Anfang, weil sie immer so traurig sei. Du Arsch, überleg doch mal, warum sie so ist. Eine Frage und ihr Leben wäre wieder lebenswert. Doch niemand stellt ihr diese Frage, auf alle Fälle nicht so lange sie so traurig ist. Er sieht den Kreislauf nicht und sie kann ihn nicht durchbrechen. Die Klinge fühlt sich vertraut an. Tief durchatmen, Augen schliessen, nein zuschauen. Sie hat Angst. Aber die Angst vor der Zukunft ist grösser. Eins, zwei und mit allem Mut, der ihr noch geblieben ist, zieht sie durch. Warmes Blut spritzt heraus, strömt ins Waschbecken. Ihr wird schwindelig, doch Angst hat sie keine mehr. Langsam wird es immer schwärzer, sie sinkt zu Boden und ihre Lippen formen sich zu einem glücklichen Lächeln. Endlich frei.

 

Hallo aphro,

willkommen in der Welt der Buchstaben, in der Welt von kg.de!

Nun hast du es geschafft. Der erste Beitrag ist geschrieben, und ich kann getrost sagen, dass er flüssig zu lesen ist. Die Sprache gefällt mir gut, dein Stil hat Zukunft.
Was du nicht wissen kannst: du wähltest eine Protagonistin, wie es wohl viele vor dir taten, mit dem- ich nenne es jetzt mal- "Werther Syndrom". Der Selbstmord ist in der Literatur wie auch hier im Forum ein beliebtes Thema, gerade für Einsteiger. Für diejenigen, die diese Thematik schön öfters behandelt oder durchlesen haben, kann es mitunter zu dem Gefühl "Hatten wir alles schonmal" kommen. Das wäre aber dir gegenüber nicht fair, denn du konntest es erstens nicht wissen und zweitens ist ja jede Beschreibung eines literarischen Selbstmordes ein Stück weit anders. Es kommen halt immer Nuancen in der Thematik und Facetten in der Ausgestaltung hinzu.

Ich halte nach einer deiner nächsten Texte Ausschau, und wenn mein Auge einen trifft, dann werde ich ihn lesen. Mal schauen, was dir so als Themen einfallen.

MfG
Jan

 

Hallo!

Auch von mir ein:
Herzlich Willkommen auf kg.de!.

Der Selbstmord ist in der Literatur wie auch hier im Forum ein beliebtes Thema, gerade für Einsteiger

Japp, also da hat jbk natürlich Recht. Man kann praktisch über dieses Thema nichts neues mehr schreiben, alles war schon mal da.
Aber nur weil deine Geschichte kein neues Thema bietet, ist sie natürlich nicht schlecht.
Mir gefällt sie sogar gut. Du hast zumindest einen Grund für den Selbstmord angegeben, alles ist nachvollziehbar.


Du Arsch, überleg doch mal, warum sie so ist. Eine Frage und ihr Leben wäre wieder lebenswert.

Ich weiß nicht, also hier wird ja der Freund, der die Situation seiner Freundin nicht versteht, direkt angesprochen. Eigentlich eine schöne Idee, aber weil es nur an dieser einen Stelle vorkommt, wirkt es irgendwie unpassend ...

Okay, also, wollte nur kurz mal vorbeigucken, hoffe du bekommst noch viele Kritiken und schreibst noch viele schöne Storys,

dein Irish Coffee

 

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