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Chatroulette

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17.01.2011
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Chatroulette

Stephan Pol drängte sich zusammen mit seinen Kommilitonen aus dem Vorlesungssaal. Er begrüßte die Nähe zu den Mitstudenten, ließ sich mit der Menge treiben, bis ihn Jemand so hart anrempelte, dass er stürzte. Resigniert flüchtete er an den Rand des Flurs und suchte den Boden nach seinem Kugelschreiber ab, der ihm aus der Hand gefallen war. Als er ihn sah, war es schon zu spät; der Stift rollte gerade über den Rand und fiel ins Erdgeschoss. Er beugte sich über das Geländer. Dann machs mal gut, dachte Stephan. Wie so oft, wenn er sich wie ein Schatten vorkam, auf dem herum getrampelt werden konnte, tröstete er sich mit Gedanken an das Tagesende, wenn es Zeit wurde auf die Straße zu gehen
Für Stephan war nichts aufregender als der Blick in das Fenster eines Nachbarn. Die Alltäglichkeiten, mit denen sie abends ihre Zeit auffüllten und die in ihrer banales Wiederholung einer Dauerwerbesendung glichen, empfand er als eine Art heilige Existenzgrundlage. Insofern er als Zuschauer dabei sein durfte.
Wenn er unbemerkt durch die Gärten seiner und der anliegenden Straßen schlich, gekleidet in angemessenem schwarz, fühlte er sich als Priester ihrer Rituale. Ein Status, den sein Leben in der übrigen Zeit einfach nicht hergab. Sein Zeremonienstab ein schon oft gebrauchtes Fernglas, zwanzig facher Zoom. Er beobachtete sie beim Abwasch, beim Fernsehen, während gestritten und Kinder geliebt wurden. Seifenopern, nur für ihn gedreht.
Der Wunsch nach einem erotischen Akt der Laiendarsteller war nur zaghaft in ihm vorhanden; aber ein Motiv.
Trotz allem Kitzel, den sein nachbarschaftlicher Voyeurismus ihm bescherte, fehlte etwas.
Niemand schaute je zurück. Jedes bekannte Gesicht - und viele hatte er sich durch nächtelange Erfahrung eingeprägt - wandte sich nur dem engsten Kreis zu. Es lag ihm nichts daran erwischt zu werden. Seiner Taten war er sich durchaus bewusst. Aber nach und nach wurde es immer unbefriedigender und er verlagerte sein Talent der unbegrenzten Toleranz ins Netz.
Chaträume bargen einen Schatz voller Möglichkeiten, teilzunehmen ohne einzugreifen. Aber es bereitete ihm Schwierigkeiten, den fehlenden visuellen Kontext einfach zu ignorieren. Die Gespräche, mehr dahin gesabberte Wortfetzen als sinnvoller Inhalt, hatten nicht dieselbe Wirkung wie sein reales Pirschen in der Nacht. Außerdem wollte er mehr.
Stephan wollte sich nicht unbedingt einmischen, aber sein Drang zu beobachten hatte in ihm den Wunsch freigesetzt selbst gesehen zu werden.
Das Mittel, mit dem er hoffte endlich beides haben zu können, die gewollt voyeuristische Intimität des sehen und gesehen werden, fand er im Chatroulette.
Er testete die nur für diesen Zweck gekaufte Webkamera und erhielt einen kleinen Spiegel auf dem Bildschirm seines Computers, der, in annehmbarer Qualität, einen jungen Mann mit ungekämmten Haaren zeigte. Stephan drehte seinen Kopf hin und her, strich sich die Haare aus der Stirn, rümpfte die Nase und beobachtete das Bild der Kamera auf dem Monitor.
Dann probierte er das Mikrofon: „Willkommen in der anderen Wirklichkeit.“ Seine Stimme klang nicht so tief wie sonst und etwas blechern, aber überraschend klar und deutlich.
Nachdem er näher an die Kamera gerückt war, sagte er: „So werdet ihr mich sehen?“
Das Mikrofon funktionierte.
Nachdem er die Heizung in seinem winzigen Ein-Mann-Apartment runter gedreht hatte, setzte er sich auf seinen schwarzen, abgenutzten Ledersessel, lehnte sich zurück und startete das Programm. Eine Registrierung zwang man ihm nicht auf. Wär ja auch was, dachte er. Natürlich hätte er einen falschen Namen angegeben, aber überhaupt etwas von sich preis zu geben, zu Beginn, hätte schon das Aus bedeutet.
Zwei kleine dunkle Kästchen auf blauen Hintergrund erschienen auf dem Monitor.
Der Ablauf des Programms war denkbar einfach. In dem einen Kästchen wird sein Gesprächspartner gezeigt, in dem Anderen sein eigenes Gesicht. Jeweils darunter befinden sich Eingabezeilen mit deren Hilfe man schriftlich kommunizieren kann, für den Fall, dass ein Mikrofon nicht zur Verfügung stand. Ein Videotelefonat also, mit der Besonderheit, dass durch einen programmierten Zufall der Gesprächspartner ausgewählt wird; und je nach Gefallen tröstet man sich mit dem nächsten Zufall oder wird selbst weggeklickt.
Noch zeigte das untere schwarze Viereck nur seinen eigenen Kopf samt Brustkorb, das obere Kästchen ein Fragezeichen. Stephan fühlte sich noch nicht bereit, den Cursor anzuspornen endlich den Zufallsgenerator in Gang zu setzen; die Aufregung war groß. Man würde ihn zum ersten Mal dabei beobachten, wie er jemand anderen beobachtete. Dann entspannte er sich, klickte den Verbindungsbutton und überließ sich dem Roulette.
Die Wahl der virtuellen Partnerkugel fiel auf einen Typen, der sich mit James vorstellte und in Australien wohnhaft war. Stephan war ob der Qualität der Videoübertragung so überrascht, dass er keinen Ton rausbrachte, nicht wissend ob das überhaupt in seinem Interesse lag, und hastig mit dem Zeiger der Maus auf den Unterbrechungsknopf drückte. Sein Herz tanzte Tango, unter den Achseln an seinem dunklen Shirt bildeten sich Schweißflecken. Er schluckte ein paar Mal trocken und lächelte dann. Nicht vergleichbar mit den Bildern aus dem Fernglas. War ihm vorgekommen, als ob das Gesicht fast aus dem Bildschirm gesprungen wäre.
Stephan rückte wieder vor und holte sich das nächste Zufallsgesicht auf den Schirm. Ein Pärchen mittleren Alters aus Deutschland. Knopfdruck. Ein pubertierendes Mädchen aus Südamerika. Knopfdruck. Eine mollige Frau aus den USA. Knopfdruck. So kreiste das Roulette, Klick um Klick; bis er plötzlich ein Bild sah, das kein Gesicht zeigte.
Stephan runzelte die Stirn. In dem Kästchen sah er ein Labyrinth aus dunklen Mauern. Die Kamera flog darüber hinweg wie ein seelenloser Condor, endlos führte es in den Horizont. Während er mit seinen Augen der Kamera folgte, wurde Stephan leicht übel und er fühlte, wie der ruhige Flug etwas Bedrohliches ausstrahlte, das dem Labyrinth entströmte wie unsichtbarer Rauch. Ohne Vorwarnung wurde der Rahmen schwarz. Stephan war weggeklickt worden, wie er es selbst bei Dutzenden seiner virtuellen Gesprächspartnern bereits getan hatte.
Er hatte nur einen Moment Zeit, um sich die Sicherheit zu zuflüstern, dass da Jemand an dem Programm rumgepfuscht haben musste oder einfach ein Video abspielen ließ, egal wer gerade damit verbunden wurde, als das hübsche Gesicht einer jungen Blondine auf dem Schirm erschien. Sie lächelte ihn an und für Stephan war genau dies der Augenblick, den er sich herbei gesehnt hatte: der intime Blick, der auf ihm ruhte, so wie seine Augen so oft auf Anderen geruht waren. Er wurde beobachtet. Sie lächelte, als ob sie über ihn Bescheid wüsste. Dann wurde die Übertragung plötzlich wieder unterbrochen.
„Nein“, sagte Stephan. „Nein, komm wieder.“ Er ließ sich wieder verbinden, aber die Chance denselben Gesprächspartner auf dem Schirm zu sehen war kaum vorhanden. Er versuchte es, aber ihr Gesicht erschien nicht. Stephan beendete das Programm und ging rastlos in seinem Zimmer umher. Er fühlte sich berauscht wie beim ersten Mal, als er einen Blick in das Fenster seiner Nachbarn riskiert hatte. Der Raum wurde ihm zu eng, er atmete immer hektischer.
Ich muss sie wiedersehen, dachte Stephan. Der Sessel klapperte als er sich nervös darauf setzte und erneut das Chatroulette startete. Bis tief in die Nacht klickte er ein Gesicht nach dem anderen weg; die intim blickenden Augen der hübschen Frau wollten sich nicht wieder zeigen.
Irgendwann löschte Müdigkeit das nervöse Brennen in ihm, er gab auf, fiel auf seine Matratze und schlief ein.
Im Traum holte ihn der verlorene Kick wieder ein und Stephans Traum-Ich fand sich über dem Labyrinth fliegend wieder. Im Halbdunkel zogen die von Rissen und Sprüngen gezeichneten Mauern unter ihm vorüber. Dann, so unmittelbar wie im Traum üblich, wechselte die Szenerie und Stephan lag auf festgetretenem Erdboden, neben ihm ragten die dunklen Mauern turmhoch über ihm auf; so hoch, dass der bewölkte Himmel nur aus einem schmalen Band zu bestehen schien.
Er stand auf und setzte sich in Bewegung, gleitend, als ob seine Beine keiner Aktivität bedurften, bis zur nächsten Ecke. Und zur nächsten. Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, folgte er entlang den Wänden wie ein Geist, der sich nicht mehr erinnerte, dass Grenzen nicht für ihn gemacht waren.
Im Traum verrann die Zeit wie eine in Honig gedrückte Pendeluhr. Seine Bewegungen wurden immer zähflüssiger, bis er an eine Biegung kam, die sich von den anderen dadurch unterschied, dass auf ihrer Wand ein Augenpaar gezeichnet war. So detailliert, dass sie fast lebensecht wirkten. Er kannte diese Augen. Während sein Körper außerhalb des Traumes, auf der Matratze liegend, vor freudiger Überraschung sich unruhig hin und her wälzte, blieb Stephans Traum-Ich wie angekettet einige Meter vor der Zeichnung stehen.
Wind drang plötzlich durch die Gänge des Labyrinths und brachte einen süßlich metallischen Geruch mit sich. Der Träumende drückte seine Nase in die weiche Wölbung seines Ellenbogens und beinahe wäre ihm dadurch die Sicht auf den langgezogenen Schatten versperrt worden, der aus dem rechten Gang floss. Stampfende Schritte wurden hörbar. Wer auch immer sie verursachte, gleich würde er um die Ecke kommen. Instinktive Angst brachte Stephan dazu, sich von dem Augenpaar zu lösen und zu fliehen; wirksam wie eine in Bernstein gefangene Fliege.
Eine männliche Stimme wütete an sein Ohr: „Du hättest besser wegschauen sollen, kleiner perverser Scheißer.“ Er wandte sich um, aus dem Augenpaar an der Wand liefen blutrote Fäden.
Schweißgebadet erwachte Stephan.
Den Tag darauf verbrachte er meist in unruhigem Halbschlaf. Die Vorhänge der kleinen Fenster zugezogen, lag der Großteil des Ein-Zimmer-Apartments in Schatten. Er ließ die Vorlesungen an der Universität sausen, ging nicht ans Telefon, igelte sich ein. Bis zum Abend, wenn die Menschen endlich ihre Freizeit genießen durften und das Roulette wieder mit mehr Einsatz gespielt werden konnte, waren es noch einige Stunden. In den meisten davon stellte er sich ihr Gesicht vor; sah ihre Augen an der Wand des Labyrinths; ihr geheimnisvolles, wissendes Lächeln; wie sie sich beide einfach nur gegenseitig beobachteten. Unendliche Ruhe und Frieden in den Blicken zweier sich verstehender Seelen.
„Da bist du ja“, flüsterte Stephan ihr erstaunt zu und sie antwortete ihm mit ihrem Lächeln.
Es war spät in der Nacht, als er sein Glück kaum fassen konnte und ihr Gesicht, so unwahrscheinlich es auch war, in dem Kästchen des Programms erschien. Unverkennbare Augen blickten in die seinen.
„Ich habe versucht dich zu finden“, sagte er zu ihr.
„Ich weiß“, hauchte sie, „und ich habe dich gefunden.“
Für einen Augenblick war Stephan irritiert, als sie ganz nah an die Kamera heran kam und er glaubte, in ihren dunklen Augen labyrinthische Gänge zu sehen; und er verloren in ihnen umher streifte. Sie blinzelte langsam, lehnte sich zurück, so dass ihr gesamter Oberkörper sichtbar wurde und der Moment verging.
„Stephan“, sagte sie mit heiserer Stimme. Hatte er ihren Namen genannt?
„Ich weiß was du suchst. Ich will mich dir zeigen“, dabei knöpfte sie ihre weiße Bluse auf.
„Ja.“
Stephan vergrößerte mit dem Zeiger seiner Maus das obere Kästchen auf seinem Monitor. Er sah die namenlose junge Frau auf einem Sessel sitzen, in die Kamera blickend, die Knöpfe ihrer Bluse langsam öffnend. Sie war so weit mit ihrem Stuhl zurück gerollt, dass hinter ihr ein Ausschnitt des Raumes sichtbar wurde. Er war leer.
Er zoomte die Projektion seines Spiegelbildes zurück, so dass sie ihn von Kopf bis Fuß mustern könnte. Hinter ihm war nun ein Teil der Einrichtung zu sehen, und die Eingangstür, die in den langgezogenen Raum führte. Wie gebannt beobachtete er abwechselnd die hübsche Blondine und sich selbst. Das war eindeutig besser als ohne Erwiderung den Alltag durch Fenster auszuspionieren. Erregung überflutete ihn. Er legte bereits seine Hände an den Gürtel seiner Hose, als sie wieder zu ihm sprach.
„Auf Jemanden wie dich habe ich gewartet.“ Sie zog die Seiten ihrer Bluse auseinander, ihre vollen Brüste wurden sichtbar.
„Warum ich?“, fragte Stephan.
„Weil, weil“, sie hob ihren Po hoch und zog den Rock aus, „du gelernt hast wirklich zu sehen; dabei zu sein.“
Sie streichelte ihre jetzt komplett nackten Kurven und kam wieder näher an die Kamera, blickte intensiv in Stephans Gesicht und flüsterte: „Genau wie mein Freund.“
Pol war so erregt, dass er ihre Drohung mit einem Geheimnis zwischen ihnen verwechselte.
Er löste seinen Blick von ihr und wandte seine Aufmerksamkeit seinem Bereich auf dem Monitor zu.
Im Rahmen war er selbst zu sehen, große Augen, ungekämmtes Haar und dann zuckte er zusammen, als er beobachtete, wie die Eingangstür im Hintergrund langsam geöffnet wurde.
Stephan erschrak, drehte sich mit dem Stuhl schnell einmal um die eigene Achse; aber die Tür war verschlossen. Er drehte sich wieder um und der virtuelle Rahmen zeigte, wie der dunkle Spalt zwischen Tür und Zarge immer breiter wurde. Er atmete hektischer.
„Was geht hier vor?“, flüsterte er zu seiner Partnerin. Sie antwortete ihm nicht.
Er konnte seine Augen nicht von dem kleinen Ausschnitt abwenden. Eine grob menschlich geformte Silhouette schälte sich aus den Schatten heraus. Stephan drehte sich um, nichts. Er sah auf den Bildschirm und da stand sie noch immer, unbewegt, ihn beobachtend. Er fühlte ihren Blick seine Wirbelsäule entlang wandern, Stich für Stich. Kaltes Entsetzen breitete sich in seinem Magen aus.
Das Gesicht der Blondine füllte den Chatrahmen. Ihre Augen blitzten vor Vergnügen: „Ich will dich näher, komm näher.“ Sie stöhnte.
„Was willst du?“
„Ich will dich sterben sehen, Stephan!“
Stephan starrte sie an, in das Labyrinth ihrer Augen, und wieder auf sein Chatfenster, in dem er sah, wie die Geistergestalt sich bereits in der Mitte des Raumes befand und sich auf ihn zubewegte.
Er ahnte was folgen würde und konnte sich dennoch nicht seiner Sucht entziehen. In seinem letzten voyeuristisch angehauchten Blick sah er, dass die fast durchscheinende Gestalt, zweifellos ihr Freund, genau hinter ihm stand. Er wusste, sie sah dabei zu, wie ihr Geliebter seine Finger in seine Augen krallte und aus ihm heraus fischte. Stephan schrie; weniger vor Schmerzen, als vor dem Anblick ihres süßen Lächelns, das in seinen letzten Augenblicken so intim in seine Gedankenwelt eingedrungen war.
Als die Tür zu seinem Apartment von einem Kommilitonen, der nebenan wohnte, aufgebrochen wurde, saß er nur noch vornüber gebeugt tot in seinem Sessel. Der Studienfreund blickte auf den Monitor und sah einen hübschen Kussmund in einem Chatfenster; dann wurde es schwarz.
Weggeklickt.

 

Hallo,

gebe hier mal meinen Einstand.


Freue mich auf Feedback

lg Oneiro

 

Hallo,

Im Gedränge auf dem Flur des Universitätsgebäudes wurde Stephan Pol angerempelt und stürzte auf den Boden.
Der erste Satz sollte eine Einladung an den Leser sein, näher zu treten und sich die Geschichte anzuschauen, er sollte die Stimmung einer Geschichte vermitteln, die Neugier wecken. Das heißt, auf ihn sollte sprachlich besonders Wert gelegt werden.
Du hast hier, bevor das erste Verb kommt, fünf Substantive.
Gedränge – Flur – Universitäts/Gebäude (okay, das ist nur eins, aber das ist so hässlich und lang, das zählt doppelt) und der Name „Stephan Pol“.
Gedränge ist ein schönes Wort, ist aber eigentlich auch eine Substantivierung eines bewegten Vorgangs. Menschen drängen sich, das kann man sehen, ein Gedränge ist nur ein Zustand, etwas Statisches.
Flur des Universitätsgebäudes – das ist furchtbar umständlich, wofür braucht es das Gebäude. Wenn man von der Universität spricht, wird im Zusammenhang klar, dass man das Gebäude meint.
Stephan Pol – wenn man einen Protagonisten so vorstellt, wirkt das immer etwas förmlich und ungelenk. Ich runzel da die Stirn … es machen sicher einige Thriller-Autoren so und auch sonst gibt es bestimmt hervorragende Autoren, die ihre Protagonisten bei der ersten Begegnung mit dem Leser so vorstellen … ich halte das für keine gute Lösung. Ich würde ihn sovorstellen, wie er den Rest des Textes über betitelt wird vom Erzähler. Und das macht man entweder mit dem Nachnamen (wenn der Erzähler eine Distanz zu der Figur hat) oder mit dem Vornamen (wenn der Erzähler sie bei einem Aufeinandertreffen Duzen würde).
Und das Verb das dann kommt ist relativ schwach „Wurde … angerempelt“, das ist sehr passiv.
Und was den Leser eigentlich interessiert, dass er zu Boden stürzt (wohin sollte er sonst stürzen?) kommt dann am Schluss.
Also jeder einzelne Teil dieses Satzes hat einen Schönheitsfehler und in der Gesamtheit wirkt es durch die vielen Substantive und die Position der Verben statistisch, unlebendig und passiv.

Vorschlag: Erst das Gedränge und die Figur darstellen. Ein erstes Bild schaffen. Stefan Pohl taucht ins Gedränge. Zweites Bild: Das Gedränge selbst, es wird enger, unangenehmer, die Gefühle beschreiben. Drittes Bild: Er stürzt.

Dann hättest du drei Verben für diese drei verschiedenen Bilder (eintauchen – drängen/schusen – stürzen).

mehr Schatten auf den herum getrampelt werden konnte als wahrnehmbar Stoffliches
Auf dem -außerdem: Viel Überflüssiges, zu viele vielsilbige Worte, die man streichen könnte. „wahrnehmbar Stoffliches“ - das Wahrnehmbare ist doch hier das Entscheidende, bitte präziser formulieren, dann braucht man auch weniger Worte (vorher im Satz auch schon: Unsichtbarer Geist).

Der Wunsch nach einem erotischen Akt der laienhaften Darsteller war nur zaghaft in ihm vorhanden; aber ein Motiv.
Bah, sprachlich ist das nichts. Der Wunsch war (zaghaft) vorhanden … „erotischer Akt“, laienhafte Darsteller.

Man tut sich, wenn man mit dem Schreiben anfängt, keinen Gefallen damit, Protagonisten auszusuchen, die eine umständliche Erzählweise verlangen oder erlauben, weil es zu einer umständlichen Sprache führt. Lieber einen Draufgänger als Erzähler nehmen, der ins Volle geht. Es gibt nichts schöneres sprachlich zu gestalten als pralle Handlung. Das Schreiben macht so viel mehr Spaß, wenn man in die Vollen gehen kann und ordentlich was zu erzählen hat. Noch etwas (Alles nur Empfehlungen) : Immer vom Konkreten erzählen. Nie: Stephan machte – wie jeden Abend, dieses und jenes. Sondern: Heute abend! Er ist da! Dieses Nachbarpärchen es streitet sich, die Mutter streichelt dem Jungen über den Kopf, sie gehen ins Schlafzimmer, Pohl schwitzt, sie machen den Vorhang zu. Immer vom Konkreten erzählen, ist ungemein lebendiger und spannender.

. Trotz seines heiligen Eifers, war er sich seiner unmoralischen Taten durchaus bewusst. Aber nach und nach wurde es immer unbefriedigender und er verlagerte sein Talent der unbegrenzten Toleranz in die virtuelle Welt.
Guck mal, wie sich das arme Talent neidisch nach den anderen Substantiven umsieht, die haben alle ein bezauberndes Adjektiv davor, um unanständige Dinge zu treiben. Nur „Talent“ nicht.
Im Ernst: Viel weniger Adjektive. Dass die Taten unmoralisch sind, sieht der Leser, das muss ihm der Text nicht vorkauen. Unbegrenzte Toleranz … pff, braucht es das. Ist Toleranz je unbegrenzt? Kommt es da nicht auf die Grenzen an? Ist die Toleranz im Internet nicht nur eine Gleichgültigkeit? Und die „virtuelle Welt“ – jaaaaaaaaaa, die virtuelle Welt ist Tron. Irgendwas mit 3D-Brillen. Von mir aus auch sowas wie Second Life oder World of Warcraft.

Aber es bereitete ihm Schwierigkeiten, den fehlenden visuellen Kontext einfach zu ignorieren.
Bitte? Schreibst du für jemanden, dem du imponieren möchtest, oder für jemanden, den du unterhalten möchtest? Also mir musst du nicht zeigen, dass du Fremdworte kennst. ;)

das projektierte Bild auf dem Monitor.
Args.

Die Kamera flog darüber hinweg wie ein seelenloser Condor
Ist erstaunlich, das ist ein guter Vergleich, vielleicht ein bisschen aufdringlich, aber allein dadurch, dass es ein spezieller Vogel ist (der Condor) und dieses ungewöhnliche Adjektiv hat (seelenlos) passt es, obwohl man inne hält und drüber nachdenken wird.
Aber das ist ein gutes Beispiel was dem Text sonst fehlt, in den Momenten bis hierhin hättest du „Vogel“ geschrieben, Condor – das ist gut.

Er stand auf und setzte sich in Bewegung, gleitend, als ob seine Beine keiner Aktivität bedurften, bis zur nächsten Ecke. Und zur nächsten. Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, folgte er entlang den Wänden wie ein Geist, der sich nicht mehr erinnerte, dass Grenzen nicht für ihn gemacht waren.
Im Traum verrann die Zeit wie eine in Honig gedrückte Pendeluhr. Seine Bewegungen wurden immer zähflüssiger, bis er an eine Biegung kam, die sich von den anderen dadurch unterschied, dass auf ihrer Wand ein Augenpaar gezeichnet war. So detailliert, dass sie fast lebensecht wirkten. Er kannte diese Augen. Während sein Körper außerhalb des Traumes, auf der Matratze liegend, vor freudiger Überraschung sich unruhig hin und her wälzte, blieb Stephans Traum-Ich wie angekettet einige Meter vor der Zeichnung stehen.
Wind drang plötzlich durch die Gänge des Labyrinths und brachte einen süßlich metallischen Geruch mit sich. Der Träumende drückte seine Nase in die weiche Wölbung seines Ellenbogens und beinahe wäre ihm dadurch die Sicht auf den langgezogenen Schatten versperrt worden, der aus dem rechten Gang floss. Stampfende Schritte wurden hörbar. Wer auch immer sie verursachte, gleich würde er um die Ecke kommen. Instinktive Angst brachte Stephan dazu, sich von dem Augenpaar zu lösen und zu fliehen; wirksam wie eine in Bernstein gefangene Fliege.
Das hier ist ungefähr achtmal besser als der Anfang, weil du etwas zu erzählen hast, weil da Bewegung drin ist. Es ist noch lange nicht perfekt, aber es lässt sich gut lesen und ist spannend. Bitte das hier als Ausgangspunkt für die nächste Geschichte nehmen, und vor allem die ersten Absätze ganz schnell vergessen. (Die ausgefalllenen Metaphern nicht übertreiben … Uhr im Honig war gut – die Bernsteinfliege ist zu viel jetzt).

wenn die Menschen endlich ihre Freizeit genießen durften und das Roulette wieder mit mehr Einsatz gespielt werden konnte, waren es noch einige Stunden.
Wenn da Leute aus aller Welt mitmachen, müsste da rund um die Uhr was los sein. Zeitunterschied und so.

Ja, der Plot bleibt relativ lange im Dunkeln, als es dann klar wird, worauf es hinausläuft … ist halt schon ein bisschen generisch alles, sehr konventionell und angestaubte Plot-Entwicklung, auch sehr simpel gestrickt, war schon etwas enttäuscht das so zu lesen.
Ansonsten: Lebendiger schreiben, weniger Adjektive, weniger Allgemeines, mehr Spezielles und auf die guten Ansätze hier im Text bauen. Es wird dir sicherlich mehr Spaß gemacht haben, die handlungsreichen Teile der Geschichte zu schreiben als dir bei den handlungsarmen irgendetwas aus den Fingern zu saugen, richtig? Überleg dir mal wie viel mehr Spaß es macht eine Geschichte zu schreiben mit einer dichten Handlung, starken Szenen und Figuren, denen man dann auch beim Reflektieren und Sinnieren noch gerne zuhört.

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

Danke erstmal, dass du dir die Zeit für Kritik genommen hast.

Ich werde den Einstieg auf jeden Fall nochmal überarbeiten und versuchen etwas lebendiger zu gestalten.

Man tut sich, wenn man mit dem Schreiben anfängt, keinen Gefallen damit, Protagonisten auszusuchen, die eine umständliche Erzählweise verlangen oder erlauben, weil es zu einer umständlichen Sprache führt. Lieber einen Draufgänger als Erzähler nehmen, der ins Volle geht. Es gibt nichts schöneres sprachlich zu gestalten als pralle Handlung. Das Schreiben macht so viel mehr Spaß, wenn man in die Vollen gehen kann und ordentlich was zu erzählen hat

Im Grunde wollte ich gar nicht so viel über den Prot erzählen; sollte einfach eine Art kurzer Wegweiser ins Seelenleben sein; darum auch keine echte Handlung....habe gedacht, dass es den Rahmen der kurzen Story sprengen würde.
Allerdings stimmts schon, dass Handlung zu beschreiben mehr Spaß macht.

das projektierte Bild auf dem Monitor.

Args.

Ausdrücke werde ich ebenfalls nochmal überarbeiten :)

Ja, der Plot bleibt relativ lange im Dunkeln, als es dann klar wird, worauf es hinausläuft … ist halt schon ein bisschen generisch alles, sehr konventionell und angestaubte Plot-Entwicklung, auch sehr simpel gestrickt, war schon etwas enttäuscht das so zu lesen.
Ansonsten: Lebendiger schreiben, weniger Adjektive, weniger Allgemeines, mehr Spezielles und auf die guten Ansätze hier im Text bauen. Es wird dir sicherlich mehr Spaß gemacht haben, die handlungsreichen Teile der Geschichte zu schreiben als dir bei den handlungsarmen irgendetwas aus den Fingern zu saugen, richtig? Überleg dir mal wie viel mehr Spaß es macht eine Geschichte zu schreiben mit einer dichten Handlung, starken Szenen und Figuren, denen man dann auch beim Reflektieren und Sinnieren noch gerne zuhört.

Na ja, ich prob ja noch.....die nächste Geschichte wird bunter :)

 

Hallo Oneiro, herzlich willkommen!

Ich fand deine Geschichte interessant und spannend, wollte wissen, wie es weitergeht.

Für mich besteht sie aus zwei Teilen; dem ersten, rationalen, in dem der Prot vorgestellt wird und was er so warum macht, und dann den mit übernatürlichen Elementen, in dem er beim Chatroulette diese Frau sieht, die ihn sterben sehen will.
Ich kriege leider nicht recht die Verbindung zwischen diesen beiden Teilen hin (oder soll der komplette erste Teil nur eine Erklärung sein, warum er mit dem Chatroulette überhaupt anfängt?).
Denn: er will gesehen werden. Okay, er wird gesehen und wird umgebracht / bringt sich um. Hä? Das mit dem Alptraum und dem mysteriösen Freund ist ja ganz nett, aber mir ist die logische Kette, die Idee, die Aussage hinter alldem nicht ausgearbeitet genug.

Viele Grüße,
Maeuser

 

Hallo Maeuser,

Ich fand deine Geschichte interessant und spannend, wollte wissen, wie es weitergeht.

schön zu hören :-)

Ja, der erste Teil diente eigentlich nur als Überleitung zum Roulette; darum auch wenig Handlung und mehr Erklärung. Ich brauchte eben einen Prot, der nicht nur aus Jux und Dollerei das Chatroulette ausprobiert, (na ja, ist weit hergeholt....halt einen an der Nase herbei gezogenen Grund weshalb die Gespensterfrau gerade ihn aussucht.....) und der weiter auf den Monitor blickt und nicht schreiend davon läuft, wenn hinter ihm die Erscheinungen auftreten.
Eine Aussage/ Idee dahinter gibt es nicht, war jedenfalls nicht meine Absicht. Sollte eher wirken wie eine Twilight Zone Story. Dass es wenig ausgearbeitet wirkt ist natürlich Schade.

Lg Oneiro

 
Zuletzt bearbeitet:

Eine Aussage/ Idee dahinter gibt es nicht, war jedenfalls nicht meine Absicht.
Ach so! Dann ist der erste Teil echt viel zu lang und ausführlich und auch irrelevant für den Rest. Dann würde ich die Sache mit dem Beobachten und nicht gesehen werden wollen ganz rausnehmen und vielleicht eine andere Geschichte draus stricken?

Ich brauchte eben einen Prot, der nicht nur aus Jux und Dollerei das Chatroulette ausprobiert,
Warum? Genau das kann er doch tun. Dann sieht er halt eine schöne Frau, die ihn in Gedanken nicht mehr loslässt. Sowas soll's geben... ;)

Zugegeben, dadurch wird die Geschichte banaler, aber eigentlich auch nur oebrflächlich, denn der Rest gehört ja sozusagen eh nicht dazu.

Mach lieber zwei Geschichten draus. ;)

 

Hallo Stephan,
Eine insgesamt gute Idee, mit einem recht gut geschriebenem Ende.
Anfangs könntest du gleich mehr Tempo reinbringen, weil bei der Kürze der Geschichte der erste Absatz kaum notwendig ist. Mit dem Einstieg als Voyeur würdest du das ganze interessanter gestalten.

Einige Sätze sind ähnlich gelagert wie dieser, wo du die genaue Zeitenfolge einhalten solltest, weil sonst der Lesefluss zerhackt wird:

Resigniert flüchtete er an den Rand des Flurs und suchte den Boden nach seinem Kugelschreiber ab, der ihm aus der Hand gefallen war.
Hier flüchtete er zuerst resigniert und nachher kommt erst der Kugelschreiber. Im ersten Halbsatz weiß der Leser also noch nicht, warum er an den Rand flieht.

Er begrüßte die Nähe zu den Mitstudenten, ließ sich mit der Menge treiben, bis ihn Jemand so hart anrempelte, dass er stürzte.
Er mochte wäre vielleicht besser. Das begrüßen klingt irgendwie aktiv, während Stefan ja mehr passiv ist.
wenn er sich wie ein Schatten vorkam, auf dem herum getrampelt werden konnte,
gerade einem Schatten ists egal, ob auf ihm herumgetrampelt wird oder nicht.
Hilfe man schriftlich kommunizieren kann,
Das klingt jetzt recht weit weg und unpersönlich. Es wird wohl Stephan selber sein, der dass dann ausführt.
und er verlagerte sein Talent der unbegrenzten Toleranz ins Netz.
das scheint mir unklar. Was meint unbegrenzte Toleranz?
Das er es mag, wenn er beim Beobachten beobachtet wird?
unter den Achseln an seinem
Ich denke, es wird wohl noch immer im Brustkorb tanzen. MAximal tanzte Tango bis zu seinen Achseln ...
den Cursor anzuspornen endlich den Zufallsgenerator in Gang zu setzen
hm, erscheint mir etwas schief der Vergleich, weil der Cursor wird ja nicht angespornt sondern sehr gezielt über die Maus gelenkt
neben ihm ragten die dunklen Mauern turmhoch über ihm auf;
Wortwiederholung
Wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, folgte er entlang den Wänden wie ein Geist, der sich nicht mehr erinnerte, dass Grenzen nicht für ihn gemacht waren.
DAs ganze Konstrukt erscheint mir zu kompliziert. der zweite TEil könnte z.B so lauten gleich einem Geist, der nicht begriff, dass es keine Grenzen mehr gab...
Instinktive Angst brachte Stephan dazu, sich von dem Augenpaar zu lösen und zu fliehen; wirksam wie eine in Bernstein gefangene Fliege.
den Ansatz dieses Bildes finde ich gut.
Aber im ersten Satz muss der Plan stehen, zu fliehen. So in etwa. Seine Angst sagte ihm, dass er sofort fliehen sollte, seine Beine wollten herumwirbeln, die Arme vorschnellen, doch es war wie bei einer in Bernstein gefangenen Fliege....

LG
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

Eine insgesamt gute Idee, mit einem recht gut geschriebenem Ende.

Danke sehr.

Anfangs könntest du gleich mehr Tempo reinbringen, weil bei der Kürze der Geschichte der erste Absatz kaum notwendig ist. Mit dem Einstieg als Voyeur würdest du das ganze interessanter gestalten.

Ich bin dabei den Text nochmal komplett zu überarbeiten. Das Thema Voyeurismus und somit der gesamte erste Abschnitt wird wegfallen.
Dafür versuche ich einen direkteren Einstieg in den Kern der Story und füge ein paar weitere übersinnliche Elemente hinzu. Das wird zwar den Lauf der Geschichte ändern, aber ich denke, dafür wird sie knackiger und lebendiger.

und er verlagerte sein Talent der unbegrenzten Toleranz ins Netz.

das scheint mir unklar. Was meint unbegrenzte Toleranz?


Damit ist sein Voyeurismus gemeint; er wertet und urteilt nicht, sondern beobachtet "tolerant".

den Cursor anzuspornen endlich den Zufallsgenerator in Gang zu setzen

hm, erscheint mir etwas schief der Vergleich, weil der Cursor wird ja nicht

stimmt. müsste so lauten, dass Stephan sich selbst nicht anspornt.

lg Oneiro (P.S.: und nicht Stephan, das ist der Prot aus der Story :))

 

Hi Oneiro,
Ups ja, natürlich:bonk:
Bin schon mal gespannt auf die Überarbeitung
LG
Bernhard

 

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