Mitglied
- Beitritt
- 10.03.2006
- Beiträge
- 12
Camlann - Morgause
Morgause
„Sex ist auch eine Art Macht. Wenn ich mit ihm schlafe, kann ich ihn beherrschen. Was mit Lot funktioniert hat, wird mit Arthur auch funktionieren.“
Morgause war sich ihrer Sache sehr sicher. Das war es, worum es ihr ging, Macht, insbesondere Macht über Männer.
Sie hatte es nie angestrebt, selbst zu herrschen oder besser gesagt direkt und unmittelbar, das hätte nämlich auch bedeutet für die Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen zu werden und vielleicht die Liebe oder Bewunderung ihrer Umgebung zu verlieren. Aber da sie durch ihren Mann herrschte, war sie auf der sicheren Seite. Nicht sie, sondern er mußte die Konsequenzen tragen; sie blieb die schöne und zu bewundernde Königin.
Natürlich verstand sie die Wünsche und Gelüste der Männer, Männer wie ihren Gemahl Lot von Orkney, Krieger, gehärtet durch jahrelange Streitigkeiten in Worten wie in Taten, mit Zunge und Schwert, und sie wußte sie zu ihren Gunsten zu nutzen. Aber bei allem war sie immer auf der Suche, der Suche nach echter Liebe, Nähe und Bewunderung, die keine Macht braucht und keine Intrigen, die nur aus sich selbst besteht. Und die wir ihr nicht geben konnten, die sie von einem Mann zu erfahren suchte. Auch wenn sie sie zumindest von ihren Söhnen bekam.
„Wenn er in deinen Armen und in deinem Körper Erfüllung findet, wenn er sich unter dir vor Lust windet, wenn er sie stillen kann, wenn du ihn auf den Fellen dazu bekommst, dir alles zu gewähren, dann besitzt du ihn. Männer sind wie Jagdhunde: du setzt sie auf deine Fährte, du machst sie heiß und dann läßt du sie los. Wenn sie ihre Beute erst erlegt haben, sind sie zufrieden und können an nichts anderes mehr denken.“
Das war es, was sie tat, sie spielte die Beute, den Köder. Und mehr als ein König glaubte, sie gefangen zu haben, während sie ihn zu ihrem Vorteil ausnutzte.
Es war nicht so, daß sie sie nur über ihren Körper beherrschte, sie gab ihnen auch die Bewunderung oder den Widerspruch, den sie suchten. Solange es in Morgauses Interesse lag, war sie die perfekte Frau, die Erfüllung all ihrer Träume und Wünsche, das viel beschworene Paradies. Und für sie selbst, stellte es keine Gefahr dar, sie war mit ihrer Schwester Morgane und mir auf der Ynis Avalleach gewesen, sie hatte gelernt eine Königin zu sein, eine Kämpferin und auch eine Heilerin. Sie kannte die Kräuter um zu begehren, zu schlafen, schwanger zu werden oder eben keine Kinder zu bekommen. Sie wußte sich zu helfen, sollte eine ihrer Begegnungen nicht nach ihrer Planung verlaufen.
Noch vor einiger Zeit hatte sie geglaubt, meine Beziehung mit dem Ratgeber des Hochkönigs würde auf der gleichen Ebene stattfinden, Beherrschung und Macht über Körperlichkeit. Aber sie irrte sich, was uns verband war viel mehr, als nur guter Sex und beidseitig gleich stark. Wir waren ebenbürtige Partner, so daß wir diese Art von Machtspielen nicht benötigten, um unsere Rolle zueinander zu definieren, und wir wußten sehr gut um die Vorzüge und Schwierigkeiten des anderen.
„Ich werde sein Kind gebären, seinen Sohn, und er wird sein Nachfolger werden, vielleicht sogar Hochkönig!“ Sie kannte Arthur nicht annähernd so gut, wie sie glaubte.
Lot und sie taten sich nicht viel. Beiden ging es um Macht, in dem rauhen Land in dem er König war, beide waren Krieger, die um das kämpften, was sie zu erhalten suchten, und beide nutzten fast alle Möglichkeiten, um zu bekommen, was sie begehrten. Natürlich wußte Lot um ihre Lieb- und Lebschaften, aber solange es auch ihm diente, war es ihm recht. Und nur ihm hatte sie Kinder geboren, nur Söhne.
Die Sache mit ihrem Bruder Arthur jedoch war anders. Zum einen war er tatsächlich ihr leiblicher Bruder, von der selben Mutter geboren, und Liebschaften in derart naher Verwandtschaft waren nicht nur verpönt, sondern auch moralisch verboten, zum anderen aber war er der Hochkönig und im Gegensatz zu vielen anderen Männern, die sie in ihr Bett geholt und für eine Zeit an ihre Kette gelegt hatte, nicht nur in der Kunst des Kriegers ausgebildet.
Sei Verstand und das Pflichtgefühl gegenüber den Stämmen beherrschte ihn stärker, als er es seinen Gelüsten oder persönlichen Wünschen erlaubt hätte. Das war seine Größe, aber auch sein Fluch.
Diesmal hatte sie sich verkalkuliert.
Morgause gebar Arthur tatsächlich einen Sohn, aber entgegen ihrer Hoffnungen beherrschte sie ihn damit nicht. Er erkannte ihn an, die zwielichtigen Umstände seiner Zeugung und Geburt jedoch und Arthurs Weigerung seiner Mutter die Macht zu geben als seine Königin neben ihm zu herrschen, führten dazu, daß er als Ziehsohn unter Lot von Orkney aufwuchs und erst als erwachsener Mann nach Camelot zurückkehrte, als Kind seiner Mutter und gelehriger Schüler seiner Tante.
In gewisser Weise trug er tatsächlich zum Ende von Arthurs Herrschaft bei, aber seine Rolle war weitaus weniger prominent, als sie die Autoren später machen sollten. Immerhin hatte er alles, was ihren Bildern von sogenannter Sündhaftigkeit entsprach: ein wilder, heidnischer Krieger aus dem Norden, Bastardsohn mit der bösen, verführenden Schwester - als ob dazu nicht zwei gehören würden - der letztlich zum Untergang des sonst makellosen, guten Königs führt. Was für eine Vorlage.
Morgause, gute, liebebedürftige, liebeshungrige Morgause, auf der Suche nach Erfüllung, danach einmal selbst gespiegelt zu werden statt immer nur andere zu spiegeln, Morgause starb in den Armen des ersten Mannes, der tatsächlich sie liebte und nicht ihr Bild nach außen. Ermordet durch den Nachfolger Lots, ihren eigenen Neffen, der sie, die verwitwete, nicht mehr ganz junge Königin, gerne für sich gehabt hätte, weil die Stämme des Nordens sie liebten. Welche Ironie.
Und weder ihre Söhne noch wir konnten ihr helfen.