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Camlann - Morgane
Morgane
„Das kann er doch nicht zulassen!“ Morgane war außer sich. „Er kann ihn doch nicht alles Ernstes darin bestärkt haben, diese Frau zu heiraten! Nicht nur, daß sie eine Normannin ist, nein, sie hängt auch noch diesen Heuchlern in Rom und Byzanz an. Schlimm genug, daß mein Bruder die Bischöfe ins Land gelassen und ihnen zugestanden hat ihre sogenannte Religion zu verbreiten und öffentlich zu zelebrieren, ja sogar am Hof und im Rat. Als ob deren Unterstützung das entscheidende wäre, die Sachsen fernzuhalten; jetzt holt er sich auch noch eine von denen ins Bett. Er verkauft sich an die Heuchler und die Fürsten aus der Normandie, damit sich die Sachsen hier nicht breit machen, dabei sind die meisten von ihnen doch selbst mit den Sachsen verwandt, und ihre Großväter waren noch genau solche Räuber und Mörder. Was ist denn dabei der bessere Handel. ... Und hat er sich einmal überlegt, wie das auf die Stämme wirkt, wenn er nicht wieder eine Druidin oder Priesterin, eine Fürstin, Kriegerin oder zumindest eine Tochter von einem von ihnen nimmt?
Er mag ja der Hochkönig sein, aber das ist zuviel!“
Sie lief im Raum auf und ab, während sie so sprach und unterstrich ihre Erregung mit schnellen präzisen Gesten, ihr Umhang schwang um ihre Beine und die Sohlen ihrer Reitstiefel klapperten ärgerlich auf den Steinen.
Sie war schon immer eine streitlustige Frau gewesen und ihr Zorn war weithin gefürchtet.
Ich wußte natürlich, daß ihr die Entwicklungen an Hof und im Rat nicht gefielen. Sie war eine Tochter der alten Regeln, der alten Gewohnheiten, aufgewachsen und erzogen als Kriegerpriesterin, unwillig und zu hitzköpfig Fehler zuzugeben. Sie war eine Frau der Tat, nicht so sehr des Wortes. Das war einer der Gründe, warum sie nicht ständig im Rat anwesend war und mitsprach. Sie hatte nicht die Geduld und den Willen die Realitäten, die das Land und die Stämme benötigten, anzuerkennen. Sie wollte keine Kompromisse eingehen. Auch deshalb war Arthur Hochkönig und nicht sie, obwohl sie die gleiche Ausbildung genossen hatten und in ihren Fähigkeiten gleich waren.
Sie war auf der Ynis Avalleach gewesen, hatte die Worte gehört und die Zeichen gelesen.
Ich erinnerte sie daran, erinnerte sie an die Aussichten, die die Druiden gestellt hatten, die Bilder, die sie heraufbeschworen, die wir gesehen hatten. Nur Morgane glaubte nicht an den Verlauf der Geschichte.
„Man muß doch diesen Entwicklungen in den Arm fallen; ich werde jedenfalls nicht tatenlos zu sehen, wie er alles zerstört, was mir heilig ist.“ Manchmal verwendete sie dieses Wort genau so, wie die Bischöfe, die sie verachtete.
Ich mochte sie sehr, ihre Hitzköpfigkeit, ihre Energie, ihre blinde Liebe zu diesem Land; ich liebte sie, wie eine Schwester, auch wenn sich mich ebenso häufig angegriffen hatte, wie sie friedfertig mit mir war und es meinem Herzliebsten immer noch übel nahm, daß er beschlossen hatte dem Hochkönig Arthur ebenso mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wie er es mit dem jungen Arthur getan hatte, obwohl das eben auch bedeutete im Rat mit der Stimme der Vernunft für das zu sprechen, was dem Land und den Stämmen zugute kam und nicht, was ihm selbst am besten gefiel oder was er gerne gewollt hätte.
Sie warf ihm oft vor, er hätte seine Überzeugung verkauft. Sie tat ihm Unrecht. Er hatte wie wir gesehen und gehört, doch er wußte genau, was zu machen war und was nicht. Er hatte alles gut überlegt und haderte trotzdem häufig genug mit dem, was er raten mußte und zauderte und war unglücklich mit manchem, wie alle anderen von uns auch. Aber er hatte sich nun einmal entschieden für den König ein guter und gerechter Ratgeber zu sein, eine Stimme des Volkes und des Landes, ein Deuter der Politik. Und schließlich und endlich war er ein Druide, mit allem, was das beinhaltete.
„Wenn er das tut, bedeutet das Krieg!“
Ich fragte sie, ob sie sich wirklich gegen ihn stellen wollte, daß er ihr Bruder war und erinnerte sie daran, daß er die Stämme für eine Zeit geeinigt hatte, daß wir stark waren, wie schon lange nicht mehr, ob sie wußte, was sie damit zerstören würde. Aber meine Argumente fruchteten nicht.
Arthur heiratete seine normannische Fürstin und sie führte den Einfluß der Bischöfe zu neuen Höhen. Das jedoch sicherte ihr und ihrem neuen Gemahl einen Platz in der Geschichte für alle Zeit.
Morgane stellte sich gegen beide, König und Ratgeber, und bekämpfte sie mit einem Haß und einer Energie, wie es nur Geschwister oder gute Freunde vermögen. Was wiederum ihr einen Ort in den Büchern gab, nicht den, den sie erhofft hätte, aber immerhin einen ebenbürtigen.
Dieser Same der Zwietracht gebar schließlich den Untergang seines Hochkönigtums und der Einigkeit der Stämme, wenn auch nicht so, wie man es euch vielleicht erzählt hat.
Und sie trauerte ehrlich an seinem Grab, das ist mehr, als man von vielen anderen sagen konnte.