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Camlann - Guinevere
Guinevere
Ich wollte nur die neue Königin sehen, also klopfte ich und öffnete die Tür.
Sie saß vor dem Spiegel und kämmte ihr Haar, unwahrscheinlich lang, fest und golden im Morgenlicht.
„Tritt ein; was willst du?“
Sie war es gewohnt Befehle zu erteilen und ihren Willen zu bekommen, schließlich war sie die Königin und dazu eine normannische Prinzessin von adligem Geblüt. Sie war die Frau des Hochkönigs. Auch wenn er nur König dieses unzivilisierten, kalten, nassen Landes war und viele Fürsten ihm zwar als Verbündete verschworen waren, aber nicht unbedingt als Vasallen. Noch dazu gaben viele von ihnen nur Lippenbekenntnisse für den wahren Glauben von sich oder hingen gar immer noch ihren heidnischen Göttern an und ihr Gemahl tat nichts dagegen. Im Gegenteil, er versuchte sich mit diesen Heiden auch noch gut zu stellen. Aber sie würde schon dafür sorgen, daß sich das änderte, schließlich hatte er mit ihr ja endlich eine Gemahlin genommen, die etwas von der großen Politik verstand und die wußte, daß sie mit dem wahren Glauben an ihrer Seite und der Unterstützung der Bischöfe große Macht erlangen konnten. Sie würde dieses Land noch zu einem ordentlichen, zivilisierten und Gott gefälligen Ort machen.
Ich wußte, was sie dachte, sah ihre Pläne und Erwartungen, aber was hätte ich sagen sollen. Also stellte ich mich vor.
Sie musterte mich, schätzte mich ein, ob ich wohl auf ihrer Seite sein würde, auf seiner oder auf ein noch unbekanntes drittes Interesse verträte.
Was sie sah, gefiel ihr nicht.
Ich war weder normannisch, noch römisch. Ich war ihr zu klein, zu keltisch, wußte zu sehr, was ich wollte und wer ich war, war ihr zu mächtig, zu magisch, zu selbstbestimmt. Sie sah mein Erbe, sah meine Stärke und instinktiv wußte sie, daß ich ihr gefährlich werden konnte, ihren Plänen, ihrer Position. Ich repräsentierte all das, was sie zu ändern gedachte. Und sie wußte, als sie meinen Namen gehört hatte, daß ich ihre Vorgängerinnen gekannt und geliebt hatte. Aber sie irrte sich.
Ich hatte nicht vor ihre Pläne zu vereiteln oder ihr etwas streitig zu machen; ja, ich wußte, was kommen mochte, hatte es gesehen, aber im Gegensatz zu Morgane oder auch Morgause würde ich mich der Geschichte nicht in den Weg stellen. Es war ihre Zeit.
„Du bist also die Geliebte des Zauberers.“
Mein Falkenherz hätte wohl herzlich gelacht, ihn als Zauberer zu bezeichnen und mich als seine Geliebte, das zeigte gleich meinen Stellenwert in ihrem Universum, nicht Ehefrau, wie auch, glaubten wir doch weder an ihren Gott noch an die doppelte Moral seiner selbsterklärten Vertreter auf Erden. Aber immerhin hatte sie mich nicht als seine Buhle bezeichnet oder noch andere Begriffe benutzt, die sie sicherlich kannte und hinter unseren Rücken auch verwenden würde, wohl weniger aus Respekt, sondern mehr aus Vorsicht. Aber sie hatte nicht unrecht, ich war schließlich seine Geliebte, mit Herz und Seele und Verstand, mit Haut und Haaren.
Ich brachte ihr meine Glückwünsche zu ihrer Hochzeit, offen und ehrlich, doch ich sah, daß sie an meinen ehrlichen Absichten zweifelte.
Wir mußten ein merkwürdiges Paar abgeben, Guinevere und ich.
Sie: groß, blond, blauäugig, königlich, schlank, in blaue Gewänder gehüllt, in Seide, Samt und Spitze, nach der neusten Mode, mit goldenem Schmuck und Kreuz, Latein gelehrt, graziös, kühl, beherrscht, mächtig und machtbewußt und nur ausnahmsweise nicht von einem Kordon plappernder, kichernder und in ihrer Erziehung hohlköpfig gehaltener Hofdamen umgeben, die sich zum Teil selbst mitgebracht, zum Teil aus den schon übergetretenen, adligen Familien – was immer das bedeuten mochte – rekrutiert hatte.
Und ich hingegen: klein, rotbraun, grünäugig, erdig, einfach bezopft, in grünen und roten Kleidern, dem Hof angemessen, aber praktisch, belesen und in den Sprachen der Stämme bewandert, mit Messer, Schlüssel und Schale gegürtet, in Hirschlederstiefeln, bronze geschmückt, kontrolliert. Ich ritt mit Männern und Kriegerinnen, ich saß und sprach an der Tafel, als gleiche unter gleichen, ich neckte den König und fiel den Mönchen ins Wort.
Kurz, wir waren wie ein Jagdhund und ein wilder Wolf.
Wir waren zwei Welten und wir würden es bleiben. Zwei Zeiten. Zwei Wahrheiten.
„Ich freue mich, dich kennenzulernen.“
War es ihr sehr schwer gefallen, diese Worte zu sagen, oder war es nicht vielmehr so, daß sie es gelernt hatte, alles zu sagen oder zu tun im richtigen Moment.
Der Komik der Situation bewußt, brach ich in schallendes Gelächter aus, drehte mich um und verließ den Raum.
Sie blickte mir irritiert und mißbilligend nach.
Die Geschichte hat uns beiden nichts geschenkt.
Sie betrog ihren Mann und König mit dem ersten aller Ritter (ha!) und war so der Anfang von seinem Ende.
Ich verführte meinen und band und bannte ihn weit fort von Camelot in einen Weißdornbusch, damit ich seine Macht hätte (als ob ich die bräuchte) und so konnte er seinen König nicht retten in dessen dunkelster Stunde – als ob da was zu retten gewesen wäre und er sich eingemischt hätte.
So habt ihr es zumindest gelesen.