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Calamari fritti
Sie trafen sich beim Griechen. Was für eine seltsame Wahl. Fett, Knoblauch und Frittiertes, weil man hernach stank, als hätte man drei Tage in einer Dönerbude gepennt und Unmengen Schnaps brauchte, um das zu verdauen, hatte er Mitte der 80er mit der Unsitte aufgehört. Damals war das total in. Aber was tat man nicht alles, um an das erklärte Endziel, zwischen zwei stramme Schenkel zu gelangen.
Sie sah viel älter aus, als auf den Bildern. Und runder. Das störte ihn erstmal nicht. Denn sie hatte irgendwie eine ziemlich erotische Art schnippisch zu sein. Umwege schienen auch nicht zu ihren Tugenden zu gehören. Ihre Fragen waren direkt, antwortete er ausweichend, stellte sie sofort eine noch präzisere Nachfrage. Sie trank Bier. Aus der Flasche. Den Kronkorken öffnete sie mit einer an Perfektion reichenden Effizienz mit dem Feuerzeug. Ihre Haare waren zu Rot für ihr Alter. Und gewagt wild frisiert. Auch hielt sie sich an keine Regel der Frauenwelt. Brust, oder Keule, Augen oder Mund. Betont war nicht entweder-oder, sondern sowohl-als-auch. Blutroter Lippenstift, schwarz umrahmte Augen. Das Dekolleté ließ keine Fragen offen. Auch der Rock war kurz und eng, so knapp, dass er im Sitzen nicht mehr recht passte und noch weiter hoch rutschte und in die Schenkel schnitt.
All das hätte nuttig wirken können. Aber sie trug den Putz mit solch einer Überzeugung, dass sich bestimmt kein Mensch traute, mit ihr eine Stilfrage zu diskutieren. Nicht zuletzt, um keine blutige Nase zu riskieren.
Eine Speisekarte wollte sie nicht. Sie wusste schon, wonach ihr der Sinn stand. Tintenfischringe, doppelte Portion, ohne Grünzeug, viel Knoblauchmayonnaise. Ob er eine Karte brauche, fragte sie ungeduldig. Er fühlte sich etwas vorgeführt, dass er nicht sofort seine Lieblings-Griechen-Gericht herunter rattern konnte, sondern tatsächlich Hilfe brauchte. Schlecht vorbereitet. Tut mir leid, Frau Lehrerin.
Devot? Unsicher rutschte er auf dem Stuhl hin und her und beschloss, im Klo noch mal nachzuschauen, ob ihm da eine Verwechslung untergekommen war. Dort rief er mit dem Smartphone das einschlägige Portal auf, nein, da stand es schwarz auf grau, devot/masochistisch. Dies verbarg sie tatsächlich erfolgreich. Abwarten. Aber ein bisschen nervös war er schon, ob er ihr gewachsen war, ein wenig muss sie mitspielen, sonst fühlte er seine Felle davon schwimmen.
Zurückgekommen stand schon eine riesige dampfende Portion der fettigen Ringe vor ihr, sein Grillteller wirkte daneben wie ein Seniorenteller. Sie hatte nur noch Augen für den goldbraunen Knusperhaufen vor ihr. Und er nur noch für den Ausdruck der sinnlichen Hingabe, mit der sie sich dem Meeresgetier widmete. Besteck benutzte sie nicht. Sie wählte strahlend den ersten Happen, fasste ihn zwischen Zeigefinger und Daumen. Tauchte den Ring in die cremige Sauce und führte ihn zwischen die üppigen Lippen seiner Bestimmung entgegen. Beim Kauen schloss sie die Augen.
Sapperlot. Jetzt hatte er tatsächlich einen Ständer bekommen. Unauffällig legte er die Serviette auf den Schoß und versuchte sich ebenfalls mit dem Essen zu beschäftigen. Aber sein Blick kehrte wie gebannt zu ihrem Mund zurück, immer wieder musste er sich den Zaubertrick des verschwindenden Tintenfisches anschauen. Dazwischen leckte sie sich das Öl von den Fingerspitzen.
Wollen wir zum Nachtisch ficken? Die Frage wirkte auf ihn wie ein Donnergrollen im Spätsommer, er konnte nur perplex nicken, eilig seine Siebensachen zusammensuchen, dem Ober das Geld im Vorbeigehen mit einem viel zu hohen Trinkgeld in die Hände drücken, schon waren sie draußen und sie bugsierte ihn in ihr kleines Auto. Zu mir oder zu dir stand auch nicht zur Debatte. Das lief alles komisch. Er fühlte sich verdattert und überrollt. Er hatte sich die Frage, ob er mit ihr wollte, oder nicht, noch gar nicht zu Ende beantwortet. Und schon hielten sie vor ihrer Wohnung.
Oben angekommen zeigte sie sich auch nicht schüchtern, kokettierte weder mit einem Alibikaffee, noch murmelte sie etwas von so etwas habe ich noch nie gemacht. Auch ihre Wohnung wollte sie nicht zeigen. War sie überhaupt eine Frau?
Sie schälte ihn aus der Jacke, schmiss sie in die Ecke des Flurs, ihre darüber und dirigierte ihn direkt in das Schlafzimmer. Er hoffte auf irgendeine Atempause, damit er irgendwann einhaken konnte, mit seiner Dominanz.
Aber sie riss schon mit derselben Souveränität seinen Gürtel mit einer Hand auf, wie sie ein Bier öffnen konnte. Schon war sie mit der Hand in seiner Hose, er hoffte inständig, dass sein kleiner Freund unter Zeitmangel schon die gewünschte Steife entwickelt hatte, weil ehrlich, er kam hier nicht mehr mit. Sie erschien nicht unzufrieden, saugte sich mit ihrem Mund in seinen, drang mit der Zunge ein und forderte seine zu einem kleinen Duell. Er war froh, dass sich beim Küssen ein bisschen Zeit ließ, damit sein Gehirn auf das Erotikprogramm umstellen konnte. Als er gerade etwas Selbstsicherheit erlangte, beschloss sie, dass nun genug geknutscht wurde, zog sich ohne Umschweife splitternackt aus und legte sich aufreizend auf das Bett.
Gerne hätte er dem Bild dieses nackten Wesens einen Moment länger gehuldigt, denn es gab von allem reichlich. Die Brüste waren bombastisch, mit dunklen Höfen und Nippel, ein breites Becken, fleischige Schenkel und zwischen ihnen, er hatte es sich schon fast gedacht, der ausgeprägte Venushügel bewaldet von dunklem Kringelhaar. Die Ungeduld ließen schon ihre Augenbrauen streng werden, deshalb zog er sich schnell aus und gesellte sich zu ihr in die Laken.
Sie empfing in weich und wogend. Sie strahlte am ganzen Leib eine überirdische Hitze aus, als hätte sie Fieber. Ihre Arme, Beine, Brüste und Haare schienen überall zu sein, als hätte sie mindestens die doppelte Menge zu Verfügung. Sie umschlang ihn, streichelte, wippte schmiegte und wand sich, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Ihre Lippen und Zunge waren überall. Küssten, leckten ihn an Stellen, die für andere Frauen erotisches Niemandsland waren. Der ganze Knäul aus Körperteilen umschlangen ihn, ließen keine eigenen Gedanken oder Ideen zu. Er gab sich hin. Und auf. Alles schien zu pulsieren, zu halten, wie Tentakeln. Der Mitte zuführend. Der feuchten, dunklen Mitte. Plötzlich durchfuhr es ihn eiskalt. Tentakeln? Tintenfisch? Er bekam einen kleinen Moment Angst, öffnete den Mund, um Einhalt zu gebieten, sofort füllte er sich mit weichem Fleisch ihrer Brust, wiegten ihn in Geilheit, Sicherheit. Schon fing die pulsierende Umklammerung und Abwärtsbewegung wieder an. Er hätte ihr gerne in die Möse gefasst, ob es wirklich eine war und sie keine Chininpanzerzähne dort hatte. Aber schon wurden seine Hände weggestreichelt, sie wollte seinen Schwanz. Sie sollte ihn bekommen. Normal fühlte er sich beim ersten Eindringen immer wie ein Soldat, der mit Hurra in die Schlacht reitet, um in fremdes Land einzudringen, gegen die weibliche Schüchternheit und erotischen Vorbehalte. Aber was war hier und heute schon normal?
Er fühlte sich an und eingesaugt, verschlungen, assimiliert.