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Cajun
Krachend zerbrach der gefrorene Block Alligatorenfleisch auf der Holzkante des Tresens. Er zerteilte sich in mehrere Stücke, die in der schwülen Hitze des Saloons langsam über das blank gescheuerte Holz rutschten. Bevor sie vom Tisch fallen konnten, wurden sie geschwind in eine Schüssel geschoben.
"Du wirst nochmal eines Tages das ganze Mobiliar zertrümmern", bemerkte Jim, der an dem Tresen auf einem hohen,wackeligen Holzhocker sitzend träge zusah. Sein massiger Hintern ragte prall über die Ränder der Sitzfläche. Die Jeans war so weit nach unten verrutscht, dass sie einen Blick auf seinen speckbepackten Rücken bis hin zur Poritze freigab.
Maman Lafitte lachte heiser krächzend und wischte sich mit dem grauen Lappen, mit dem sie eben noch den Tresen getrocknet hatte, den glänzenden Schweiß von ihrer braunen Stirn.
"Jimmyboy, die Leute erwarten ihren Gatorburger mit nem richtigen Stück Alligator dazwischen und nicht diese Hundekacke von durchgemahlenem Bröselfleisch. Alligator schmeckt nur, wenn er angefroren gebraten wird."
Jim rutschte auf seinem Hocker unbehaglich hin und her bis er ihn steifbeinig verließ, um sich rechts am Tresen vorbei durch eine quietschende Holztür zum Klo zu begeben.
Hinter dem Haus schwoll ohrenbetäubender Lärm an, als wollte jemand das Blockhaus mit der Kettensäge zerlegen.
"Das wird Marvin sein, ich höre seinen Hund kläffen", sagte Jim vom Klo zurückgekehrt.
Er ruckelte sein Hosenbund zurecht und bewegte sich unschlüssig in Richtung Tresen. Dann steuerte er in watschelndem Gang den hinteren Teil des Blockhauses an.
Maman Lafitte folgte ihm und öffnete eine Holztür, die zu einem hinter dem Haus liegenden Bootssteg hinaus führte.
Vor ihnen breitete sich die Sumpflandschaft des Blackfork Bayou aus. Eine schwarze, glatte Wasserfläche, aus der Mangrovenwurzeln und zersplitterte Baumstümpfe ragten.
Das Gebiet war durchsetzt von schilfbewucherten versteckten Kanälen und größeren Tümpeln, an deren Ufern die kahlen mit Spanish Moss behangenen Bäume aussahen, als seien sie die Kulisse für einen Horrorfilm.
"Bonjour Maman", grinste Marvin schelmisch, der breitbeinig in seinem flachen Airboat stand. Die Rotorblätter am Bootsheck drehten sich langsamer werdend in dem metallenen Käfig. Ein weißes Stück Flokati wuselte auf dem Holzsteg lautstark kläffend hin und her.
"Bob, zurück ins Boot und Platz!", übertönte Marvins Stimme das Gebell, das daraufhin für zwei Sekunden aufhörte, um dann unbeirrt fortzufahren. Marvins rechter Arm langte in den Flokati und zog ihn ins Boot. In das Gewinsel fuhr ein deutliches "Aus!" und auf der Stelle war es ruhig.
"Hat ein Opossum bei dir am Haus gerochen, sonst dreht er nicht so auf", kommentierte Marvin, während sein muskulöser Arm das Fellbündel fest im Griff hatte.
"Schau her, Maman, was ich dir mitgebracht hab, der schwamm mir direkt vor den Bug."
"Jesses Marvin, der hat ja Ausmaße, was soll ich mit so einem Riesenalligator? Der ist doch nur zäh."
Die vordere Hälfte des flachen Blechbootes war ausgefüllt mit dem riesigen Leib eines schlammigdunklen Alligators, der halb gekrümmt auf der Seite liegend den Blick auf seinen schmutzig weißen Bauch frei gab. Seine spitzen Zähne bleckten seitlich heraus und die wuchtigen Pranken befanden sich direkt vor Marvins Füßen.
"Macht nichts, Maman, ich zerleg ihn dir in kleine Stücke, machst wieder deinen berühmten Alligator-Jamba draus und mach ihn schön scharf. Jim und ich mögen es scharf, nicht wahr, Jim?"
Marvins Gesicht verzog sich zu einem vieldeutigen Grinsen. Jim blickte prüfend auf den Alligator.
„Solche Biester gibt es nur im Little Caillou Creek, Jack’s Gebiet. Bist du dort gewesen?"
Marvin bleckte die Zähne. "Und wenn?"
"Jesses, Marvin, du handelst uns allen einen Haufen Ärger ein, wenn das einer aus Jack’s Creek ist", schalt Maman Lafitte, während sie Marvin verschwörerisch zuzwinkerte und anfing, zu kichern.
"Dies ist ein freies Land, Maman", Marvin schob schmunzelnd seine Baseballkappe nach hinten, "wir Akadier haben keine Grenzen."
Marvin griff hinter sich und wuchtete einen Akkordeonkasten aus dem Boot.
"Nimm das mit rein, Jim, ich fahr den Alligator zerlegen und komme dann wieder."
Jim steckte seine Hand in den Ledergriff des Kastens und hob ihn an.
"Okay, bis nachher, Marv, sei pünktlich zum fais dodo."
Marvin startete den Motor, die Propeller begangen sich zu drehen. Maman Lafitte beeilte sich, zur Tür zu gelangen, da der aufbrausende Winddruck ihren Rock und die Schürze aufgeplustert und hochgeschlagen hatte.
Sie prallte gegen einen Mann, der breitbeinig in der Tür stand und finster dem davon brausenden
Blechboot nachschaute.
Seine in schwarzes Leder gekleidete Gestalt überragte Maman um Kopfeslänge und sein pechdunkles Haar hatte er zu einem Zopf zusammengebunden, was ihm das Aussehen eines Indianers verlieh.
"War das Marvin mit einem Alligator?" Sein Blick fixierte einen Punkt in den Sümpfen, als könnte er dort die Antwort lesen.
"Jesses, die Gatorburger, ich muss mich sputen, um sechs ist die Hölle los", krächzte Maman Lafitte und zwängte sich an ihm vorbei, um in den Saloon zu gelangen. Die braune Hautfarbe ihrer kreolischen Abstammung verhinderte, dass man sehen konnte, wie ihr Gesicht rot anlief.
"Hi, Jack", beladen mit dem Akkordeonkoffer, den Jim mit beiden Händen angepackt und wie einen Schild vor seinen massigen Bauch gehoben hatte, schob er sich durch die Tür, so dass Jack beiseite treten musste.
"Tag, Jim. Das ist Marvins Akkordeon?" Jacks Gesichtsmuskeln spannten sich an.
"Ja", antwortete Jim, ohne eine Miene zu verziehen und Jack anzublicken. Beide betraten den Saloon. Jim stellte das Akkordeon seitlich an den Rand der Bühne. Dort war sein Schlagzeug aufgebaut und ein paar schlichte Holzstühle standen verstreut herum. Dann setzte er sich auf seinen Hocker am Tresen und sah Maman Lafitte zu, wie sie geschäftig in der winzigen Küche werkelte.
Jack, dessen Banjo in eine zerschlissene Wolldecke gehüllt war, packte sein am Tresen angelehntes Instrument am Hals und schob es auf einen der Bühnenholzstühle. Danach schlüpfte er durch die hintere Tür zum Bootssteg hinaus.
Maman Lafitte und Jim warfen sich bedeutungsvolle Blicke zu.
"Das wird Ärger geben", orakelte Maman, "das geht nicht gut, Marvin hätte das nicht tun dürfen." Jim nickte.
"Manchmal ist mir Jack unheimlich", Maman blickte verstohlen zur Tür, durch die Jack verschwunden war.
"Immer taucht er lautlos aus dem Nichts auf und blickt so finster drein. Angeblich sollen seine Vorfahren ja aus Spanien kommen, aber ich wette, Jim, der hat so sicher indianisches Blut in sich wie ich kreolisches."
Jim schwieg und starrte vor sich hin. Die stickige, flirrende Luft des Saloons machte ihn schlapp. Jims Schweigen ließ auch Maman verstummen. Sie hätte gerne weiter geplaudert, aber Jims Kopf war bereits nach vorne gesackt und er hatte die Augen geschlossen. Maman lächelte. Ausgerechnet das trägeste Bandmitglied war Schlagzeuger.
Eine ganze Weile später erwachte Jim, stieg ungelenk vom Barhocker und wühlte aus seiner Hosentasche ein Schlüsselbund hervor.
"Ich fahr jetzt in die Stadt und hol John ab, brauchst du noch was?"
"Nein, hab alles", antwortete Maman, ohne aufzublicken, während sie ein Ei nach dem anderen am Rande einer Schüssel aufschlug und den Inhalt hineingleiten ließ.
"Beeil dich, wenn du zurück kommst, kannst du den ersten Gatorburger probieren", schäkerte sie und blickte Jims Gang hinterher, der dem eines Grizzlys ähnelte.
Marvin hatte mit seinem Airboat den Blackfork Bayou bereits verlassen. Der Weg zu seiner Holzhütte, die sich am Ufer des Cocodrie Swamp befand, führte ihn durch ein Labyrinth von Wasserläufen, deren schilfbewucherte Ufer ihm keinen Blick in die Sumpflandschaft frei gaben. Obgleich Marvin jeden der Flussläufe kannte, musste er sich konzentrieren, um nicht falsch abzubiegen. Ständig veränderte die Vegetation mit dem Wechsel der Jahreszeit das Aussehen des Weges. Als erwache er gleich zu Leben, lag der Alligator bedrohlich direkt vor ihm mit seiner breiten abgerundeten Schnauze. Die seitlich herausstehenden Reißzähne, deren Enden wie Lanzen spitz zuliefen und deren Stümpfe verfärbt waren wie verfaultes Moos, flößten nicht nur Bob, der gebührenden Abstand zu dem Ungetüm hielt, Respekt ein. Nur seine gebrochenen milchigen Augen passten nicht zu der Bedrohlichkeit einer schlafenden Bestie.
Marvin ärgerte sich, dass er wegen dem hohen Gewicht des Alligators gezwungen war, langsamer als gewohnt zu fahren. Er wollte seinen Bootsmotor nicht überlasten.
Der schwarzgepanzerte Schwanz des imposanten Ungetüms, der über dem Bug hing, drückte im Wasser zusätzlich gegen die Fahrt. In dem Swamp, den er gerade durchfuhr, war das Gewässer flach und klar und man konnte den algigen Grund erkennen. Die unter Wasser befindlichen Wurzeln der Mangrovenbäume schimmerten dunkel hervor, so dass Marvin keine Mühe hatte, mit seinem Boot auszuweichen.
Das Wasser verfärbte sich jedoch rasch, als er in den Cypris Swamp einbog. Mit seinem Boot zerteilte er den hellgrünen Algenteppich, der in den letzten warmen Apriltagen ungehindert hatte wuchern und sich ausbreiten können. Darunter gab der Flusslauf keinen Blick mehr auf den Grund, sondern nur noch in tiefste Schwärze frei.
Marvin manövrierte konzentriert das Boot, stets nach aus dem Wasser herausragenden Baumstümpfen Ausschau haltend. Cypris Swamp war Alligatorengebiet und überall dort, wo der grüne Algenteppich keine geschlossene Decke mehr bildete, suchte er in den Lücken nach verdächtigen Anzeichen.
Fünfzig Meter voraus ragte ein Stück Treibholz aus dem Wasser, aber bevor er erfassen konnte, dass sich gleich dahinter ein zweites Stück aus dem Wasser geschoben hatte, war der Alligator auf das Boot zugeschnellt und hatte mit einem gewaltigen Satz und mit weit aufgerissenem Maul seine Zähne in den Schwanz des toten Alligators gerammt.
Und dann ging alles ganz schnell. Bob bellte mit sich überschlagender Stimme, das Boot hob sich seitlich hoch, während der Alligator seine riesige Beute auf der anderen Bootsseite in den Fluss zerrte, sodann kippte das Boot um und die noch sekundenlang sich drehenden Rotorblätter schaufelten in ihrem Käfig kräftig im Wasser weiter und drehten das Boot auf den Kopf.
Marvin war im letzten Moment abgesprungen und versuchte sich zu orientieren, nachdem er aus dem Wasser aufgetaucht war.
Der Fluss war an dieser Stelle zu tief, um noch stehen zu können. Ein paar Meter von ihm entfernt kämpfte der Alligator mit seiner Beute. Das Wasser gurgelte, als er mehrfach die Todesrolle machte, um ein Stück vom Schwanz abzutrennen. Starr vor Schreck sah Marvin dem Schauspiel zu. Als der Alligator erneut seine Beute angriff und das ungestüme Bündel der sich drehenden Alligatoren gefährlich näher auf ihn zu schwamm, fuhr Leben in ihn und er kraulte mit ungelenken, platschenden Armen in Richtung Ufer, um sicheren Abstand zu gewinnen.
Am Uferrand jaulte Bob. Hin und her gerissen zwischen Panik und Beschützerinstinkt floh er hinein ins grüne Dickicht und zurück zum Fluss und war, nachdem Marvin das Ufer erreicht hatte, ein verrückt um sich selbst drehendes, nasses Bündel Fell.
Marvin versuchte, sich aus dem Fluss zu ziehen, aber der weiche Uferrand gab keinen Halt. Er griff nach Pflanzen, um sich an ihnen festhalten zu können, doch der sumpfige Boden gab ernüchternd schnell ihre Wurzeln frei. Er blickte sich nach dem Alligator um, als einen halben Meter vor ihm eine schwarze Maulspitze vorbeiglitt. Ein schlammiges Stück Treibholz mit zwei glühenden Reptilienaugen, das ihn wie durch ein Wunder nicht beachtet hatte und Ziel auf etwas anderes nahm.
Marvin griff wild rudernd in die Uferböschung, grub seine Hände nach Halt suchend tief in den Morast und strampelte immer wieder mit den Armen versinkend, bäuchlings hinauf.
Erschöpft und heißen Atem röchelnd saß er auf morastig nachgebender Erde und versuchte fieberhaft, seine Gedanken zu ordnen. Er kannte die Gegend gut und wusste, dass ein Fortkommen über das Sumpfland nicht möglich war. Keine hundert Schritte und er würde für immer versinken.
Es gab nur einen Weg, den über das Wasser mitten durch das Gebiet der Alligatoren hindurch, die sich jetzt im Frühjahr paarten. Die Zeit, in der sie ihre Rivalen bekämpften und reizbarer waren als sonst.
‚Was mach ich mit Bob?’, grübelte er. ‚Wie schaff ichs, da durch zu schwimmen?‘ Zitternd vor Erregung und Nässe stand der Hund neben ihm. Beide blickten sie auf das schwarze Wasser, in welchem der Alligator gerade einen weiteren Teil von seiner Beute wegriss. Plötzlich war ein lautes Zischen zu hören, gleich einer Riesenschlange, die warnend ihre Ankunft mitteilt und sie schreckten hoch.
Der zweite Alligator war auf die Beute zugeschwommen und teilte mit seinen Zischlauten unmissverständlich mit, dass mit ihm nicht zu spaßen sei.
Gebannt beobachteten Marvin und Bob das Schauspiel der beiden Rivalen. Sie trieben wie knorrige verwitterte Baumstämme beinahe unbeweglich im Fluss und versuchten einander mit kurzen hartklingenden Zischtönen von der Beute zu vertreiben. Als dieses Kräftemessen keinen Unterlegenen hervorbrachte, schwammen sie mit aufgerissenen Mäulern aufeinander los und die peitschenden Schwanzschläge trieben Wellen ans Ufer.
'So lange sie kämpfen, sind wir nicht in Gefahr', dachte Marvin erleichtert und schlug nach einer gegen sein Ohr sirrenden Mücke und kurz danach auf seinen Unterarm, weil dort eine weitere zustechen wollte.
"Hier bist du", sagte unvermittelt eine Stimme zu Marvin, der völlig entgeistert in Jacks Gesicht schaute. Jack befand sich in einem Kanu und reichte Marvin das Ende seines Paddels hin
"ich ahnte, dass was nicht stimmt, dein Boot war nicht mehr zu hören." Marvin ergriff das Paddelende und zog damit das Kanu ein Stück weit an das durchgeweichte Ufer.
"So lange sie abgelenkt sind und kämpfen", sagte Jack mit Blick auf die Alligatoren, "sollten wir die Gelegenheit nutzen und abhauen. Dein Boot kriegen wir eh nicht vom Kanu aus wieder flott."
Mit seinem zweiten Paddel sicherte er das Kanu, dass es nicht umkippen konnte, als Marvin hineinstieg.
"Danke!", sagte Marvin als er Platz genommen hatte und auch Bob hineingesprungen war.
Vorsichtig schoben sie sich vom Ufer weg und glitten lautlos aus dem Cypris Swamp hinaus.
Nach einer halben Stunde legten sie an dem Holzsteg des Hauses von Maman Lafitte an und betraten den Saloon, der sich zu diesem Zeitpunkt deutlich mit Gästen gefüllt hatte.
"Jesses, Marvin! Wie siehst du aus?" Erschrocken blickte Maman zuerst in Marvins, dann in Jacks Gesicht.
"Erzähl ich dir später, Maman, Jack hat mir grad das Leben gerettet."
"Hier, trinkt erst mal", Maman hatte beiden ein Glas mit Whiskey auf den Tresen gestellt. "Ich such dir schnell was zum Anziehen raus, Marvin, so schlammverkrustet kannst du nicht auf die Bühne."
Von dort erklangen die ersten Töne einer Fidel, die John spielte. Er war das älteste Bandmitglied.
Mit zusammengekniffenen Augen stand er auf der Bühne und seinem verwittertem Gesicht konnte man die achtzig Jahre ansehen. Angestrengt versuchte John in dem Lärmwirrwarr des Saloons, seine Fidel zu stimmen. Sein schmaler Körper wirkte klapprig und zerbrechlich und seine Hosenbeine schlackerten. Wenn er jedoch die Fidel anhob, sie sich zwischen Wange und Schulter klemmte und den Bogen führte, dann verwandelte er sich in ein lebensprühendes Energiebündel, dessen sehnige Arme den Eindruck vermittelten, er könnte unermüdlich aufspielen.
Jack trank seinen Whiskey zügig aus. Er eilte auf die Bühne, zog sein Banjo aus der Wolldecke und begann, zusammen mit John, Geige und Banjo aufeinander abzustimmen. Marvin, mit einem T-Shirt und einer viel zu weiten Hose von Maman bekleidet, die er faltenschlagend mit einem Hosengürtel zusammenhielt, packte sein Akkordeon aus.
Es wirkte altertümlich mit seinen abgewetzten, perlmuttglänzenden Tasten und Knöpfen, als hätten es die ersten Siedler in die Bayous gebracht. Doch er entlockte dem Korpus einen warmen, dunklen Klang, der aufhorchen ließ. Die Töne erinnerten an die Kinderzeiten auf dem drehenden Karussell.
Der Saloon war nun brechend voll. Überall roch es nach Mamans Gatorburgern und Bier und der Tabakqualm mischte sich zwischen das angeschwollene Stimmengewirr.
John trat ans Mikrophon, klopfte prüfend dagegen und räusperte sich verlegen. Danach sagte er, wie stets in all den Jahren, nur einen Satz:
"Bonsoir Mesdames et Messieurs, laissez les bons temps rouler."
Er verneigte sich tief, klemmte seine Fidel zwischen Wange und Schulter und zog den Bogen bedächtig über die Saiten. Die Gäste hatten für die Dauer eines tiefen Atemholens aufgehört, zu lärmen als sie die wehklagenden Geigentöne hörten. Jack untermalte mit seinen banjoblechernen Akkorden Johns Melodie und kurz darauf setzte Jim am Schlagzeug mit ein und Marvin zog im Takt mit.
Wie es seit Jahren Tradition war, spielten sie als erstes Stück einen Two-Step. Sofort zog es die ersten Paare auf die Freifläche direkt vor der Bühne.
Im Laufe der Nacht fand man in dem ganzen Saloon keine Person, die nicht zu den Klängen der Cajunmusik getanzt hätte. Da gab es die Polka, die den groben Holzdielen polternde Laute entlockte, wenn schwere Cowboystiefel auf ihnen hüpften, oder die Walzer, die so schnell getanzt wurden, dass man selbst im schummrigen Licht des Saloons die Schweißflecken unter den Achseln der Hemden und Kleider erkennen konnte. Selbst Maman, die unermüdlich Tabletts mit Bier und Gatorburgern auf ihrem Kopf balancierend durch die Tanzpaare bugsierte, ließ es sich nicht nehmen, jeweils auf dem Rückweg kräftig ihre Hüften schwingend inmitten ihrer schwitzenden Gäste mitzutanzen.
Gegen zwei Uhr nachts schlug Maman Lafitte gegen eine wuchtige Gusseisenpfanne und verkündete, dass in einer Viertelstunde der Saloon geschlossen würde. Die Gäste und die Musiker folgten dieser Aufforderung widerspruchslos.
Marvin, Jack und John packten ihre Musikinstrumente in Jims Van. Er hatte angeboten, jeden nach Hause zu fahren.
"War, wie immer 'nen gutes Konzert", sagte John mit seiner alten heiseren Stimme, die auch nicht klarer klang, wenn er sich zuvor räusperte.
"Ja, haben wir gut gemacht." Jim nickte bekräftigend.
Jack baute sich plötzlich vor Marvin auf, dann holte er aus und streckte ihn mit einem Faustschlag gegen sein Kinn nieder.
Während sich Marvin sein Kinn reibend und seine blutige Lippe leckend aus dem staubigen Boden hochrappelte stand Jack breitbeinig über ihm.
"Das wollte ich schon seit heute Nachmittag tun. Wage es nicht, jemals wieder in meinem Creek 'nen Alligator zu wildern!"