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Café Tanger

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16.06.2002
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Café Tanger

Siffig sind die Wände, vergilbt vom Rauch. Achmed steht hinter der Theke, füllt ein Glas mit Schnaps. Benebelt ist Fritz’ Hirn, vom Schnaps, trotzdem bestellt er noch einen.

„Dann ist aber Schluss, Habibi", meint Achmed. Fritz kümmert es nicht. Er hat Krebs, weshalb also Acht geben mit dem Trinken. Es sei doch ohnehin alles egal.

Des Nachts spült die Stadt ihre Gescheiterten in Achmeds Café Tanger. Kaschemme, munkelt man im Viertel, finstre Spelunke. Es sei besser, darum einen Bogen zu machen. Aus Marokko war Achmed fortgegangen, über Frankreich und Italien hierher gekommen. In Marseille wollte er nicht bleiben, in Italien auch nicht. Hier dachte er „Warum nicht?" Dieses Café, zu mehr hatte er nicht die Lust. Immerhin, eine Lebensgrundlage.

Mona sitzt vor ihrem zehnten Bier. Ein wenig verklärt ist ihr Blick. Still träumt sie von einem Mann, den sie nicht wagte anzusprechen. Zurückgewiesen wurde sie schon zu oft. Deshalb zieht sie es vor zu träumen, mit im Bierdunst benebeltem Schädel. In süßem Gift sieht die Welt besser aus. Ein französisches Lied wird gespielt. „Blauer als das Blau deiner Augen". Mona wackelt mit dem Kopf im Takt.

Achmed sieht kurz zu ihr rüber. Sie ist zufrieden, denkt er und widmet sich wieder dem Abzählen der Gläser. Es gehe so viel zu Bruch in letzter Zeit, denkt er sich. Neue Gläser seien zu bestellen.

Das Licht ist schummrig, die Lampenschirme haben braune Ränder, vom Dunst, vom Rauch, von der Ausdünstung. Verstaubte Bilderrahmen, vergilbte Drucke. Mona seufzt. Vor langer Zeit ging es ihr gut. Schließlich begann sie zu rutschen, hinab ging es, schnell ging es. Bestien hatten sie zu reißen versucht. Mona war nie gut im Sich-Wehren. Jetzt sitzt auch sie im Café Tanger.

Fritz grölt nach mehr Schnaps. Achmed zweifelt, schenkt doch noch einen ein. Sänger war er einmal der Fritz, bis der Krebs kam. Nun trinkt er. Alle haben etwas zu erzählen. Deshalb mag Achmed seine Gäste, auch wenn sie oft anschreiben lassen.

Ein Paar Würsteln hat Josef bestellt. Mit Senf und Kren, mehr gibt’s im Café Tanger nicht. Josef war Koch in Mailand, in einem Luxushotel, wo auch Berühmte zu wohnen pflegten. Seine große Zeit. Ständig schwärmt er davon. Seine Rückkunft bereut er ein wenig. Sehr willkommen war er in der Stadt seiner Geburt nicht. Eine Pension aus Italien sichert ihm das Überleben. Klein ist er, fett und sein Haarkranz am Hinterkopf franst fettig in den Nacken aus. In seinem Mundwinkel klebt Senf mit Spänchen des geriebenen Krens. Einen kräftigen Schluck Wein zum Runterspülen.

Auch Lore hat sich mittlerweile eingefunden. Sie strahlt über das ganze, faltige Gesicht. Unter einer schwarzen Perücke über hat über die dünnen, grauen Haare versteckt. Ein abgetakeltes Kleid aus besseren Zeiten, zur Feier des Tages. Ihren Tisch hat sie auch wieder, ein guter Tag. Neue Zähne habe sie bekommen, schreit sie erfreut in die Menge. Lore nimmt ihre Zähne aus dem Mund, hält sie hoch, damit alle sie sehen können. Speichel zieht sich in dünnen Fäden vom Gebiss, tropft auf das rot weiß karierte Tischtuch. Die Kasse zahle das noch. Einen Cognac für alle, um den freudigen Erhalt des neuen Zahnersatzes zu feiern.

Man spricht miteinander. Gehänselt wird. Josef dreht sich zu Mona, prostet ihr mit dem Glas Cognac zu und brüllt sie an.
„Na, träumst wieder von deinem eh scho wissen?"
„Halts Maul", lallt Mona. Hätte sie doch nichts erzählt. Aber wen hat man schon, der einem zuhört. Deshalb geht Mona ins Café Tanger, wie die anderen. Josef hat das letzte Glas Wein nicht gut vertragen. Hinaufgeschossen ist das Viertel sauren Verschnittes in den Kopf, ins Gehirn.

Die Juden und Ausländer seien schuld, schreit er durch die Gaststube, dass es ihm hier so dreckig gehe. Achmed hat genug. Brüllt - „Es reicht!"
„Trottel depperter", lallt Fritz, „was weißt’n du schon." Achmed platzt der Kragen. Josef wird von ihm aus dem Lokal geworfen. Es war nicht das erste Mal und wird nicht das letzte gewesen sein. Josef macht das nur, wenn er zu viel Wein getrunken hat.

Mona hat es nur am Rande wahrgenommen, sie schwebt in ihrer Traumwelt. Es ist fünf Uhr morgens. Sperrstunde. Achmed spendiert Mokka, für jeden. Zum Aufwachen. Die Gäste brechen auf. Achmed sperrt die Tür zu. Am Nachmittag Abrechnung und um acht Uhr aufsperren. Er hat sich eine Flasche Likör mitgenommen.

 

Hallo Echnaton,

ich bin ganz ehrlich etwas zwiegepalten bei deiner Geschichte.
Natürlich ist sie immer noch besser als recht viele andere Geschichten hier. Und sie versammelt ein schönes Spektrum verschiedener Gescheiterter im Café Tanger, die du gut zusammengestellt hast. Wahrscheinlich bin ich einfach unfair, weil ich bei der Geschichte gleich an das (dir wahrscheinlich unbekannte) Lied "Die alten Kameraden" von Thommie Bayer denken musste.
Vielleicht reihen sich in dieser Atmosphäre aber auch nur zu viele schon zu oft beschriebene Außenseiter aneinander, die typischen Gestalten, die man halt beschreibt.
Auch mit dem sicher von dir bewusst gewählten Aufbau einiger Sätze habe ich ein bisschen Probleme, mit diesem hier zum Beispiel:

Benebelt ist Fritz’ Hirn, vom Schnaps, trotzdem bestellt er noch einen.
Ich kann mir die Atmosphäre in der Kaschemme natürlich gut vorstellen und deine Sprache reicht alle Mal, sie in mir auferstehen zu lassen.
Ich mag auch grundsatzlich solche Geschichten, die mehr Atmoshphäre aus ihren kleinen Anekdötchen ziehen und nur kleine Griffe in eine Stunde des Lebens sind. Aber dich messe ich eben mit anderen Maßstäben. ;)
Eben weil ichweiß, dass du schon Geshichten geschrieben hast, die mir wesentlich besser gefielen.

Lieben Gruß, sim

 

Hi Echnaton!
Mir geht es mit deiner Geschichte ganz anders als Sim. Ich kann mich grundsätzlich nicht für Geschichten begeistern, bei denen es um die Atmosphäre geht und nicht um eine Geschichte, die erzählt wird.
Allerdings finde ich deine Geschichte sehr nett. Besser wäre sie wahrscheinlich geworden, wenn du ähnlich wie in anderen Geschichten von dir, Wortspiele oder extremere Charaktere, oder einen irrealen/besonderen Blickwinkel mit eingebracht hättest. So wie sie jetzt ist, ist es zwar aufgrund des netten Stils ganz nett die Geschichte zu lesen, aber alles wirkt doch zu normal, zu geordnet und abgeklärt, kurz: langweilig.
Ich weiß, es ist immer einfach zu meckern und grade diese sprachlichen Finessen, die mich von dir in der Vergangenheit so begeistert haben, sind eine Kunst für sich, aber ich finde so etwas würde der Geschichte fehlen. Ist natürlich alles deine Sache und ich hab hier nur meinen leienhaften Eindruck gepostet.

 

Hallo Ihr Lieben!

Danke fürs Lesen. Auch wenn Euch fad dabei war. Thommi Bayer kenn ich leider nicht. Meine Satzbau-Experimente bleiben so. Na ja, nicht alles gelingt einem. Mit der Namensgebung war ich diesmal nicht so drauf wie sonst.

Danke nochmals Euch beiden.

Liebe Grüße aus Wien


Echna

 

Hallo lieber Echnaton,

Meine Satzbau-Experimente bleiben so.
Das habe ich mir gedacht, deshalb hatte ich ja auch gleich bemerkt, dass du sie sicherlich bewusst so gestellt hast. :)

Mir war nicht fad beim Lesen, ich bin von dir nur zu verwöhnt. ;)

Vielleicht finde ich die Lyriks zu dem Lied mal, dann schicke ich sie dir per PM

Lieben Gruß, sim

 

Lieber Echnaton!

:) Wieder ein recht gelungener Blick an den Rand der Gesellschaft – dorthin, wo alle ihre Hoffnungen nur mehr hinunterkippen…

Alles, was mich eigentlich gestört hat, ist die Darstellung von Achmed in diesem Satz:
»Dieses Café, zu mehr hatte er keinen Ehrgeiz.«
Ich habe nämlich nicht das Gefühl, daß es am Ehrgeiz mangelt, sondern daß er zufrieden ist, mit dem, was er hat. Auch, wenns nicht viel ist, was man an solchen Gästen verdient (und in Wirklichkeit haben solche Lokale ja meistens ein Nebengeschäft, was ich beim Namen „Tanger“ eigentlich auch vermutet hatte… jaja, klingt nach Vorurteil, verdammt…:D)

Ach, da ist doch noch was:

»Die Juden und Ausländer seien schuld, schreit er durch die Gaststube, dass es ihm hier so dreckig gehe. Achmed hat genug. Brüllt „Es reicht!"
„Trottel depperter", lallt Fritz, „was weißt’n du schon." Achmed platzt der Kragen. Josef wird von ihm aus dem Lokal geworfen.«
– Das geht mir ein bisschen zu schnell. Daß Achmed so schnell der Kragen platzt, ist für mich kaum nachzuvollziehen, da er ja Josef schon kennt, und solche Sprüche sicher gewöhnt ist (nicht nur von Josef). Da sollte er nicht nach zwei Zeilen schon aus der Haut fahren...:shy:

Und noch das: ;)

»Hier dachter er „warum nicht?"«
– er: „Warum

»Ein Paar Würsteln hat Josef bestellt.«
– Würstel (ohne -n)

»Einen Kräftigen Schluck Wein zum Runterspülen.«
kräftigen

»„Na träumst wieder von deinem eh scho wissen?"«
– Na, träumst

»Brüllt „Es reicht!"«
– Brüllt: „Es

»Es war nicht das erste Mal und wird nicht das Letzte gewesen sein.«
– Du meinst vermutlich, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dann gehört letzte klein, da es sich ja auf „Mal“ bezieht. Aber besser fände ich es umgekehrt: Es war nicht das erste und wird nicht das letzte Mal gewesen sein.


Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut... :D

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Häferl,

danke fürs Lesen, wenigstens hat's Dir gefallen, was mich naütrlich freut, vor allem, weil die Geschichte diesmal nicht so gut angekommen ist. Danke auch fürs Fehlerfinden, immer wieder passierts und es wird wohl nie ganz gelingen, alle selbst zu entdecken.

Das mit dem Rausschmiß laß ich jetzt mal so stehen. Hab momentan keine Idee, wie's anders werden könnte.

danke nochmals

liebe Grüße

Echna

 

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