Was ist neu

Busfahren ist schön

Mitglied
Beitritt
15.02.2002
Beiträge
12

Busfahren ist schön

Der Bus hat Verspätung. Wie immer, wenn es regnet und so kalt ist, dass man meint, die Finger frieren ab. Die Handschuhe liegen natürlich daheim im Schrank, wo sie hingehören. Ein schwaches Motorengeräusch, untermalt vom Quietschen der Bremsen und dem Matschgeräusch der Reifen auf dem schon ziemlich graubraunen Schnee, kündigt den Bus an, der dann auch ums Eck fährt.

Ich versuche, zu erkennen, ob er wieder so voll ist wie gestern oder ob ich die Chance auf einen Sitzplatz habe. Hm, sieht schlecht aus.
Ich steige ein, zeige meine Monatskarte vor, da ertönt eine Stimme:

"Schultaschen runter!"

"Vergiss es", belle ich zurück.

Ein strafender Schülerlotsenblick trifft mich. Aber ich bin einen Kopf größer und das scheint ihn zu überzeugen. Mein Blick fällt auf den letzten freien Platz im Bus und ich steuere darauf zu. Zufrieden lasse ich mich auf den Sitz fallen. Ich schaffe es, meinen Nachbarn, einen verwahrlosten, heruntergekommenen "Mann", der eher einer Bulldogge ähnelt als einem Menschen, zu ignorieren, aber mit seinem Geruch gelingt mir das nicht. Manchmal können Stehplätze ganz angenehm sein, aber jetzt ist es zu spät, aufzustehen, denn der Gang zwischen den Sitzen ist schon ziemlich voll mit Schülern.


Der Bus fährt in eine Kurve und ich habe einen Erstklässler samt Schultasche auf dem Schoß.

"Entschuldigung!"

"Macht ja nichts" antworte ich. Der Junge ist mir sympathisch, er hat seine Schultasche auch nicht runter in den Dreck gestellt, obwohl er einen Kopf kleiner ist als der bellende Schülerlotse.

"Ey Alter, ich hab's gestern in des neue Level gschafft! Alter, des is voll geil!"
Nein! Ich hätte es wissen müssen. Wie oft war ich schon hinter diesen beiden gesessen? Es ist immer wieder faszinierend, wie lange man sich über Computerspiele unterhalten kann, noch dazu mit einem derart begrenzten Wortschatz, der fast nur aus "Alter" und "geil" besteht. Trotzdem hätte ich jetzt gerne auf dieses wundervolle Mysterium verzichtet. Da hilft nur eins: auf Durchzug schalten, was allerdings ziemlich schwer ist, wenn jemand so laut schreit, dass der ganze Bus mithören kann, und dann auch noch direkt hinter mir sitzt.

Noch vier Haltestellen.

Der Geruch wird langsam unerträglich und die Bulldogge macht auch keine Anstalten, vor mir auszusteigen. Jetzt kommt der Busfahrer auch noch auf die glorreiche Idee, das Radio anzuschalten. "You're my mate", das schlimmste Lied, das er mir antun kann. Wenigstens höre ich jetzt nicht mehr, welche Monster im geilen Level Sieben ihr
Unwesen treiben.

Drei Haltestellen.

Vielleicht sollte ich anfangen, mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren, sobald der Schnee weg ist? Mein Nachbar beginnt umständlich, seine unzähligen Taschen, die wahrscheinlich sein gesamtes Hab und Gut darstellen, zusammenzusuchen. Ich kann wieder hoffen. Tatsächlich, er steht auf und versucht, an mir vorbei aus dem Sitz zu kommen. Der Geruch raubt mir den Atem. Ich stehe auf und lasse ihn raus, er bedankt sich und lächelt, was er lieber hätte bleiben lassen sollen, denn er ermöglicht mir einen Blick auf zwei schon recht lichte gelbbraune Reihen Zähne.

Ich rutsche so schnell wie möglich zurück in den Sitz und hoffe, dass sich niemand neben mich setzt, was in einem überfüllten Bus ziemlich unwahrscheinlich ist, aber es kann ja nur besser werden.
Denkste. Ein Klumpen Mensch undefinierbaren Geschlechts drückt mich an die Wand des Busses. Schön, wenn Menschen es sich so richtig gemütlich machen können, macht ja nichts, wenn ich mich nicht mehr bewegen kann. Jetzt holt der Klumpen auch noch ein Nutellabrötchen aus seiner Tasche. Ich fühle langsam, dass sich meine Übelkeit noch steigert, ich muss hier raus.

Zwei Haltestellen.

Wie lange der Klumpen wohl braucht, um aufzustehen und mich rauszulassen? Ist es unhöflich, wenn ich ihm jetzt sage, dass ich bei der übernächsten Haltestelle raus muss und er mich bitte aufstehen lässt?
Nein. Okay, ich tue es. Ich ernte einen verständnislosen Blick.
Du sollst nicht denken, du sollst aufstehen!
Der Klumpen nickt und wälzt sich aus dem Sitz. Doch schneller, als ich dachte. Die Hälfte des Nutellas hängt inzwischen im Gesicht.

Der Bus hält.

Ich zwänge mich durch die anderen Schüler zum Ausgang. Draußen begrüßt mich ein Regenschauer, aber das ist mir egal. Ich atme tief durch und mache mich auf den Weg zum Schulhaus. Endlich bin ich draußen. Das Leben ist wieder schön.

Bis morgen früh.

© by Elfie

[Beitrag editiert von: Elfie am 27.02.2002 um 18:13]

 

Eine nette Geschichte, Elfie. Auch wenn meine eigene Schulzeit nun doch schon etwas länger her ist, habe auch nich noch recht lebhafte Erinnerungen an die überfüllten Schulbusse.

Wobei bei mir noch ein Passus 'Hausaufgaben abschreiben' enthalten gewesen wäre ;-)

Eine kleine Anregung hätte ich aber dennoch: mit ein paar Absätzen hier und da fällt das Lesen wesentlich leichter.

Lieben Gruß
Petra

 

Hi,

also ich finde die Geschichte wenig satirisch, eher humorvoll.

Achja, und Punkte im Titel empfinde ich als störend, weil sie dort nichts zu suchen haben.

Gruß, Pan

 

Hallo Elfie!

Ganz witzig, die Geschichte. Sehr aus dem realen Leben gegriffen.

Ein Klumpen Mensch undefinierbaren Geschlechts drückt mich an die Wand des Busses.

An manchen Stellen vielleicht ziemlich böse...

:D

Michael

 

Dankeschön für die Kritik, ich hab schon was geändert, liest sich jetzt echt leichter. Ach ja, Michael: man muss einfach ein bisschen böse sein, und unter den Umständen ist es ja kein Wunder, wenn man schlecht drauf ist!

Nochmal danke für die Anregungen
Elfie

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom