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Buschfeuer 2005: Ungelesen gelöscht

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06.02.2002
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Buschfeuer 2005: Ungelesen gelöscht

Die Erzählung bezieht sich auf die Wandmalerei ( Bild 3 ).

Über dem düstergrauen Brei der Stadt, ihrem Smog, ihrem Schmutz, der mich durch das Fenster erreichte, lastete heute noch schwerer als all die vorrangeflossenen Tage die Gewissheit absoluter Trostlosigkeit, Verlorenheit, Sinnlosigkeit.
Allzu schnell wende ich den Kopf ab, fahre mir über das unrasierte Kinn und ekele mich ein wenig vor der fremd wirkenden Haut, die ich berühre. Lange schon habe ich mein Spiegelbild gescheut.
Stattdessen versuche ich lieber verzweifelt, meine Seele in dem Computermonitor vor mir zu spiegeln, soweit es mir gelingen mag. Die unzähligen Buchstaben, die vor meinen müden Augen flackern, scheinen mir auch um einiges ansehnlicher als meine heruntergekommene Visage, als dieses Gesicht des verbrauchten, überflüssigen Stückes Mensch, das ich noch darstelle.
Etwas fahrig greife ich nach einer Zigarette. Seit kurzem sind die Stars and Stripes auf den Schachteln abgebildet. Das macht inzwischen beinahe jeder Hersteller so, nicht nur die Tabakkartelle, nein, es scheint, alle schwimmen mit auf der Welle unseliger, faschistoider Vaterlandsbegeisterung, die unsere gotteseigene große Nation seit den letzten Jahren mit einer unaufhaltsamen, frommen Gewalt erfüllt. Sie kam wie ein Buschfeuer über uns, wie lange mag das schon hersein?
Es kommt mir wohl länger vor, als es tatsächlich ist. Und seit dieser Zeit ging es aufwärts für uns, abwärts für mich.
In dieser Stimmung des erbittert langen, heiligen Krieges gegen den Terrorismus erhob ich die Stimme. Kein Blut für Öl, hämmerte ich in den PC und gegen das Bewusstsein der Nation. Brot statt Bomben. Fragte ketzerisch nach Demokratie.
Unser Way of Life scheint sich wohl auf die dröhnenden Blechlawinen vor meinem Fenster zu beschränken, auf den Konsum, den man uns bietet, auf das begeisterte Mitlaufen in den Wogen der immer weiter hochschaukelnden patriotischen Begeisterung.
Ich, der ich dagegen versuchte anzuschreiben, ahnte noch keine Zensur, als immer weniger meiner Artikel und Essays veröffentlicht wurden. Ich machte mir keine Gedanken über Repressalien, bevor ich eines Tages vor meiner aufgebrochenen Wohnungstür stand, den Computer zerschlagen, kurz darauf aus der Redaktion verstoßen. Dass ich einfach zuviel gedacht hatte, fiel mir erst an Kleinigkeiten auf, wie den Blicken meiner Mitmenschen, dem Tuscheln der Kinder, die mich seltsam, verstohlen, ansahen.
Ich kaufte mir einen neuen Rechner und schrieb weiter, immer weiter, wurde nicht mehr eingeladen zum Grillen oder zu Partys bei Bekannten und Ex- Kollegen, schrieb und schrieb all die Jahre mein eigenes Versagen – ins Leere. Niemand wollte mich noch drucken. Ich war unbequem. Die Verleger sahen in mir die schlimmste Ausgeburt des geifernden Vaterlandslosen, glaube ich, wimmelten ab.
Ich schrieb in die Arbeitslosigkeit hinein, in die Verwahrlosung, in die Frustration, die ganzen letzten Jahre, ohne wirklich wieder beachtet zu werden.
Ich schrieb mich mit krampfhaftem Elan in die Isolation, in die Verabscheuung.
Das Anschreiben gegen die Zustände wurde trotz alledem immer mehr zur störenden Nadel, die ich in das Fleisch der andersdenkenden Gesellschaft, gefangen zwischen Ost- und Westküste, trieb. Und obwohl immer öfter zornige Briefe von „Nationalisten“ und „Patrioten“ kamen, war ich durch den Lauf der Dinge dazu gezwungen, an diese störenden Nadel meine Existenz zu hängen.
Der „Kampf für Freiheit“ war längst zur propagandistischen Floskel verkommen, die vor der Masse der Menschen den Imperialismus verbarg. Diese Menschen, meine Mitbürger, wenn ich sie noch so nennen kann, immer mehr sah ich in ihnen nur noch Vieh, blökend, fressend und saufend auf der Weltweide stehend. Und mir, der ich die begeistertgleichgeschaltete Herde verließ, die unsichtbaren Barrieren des „Du sollst nicht...“ durchschrieb, erging es grausam.

Jener düstergraue Tag sollte mein letzter als Schreiber sein. Die Nadel brach ab, so wie mit einem wütenden Ansturm der gerechten Entrüstung meine Wohnungstür zerbrach. Ich fuhr herum, eher vollkommen überrumpelt als erschrocken, da hatten sie den Flur bereits überwunden und drangen in mein schäbiges Kritikzimmer mit Blick zur Stadt ein.
Die Situation war wahrhaft kafkaesk; wie die schwer atmenden Männer vor mir standen, mich mit verabscheuendem Blick fixierend. Sie trugen Räuberzivil, und es war klar, was sie in ihren Taschen verbargen. Jemand musste mich verleumdet haben, denn ohne dass ich etwas böseres getan hatte als verfassungsrechtlich verbürgte Meinungsäußerung, wurde ich an diesem trüben Tag von dieser Ausgeburt gerechthassenden Volkszorns verhaftet.
„Mitkommen,“ herrscht ihr Wortführer mich an und durchbricht damit das beklemmende Schweigen. Ich unterschätze, vom Arbeitstisch aufstehend, die Situation und setze zu einer Erwiderung an, bevor meine ungebetenen Gäste aus ihrer zwischenzeitlichen Erstarrung erwachen und man meinen spitzzüngigen Einwand durch mehrere harte Faustschläge in mein unansehnliches Gesicht noch im Rachenraum erstickt. Die Welt wird mir schwarz, mit vielen weißen Sternchen.

Als ich halbwegs das Bewusstsein wiedererlange, das rostige Blut zwischen den schmerzenden Zähnen schmecke, ist außer dem Dröhnen meines Schädels noch ein monotones Motorengeräusch. Ich saß gefangen zwischen meinen Richtern, der Mob bringt mich per Pick-up zu Ende. An den Schultern der muskulösen jungen Kerle neben mir vorbei - wohl N.R.A. Mitglieder, schießt es mir durch den Kopf - huschen hinter der Scheibe Neonreklamen und Betonfassaden vorüber. Wir passieren einen Cop, dessen Blick mir wie zufällig zu begegnen scheint, um sich sofort darauf abzuwenden, dann ist der Wagen schon vorbei. Ich weiß, dass es für mich keine Rettung mehr gibt. Und ich schluchze, ich kann diese Schwäche gegenüber meinen lächelnden Peinigern nicht zurückhalten.

Ich taste nach meiner Brust, als der Pick-up endlich ruckartig stehen bleibt. Der rasend schnelle Schlag, dieses mühevolle Krampfen und Entkrampfen des Muskels unter meinem schwitzenden Handteller, ein wenig unregelmäßig, erfüllt mich mit Schrecken. Was, wenn – denn so fühlt es sich mit einem Male an – mein rasendes Herz plötzlich kalt werden würde? Noch bevor mich die Panik völlig übermannt – es hilft nichts, mir einzureden, dass sie mich nur einschüchtern, mir schlimmstenfalls meine Hände nehmen würden, die Todesstrafe sie vom Äußersten abschrecke – stößt man mich ins Freie.
Halb betäubt von Schmerz und Angst taumele ich über den schmalen Bürgersteig, finde kein Gleichgewicht, kollidiere kläglich mit hartem Beton.
Erst im Zurückgeworfenwerden erkenne ich bunte Farben. Um den Eindruck völliger Hilflosigkeit nicht noch mehr zu unterstreichen, wische ich das Blut nicht weg, sondern rappele mich auf, taumelnd, schwankend, gebrochen.
Ich lache kehlig, ich kann es nicht unterdrücken, ignoriere die wütenden Stimmen des Mobs: ich erkenne eine recht gelungene Wandmalerei vor mir, bunt, schwarz. Nehme all die Eindrücke noch einmal in rasender Geschwindigkeit auf. Links von mir eine vor dem Geistlichen kniende Frau, die Gewänder weiß, die Körper jedoch schwarz. Rechts die naive graue Abbildung einer Kirche, in seltsamer Nähe dazu entrückt scheinende, im Vergleich riesengroße Azteken, unbeeindruckt heidnischen Ritualen frönend.
Und dazwischen, sogar noch ein wenig größer als ich, direkt vor mir den Oberkörper eines Mannes in Frack, dessen Haut so schwarz, dass ich, kaum zwei, drei Schritte entfernt, Mühe habe, seine Gesichtszüge zu erkennen.
Die bemalte Mauer erscheint mir viel zu hoch.

Zumal man mich in diesem Moment an der Schulter packt, mich grob und kraftvoll herumwirbelt. Da noch der winzig kurze Eindruck eines großen roten Herzens links über dem Mann im Frack, Fetzen Himmel, Übelkeit. Ein Stoß mit der flachen Hand, mein Rücken knallt gegen den bunten Beton. Wüste Beschimpfungen. Ein Jüngling mit germanischem Collegegesicht prescht aus dem Mob meiner Entführer, presst mir seinen glänzenden Revolver unter das Kinn. Zischt ein „weißt du, was jetzt kommt?“ hervor.
Ich habe keine Kontrolle mehr über meine Exkremente, die Verzweiflung nimmt noch einmal Überhand. Fürwahr ungewöhnlich, wie man in einer Situation wie dieser reagiert. Obwohl unendlich erniedrigt, kaum in der Lage, mich auf den vollgepissten Beinen zu halten, höre ich mein eigenes, höhnisches, etwas gurgelndes Lachen, unmenschlich.
Der mit dem Silbercolt zögert, Verwirrung in den jungen, harten Zügen. „Ihr wollt mich...“ bringe ich lachend, schmerzvoll heraus, „...ihr wollt mich vor einem Negerbild erschießen?!“
Mein Lachen verebbt, immer mehr Blut und Speichel läuft mein Kinn hinunter, so dass der Junge angewidert seinen Revolver zurückzieht.
Ich werde erneut gepackt, etwas sanfter dieses Mal, und stolpere unter höllischen Schmiedehämmern in Kiefer und Schläfen ein paar Schritte weiter, an der Kirche vorbei und vorbei auch an einem Pick-up, der die Vorderachse wie ein Präriepferd zum Sprung erhebt. Mehr kann ich kaum noch erkennen.
Man greift nach meinem Hinterkopf, drückt mein Gesicht, dieses zerschlagene, verwahrloste, unrasierte Gesicht, gegen die kalte Wand. „So besser?“ höre ich noch, mein verschwommener Blick nimmt nur noch wildes Bunt wahr, da, ein Sternenbanner, eine Sonne, archaische Faust davor zwischen zwei Schnellfeuergewehren, Schmerz und Perspektive verzerren alles, Stahl auf meinem Schädel. Von der Ferne Sirenengeheul. Noch ein unmenschlich hartes „Niemand wird dich vermissen, Zecke,“ dann höre ich, wie der Hahn gespannt wird.

[Beitrag editiert von: Paranova am 11.04.2002 um 11:24]

 

Hi Paranova

Du hast das Bild, im Gegensatz zu den restlichen Geschichten, einmal anders in deine Geschichte eingebracht. Hat mich am Anfang etwas verwirrt, weil ich versuchte Parallelen zu knüpfen.

Du erzählst eine sehr spannungsgeladene Geschichte, was nicht zuletzt durch den personalen Erzähler verschärft wird. Gefallen hat mir dein Schreibstil, die Formulierungen die du verwendest, die Bilder, die den Leser mitfühlen lassen. Dafür ein großes Lob.
Der Ablauf der Geschichte ist in der richtigen Länge dargestellt. Kürzer ginge auf keinen Fall und länger, nun, ich hätte es nicht länger geschrieben, weil es eventuell zu langwierig geworden wäre.

Insgesamt ein gelungenes Stück. Werde mir später noch einmal die Formalitäten anschauen.

Bis denne,
Frederik

 

es gefällt mir wirklich gut!
- daß Du en Text gepostet hast
- daß ein paar meiner Anregungen geholfen haben.
- daß die Geschichte ein weiteres Ende bekommen hat ( obwohl ich auch den noch offeneren Schluß nicht schlecht fand ) ;)
- was Du geschrieben hast!

ich bin wirklich begeistert von Deinem Text. ( auch, wenn ich über ein paar Dinge noch nachdenken will.)
Das mit dem "Neger"-Bild... soll das heißen: sie hassen nicht nur die Terroroisten, sondern auch die, die sie schon immer gehaßt haben, ja? uninverseller Hassmob?
ich werd mir alles nochmal ansehen und mehr dazu von mir geben!

Jedenfalls ein sehr beeindruckender Text! Und die Interpretation des Bildes hast Du sehr schön hinbekommen. Erst nimmt der Text die Stimmung auf, dann kommt das Bild darin vor. Schön schön!

Übrigens: setz doch in der Kopfzeile einen Link zu dem Bild ( über Code ) für die, die das Bild nicht kennen. Dann fällt Dir sicher der Fehler auch auf... ;)

Lieben Gruß,
Frauke

 

Hallo Frederik!
Schön das sie dir gefallen hat. Würd mich freuen, wenn du wie angekündigt näher draufeingehen könntest.
Hi Frauke,
zum "Negerbild": Hm, grad fällt mir auf: da möcht ich einfach jetzt nichts zu schreiben, verdammt...
Ich glaube aber, dein Ansatz "universeller Hassmob" liegt nicht verkehrt, trifft aber nicht 100- prozentig. Schwierige Sache, und deshalb schweige ich jetzt und nehm mir eure Werke vor.
Schlaflos,
Steffen

 

Hehehe... Bus(c)hfeuer... :D
Die Geschichte ist im Grunde nicht schlecht, aber ich finde manchmal wird der Leser etwas zu sehr im Dunkeln gelassen. Der Erzähler beschreibt recht lange sein Leben als Autor und "Systemkritiker" aber was genau er kritisiert erfahren wir nicht. Wenn Du hier vielleicht auf ein ganz bestimmtes Anliegen konkretisierst, würde man sich dem Helden etwas verbundener fühlen. So war es mir im Grunde fast egal, dass er erschossen wird.
Die Bedeutung des "Negerbildes" ist mir auch nicht ganz klar.

 

Hi Steffen
Ich werde mal versuchen, das herauszuheben, was mir besonders gefallen hat und auch die Stellen mit denen ich Probleme hatte. Los gehts:

Über dem düstergrauen Brei der Stadt, ihrem Smog, ihrem Schmutz, der mich durch das Fenster erreichte, lastete heute noch schwerer als all die vorrangeflossenen Tage die Gewissheit absoluter Trostlosigkeit, Verlorenheit, Sinnlosigkeit.

Schöne Einleitung mit Gefühlen und schönen Bildern.

Allzu schnell wende ich den Kopf ab, fahre mir über das unrasierte Kinn und ekelte mich ein wenig vor der fremd wirkenden Haut

Zeitenwechselfehler


Stattdessen versuche ich lieber verzweifelt, meine Seele in dem Computermonitor vor mir zu spiegeln

Stattdessen steh nicht in direktem Bezug zu irgendetwas. Vielleicht besser: Statt es (mein Spiegelbild) näher zu betrachten (...)

scheinen mir auch um einiges ansehnlicher

Bin mir nicht ganz sicher: um Einiges? naja, kannst ja mal nachschlagen.


Seid kurzem sind die Stars and Stripes auf den Schachteln abgebildet. Das macht inzwischen beinahe jeder Hersteller so, nicht nur die Tabakkartelle, nein, es scheint, alle schwimmen mit auf der Welle unseliger, faschistoider Vaterlandsbegeisterung, die unsere gotteseigene große Nation seit den letzten Jahren mit einer unaufhaltsamen, frommen Gewalt erfüllt.

Schöne Hypotaxe, wieder mit vielen Bilder. Erstes Wort allerdings: seit

Es kommt mir wohl länger vor, als es tatsächlich ist. Und seit dieser Zeit

Ich würde das "Und" im zweiten Satzteil weglassen, evtl. mit "doch" anschließen oder auch einfach mit "seit" anfangen.

In dieser Stimmung des erbittert langen, heiligen Krieges gegen den Terrorismus erhob ich die Stimme. Kein Blut für Öl, hämmerte ich in den PC und gegen das Bewusstsein der Nation. Brot statt Bomben. Fragte ketzerisch nach Demokratie.

Diese Parataxe passte mir -allerdings nur eng gesehen- nicht in den Verlauf, da du vorher hypotaxisch geschrieben hast. Ich empfehle: Komma statt Punkt. Dann kommt das Ganze auch wie eine Aufreihung mit Klimax raus.

schrieb und schrieb all die Jahre mein eigenes Versagen

Versagen? Ich hatte eher den Eindruck, dass es der Absturz einer Karriere ist. Für sich selbst versagt der Protagonist nicht, dies würde implizieren, dass er mit der derzeitigen Entwicklung der Nation konform gehen würde.


Niemand wollte mich noch drucken. Ich war unbequem. Die Verleger sahen in mir die schlimmste Ausgeburt des geifernden Vaterlandslosen, glaube ich, wimmelten ab

Bis zu diesem Punkt wieder einmal ein Lob. Die Entwicklung des gesellschaftlichen Niedergangs ist gut, verständlich und begreifbar geschildert, zudem gut chronologisch aufgebaut. Von geringeren Veröffentlichungen über argwöhnische Blicke der Mitmenschen hin zu radikalen Eingriffen und letztlich der totalen gesellschaftlichen Verwahrlosung.

Etwas verwundert hat mich, auch beim ersten Lesen, dass der Protagonist keine Ebenbürtigen findet. So etwas sollte doch spätestens im Zeitalter des Internets kein Problem mehr sein, oder?
Ansonsten sehr gut.


Ich weis

kleiner Rechtschreibfehler

Und ich schluchze, ich kann diese Schwäche gegenüber meinen lächelnden Peinigern nicht zurückhalten.

Kommt hier fast unerwartet. Der Protagonist hatte bis zu diesem Zeitpunkt immer eine recht rationale und nüchterne Art gegenüber seiner verzweifelnden Entwicklung. Da es sich hier um eine totale Steigerung handelt passt seine Reaktion schon irgendwie, ich würde jedoch mehr betonen, dass er in sich hinein schluchzt, mehr betonen, dass er sein Selbstmitleid zu verdecken. Ist wahrscheinlich Anschauungssache.

Halb betäubt von Schmerz und Angst taumele ich über den schmalen Bürgersteig, finde kein Gleichgewicht und kollidiere kläglich mit hartem Beton.

An dieser Stelle fällt mir gerade auf, was mich in dem Text auch mehr ansprechen würde. Ein kurzer, abgehackter Schreibstil. Du verwendest einige Male "und" als Bindewort. Setze stattdessen evtl. Kommas. Ich fände das passend für seine Situation. Kannst ja mal ein wenig rumprobieren.

mein verschwommener Blick nimmt nur noch Bunt wahr

besser: bunte Farben

„Niemand wird dich vermissen, Zecke,“ dann höre ich, wie der Hahn gespannt wird.

Gelungener Abschluss, man -oder zumindest ich- vermutet, dass der Protagonist überlebt. Wie er dieser Situation der absoluten Bedrohlichkeit entrinnen kann steht offen als Frage da und regt an zum Nachdenken.
Ein Beitrag, der eine Platzierung auf jeden Fall verdient hat.

LG Frederik

P.S.: Sorry nochmal, dass ich nicht vorher dazu gekommen bin, die Geschichte ausführlich zu kritisieren.

 

Ach ja, zu I3. Beitrag:

Der Erzähler beschreibt recht lange sein Leben als Autor und "Systemkritiker" aber was genau er kritisiert erfahren wir nicht. Wenn Du hier vielleicht auf ein ganz bestimmtes Anliegen konkretisierst, würde man sich dem Helden etwas verbundener fühlen. So war es mir im Grunde fast egal, dass er erschossen wird.

Ich denke, das diese Kritik durchaus begründet ist. Bei der derzeitigen politischen Lage hatte ich genügend Bezüge, die ich dem Protagonisten zuordnen konnte und insofern wäre eine nähere Erläuterung nicht nötig gewesen. In bezugslosen Zeiten würde es vielleicht schwer zu verstehen sein. Allerdings befürworte ich diese relative inkonkrete Schreibweise. Sie hat mir gefallen und mir selbst die Möglichkeit gelassen, welches Bild ich mir von dem Autor mache.

Frederik

 

Soso, Frederik, vielen Dank, dass du deinem Abistress getrotzt und dir die Zeit genommen hast!
Ich fühle übrigens mit dir, mir geht es ( fast ) genauso. Fast deshalb, weil ich kaum was lerne :D .
Hab mir deine Anmerkungen zu Herzen genommen, einige wurden berücksichtigt, andere jedoch nicht.

Und seit dieser Zeit...
Du schreibst an einer anderen Stelle ( genau darunter: :) )
Diese Parataxe passte mir -allerdings nur eng gesehen- nicht in den Verlauf, da du vorher hypotaxisch geschrieben hast.
Und so ging es mir bei dieser Stelle. Ohne das "Und" würde es arg Parataxisch wirken, abgehackt.
Ist eine schwere Sache, kann deine Argumentation schon verstehen, aber im Zweifel für den Angeklagten :)

Die Stelle darunter hab ich jedoch auch nicht geändert. Trotz der Parataxen. Eigentlich unlogisch, ich weiß... aber diese Stelle ist mir wichtig, die einzelnen Parataxen Ergebnis intensiven Überlegens ( ehrlich...! ), durchaus nicht unbegründet... sie sollten schon auffallen.

Die Stelle mit dem "Versagen", hmm, du hast Recht. Geändert wurd es aus dem einfachen Grund nicht: mir fiel nichts ein. Außerdem ist es vielleicht doch ein wenig ersichtlich, was ich ausdrücken wollte:
Er versagt, da ( fast ) ungelesen, unbeachtet, somit unbedeutend, versagt, da er sozial isoliert wird und absteigt - wie du selber schreibst:

Ich hatte eher den Eindruck, dass es der Absturz einer Karriere ist.
Du hast zwar Recht, für sich selbst versagt der Protagonist nicht, aber ist ein "Nicht- Versagen" ohne wirklichen Erfolg ein äh... verdammt, jetzt hab ich einen hochphilosophischen Satz angefangen und kann ihn nicht beenden ;)
Für sich selbst versagt der Protagonist nicht, dies würde implizieren, dass er mit der derzeitigen Entwicklung der Nation konform gehen würde.
Ha! Den Satz hab ich trotz "implizieren" und "konform" verstanden! hähä... Ok, wahrscheinlich hast du Recht: er versagt für sich selber nicht, auch wenn´s ihm nichts einbringt. Die Frage ist: Empfindet seine Nation die Lage als Versagen, oder nur er? Versagt er nicht, weil er nichts daran verändern kann?

Etwas verwundert hat mich, auch beim ersten Lesen, dass der Protagonist keine Ebenbürtigen findet. So etwas sollte doch spätestens im Zeitalter des Internets kein Problem mehr sein, oder?
Da magst du Recht haben, mir selbst ist es gar nicht so aufgefallen; jedoch lebt die Story doch gerade von der Isolation des Querdenkers, oder nicht?

Halb betäubt von Schmerz und Angst taumele ich über den schmalen Bürgersteig, finde kein Gleichgewicht und kollidiere kläglich mit hartem Beton.
Wurd geändert, das "und" ist tod!
Mal schaun, wie´s sich so macht ( auch wenn der Satzfluss selber etwas verliert ), war auf jeden Fall ein interessanter Ansatz, danke.

Zitat:
"mein verschwommener Blick nimmt nur noch Bunt wahr" besser: bunte Farben
Wurd nicht in "bunte Farben" geändert. Die werden nämlich schon früher erwähnt, stattdessen hab ichs mal in "wildes Bunt" geändert, probeweise, um die benebelten Sinneseindrücke usw. etwas mehr zu unterstreichen.

Zu 13. Beitrag teile ich deine Meinung. Nur hätte ich sie nicht so schön formulieren können :D
Hinzu kommt, dass die Geschichte ja erst durch das 2005 in der Überschrift ermöglicht, realistisch wird.
Da kann man nicht genau schreiben, was politisch passiert. Ein "bestimmtes Anliegen" wird, meine ich, auch ein, zweimal konkretisiert.

Sooo, das wars erstmal. Vielen Dank nochmal!
Steffen
PS:

11.04.2002 10:59
Kein Unterricht mehr, Frederik?

 

Wenn du so fragst: Nein. Hatte nur eine Stunde und hab mich beeilt die Kritik zu schreiben, damit ich nicht schon wieder Rüffel kriege.

Gruß Frederik

P.S.: Schön, dass du auf die einzelnen Punkte eingegangen bist. Die Kritik ist ja auch nur eine gut gemeinte und sicherlich subjektive Einschätzung meinerseits.

 

Ich kenn das doch.
Wenn man sich schon soviel Mühe macht, hat man ein Recht darauf. :)
Ach ja: "Stattdessen" hab ich beim editieren vergessen. Aber es stimmt nicht, dass es sich auf nichts bezieht, sondern es hängt ab von der Betrachtung im Spiegeldavor ( er scheut sein Spiegelbild, stattdessen spiegelt er seine Gedanken... )
Hoffe, du lernst fleißig. Wir haben leider verschärfte ABI- bedingungen, deshalb ist nichts mit nur einer Stunde Unterricht. Wir müssen noch viel Scheiß´ bis 13 / II machen.
Steffen

 

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