Buntes Schwarz
Buntes Schwarz
Es war einmal vor langer, langer, seeehr langer Zeit. Da gab es noch keine Farben und das nannte man... Hm! Wie könnte man es nennen? Man könnte es vielleicht nichts nennen oder unendliches Schwarz. Man könnte es aber auch einfach nur Unendlichkeit nennen. Sagen wir einfach unendliches Schwarz. Das klingt am coolsten. Im unendlichen Schwarz gab es aber noch etwas: etwas, das man eigentlich auslassen könnte, so klein ist es. Es ist sogar so klein, das man es im unendlichen Schwarz gar nicht sehen konnte mit dem menschlichen Auge. Es hiess rot, war rot, war aber nicht tot. Es war nämlich schon lange hier. Schon seit hunderten von Jahren sass es in seiner staubigen Ecke und machte nichts. Es bewegte sich nicht und zwinkerte nicht, aber es war sehr wütend, weil um es herum alles schwarz war. Es stellte sich Tag und Nacht vor, wie toll es wäre, wenn alles rot wäre. So träumte es weiter, bis es eines Tages in der Ferne etwas sah, das es noch nie gesehen hatte. Denn es war nicht schwarz. Es war irgendwie anders. Als es schliesslich beim Rot ankam, fragte Rot mürrisch: „Wer bist du?“ Das Etwas wartete kurz und dann antwortete es: „Ich bin Gelb.“ „Gelb, noch nie gehört“, brummte Rot in einem etwas freundlicherem Ton. Doch Gelb sagte: „Ist ja logisch, während du in einer langweiligen Ecke bist, wandere ich durch das Nichts und besichtige das unendliche Schwarz.“ Rot fragte: „Was gibt es hier bitte schön zu besichtigen. Es ist ja alles schwarz und langweilig.“ „Das denkst ja auch nur du“, antwortete Gelb, „sieh mal!“ Rot schaute ganz gespannt. Gelb saugte ganz viel Luft ein und blies sie wieder aus. Aber es kam nicht einfach nur gewöhnliche Luft heraus, sondern gelb gefärbte Luft. Die gelbe Luft färbte irgendetwas, das sie noch nie bemerkt hatten. Es lag etwas am Boden, das Rot noch nie gesehen hatte. Es war sehr unförmig. Heute würde man es Stein nennen. Aber Rot war ganz erstaunt und fragte: „Kann ich das auch?“ Da antwortete Gelb: „Was weiss ich? Probier’s doch mal aus!“ Rot versuchte es aus und es klappte wunderbar. Es war glücklich wie noch nie und fragte Gelb: „Darf ich mit dir mitkommen und noch mehr solche Sachen entdecken?“ Gelb sagte: „Ja, von mir aus.“
Und so zogen sie los. Sie liefen Tage und Nächte, bis sie nicht mehr konnten und erschöpft anhielten. Da sagte Gelb plötzlich: „Siehst dudas? Da vorne ist irgend etwas!“ Rot guckte genau hin und sah es auch. Es sagte: „Ja, stimmt. Da vorne ist etwas.“ Sie gingen beide näher heran, bis sie es genauer betrachten konnten. Es sah ähnlich aus wie sie, aber irgend etwas war anders als bei den beiden. Sie fragten: „Wer bist du?“ Doch es sagte nichts. Rot bemerkte: „So etwas habe ich ja in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.“ Gelb stiess Rot in die Seite: „Das tönt ein bisschen herablassend.“ Doch nach einiger Zeit sagte das Etwas: „Ich bin Blau, und wer seid ihr?“ Rot und Gelb antworteten beide gleichzeitig: „Rot und Gelb, komm doch mit uns auf Reisen. Wir wollen die Welt entdecken.“ Blau behauptete: „Hier gibt es ja gar nichts zu entdecken. „Das denkst auch nur du“, entgegnete Rot, zog viel Luft ein und blies sie wieder aus. Da wurde unter ihnen der Boden rot. „So etwas! Okay, ich komme mit“, erklärte blau ganz erstaunt. So liefen sie Tag und Nacht weiter, bis Gelb befahl: „Stopp! Da ist etwas.“ Vor ihnen lag etwas, das sich im Boden bewegte, etwas Flüssiges. Heute würde man es Teich nennen. Rot bemerkte: „Seltsam, lass uns einen Bogen um das Flüssige machen.“ Blau antwortete: „Gute Idee, lasst uns gehen.“ Doch Gelb widersprach: „Nein, lass es uns erkunden.“ Und sprang hinein. Da färbte sich das Wasser plötzlich gelb. Blau und Rot guckten erstaunt drein und sagten: „Wenn unser Kumpel hineingesprungen ist, machen wir es auch.“ Und so sprangen sprangen auch sie hinein. Da fing der Teich an zu blubbern und überzuschwappen. Plötzlich gab es einen lauten Knall, und das Wasser sprang in die Höhe, hunderte Meter hoch. Als es oben war, verteilte es sich in alle Richtungen und färbte das ganze unendliche Schwarz. Heute nennt man das unendliche Schwarz Erde.
Jetzt wisst ihr, wieso die Wälder grün sind, das Wasser blau ist und der Sand gelb.
Ich weiss zwar nicht, weshalb diese Farbfontäne in die Luft gegangen ist, aber ich weiss: wenn nicht alle hineingesprungen wären, wäre es nie passiert.
Die Moral der Geschichte ist:
Auch wenn man noch so klein ist in etwas Grossem, wenn man Freunde hat und zusammen ist, kann man selbst unendliche Schwärze bunt machen.