Bunte Welt
Bunte Welt
Buntbuntbunt sind alle meine Kleider, buntbuntbunt, ist alles, was ich habe, weil ich nun mal Erdenbürger bin. Bittere Feststellung einer scheinbar erfreulichen Tatsache. Alla ma LaOla. Wirklich alle! Auch sie dahinten, sie Ausgeburt der Ernsthaftigkeit! Lass ma stecken.
„Hey, willste ma‘ sehen“, fragt mich ein grinsender Jemand und zieht sich - ohne meine Antwort abzuwarten - die Hose herunter. Buntgefärbte Arschaare ragen aus seinem stinkenden Hintern wie ein Strauß Frühlingsblumen, der Tatsachen verdeckt. „Super, ne?“ „Super? Ne.“ Der Typ zieht weiter und seine Schuhe hinterlassen blaue Streifen auf dem grauen Asphalt. „Super, ne?“ „Super? Ne.“ Die ganze Familie in den Familienvan. Opa + Oma inklusive. Wohin? Ist Samstag, Fatta hat frei, also ab ins sorgenausblendende Spaßbad mit 7000 Meter- Rutsche, Cocktail-Bar, Saunabereich, ebenso wie eine großflächige Badelandschaft (Gibt es eigentlich eine Fußgängerlandschaft?), Suppa-Kinda- Becken, sagt die Mutter mit Hilfe des Prospekts um Fatta zu überzeugen, denn der will ja Spaß mit Kollegen in Kneipe. Animation, fügt die Mutter hinzu, weiblich. ATTRAKTIIIIV. Hööörst DUUU? Dummes Grinsen beiderseits. Er nickt. Also Schwimmreifen und Frikadellen mitgenommen, „weil ja alles so teuer ist.“ Dafür verdammt lustig. Der Pfarrer grinst mir fröhlich zu und präsentiert mir seine neue Kluft. „Steht mir doch gut, das Clownskostüm, oder? Ich dachte mir, das wird den Leuten gefallen.“ „Is ja echt beschissen.“ Lalalalalala...Könnte der Anfang eines Offspring-Songs werden (und damit eher ernste Seite) ist aber der Bankdirektor, der eine geschäftsförderndes Image aufbaut. Clever, der Bursche. Buntgemusterte Jacke, Schottenmütze, Kaugummi. Yeah. Buntbuntbunt sind alle meine Kleider, buntbuntbunt, ist alles, was ich habe, weil ich nun mal Erdenbürger bin. Sollte man sich angesichts solcher gesellschaftlicher Entwicklungen nicht selbst heiter fühlen? Mein Schutz ist das Streben nach Ehrlichkeit. „Kennste den schon“, meint jemand zu jemand (ziemlich anonym, so bunte Typen) und er schlabbert einen Witz in die Atmosphäre, dass sechs Milliarden Menschen lachen und ich den Humor wieder nicht kapier‘. Wo isser den überhaupt? Begraben? Ma nicht frech werden. Begraben. Muss mir wohl selbst recht geben. Die Beerdigung wird verschleiert von schmerzloser Popmusik und barbusigen Tänzerinnen (echte Sexbomben, aba ma hallo!) legen aba ma ne flotte Sohle aufs Parket. „Tot ist tot, das ist jetzt ma nichts mehr dran zu ändern. Und jetzt n Helau!“ Der Grabredner hat zweifelsohne Stil und weist Einfühlvermögen auf - für das vergessen (ne, ist doch nur verdrängen).