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Bungee springen oder Der Weg der Erkenntnis
Es war einmal eine Katze,die Angst vor Höhe hatte. Sie traute sich nicht nicht, wie alle anderen einfach zu springen. Es erschien ihr zu wahrscheinlich, dass sie sich alle Beine brechen würde. Aber sie hatte eine Lösung gefunden- sie würde Bungee springen. Mit einem Seil um ihren Bauch, könne ihr nichts passieren, dachte sie. Doch alle sagten: „Du bist eine Katze! Katzen springen kein Bungee.“ Und die Katze fragte: „Wieso nicht?“ Und keiner wusste die Antwort. Die Katze ging zu gelehrten Katzen, zu Straßenkatzen, zu Hauskatzen. Sie fragte Tiger und Pumas. Sie fragte Bauernhofkatzen und Bibliothekskatzen. Sie ging sogar zu den Kitten aus der Hermannstraße. Keiner wusste die Antwort.
Die Katze war verzweifelt. Was sollte aus ihrem Traum werden, wenn jeder sagte Katzen machen so was nicht. Sie ging zu ihrem Opa (der ein Professorenkater war) und fragte ihn. Opa Kater maunzte: „Es schickt sich nicht.“ Oma Katze schnurrte nur wohlwollend dazu. Ärgerlich stampfte die Katze mit der Pfote auf und zerpflückte dabei den guten Perserteppich. „Wenn ihr mich nicht lasst, geh ich zu den Menschen“, jaulte sie in bester Miezenmanier.
Sie schnürte alsbald ihr Bündel und machte sich auf die Wanderschaft. Unterwegs traf sie einen räudigen Kater. Er pfiff ihr hinterher und sie beschleunigte ihren Gang. Doch der Kater ließ sich nicht so leicht abschütteln. Während die Katze im Geiste schon das Pfefferspray zückte, fragte er sie: „Wohin des Weges, Lady?“ Sie reckte die Nase um seinem Gestank zu entkommen und antworte: „Zum Bungee springen!“ „Wasn das?“, schnarrte der Kater und versperrte ihr den Weg. „Man bindet sich ein Seil um den Bauch, klettert wo rauf und springt dann runter“, gab sie hochnäsig zurück, hieb ihm eins auf die Nase und ging ihres Weges. „Warum rennt se denn woanders hin dafür?“, murmelte der Kater mit tränenden Augen. „Is doch ne Katze, kann se doch auch gleech hier machen.“ Doch mit so gewaltbereiten Kitten mochte er nichts zu tun haben und so verzog er sich auf die nächste Mauer, um auf die nächste zu warten. Die Katze war schon ein gutes Stück Weg gegangen und rastete an einem Mäuselokal. Der Koch warf ihr zwei weiße Mäuse in die Pfanne und glotzte sie an. „Was?“, warf sie ihm gereizt an den Kopf und fragte sich innerlich was mit ihr los sei. Vermutlich die Hormone, man weiß ja nie. „Nichts“, flüsterte der Koch zurück, servierte die Mäuse mit frischem Basilikum und etwas Pfeffer und versteckte sich hinter seinen Töpfen. Die Mäuse waren mager und zäh und die Katze wurde immer gereizter. Als sich eine parfümierte, alte Perserkatze neben sie setzte und in feinster Manier anschnurrte konnte sie kaum an sich halten. „Hey Grumpykitty! Du siehst einsam aus. Komm doch zu mir heut´ nacht.“ Entsetzt sah die Katze die Perserin an. Wohin hatten ihre Träume sie nur gebracht. Sie rutschte schnell auf den nächsten Stuhl und verschlang wortlos ihre Mäuse. „Ouuuh! Ist sie schüchtern?“ maunzte die Perserin und schleckte sich die Pfoten. „Soll dir nicht jemand erklären wie die Welt läuft, bevor du weiterziehst, Schätzchen?“ Die Katze fegte mit einer Bewegung den Teller mit den Mäuseknochen vom Tisch und schrie: „Du bist nur ne olle Perserkatze! Was kannst du mir von meinen Träumen schon erzählen?!“ „Ah, was für ein eigensinniges Kätzchen. Was für ein Temperament“, freute sich die Perserin und stierte die Katze an. „Was sind denn deine Träume?“ „Ich werde Bungee springen! Du wirst schon sehen, ihr alle werdet es sehen! Ich werde aus unvorstellbaren Höhen springen, wartets nur ab! Ich gehe zu den Menschen!“ Mit einem Rumms knallte die Tür hinter ihr zu und ließ den Koch und die Perserin allein zurück. „Was ist ihr Problem? Weiß sie nicht das sie eine Katze ist?“, lachte die Perserin und bedeutete dem Koch ihr einen Mäuseblutcocktail zu mixen. Der Koch zuckte nur mit den Achseln und träumte vom seidig glänzendem Fell der Katze. Er wusste was ihm nach dem Cocktail blühte, doch er ergab sich seinem Schicksal.
Die Katze strich ziellos durch die Nacht, sie hatte es sich einfacher vorgestellt. Im Morgengrauen kam sie zu einer Brücke, die über einen Fluß lief. Zwei Radfahrer fuhren an ihr vorbei und des Laufens müde sprang die Katze kurzerhand in die Gepäcktasche des Mannes. Neben einer knisternden Brötchentüte, in der noch warme Sesambrötchen lagen, mummelte sie sich ein und schloß einen Moment die Augen.
Gleißendes Licht weckte sie auf und bevor sie etwas realisieren konnte griffen zwei Hände nach ihr und hoben sie in die Luft. Hilflos baumelnd sah sie sich Angesicht zu Angesicht mit einem bärtigem Mann. Er riss den beängstigend großen Mund auf und präsentierte ihr eine Reihe breiter, weißer Zähne. „Oh Gott, er will mich fressen!“, dachte die Katze panisch und fing an um Hilfe zu maunzen. Verzweifelt strampelte sie mit den Pfoten, doch ein Blick in die Tiefe ließ sie erstarren. Sie hing in unglaublichen Höhen und nur die Hände des Mannes hielten sie. Erschrocken riss sie die Augen auf und starrte ihn an. „Was ist los, Kätzchen?“ Wozu der Babyblick? Ich werde dich schon nicht fressen.“, dröhnte der Mann und lachte. Eine Frau tauchte hinter ihm auf. Sie sah die Katze und stieß einen so spitzen Schrei aus, dass die Fenster klirrten. Der Mann erschrak sich, die Katze erschrak sich und in Folge dessen ließ er sie los. Hilflos rudernd fiel die Katze in die Tiefe, sah ihr Leben vor ihrem inneren Auge laufen, während sie sich gleichzeitig vorstellte wie ihre Knochen auf dem Asphalt brechen werden, ihr Gehirn aus dem Kopf quillt und ihre Gedärme dem Mann über die Stiefel spritzen.
Mit einem leichten Ruck landete sie auf den Pfoten und kniff die Augen zu. Der Tod fühlte sich wärmer und einfacher an, als sie gedacht hatte. War es das Licht am Ende des Tunnels das durch ihre Lider brannte? Ging sterben so schnell? Sie hatte gar keinen Schmerz gespürt, nur ein Steinchen, das sich in ihre linke Pfote drückte. Ganz vorsichtig öffnete sie die Augen und sah die Beine des Mannes vor ihr. War er mit ihr gestorben? War er der Tod? Und wieso schrie diese Frauenstimme etwas über dreckige Fellbündel und auf gar keinen Fall ins Haus? Erstaunt drehte die Katze den Kopf und sah die gleiche Umgebung ,wie vor ihrem tödlichen Sturz.Sie blinzelte ein, zweimal und schlug mit dem Schwanz über den Asphalt. War sie nicht tot? Oder war die Welt mit ihr gestorben und sie gingen gemeinsam ins Jenseits? Der Mann lachte wieder und griff nach der Katze. Sie zuckte zurück und entblößte die kleinen, spitzen Zähne. „Na, na“, sagte der Mann. „Du Katze, landest doch immer auf den Pfoten und neun Leben hast du noch dazu. Kein Grund Angst zu haben.“ Erschrocken fauchte die Katze, drehte sich um und rannte davon.Die Sonne blendete sie, Gras kitzelte sie in der Nase und die Geräusche der Insekten brummte in ihren Ohren. An einem kleinen See machte sie Rast und dachte an die Worte des Mannes. Katzen landen immer auf den Pfoten? Würde das nicht bedeuten das sie kein Seil zum Springen bräuchte? Würde es nicht bedeuten sie könne überall runter springen? Voller Neugier sprang sie von ein paar flachen Steinen am Seeufer. Sie landete immer auf den Pfoten. Sie probierte es mit höheren Steinen, einem Baumstumpf und schließlich einem Baum. Immer wieder landete sie auf den Pfoten. Und sie erkannte das alle Recht hatten. Katzen springen kein Bungee. Alles was sie zur Verwirklichung ihres Traumes brauchte war ihr schon gegeben, sie brauchte keine Hilfsmittel. Denn alles was man im Leben zu brauchen denkt, beginnt in einem Selbst.