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Brief an eine Königin

Joh

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28.07.2003
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Brief an eine Königin

Brief an eine Königin

Hochverehrte Majestät, allergnädigste Herrscherin,
Euer Hochwohlgeboren,

mit zittriger Hand wage ich es heute, einen Brief an Eure königliche Majestät zu schreiben in der Gewissheit, dass nur Ihr mir helfen könnt. Ich bin eines der unscheinbarsten und unwürdigsten Geschöpfe Eures großen Reiches und weiß mir keinen anderen Rat.
Seit Tagen schon habe ich kein Lebenszeichen mehr von meinem geliebten Gemahl erhalten und niemand an unserem See hat ihn seit seinem Verschwinden erblickt. In meiner Nachbarschaft wird getuschelt, er habe nun seine häufigen Ankündigungen wahr gemacht und sei zu Eurem Schloss gereist, um dort sein Glück zu suchen. Ich kenne ihn wie mich selbst und weiß, dass dies durchaus möglich ist.
Es ist für unsereins jedoch mit äußersten Gefahren verbunden, die Nähe der Mächtigen zu suchen, und ich spreche hier nicht nur von den zahlreichen Feinden, die uns bei einer solch langen Wanderung auflauern würden. Vielmehr hatten schon etliche von uns den beschwerlichen Weg zum Schloss Eurer Majestät gewagt, doch hat man nie wieder etwas von ihnen gehört. Manche wagen es sogar zu behaupten, unsere übermütigen Brüder und Schwestern seien dort bei lebendigem Leibe gebraten und verspeist worden, was ich jedoch bei der bekannten Herzensgüte Eurer Majestät für eine boshafte Verleumdung halte.
Nun also befürchte ich, das mein Gemahl zu Eurem Schloss unterwegs ist, doch glaube ich gewiss, das er noch am Leben ist. Seit ich ihn kennen lernte, weiß ich, dass in ihm eine besondere Tapferkeit wohnt, aber auch der unstillbare Drang nach Höherem. Nie konnte er sich mit dem bescheidenen und kargen Leben, welches unsereiner führt, zufrieden geben.

Eure Majestät sind selber Frau und Mutter und so darf ich es wagen, offen mit Ihr zu sprechen. In all den Nächten, die wir miteinander teilen durften und die erfüllt waren von Lust und Leidenschaft, erzählte er mir in den kurzen Momenten seliger Ermattung, er sei nicht von unserer Art. Er sprach von Hexenkunst und bösem Zauber und Dingen, die ich weder verstehe noch begreife. Er dürfe mir nur verraten, das sein wahrer Stand weit über dem Unsrigen sei und eines Tages würde er dorthin zurückkehren. Von vielen habe ich schon gehört, die sich diesen Träumereien hingeben und sich doch jeden Morgen auf`s neue in das ihnen vorbestimmte Schicksal fügen, aber mein Gemahl sprach stets mit solchem Ernst und fiebrigem Eifer davon, das mir jedes mal Angst und Bange wurde.
Zu seiner Königin würde er mich machen, wenn er erst den Rang habe, der ihm gebühre, und ich solle mit ihm herrschen in einem Land, das von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang reicht. In einem Schloss würden wir leben und jeden Tag von goldenen Tellern essen.
Ich gebe zu, dass mir dies sehr schmeichelte, obwohl ich kein junges Ding mehr bin und solchem Gerede keine Beachtung schenken sollte. Und doch erinnerte ich mich an seine Worte, da mein Gemahl nun ohne Abschiedsgruß verschwand. Ich hoffe sehr, er hat in seinem eitlen Drang keine Dummheiten begangen. Und wenn er sich eines Vergehens in Eurem Schloss schuldig gemacht hat, so bitte ich Eure königliche Majestät untertänigst darum, ihn nicht zu hart zu bestrafen, denn er tat dies gewiss nicht aus Bosheit.
Ich möchte Eure Majestät wissen lassen, das ich nicht nur um meinetwillen für meinen Gemahl bitte. Denn auch seine achthundert Kinder brauchen ihn, flinke und allerhübscheste Kinderchen, die ihren Vater, der von sich behauptet, er sei der König der Frösche, noch nie gesehen haben. Und so möchte ich inständig Eure königliche Majestät bitten, mir meinen Gemahl heil zu unserem See zurückzuschicken.

 

Hallo Teresa,

kicher, die Froschfrau gibt es im Märchen nicht. Der Froschkönig wird durch das Küssen wieder zum Prinzen, der die Prinzessin heiraten darf - tja, und dann kommt mein Brief.

Liebe Grüße

Joh

 

Da es hier nur um den Brief ging (und die damit einher gehenden Veränderungen im Froschkönigmärchen), ist dass weitere Schicksal der Froschfrau eigentlich nicht so interessant. Üblicherweise wird in solchen Fällen noch einige Zeit auf die Rückkehr des Mannes gewartet, bis man sich dann schließlich einen neuen Froschmann sucht - allein schon wegen der 800 Kinder!

Liebe Grüße

Joh

 

Hi Joh!

Sehr gelungen! :thumbsup: Der Sprachstil ist konsequent durchgehalten, die Informationen erreichen einen erst so nach und nach, bis dann am Ende die Auflösung kommt und man denkt: "Tja, auf den kannste lange warten!"
Ich hab Deine Geschichte gerne gelesen, war amüsant und kurzweilig!
Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Vielen Dank chaosqueen,

man könnte auch sagen: Immer das Blaue vom Himmel versprechen und kaum sind die Kinder da, schwups, isser bei ner andern! kicher

 

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