Brief an Christin
Liebste Christin,
das Leben geht manchmal einen merkwürdigen, ja verrückten Gang. Da ist man urplötzlich verliebt und schwebt zwei Monate lang in ungeahnten Höhen, ist gefangen von einer zauberhaften Natürlichkeit und einer liebenswerten Herzlichkeit, die man zuvor – in alten Tagen – aus der Ferne aufblitzen sah, doch die man niemals fassen oder gar schmecken durfte.
Doch das Leben kann gut zu denen sein, die nicht suchen, aber dennoch bereit sind dem Schicksal eine Chance zu geben. Und von heute auf morgen ändert sich alles. Auf einmal darf man den süßen Duft riechen, atmen, in ihn eintauchen. Dieser Duft öffnet dir neue Räume, du lässt dich von ihm umhüllen und manchmal, in einigen seltenen Momenten, glaubst du, du könntest diesen Duft für immer festhalten.
Doch das Leben muss eine Frau sein, denn es ist launisch. Bevor das Glück dich so richtig weit fortgetragen hat, ist es auch schon wieder vorbei. Aber nicht nur, dass dieser süße Duft nicht mehr auszumachen ist, nein, plötzlich hat sich dieser liebliche Duft, der dir eine Ahnung von anderen schönen Welten verlieh, in ein ätzend riechendes Gift verwandelt.
Du musst geträumt haben, denke ich dann. Dieser süße, himmlische Duft muss ein Traum gewesen sein. Doch wahrscheinlicher ist es, dass es einfach ein Stück Leben war. Und deshalb liebe ich das Leben, Christin, weil es unberechenbar und unvorhersehbar ist.
An einem Tag fühlst du dich wie ein Gott, am nächsten wie ein Taugenichts. Dafür bin ich dankbar.
Ich wünsche dir, Christin, trotzdem alles Gute. Die Erinnerung verwahre ich gut. Vergiss niemals deine Träume. Das Leben ist so verdammt kurz.
Dein Michael