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Brennender Hass

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31.01.2003
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Brennender Hass

Brennender Hass

Er erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem der Schmerz begann. Der Tag an dem alles aus den Fugen geriet und sein ganzes Leben nichts weiter war, als ein kleiner Haufen Asche. Dabei hatte er so friedlich begonnen. Alte Wunden, verheilt und ruhend im Hintergrund. Der gemütliche Morgen eines Mannes, der allmählich ins Leben zurückfand.
Ein normales Leben, beinahe ohne Trauer. Oh wie er sich das erhofft hatte, wie froh er doch war, endlich zurückgefunden zu haben, von der dunklen Leere, zurück ins Licht. Das Essen schmeckte wieder, der Kaffee herrlich süß und bitter zugleich. Die Sonne angenehm wärmend und wohltuend, ein Lichter- Spiel, wenn sich trübe Wolken vor sie schoben, um gleich darauf den Weg wieder freizugeben, den Weg zur behaglichen Wärme. Seit langer Zeit wieder Appetit, dass Bedürfnis wieder schmecken zu wollen, den Geschmack des Alltäglichen. Kleine Dinge nur, die plötzlich eine ganz andere Bedeutung besaßen, größer denn je.

Doch dann kam der Geruch und alles änderte sich schlagartig. Übelkeit hervorrufend, stieg er in seine Nase und verdrängte eben gewonnene Eindrücke in die kalte Realität.
Gas, es war dieses Gas, das er da roch, ein Geruch der Angst erzeugte. Panik, als er versuchte herauszufinden, woher es kam. Nackte Panik, die sein Herz rasen ließ, seine Hände, sonst ruhig und sicher, zittern ließ. Die Fenster weit aufgerissen, um den todbringenden Gestank zu vertreiben, die Tür geöffnet und hinausgestürmt, um seine Nachbarn zu warnen. Und da sah er ihn zum ersten Mal: Den Schatten der vorbei huschte, wie ein kurzer Windstoß. Dann kamen die Flammen und änderten alles. Ein Strom des Feuers, der sich über ihn ergoss wie siedendes Öl. Brechende Balken schrieen, Flurlampen barsten und Steine schmetterten herab, vereint zu einem Hagel der Zerstörung. Dann nichts mehr, nur diese Decke aus Schwarz.

Er erwachte in der Hölle, in der Heimat des Schmerzes. Intensiver, körperlicher Schmerz, der jeden klaren Gedanken unmöglich machte. Stimmen, weit entfernt im Hintergrund, aber er sah nicht woher sie kamen, er sah nur den Strom der Flammen, immer wieder aufs Neue. Eine Endlosschleife der Vernichtung, mit all dem Schrecken, die sie gebar.
Der Schmerz gestaltete den ganzen Leib zu einer einzigen Wunde.
Hilflosigkeit- verdammt zum Siechen auf einem Sterbelager.
Die Gedanken ertranken im Fluss der Qual.
Sein Körper und Geist- ein brennendes Grab.

Irgendwann begann das Sehen, der Blick des Mannes erwachte und erkannte die Götter in weiß. Ja, so nannte man sie: die Herrscher über Leben und Tod. Nicht immer erfolgreich, aber stets bemüht das Leben zu erhalten, wie zerstört es auch sein mochte. Sie beruhigten ihn mit Worten und Medikamenten, eine Gnade die sein Bewusstsein betäubte. Aber das endgültige Erwachen stand bevor und er fürchtete es in den vernebelten Tiefen seines Verstandes.
Die Bandagen wurden entfernt und entfachten wieder den Brand, unerbittlich heiß und schmerzhaft. Als er seinen Leib betrachtete, sah er eine Ruine, ein zerfurchtes Etwas, auf dem ein erbarmungsloser Krieg stattgefunden hatte. Eine offene Narbe, die hämisch grinste. Keine Haut, nur klägliche Reste. Überbleibsel einer vergangenen Zeit. Die neue Ära war eingeleitet und sie war schwärzer als alles, was er bis dahin kannte.
Sein Sohn, der erste Besucher nach langer Zeit. Er sprach vom Glück, noch am Leben, als einziger dem Tod entkommen zu sein, doch der Vater lachte. Röchelndes Gelächter als Hohn, als bittere Gegenhaltung seiner Worte.
Er erzählte was ihm die Polizei berichtet hatte. Er erzählte von dem Selbstmörder, der sich in endloser Ignoranz das Leben genommen hatte und alle anderen mit in sein Unglück stürzte. Schulden- das Motiv des selbsternannten Opfers der Gesellschaft. Doch die Schulden, die nicht auf finanzieller Seite zu finden waren, würde er nun niemals mehr begleichen können.

Freunde kamen als Vorboten seiner Einsamkeit. Er las es in ihren Gesichtern, erkannte den unterdrückten Ekel, der ehrliche Bilder, in ihren sonst aufgesetzten Ausdrücken zeichnete. Sie kamen noch einige Male, erlogen Unterstützung, erlogen Hilfe und Trost, die sie letztendlich nie gewährten. Die Vorboten als Auftakt der Isolation.
In der Nacht vor der Entlassung, sah er es zum zweiten Mal. Ein Schemen, nichts weiter als ein Schatten, dunkler als der eigene Abgrund. Es bewegte sich auf ihn zu und drang in ihn ein. Für einen kurzen Moment verharrte es in seinem Innern und keimte die dunkle Saat. Dann verschwand es und sein Erscheinen verblasste zur Unwirklichkeit, wurde zur Fantasie verklärt.

All das- bittere Vergangenheit, in einer ebensolchen Gegenwart, mit der Ausnahme, dass die Gegenwart noch viel schlimmeres bereithielt. Er spürte es in sich, auch wenn er es nicht wahr haben wollte.
Die Isolation als Behüter der kalten Realität. Seine eigenen Wände als Beschützer vor den Dingen, die ihn draußen erwarteten. Dort, jenseits der Mauern, wurde er als das erkannt, was sich in ihm formte- ein Monster, eine deformierte Gestalt die nach Blut lechzte. So riefen sie ihn, so sahen sie sein Äußeres und so brachen sie seinen Geist. Menschen, die Verächter der Andersartigen, die Auslöser seiner Resignation. Ein Zustand der gelähmten Starre, der nun Vergeltung forderte. Sein Sohn, einst geglaubter Lichtblick, doch sein Licht war trübe und mit falschem Schein erfüllt. Er erinnerte sich an die gemeinsame Mahlzeit, an die unwohlsamen Blicke die ihn trafen und das widerspiegelten, was alle bei seinem Anblick empfanden. Ekel und Abscheu, die vernichtenden Begleiter auf seinem Weg. Er erinnerte sich, wie sein Sohn versucht hatte, die Bissen mühevoll hinunterzuwürgen, sich nichts anmerken zu lassen, seine Gefühle zu verbergen. Doch war es offensichtlich. Jeder empfand dasselbe, es gab keine beschauliche Zweisamkeit. Es gab nur Mitleid oder Verachtung. Die nun ewigen Bestandteile seiner Existenz.

Das Kaffeehaus, damals ein Ort den er oft aufgesucht hatte, ein Ort an dem die Menschen ein und aus gingen, ohne einander zu beachten. Doch heute war es anders, heute war er der Mittelpunkt, die Attraktion eines Gruselkabinetts. Ausnahmslos jeder starrte dort auf sein Unglück, als müssten sie sich daran ergötzen, als wäre sein Anblick eine Widergeburt der Menschlichkeit. Manche rümpften die Nase, andere verließen panikartig das Gebäude und wieder andere beschwerten sich bei der Bedienung über seine Gegenwart. Schließlich wollten sie Speis und Trank genießen und dabei störte ein unappetitliches Geschöpf, wie er es war. Als sie ihn aufforderten zu gehen, spürte er es zum ersten Mal.
Brennender Hass entfachte ein verzehrendes Feuer. Doch er war imstande die Brunst einzudämmen. Noch funktionierte der Verstand, noch gab es Klarheit in seinem Geist. Auf dem Weg zu den schützenden Mauern begleitete ihn der Spott. Kinder, von jeher grausame kleine Teufel, die all das verurteilten, was sie nicht verstanden. Er sah darüber hinweg, waren sie doch nichts weiter, als eine unreife Frucht.

Seine Heimat- die gleichgültigen steinernen Wände. Dafür liebte er sie. Leblose Masse die jeglichem Urteil entbehrte. Doch der Spiegel war anders. Er gab den entstellten Leib unbarmherzig wieder. Die Wirklichkeit war ein heftiger Schlag und entfachte erneut dieses Feuer. Scherben zerschnitten die Luft und regneten auf blankem Boden. Der Spiegel- nun zerstört wie er selbst. Doch dass Feuer war nicht erloschen, es brannte und zehrte, warf dichten Nebel um die Gedanken.
Dann kehrte es zurück. Der Schatten floss durch die Tür und schwebte wolkengleich im Raum. Seltsamerweise gab es keine Angst, es gab nur diesen Hass. Ein einziges Gefühl, dass ihn selbst jetzt noch beherrschte. Es war nicht intensiv, trat beim Erscheinen des unwirklichen Besuchers in den Hintergrund, aber es war immer noch da, als wäre es stärker als die Furcht.
Raunende Worte erhoben sich eindringlich aus der Quelle der tiefen Nacht.

„Spürst du die Macht, die sich in dir erhebt? Es ist das Gefühl, das nach Gerechtigkeit schreit, das Vergeltung fordert, für den Schmerz den du erleidest. Gehorchst du diesem Wunsch, wirst du Glückseligkeit erfahren, wirst all das zurückbekommen, was du einst verloren hast. Sieh auf deine Haut, fühle die Regeneration deines Körpers, die Heilung deines Geistes, den inneren Frieden der wiederkehrt.“

Er spürte es tatsächlich, wie die Haut sich glättete, wie die Freude in ihm wuchs. Ihm schien, als hätte es das Leid nie gegeben. Er war frei, geheilt von seinen Wunden und in den gehobenen Zustand des wärmenden Glücks. Sein Blick fuhr vorsichtig über den Leib und das ungläubige Erstaunen fühlte sich an wie prickelnde Magie. Vergangene Zeiten lebten auf, als er einen gesunden Körper erblickte. Makellos rein, frei von hässlichen Narben. Er sah die Vergangenheit, in der es keine Zerstörung gegeben hatte. Dort erfreute sich sein Auge.
Doch dann löste es diesen Bann. Die Entstellung war ihm wieder zueigen und vernichtete die Illusion. Alte Gefühle kehrten zurück und zehrten an der Existenz. Der Hass fand seine Nahrung und zog das Fleisch aus aufgebrochenen Wunden.

„Wie fühlte es sich an? War es nicht wunderschön, als die Genesung einsetzte? Als alles Leid vergessen war, unbedeutend im neuen Glanz des perfekten Seins? Möchtest du das noch einmal erleben? Möchtest du das dieser Zustand von Dauer ist?“

Er erkannte das Geschöpf, die Erinnerung brach herein und diesmal wirkte sie real.
„Ich kenne dich. Ich habe dich gesehen, bevor die Explosion hereinbrach. Ich spürte dich in mir, als ich auf dem Krankenbett lag. Was bist du?“ Leise kamen die Worte über die Lippen und dumpf war die Ahnung, die sich einstellte.

„Meine Existenz ist ohne Belang für dich. Viel wichtiger ist, was ich dir geben könnte.“
„Du hast mir etwas gegeben. Was war es?“
„Macht. Ich gab dir Macht. Ich gab dir einen Teil von mir. Und nun musst du entscheiden, ob du mein Geschenk anerkennst oder dem Dank entsagst, den du mir schuldig bist.“
„Ich bin dir nichts schuldig. Alles was du gabst, war reiner Hass.“
„Ich entfachte nur die Glut, die schon lange in dir weilt. Ich tat nichts weiter als die Bestie zu wecken, die in dir nach Rache dürstet. Ich weckte nur dich selbst. Wenn du mich als böse bezeichnest, bist du es schon immer gewesen.“
„Was willst du von mir?“
„Auch das ist ohne Belang, da du es ohnehin tun wirst. Ich will nur, dass du deinen Gefühlen freien Lauf lässt.
Es mag dir falsch erscheinen, aber wer kann beurteilen was richtig ist, wenn das Unrecht schwerer wiegt. Du erwartest jemanden. Morgen wird der Tag deiner Befreiung werden. Wenn du dich selbst befreist, werde ich dich belohnen. Dann gewähre ich dir die Heilung, die du ersehnst.“

Der Schatten verschwand, rann durch die Tür wie Wasser durch ein Sieb. Die Einsamkeit hatte ihn zurück und verzerrte die eben geglaubte Wirklichkeit zu verschwommenem Traum. Was mochte es sein? Ein Geist oder nur der Wahnsinn, der Gestalt angenommen hatte? Morgen würde er es wissen, wenn sein Sohn eintraf. Der einzige Besuch nach so langer Zeit. Der Einzige, an dem ihm noch etwas lag. Und doch- die Vorahnung war düster, ein finsterer Schwall der ihn überkam.
Das Bett so wohlig weich und mit vergessendem Schlaf lockend, brachte die Ruhe vor dem Sturm. Morgen würde es Regen geben, das sagte ihm der stechende Schmerz, der seine Haut wie ein pulsierendes Netz überzog. Es war immer so. Wenn der Schmerz kam, zog ein Unwetter heran.

Die Türklingel läutete und er wusste, dass der Sturm nun nahe, nun dabei war, die unheilige Energie zu entfesseln. Als er öffnete sah er das altbekannte Gesicht. Ein Gesicht in dem ein Ausdruck lag, den er nicht zu deuten wusste. Sie setzten sich und tranken die schwarze Flüssigkeit, die den Empfindungen glich, die noch leise schlummernd im Raum lagen. Noch waren es belanglose Themen, noch schien alles harmlos zu sein, aber dann zog das Gewitter heran. Sein Sohn sprach aus, was ihn so lange quälte.

„Weißt du, ich kam nicht her um deinetwillen. Es geht um mich, um das, was mich nun schon so lange beschäftigt. Es gibt etwas, dass mir auf der Seele lastet, wie schwerer Stein. Dass was ich dir zu sagen habe ist so bitter, dass du mich hassen wirst.
Weißt du, meine Mutter, deine Frau, sie starb nicht an Herzversagen.
Ich habe sie getötet, ich habe sie vergiftet, ich habe sie geliebt.“

Starre fuhr in seine Glieder, lähmte jegliche Bewegung. Sein Verstand war ein See der zu Eis gefror. Die kalte Schicht breitete sich aus, überdeckte den gesamten Leib und ließ ihn erzittern.

„Sie akzeptierte meine Liebe nicht, sie sah nicht ein, dass ich ihr so viel mehr geben konnte, als du es jemals vermocht hättest. Dafür hasste ich sie, dafür hasste ich dich. Ich war blind vor Eifersucht und rasend vor Wut. Wenn ich sie nicht haben konnte, solltest du es auch nicht. Und nun bin ich hier um dich zu erlösen. Mein Gewissen wird erleichtert sein, wenn die Herkunft meiner Entstehung aufhört zu existieren, wenn sie von der Welt getilgt ist, mitsamt meiner Missetat. Dann bin ich geläutert und kann in Frieden sterben, wissend dass ich gebeichtet habe.“

„Du gibst mir die Schuld, für deine kranke Liebe?“
Ein Flüstern nur, ein Hauch von einer Stimme, die den Sturm einleitete.

„Ich bin dein Erbe. Ich bin die Folge deiner Gelüste. Du bist es, der mir die Liebe versagte.“

Unendlich langsam zog der Sohn ein Jagdmesser, legte es behutsam auf den Tisch und beobachtete das Funkeln der Klinge im Tageslicht. Leer waren seine Augen, stumpf und glanzlos. Ein gebeugter Verstand dahinter, wartete auf das Zeichen zum Angriff. Seltsam ruhig saß er da, abwartend und lauernd, wie ein Tier, das die Beute beobachtet, bevor es losschlägt. Besessen von der Idee des Tötens, verharrte er im dunklem Abgrund seiner Selbst.

Zuerst starben die väterlichen Gefühle, dann der innere Frieden. Entsetzten, gepaart mit Zorn, der die Oberhand gewann. Doch auch der Zorn war nicht von Dauer, denn das Feuer verbrannte ihn zu schwelender Asche. Der Hass hielt Einzug, das brennende Gefühl, das vom Körper zehrte, die erschütternde Macht, die alles zum Einsturz brachte. Ein Beben am Grund seiner Seele. Er ließ es geschehen. Er ahnte dass diese Macht, so blind und taub sie auch sein mochte, sein einziger Retter war. Er fühlte das Blut, das in seine Arme strömte, die Brunst, die in seinem Innern tobte, fühlte den Schatten im Verstand. Ein roter Schleier bedeckte seine Augen und das Unwetter brach hervor.

Der Sturm war schneller als der Mensch, der sich dagegen lehnte. Das Messer lag auf den Boden, hinfort geweht durch einen raschen Handstreich. Fäuste schlugen, Knochen brachen und Blut ergoss sich über einst reine Hemden. Der Vater kämpfte mit dem eigenen Fleisch und brachte es zu Fall.
Am Boden rangen sie um das Recht auf Leben und einer Lawine gleich, rissen sie alles nieder, was im Wege stand. Eine Lampe zerschmetterte auf dem Boden, ein Stuhl fiel polternd gegen die Wand und ein Regal begann zu zittern. Bedrohlich geriet es ins Wanken, neigte sich behäbig nach vorn und hieb schließlich hernieder.
Der Sohn saß auf dem Vater, die Hände eng umschlungen, an seinen rot gefärbten Hals. Doch das Regal kannte keinen Unterschied und schlug erbarmungslos auf den Erstbesten Körper auf.
Nackenwirbel krachten und brachen wie ein Zweig. Ein Leben endete nicht durch das Werkzeug, das dafür geschaffen war, sondern durch etwas banales, etwas dass, das Leben erleichtern sollte.
Ein Ächzen entfuhr der Kehle des Vaters. Mit letzter Kraft erhob er die Last, die tot auf ihm ruhte und befreite sich von ihr. Er betrachtete das Werk der Zerstörung und zum ersten Mal seit vielen Jahren, ergoss sich eine Träne über die äußere Narbenlandschaft.

Das Fenster, erfüllt vom hellem Tageslicht, wurde nun in tiefes Schwarz getaucht. Es wogte hindurch und formte das Bild eines Schemens, der die Umrisse eines Menschen annahm. Spürbar und seltsam vertraut, strahlte aus ihm die Fremdartigkeit wie dunkles Licht.

„Du hast dich befreit. Dein Sohn hat die Trauer erschaffen, die dich seit dem Tod deiner Frau begleitet hat und jetzt, da du das Leben zurücknahmst, das du ihm geschenkt hast, kannst du wieder beginnen in die Normalität zurückzukehren.
Nicht der Selbstmörder war es, der dich entstellte, nein, er war es, der das Gas strömen ließ und es entzündete. Er war es, den ich wollte, denn seine Seele, erfüllt mit den dunkelsten Gefühlen, ist die Nahrung, die ich benötige um Kraft zu gewinnen. Ich war dort als er es tat, ich roch seine Verkommenheit und wusste, dass ich meine Beute gefunden hatte.“

Der Schatten erfüllte sein Versprechen, läutete den Prozess der Heilung ein, und beobachtete nun aufmerksam die Haut, die sich glättete. Es entriss ihm dass verzehrende Feuer ohne Schmerzen und fügte es in den Teil seiner wogenden Gestalt.
Die Glut war komplett erloschen und der Geist frei von Schwärze und bereit sich mit neuen Dingen zu füllen.
Der Vater betrachtete den genesenen Körper, erfreute sich am ungetrübten Denken und empfand Dankbarkeit für das Geschöpf, dessen Existenz ihm ein Rätsel war. Fragen gierten nach Antworten und flossen über seine Lippen wie Wasser von einer Klippe.

„Woher wusstest du, dass ich triumphieren würde? Warum hast du ihn dir nicht selbst genommen? Wer bist du?“

„Ich sehe Fragmente der Zukunft, bin ein Teil der Zeit und ein Verfechter der Dunkelheit. Ich bin die Gestalt, die aus euren Gefühlen entströmt, bin eins mit der Finsternis in euch.
Aber ich kann nicht töten, kann euch nicht das nehmen, was ihr Leben nennt. Um mich Selbst zu erhalten, benötige ich eure Hilfe und bis jetzt habe ich sie immer bekommen. Wenn die Finsternis in euch stirbt, bin auch ich gestorben.“

Die raunenden Worte verhallten und der Schemen sog den Geist aus dem Leichnam des Sohnes. Ein Nebel, der aus dem toten Leib kroch und sich ins Schwarz des Schattens fügte. Für einen Moment schien seine Dunkelheit noch finsterer zu sein, tiefer und bedrohlicher, unergründlich wie die Weiten des Meeres. Dann löste es sich auf und suchte an anderen Orten nach menschlicher Nahrung. Mit der Leichtigkeit eines Passanten, der in ein Gasthaus einkehrt, eines Hungernden der sich mit Essen versorgt, so fand er all das was er brauchte, in den Abgründen der Menschheit.

 
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Hi gollum!

Schön mal wieder was von dir zu lesen! Eines vorweg: exzellente Geschichte. Fehler sind mir kaum aufgefallen, hier ein paar Kleinigkeiten:

"Unwohlsamen Blicke" unwohlsamen

"panikartig dass Gebäude" kommt da ein scharfes s?

"Ich bin dein Erbe. Du bist Ursprung meiner Gelüste."
hm, müsste es nicht andersrum sein? "Ich bin Folge deiner Gelüste."?

"Am Boden rangen sie um dass Recht" das Recht

"unergründlich wie die weiten des Meeres" die Weiten

Da steckt so viel drin in der Story: ein Sohn mit Ödipus-Komplex, ein nach Rache sinnender Vater, die mysteriöse Erscheinung. Vorallem hat mich die innere Verzweiflung des Vaters berührt. Ich denke mir oft, wenn ich entstellte Menschen sehe "wie geht es denen wohl innerlich? Wie gehen sie damit um, dass sie wie Monster begafft werden?". Das hast du ausgezeichnet rübergebracht.

Dein Schreibstil ist super, du hast dir anscheinend viel Mühe gegeben, sind auch (fast) keine Fehler enthalten. Grammatik, Satzbau, alles Top. Sehr anschauliche, schöne Metaphern. Ich hätte nicht gedacht, daß mir eine Geschichte die in diesem Stil geschrieben ist, derart gefällt. Du und Cerberus schreibt ja gerne in dieser Art, was ich zwar bewundere aber nicht ganz mein persönlicher Geschmack ist. Hier aber habe ich absolut nichts zu meckern, exzellent!

Gruß
Mike

P.S. ein kleiner Logikfehler ist mir gerade aufgefallen. Der Sohn hat die Mutter vergiftet, wäre das nicht bei der Autopsie festgestellt worden? Aber egal :-)

P.P.S. Habe die Story soeben empfohlen. Hoffe du hast nichts dagegen ;-)

 

Hi Mike!

Danke für deine Kritik, so was hört man gern!

Die Fehler werde ich wohl demnächst ausbessern. Egal wie oft ich meine Geschichten vor dem Veröffentlichen lese, irgendetwas übersehe ich immer. Also danke für die Hinweise!

Was den Logikfehler betrifft: Eine Autopsie wird doch nur durchgeführt, wenn Verdacht auf Mord besteht. Glaube ich wenigstens.
Von daher habe ich mir das so erklärt, dass die Ärzte an ein Herzversagen glaubten.

P.P.S. Habe die Story soeben empfohlen. Hoffe du hast nichts dagegen ;-)

Scherzkeks.
Vielen Dank dafür!

liebe Grüße

gollum, vom Lob erfüllt

 

Aaaalso, diese Geschichte hat mir gefallen und doch nicht.

Wie Mike1978 schon sagte: Die Story gibt ungeheuer viel her, von wegen Ödipus, Narbenseele, Schuld und Rache, dazu ein Wesen, daß sich davon ernährt.

Auch von der Dramaturgie habe ich nichts daran auszusetzen.

Der hyperpoetische Stil jedoch ist einer, der in mir Assoziationen an das 19. Jahrhundert weckt, teilweise sogar noch frühere Zeiten. Je nach Geschmack könnte man das auch sehr positiv sehen, aber mein Geschmack ist es nun einmal nicht.

In "Das Tier in mir" war das noch okay, aber hier wird mir das doch zuviel.
>Weißt du, ich kam nicht her um deinetwillen
In einem Dialog!

Ich glaube, ich hätte sehr viel weniger Probleme damit und würde es wohl sogar super finden, wenn du die Story im 19. Jahrhundert hättest spielen lassen. Dann würde das wieder sehr gut passen.

Detailanmerkungen: #Nicht anwendbar, Programm abgebrochen. #Runtime Error 3219

r

 

Ich glaube, ich hätte sehr viel weniger Probleme damit und würde es wohl sogar super finden, wenn du die Story im 19. Jahrhundert hättest spielen lassen. Dann würde das wieder sehr gut passen.

Hm. Stimmt, ins 19. hätte es wohl besser gepasst. Aber da hätten sich wieder Probleme aufgetan, die ich nicht so einfach hätte lösen können.
Zum einen würden dann gewisse Bezeichnungen nicht mehr reinpassen.
Beispielsweise "Passant" oder "Götter in weiß". Ich bin mir nicht sicher, ob es solche Begriffe damals gab.
Zum anderen wäre dann die Gasexplosion fehl am Platz. Aber gerade die hielt ich für sehr geeignet, um die Welle des Feuers zu beschreiben.
Da ich keinerlei Ahnung von dieser Zeit habe, habe ich's halt in der Modernen Zeit spielen lassen.

gollum, nicht mehr ganz so Loberfüllt

 

Sensationeller Erzählstil! Davon kann ich glatt süchtig werden. Wenn ich bloß nur ein Zehntel soviel Talent hätte, würd ich auch so schreiben. Genau so!! Lass dich nicht ins Bockshorn jagen, Gollum, diese Story ist eine besten, die ich je hier gelesen habe!
So, jetzt hör ich auf, sonst denkt ihr noch, die Alte hat nen Dachschaden.

Arry

 

Und wenn ich nur ein zehntel so fleißig am Kommentieren wäre wie du heute, hätte ich schon tausend Beiträge zusammen.;)

Ich danke dir! Aber wenn du genauso fleißig schreibst und liest, deine Gedanken schweifen lässt, schaffst du das auch!

Im Übrigen gibt es hier mit Sicherheit Leute die besser sind als ich.

Na denn

Möge dein Talent erwachen!

gollum

 

Eine interesante, sehr düstere Geschichte mit einer originellen Idee hast du da geschrieben. Mutterliebe einmal anders.
Beeindruckend die schönen Metaphern ("Sein Verstand war ein See, der zu Eis gefror") und die kunstvolle Sprache, die aber nach meinem Geschmack an einigen Stellen den schmalen Grat zum Gekünstelten überschreitet. Folgende Stellen sind mir in dem Zusammenhang aufgefallen:

Leblose Masse die jeglichem Urteil entbehrte.
Das Messer lag auf den Boden, hinfort geweht durch einen raschen Handstreich.
Bedrohlich geriet es ins Wanken, neigte sich behäbig nach vorn und hieb schließlich hernieder.
Aber das ist natürlich alles Geschmackssache.
Ansonsten habe ich den Pelz deiner Story noch etwas nach Läusen durchkämmt. ;) Hier das Resultat:

Die Sonne angenehm wärmend und wohltuend, ein Lichter Spiel, wenn sich...
Lichterspiel
Er sprach vom Glück, noch am Leben, als einziger den Tod entkommen zu sein
dem Tod
Es bewegte sich auf ihn zu und drang in ihm ein.
in ihn
Es geht um mich, um das was mich nun schon so lange beschäftigt.
Komma hinter das
Eine Lampe zerschmetterte auf den Boden
auf dem Boden
Mit letzter Kraft erhob er die Last, die tot auf ihn ruhte
auf ihm
sondern durch etwas banales, etwas dass das Leben erleichtern sollte.
Komma hinter etwas
ich roch seine Verkommenheit und wusste dass ich meine Beute gefunden hatte
Komma hinter wusste
Ja ich weiß, ich bin kleinlich :D

 
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Hi Sturek!

Danke für die Fehlerauflistung! Wie das halt so ist- Irgendetwas übersehe ich immer.

Aber Lichter Spiel scheint tatsächlich auseinander geschrieben zu werden, zumindest hat es Word unterstrichen, als ich es zusammenschreiben wollte. (Ich versuche nach der neuen Reform zu schreiben) Könnte allerdings sein, dass ein Strich dazwischen gehört.

Schade dass ich nicht so ganz deinen Geschmack getroffen habe, aber meine Geschichten gefallen logischerweise nicht jeden.

viele Grüße

gollum

 

Ich habe eben immer was zu mosern. Deshalb gefällt mir deine Story aber trotzdem sehr!
Das mit dem Lichterspiel kann doch daran liegen, dass WORD dieses Wort nicht in seinem Wortschatz hat und deshalb Lichter Spiel anbietet, weil es das ja als z.B. "der Lichter Spiel" gibt.

 

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