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Brave new strategies

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13.09.2007
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Brave new strategies

Vor gar nicht so langer Zeit stand in einer Kleinstadt im Llano (1) Venezuelas ein Gast-haus, “El Venado Blanco”, - das Weisse Reh genannt. Carne en Vara (2) wäre das einzige Gericht auf der Speisekarte gewesen, sofern es eine solche gegeben hätte. Carne en Vara mit Tostones (3), mit Yuca (4) oder Arepas (5) mit Käse und Rahm und natürlich eiskaltem Bier. Das Gasthaus war bescheiden, aber allbekannt. Es lag am Stadtrand unter dem Dach des Korridors, der den Patio eines alten Hauses aus der Kolonialzeit umgab. Ein imenser Saman überschattete diesen mit Bananenstauden, Farnen und Orchideen bepflanzten Innenhof. Von dem untersten Ast des Baumriesens hing an einer Kette ein grosser, offener Vogelkäfig. Darauf sass ein Paar farbenfroher Guacamayas (6), das die Gäste mit den populärsten Sprüchen und Schimpfworten aus allen Teilen des Landes unterhielt. Ungefähr ein halbes Duzend fauler, fetter Katzen frass – als Zeichen beson-derer Zuneigung-, was die Stammgäste vom Tisch fallen liessen. Die beiden Kellner waren schloddermäulige junge Männer, deren einzige Ähnlichkeit mit anderen Vertretern ihres Standes darin bestand, dass sie Essen an die Tische brachten. Einheimische und Fremde gleichermassen genossen, wennimmer sie dazu Gelegenheit fanden, die rustikale Gastlichkeit dieser Stätte.
Obdulio Peraza, der Wirt, Herz und Seele des Hauses, verbrachte die Zeit damit die Gäste willkommen zu heissen, zu tratschen, Geld zu zählen und den drei Frauen Anweisungen zu geben, die in der offenen Küche das Fleisch rösteten, die Yuca kochten, und die Arepas formten und backten.
Nichts entging seinen Augen, schier allgegenwärtig sah er überall nach dem Rechten. Im Morgengrauen pflegte er mit seinem Pickup auf den Markt zu fahren um Advocados, Zwiebeln, Tomaten, kurz und gut alles was für den kommenden Tag benötigt wurde zu kaufen.
Obdulio war wohlhabend und wurde Tag für Tag wohlhabender. Seine Söhne und Tochter waren gescheite Kinder, zu gescheit um sich mit irgend etwas abzugeben, das mit dem Geschäft der Familie zu tun hatte. Ihr liebender Vater schickte sie zum Studium in die Vereinigten Staaten um eine höhere Bildung zu erwerben und das Geld auszuge-ben, das er scheinbar so mühelos verdiente.
Regierungen wurden gewählt und gestürzt, Revoluzionen angezettelt und verraten, Verordnungen und Gesetze mit den Händen geschrieben und den Füssen getreten, Putschist Hugo Chavez wurde eingekerkert, begnadigt, zum Präsidenten gewählt und Obdulio wurde älter und feist. Eines Tages fiel er in Ohnmacht und war tot.

Nach dem Begräbnis versammelten sich Freunde und Familie im Venado Blanco wo der Geist Obdulios noch lebendig und fast körperlich zu spüren war. Spät in der Nacht, nachdem die letzten Flaschen Rum geleert worden waren und deshalb Freunde und Nachbarn sich auf den Heimweg begeben hatten, begann die Familie darüber zu beraten, was mit der Gaststätte zu tun sei. Man kam darauf sie zu verkaufen, aber Misia Julia, die Witwe Obdulios, wollte davon nichts wissen und zum anderen war es nun ja auch eine Tatsache, dass El Venado Blanco eine Goldgrube war.
Jedoch keiner der beiden Söhne Obdulios, noch seine Tochter fand sich dazu bereit das Geschäft ihres Vaters weiterzuführen.
America, die Tochter, war Soziologin, verheiratet mit Dr. Rosenbaum einem aüsserst erfolgreichen Bostoner Psychologen.
Der brauchte seine Frau nicht nur im Schlafzimmer sondern weitaus mehr in seiner Praxis in der Maschinerie von Rezeptionisten, verschiedenenen Arten und Klassen von Assistenten, Astrologen und Partnern.
Abelardo, der ältere Sohn, hatte bereits mehrere Doktortitel in Physik und Ingenieurwissenschaften errungen, hatte die US Staatsbürgerschaft beantragt und war ein aufsteigender Stern bei der NASA..
Nach dem College hatte Jose Julian, Abelardos Bruder, zusammen mit anderen ehemaligen Komilitonen eine Software Firma gegründet und die Gruppe war gerade im Begriff ins grosse Geschäft einzusteigen.
America fand die Lösung zu diesem Dilemma. Es gab da diesen Mann, Ulises Olmos, ein Landsmann, einer aus der Clique von Lateinamerikanern mit denen sie während ihrer Studienzeit in den USA verkehrten. Das Letzte was sie von ihm gehört hatten war, dass er bei Mc Donalds als Manager fungierte, jedoch aus familiären Gründen verzweifelt danach trachtete in sein Heimatland zurükzukehren.
Sie waren sich alle einig, dass dieser Mann die ideale Person für das Management des Venado Blanco sei .
Ulises war hocherfreut, obgleich er sich Mühe gab das nicht zu zeigen.
Seine erste Amtshandlung bestand darin, die Katzen loszuwerden. Ihre Gegenwart war unvereinbar mit den elementarsten Prinzipien der Hygiene, ganz davon zu schweigen, dass es viele Menschen gab, die allergisch auf Katzenhaare reagierten.
Dann widmete er seine Aufmerksamkeit der Kleidung des Personals. Uniformen wurden Pflicht. Die Frauen in der Küche hatten einen weissen Arztkittel zu tragen und auf dem Kopf eine weisse Haube. Ursprünglich bestand er auch auf einer Maske vor dem Mund, aber er kam davon ab, natürlich nicht wegen der Proteste des ungebildeten Küchenpersonals, sondern auf Grund des gedankenvollen Einwands eines Gasts, der meinte, dass dieser Aufzug Kriminellen bei einem eventuellen Überfall des Restaurants als Verkleidung dienen könnte.
In seinem Eifer den Eigentümern zu zeigen, dass sie einen Fachmann angestellt hatten, der diese Bauernwirtschaft zu einem wirklichen Restaurant wandeln konnte, sparte er weder Mühe noch Geld um sein Kurzzeitziel zu erreichen, das heisst den Umsatz in den ersten zwei Wochen nach seinem Dienstantritt zu verdoppeln.
In der Zwischenzeit nützten hasengrosse Ratten und eine Armee niedlicher grauer Mäuse die Abwesenheit der Katzen. Nicht nur in den nächtlichen Stunden hielten sie ihre schamlosen Gelage in der Küche und dem Vorratsraum, sogar tagsüber erschreckten sie das Küchenpersonal durch ihr plötzliches Auftauchen zwischen Töpfen und Tiegeln. Die schrillen Schreie der Köchinnen konnten deutlich von den befremdeten Gästen wahrgenommen werden, die sich zu fragen begannen ob sie wirklich Rindfleisch serviert bekamen.
Señor Olmos fällte eine Entscheidung. Er würde die Gaststätte vollkommen moderni-sieren, das heisst sie kompatibel mit den Standards des einundzwanzigsten Jahrhunderts machen.
Als Mann der Tat ging er unverzüglich ans Werk. Am Eingang des Venado Blanco lasen entäuschte Kunden ein riesiges Plakat welches verkündete, dass die Gaststätte wegen Renovierung geschlossen sei. Es versprach nach der Wiedereröffnung, excellenten Service, internationale Küche und dem Besucher 5000 eine Reise auf die Ferieninsel Margarita.
Die zahlreichen Stammgäste erwarteten die Wiedererröffnung mit zorniger Ungeduld. Als das Local endlich seine Pforte für das Punblikum öffnete, kannte ihre Überraschung keine Grenzen..
Uniformierte Türsteher begrüssten die Gäste am Eingang, der jetzt von einer grossen Fackel geziert war. Der riesige Saman war verschwunden. Ein abgedunkeltes Glasdach überspannte den Patio. Eine Klimaanlage unterkühlte die Atmosphäre.
Die Guacamayas sassen traurig fröstelnd in einem goldfarbigen Käfig.
Zwei junge Damen in Mikroröcken führten die Gäste an ihre Tische, Kellner in schneeweissen Liquiliquis (7) schwärmten durch das Lokal, atmeten den Gästen ins Genick, füllten geschäftig Wassergläser, leerten Aschenbecher und runzelten die Stirn über die allzu bodenständigen Bestellungen der Gäste, welche ihrerseits mit gerunzelter Stirn die Speisekarte und die Preise begutachteten.
Natürlich war die Familie Peraza zur Eröffnung eingeladen, aber es kamen nur Misia Julia und America, die mit ihrer Familie gerade im Urlaub war. Dr. Rosenbaum riet, -in einer einzigartigen Geste der verwandtschaftlichen Verbundenheit,- vollkommen gratis, das Wort “weiss” aus dem Namen des Restaurants zu streichen, da es eine rassistische Konnotation hätte und statt dessen das Reh rosa zu streichen um auch das dritte Geschlecht zu einem Besuch zu animieren.
Señor Olmos setzte diesen wertvollen Rat geflissentlich in die Tat um. Die Wirkung all dieser Anstrengungen blieb nicht aus. Das Restaurant war das Stadtgespräch. Die Presse, ja sogar das Fernsehen besuchte El Venado und wurde grosszügig bewirtet. Señor Olmos war zufrieden. Bis jetzt hatten alle seine Massnahmen Erfolg gezeigt.
Während der kommenden Wochen bemerkte er zu seinem Erstaunen, dass sich die Betriebskosten verfünffacht hatten, jedoch der Umsatz kaum gestiegen war und der Gewinn, trotz aller Verdrehungen bei seiner Berechnung, sich natürlich sehr verringert hatte.
Das Störendste waren die Personalkosten. Da Herr Olmos ein entscheidungsgewohnter Mann war, fand er sogleich eine Lösung zu diesem Missstand. Outsourcing. Er entliess das Küchenpersonal. Die Küche wurde zu einem riesigen Aquarium umgebaut in dem lebende Haie den Gästen einen milden Schrecken einjagten.
Standard Mahlzeiten wurden mehrere Strassen entfernt von einem Küchendienst zubereitet und in einem Lieferwagen, -natürlich mit dem Logo des Venados,- ins Restaurant gebracht. Die Bestellungen übermittelte man per e-mail.
Drei Monate später war das Venado in ernsten finanziellen Schwierigkeiten.
Dank der Verbindungen des Herrn Olmos und seiner geschäftlichen Fähigkeiten, kaufte es Mc Donald sehr günstig. Natürlich wurde Señor Olmos in Anbetracht seiner Ver-dienste und dem erprobten Geschick für Neuerungen zum Manager dieses neuen Lokals in der Stadt ernannt.

1 Pampa
2 Geröstetes Fleisch. Es wird von den Gästen kiloweise bestellt, roh abgewogen und dann geröstet
3 Geröstete Riesenbananenscheiben
4 Mandioka
5 aus Maisteig geformte fingerdicke Scheibe die gebraten oder gebacken wird und wie Brot verzehrt wird
6 Riesenpapagei
7 Nationaltracht

 

Hallo onivido,
da ist dir eine schöne, kleine Geschichte gelungen, mit kleineren Schönheitsfehlern im Detail.
Ich hab jetzt kein Textdokument dazu, aber die meisten Dinge findest du sicherlich, wenn du genauer schaust, selbst.
Es kann allein schon helfen, den Text nocheinmal in einer anderen Form zu betrachten, also nicht nur in deinem Word-Dokument, sondern auch mal in ausgedruckter Forum oder hier im Bildschirm.
Dann fallen dir sicherlich die lästigen Bindestrich auf, die ab und an ein Wort zerreißen.
Und auch die Fußnoten sind einfach keine gute Idee. Wer mag denn von der ersten Seite bis runter zum Ende scrollen, nur um zu erkennen, was das störende (1) zu bedeuten hat.
In gedruckter Form geht das, oder wenn die Fußnoten hier am Rande des Textes stünden, dafür ist das Forum aber einfach nicht ausgestattet. Ich würde empfehlen, die Fußnoten ersatzlos zu streichen.
Die Geschichte ist traurig. Der Patron begräbt sein eigenes Vermächtnis, weil er sich für seine Kinder eine bessere Zukunft wünscht. Das Lokalkolorit geht verloren und weicht der Industrialisierung, die in Form eines trojanischen Pferds hereinkommt.
Und die große, weite Welt, die an dem kleinen, gemütlichen Restaurant all die Jahre vorbeigerauscht ist, verleibt sich nun auch diesen Teil ein.
Die Grundidee und auch weite Teile der Umsetzung haben mir gut gefallen; ich mag diese beschauliche Art zu erzählen gerne, das Unaufgeregt; wie gesagt, der Teufel liegt da noch im Detail

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,
Stimmt die “Schoenheitsfehler”, habe ich schon selbst gesehen, leider zu spaet, als ich naemlich denText schon abgesandt hatte. Mit Ausnahme des fehlenden Wortes “unter” (dem Dach) sind sie das Produkt eines nicht sorgfaeltigen Copy/paste Vorganges. Im Originaltext war hier die Zeile zu Ende und der Bindestrich ist ein Trennstrich.
Die Zahlen hinter den Woertern, die eine Erklaerung benoetigen waren natuerlich urspruenglich Fussnoten. Ich finde es auch unpassend, dass man bis zum Ende der Erzaehlung gehen muss um dahinter zu kommen, was damit gemeint ist. Habe aber keine bessere Idee gehabt.
Ein grosses Dankeschoen fuer die Muehe, den Text zu kommentieren. Es freut mich natuerlich ganz besonders, dass du dem Text etwas abghewinnen konntest.
Viele Gruesse///Onivido

 

Salut onivido

Deine Geschichte fliesst schön beschaulich vor sich hin, wie Quinn bereits gesagt hat. Du beschreibst angenehm den Zahn der Zeit, wie er sich von Zeitgeist zu Zeitgeist voranarbeitet.
Ich hatte das Gefühl selber an der Theke eines Gasthauses in der Pampa zu sitzen und der Erzählung eines Einheimischen zu lauschen. Klar, der hatte auch nicht mehr alle Zähne im Mund, deshalb kamen hier ein Punkt und da ein Bindestrich zu viel heraus.
:D

Stimmt die “Schoenheitsfehler”, habe ich schon selbst gesehen, leider zu spaet, als ich naemlich denText schon abgesandt hatte.
Dafür gibt es extra den Bearbeiten-Knopf unten rechts.:)

Und die Fussnoten kannst du hier, wie von Quinn vorgeschlagen, getrost streichen, da uns doch nur ein Mausklick vom World-Wide-Web-Wissen trennt ...

Gern gelesen,
Gruss.dot

 

Hallo Dot,
vielen Dank fuer deinen Komentar und fuer den Hinweis auf den Bearbeitungsknopf.
Viele Gruesse
im Stress///Onivido

 

Mir fiel noch auf, dass die grünen Schrumpelfrüchte Avocados heißen und nicht Advocados. Hat nix mit Anwälten zu tun.

 

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