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Braucht der Mensch viel Erde?
Diese kleine Story habe ich in der Schule schreiben müssen, vorgegeben war der Titel (nach einer Volkserzählung vom Leo Tolstoi).
Braucht der Mensch viel Erde?
Zitat: Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre doch seinen eigenen Sohn?
(dann soll dieser Mann verdammt sein, verdammt, verdammt)
Es hülfe ihm, die Welt zu gewinnen!
Es hülfe dem Menschen, die Welt zu gewinnen und,..., die Welt ist genug!
(aus DER TALISMAN von Stephen King und Peter Straub)
Am Ufer des weiten dunkelblauen Meeres stand einmal ein Mann. Er war ein reicher Mann in einem schönen Anzug und er hatte ein großes Auto und ein noch größeres Haus, das von einem riesengroßen Grundstück umgeben war. Der Mann hieß Raphael Flanders.
Wie er so am Strand spazieren ging, schweifte sein Blick vom Wasser über die Wälder bis zu den mächtigen kahlen Plattenbauten. Sie gefielen ihm nicht.
Aus einer der Türen trat ein kleiner Junge. Er rannte, die Hände schützend unter all seinen Bauklötzen verschränkt, auf einen Spielplatz zu, wo sich schon viele andere Kinder vergnügten. Der Mann namens Raphael hielt ihn auf, hockte sich hin, damit er dem Jungen ins Gesicht schauen konnte und fragte:
„Hallo Kleiner, wie heißt du denn? Wohnst du hier?“ Die zweite Frage war überflüssig, aber obwohl der Mann das wusste, störte er sich nicht weiter daran und fügte schnell hinzu:
„Ich bin Raphael Flanders.“, und grinste vertrauenswürdig.
Der Kleine fand den Mann nett und antwortete:
„Ich heiße Henry. Und ja, ich wohne hier. Wieso?“
„Ich könnte hier nicht leben . Die Wohnungen sind so winzig wie Rattenlöcher und ihr habt nicht einmal euren eigenen Garten! Wie kannst du’s hier nur aushalten?“, begann der Mann zu spotten.
Henry sah ihn an. Er war verwirrt. Schließlich beantwortete er auch diese Frage, auch wenn er den seltsamen Mann jetzt nicht mehr für besonders nett hielt.
„Also ich kann hier leben. Es ist doch schön hier. Ich teile die Wiese und den Spielplatz gern mit den anderen Kindern. Hätten wir ein Haus mit einem Garten, würde ich mich langweilen, ich hab nämlich keine Geschwister.“
„Dann hast du aber den ganzen Garten für dich allein und niemand könnte dir den Platz im Schatten wegschnappen.“ Der Flanders-Mann zeigte auf den einzigen Baum in der Nähe, unter dem sechs Kinder eng zusammengequetscht saßen.
„Schatten haben wir auch in unserer Höhle unter dem Balkon dort drüben und da hinten stehen noch drei Bäume.“, sagte Henry erfreut.
„Ich wette sie haben keine Höhle in ihrem Garten. Aber dafür haben sie bestimmt eine Menge anderer Dinge, mit denen sie angeben können.“
Der Mann lächelte selbstsicher.
„Oh ja, die habe ich. Und sie gehören alle mir allein. Ich bin richtig stolz auf diese Dinge, das kannst du mir glauben Junge.“
Henry begann nun auch zu grinsen. Er machte sich über den Mann lustig, indem er sprach:
„Und was nützen ihnen diese Dinge? Ich glaube nicht, dass all das Zeug sie glücklicher macht als andere Leute. Ich glaube eher, dass sie traurig sind, weil sie nicht genug Geld haben auch noch den Rest der Welt zu kaufen. Sie sind doch nur neidisch, weil ich hier alles habe, was ich brauche. Wie wär’s, wenn sie sich einfach mit einem Stück zufrieden geben würden, anstatt immer gleich den ganzen Kuchen futtern zu wollen, wie meine Mama immer sagt.
„Von Verrückten umgeben...“, murmelte Raphael Flanders angewidert, drehte Henry den Rücken zu und verschwand so schnell wie möglich.