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Brüder

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05.07.2020
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Brüder

Als ich ein Kind war, erschienen mir meine Brüder unerreichbar. Manchmal machten sie sich über mich lustig und lachten nur, wenn meine Mutter ihnen sagte, sie sollen mich in Ruhe lassen. Sie erwischte die beiden einmal, wie sie hinter dem Haus mit Streichhölzern kokelten. Sie rannten davon und meine Mutter rannte hinterher. Irgendwann blieb mein Bruder Tom einfach stehen und sah ihr in das verblüffte Gesicht.
Als ich in die erste Klasse kam, gingen sie schon auf weiterführende Schulen. Tom brachte seine erste Freundin mit nach Hause. Meine Mutter mochte sie nicht. Mein Bruder Hauke malte Bilder mit Tusche und Acryl. Aus getrocknetem Toilettenpapier und Pappe bastelte er eine Höhle. Ein Ritter auf einem Pferd aus geknoteten Schnürsenkeln stand davor und hielt eine Lanze in der Hand, um den Drachen in Schach zu halten. In der Schule begeisterten sich alle für seine Daumenkinos, die er mit einem Bleistift zeichnete. Tom benutzte Backpapier, das er über die Seiten seiner Comics legte, um einzelne Szenen abzupausen. Ich sah ihn, wie er in ihrem gemeinsamen Zimmer stand und das ganze Papier zerknüllte. Er begann Zeitschriften über Motoren zu lesen und sammelte Modellautos aus Zink, die er samstags auf Flohmärkten zusammensuchte und in einer langen Reihe ins Regal stellte. Irgendwann zerschlug er sie mit einem Hammer.
Ich bekam ihre alten Sachen. Ausgeleierte T-Shirts und Ducktales-Kassetten, graue Plastiksoldaten und Bücher mit Kullistrichen darin. Auch eine Kiste aus Sperrholz, die sie vor Jahren gemeinsam verleimt und bunt bemalt hatten, bekam ich. Die Kiste war voller Piraten und Gouverneure aus Lego, voller Staubflusen und Haare. Hauke half mir ein Küstendorf zu bauen. Der blaue Teppich war das Meer, auf dem sich die Schiffe der Seeräuber fortbewegten. Tom half, das Dorf wieder einzureißen. An jeder Küste gibt es Stürme, sagte er.

Einmal saß ich in meinem Zimmer und spielte. Etwas ließ mich aufhorchen. Ein seltsames Geräusch. Wie ein Quieken hörte sich das an. Ein Tier, dachte ich. Eine Maus. Ich stand auf und ging zu meinem Kassettenrekorder in der Ecke. Ich drückte die Stopp-Taste, öffnete die Tür und lauschte. Es klang, als lachten meine Brüder schrill über etwas. Ich schlich den Flur entlang. Im Türrahmen blieb ich stehen. Ich sah sie auf dem Boden liegen. Keiner lachte. Hauke blutete aus dem Mund und aus der Nase. Blut war auch auf dem Linoleum neben seinem Kopf und in seinen Haaren war es auch. Tom hielt ihn fest. Er war stark. Das Rascheln der Kleidung, ihr schnaufender Atem, das Geräusch einer plötzlichen Bewegung, wenn Hauke versuchte, sich zu befreien und Tom noch stärker zugriff.

Mein Vater arbeitete in der Einfahrt. Ich konnte nichts sagen, als ich vor ihm stand. Er fragte mich, was los sei und zog seine staubigen Handschuhe aus. Tränen liefen mir über das Gesicht und ich zeigte nach drinnen.
Er riss ihn von Hauke herunter und gab ihm einen Stoß. Er schrie ihn an und einen Moment dachte ich, dass sie jetzt miteinander kämpften. Doch Tom ging einfach aus dem Zimmer, ohne etwas zu sagen. Mein Vater blieb stehen, hob seinen Arm, ließ ihn wieder sinken und Hauke lag auf dem Boden und weinte.
Als meine Mutter von der Arbeit kam, fing das Geschrei an. Ich war in meinem Zimmer, aber ich konnte sie hören. Ich hörte die Haustür knallen und wie meine Mutter weinte. Später hörte ich, wie mein Vater sie etwas fragte. Sie antwortete leise, aber so hart und kalt, wie nur sie es fertigbrachte. Eine Weile war es still. Dann hörte ich, wie jemand ins Bad ging und anschließend die Tür zum Schlafzimmer schloss.

Hauke blieb eine Woche zu Hause. Erst danach ging er wieder vor die Tür. Ich weiß nicht, ob ihn wer auf seine Verletzungen ansprach und auch nicht, was er dann gesagt hätte. Tom schlief bei seiner Freundin. Ein paar Tage später holte er einige Sachen und ging fort. Als ich fragte warum, sagte mein Vater mir, dass er und Hauke sich nicht mehr vertrugen. Damals war ich froh, dass er ging.
Er wohnte eine Zeit bei Verwandten in Norddeutschland, arbeitete als Taxifahrer und in einer Wäscherei und kam erst später mal wieder zu Besuch. Das letzte Mal habe ich meinen Bruder vor einigen Jahren gesehen. Er stand an einem Stehtisch auf einer Hochzeitsfeier und hielt ein Glas in der Hand. Niemand unterhielt sich mit ihm und er wirkte wie ein Fremdkörper.

 

Hallo @Habentus!

Uijuijui! Da deutet sich etwas an, worüber nicht gern gesprochen wird. Und der vorletzte Satz legt noch eins oben drauf. Der Vater? Oder der ältere Bruder? Weiß nicht, was für mehr Unbehagen sorgt?

Bisschen Kleinkram:

Mein ältester Bruder zog aus, als ich noch ein Kind war. Damals erschienen mir beide unerreichbar.
Das hakt irgendwie, weil es nach dem ersten Satz auch mehr als zwei sein könnten.

Der andere sammelte Zeitschriften über Motoren und alte Modellautos aus Zink, die er samstags auf den Flohmärkten zusammensuchte und in einer langen Reihe bei sich ins Regal stellte.
Man kann auch lesen, dass er Zeitschriften über Motoren und Modellautos sammelte. So ist das aber nicht gemeint, oder?
den könnte weg

Auch eine Kiste aus Sperrholz, die sie vor Jahren gemeinsam geleimt und bunt bemalt hatten, bekam ich.
Als alter Tischler klingt das schräg. verleimt oder noch besser zusammengeleimt würde ich schreiben.
bekam ich kann weg

Ich weiß nicht, ob ihn wer ansprach und ich weiß auch nicht, was er gesagt hätte.

Solide geschrieben, liest sich gut. Bin gespannt, was andere dazu sagen.

Gruß,
Sammis

 

Mein ältester Bruder zog aus, als ich noch ein Kind war. Damals erschienen mir beide unerreichbar. Manchmal machten sie sich über mich lustig und lachten nur, wenn meine Mutter ihnen sagte, sie sollen mich in Ruhe lassen. Einmal erwischte sie die beiden, wie sie hinter dem Haus mit Streichhölzern kokelten. Sie rannten davon und meine Mutter rannte hinterher. Als ich in den Kindergarten kam, gingen sie schon auf weiterführende Schulen und brachten ihre ersten Freundinnen nach Hause. Einer begann Bilder mit Tusche und Acryl zu malen. Aus getrocknetem Toilettenpapier und Pappe bastelte er eine Höhle. Ein Ritter auf einem Pferd aus geknoteten Schnürsenkeln stand davor und hielt seine Lanze in der Hand, um den Drachen in Schach zu halten. In der Schule begeisterte er alle mit Daumenkinos, die er mit einem Bleistift zeichnete.
Der andere sammelte Zeitschriften über Motoren und alte Modellautos aus Zink, die er samstags auf den Flohmärkten zusammensuchte und in einer langen Reihe bei sich ins Regal stellte. Irgendwann zerschlug er sie alle mit einem Hammer.
Moin,

da steckt ein sehr guter, krasser Text drin. Leider empfinde ich den ersten Absatz hier als ein vollkommen ungeordnetes Chaos. Der springt hin und her, und ich weiß nicht, was der Text genau von mir möchte? Die Mutter rennt den beiden älteren Brüdern hinterher - das ist ja alltäglich, da steckt nichts drin. Wenn sie nur einem hinterherrennt, wäre das etwas anderes, dann wäre das ein Alleinstellunsmerkmal. Ich glaube, bei so kurzen Texten muss jeder Satz auf den anderen aufbauen, es muss eine wahre Satzkette ergeben, und gerade bei so kurzen Texten ist der erste Satz extrem wichtig.

Mein ältester Bruder zog aus, als ich noch ein Kind war.

Ich bin dreizehn Jahre älter als mein jüngster Bruder. Wäre hier nichts Besonderes, oder?

Mein ältester Bruder musste ausziehen, weil ich noch ein Kind war.

Da sieht die Welt anders aus, ich denke, warum MUSS er ausziehen, warum WEIL der Prot noch ein Kind war?

Du musst das nicht so machen, aber so zieht der Text nicht sofort rein. Und wenn du einmal den Haken ausgeworfen hast, muss der nächste Satz zwingend darauf aufbauen, so ergibt das eine Art Pyramide, falls ich das mal so ausdrücken kann.

Ich sah sie auf dem Boden übereinanderliegen.
Wo es interessant wird, blendest du aus. Ich glaube, es gibt ja diese These, dass wenn Kinder ihre Eltern beim Sex "erwischen", dass sie denken, der Vater tut der Mutter Gewalt an. Ein Ur-Schock. Hier ist es ja so, die beiden Brüder, der eine vergewaltigt den anderen, so lese ich das, da muss bei diesem zarten, unschuldigen Beobachter doch mehr passieren. Der ist doch geschockt, schockiert, der weiß nicht, was er da sieht. Der stammelt vielleicht, lacht nervös, die beiden Brüder werden auf ihn aufmerksam, sie müssten sich erwischt fühlen, und ich denke, instinktiv weiß der junge Bruder, dass da etwas passiert, was ein Geheimnis ist, was nicht verraten werden darf. Hier wäre es doch wahrscheinlicher, der älteste Bruder bedroht ihn, niemals darf er das den Eltern verraten!, sonst ... das ist ja eine ganz und gar ungeheuerliche Situation, dieses Entdeckt-werden, dieses Entdecken, und da blendest du raus. Wie und was sieht der Junge denn genau? Es muss kein Leidensporno sein, aber Sex wirkt auf Kinder oft unfreiwillig komisch, animalisch, seltsam, entrückt, plus hier ist es noch gewaltätig, da herrscht noch einmal eine ganz andere Stimmung, brutal, enthemmt, nah und greifbar, da ist nichts unterdrückt, das ist triebhaft. Die Kunst ist jetzt, denke ich, das zu indvidualisieren, etwas zu zeigen, aber nicht alles.

Er fragte mich, was los sei und zog seine staubigen Handschuhe aus, aber ich blieb still. Tränen liefen mir über das Gesicht.
Es dauerte, bis er sie voneinander getrennt hatte.
Das passt für mich auch nicht. Woher weiß der Vater, dass etwas mit den Brüdern ist? Errät er das einfach? Und petzt der jüngste Bruder? Hat er gar keine Angst vor Repression und Rache? Hier auch wichtig: Was für eine soziale Herkunft haben die? In einem großen Haus kann man sich eher aus dem Weg gehen. In einer kleinen Wohnung eher nicht. Das können Indikatoren sein, wie auch dieser etwaige sexuelle Mißbrauch aufgenommen wird, wie der verarbeitet wird, wie gehen die Erwachsenen, Erziehungsberechtigten damit überhaupt um, haben die da einen Diskurs für, wie verhalten die sich dazu?
Er wohnte einige Zeit bei Verwandten in Norddeutschland, arbeitete als Taxifahrer und in einer Wäscherei und kam erst ein paar Jahre später wieder zu Besuch. Mein anderer Bruder blieb eine Woche in seinem Zimmer.
Das ist halt einfach auch so disparat, bei dem einen sind es ein paar Jahre, dann wieder der Sprung zu dem anderen Bruder, dem Opfer, der eine Woche in seinem Zimmer bleibt. Auch dass er bei Verwandten wohnt, was haben die leiblichen Eltern denen denn gesagt? Hier, der Vergewaltiger, übernehmt ihr den mal? Da macht es sich der Text etwas zu einfach, da würde ich mehr erwarten, die Eltern verschweigen das, züchtigen, bestrafen den Bruder, weil sie es nicht anders kennen, oder sie schicken ihn in ein Heim, aber das geht auch nicht so einfach, da muss etwas vorliegen, das Jugendamt muss eingeschaltet werden, andere Menschen erfahren davon. Da liegt etwas Ungelöstes in all dem, und der Text wird genau dort, wo es meiner Meinung nach Präzision bräuchte, schwammig. Nicht alles sagen, nicht alles auserzählen, aber dennoch ein kurzes slice of life, wie einer vom Jugendamt kommt, wie der aussieht, wie der anders daherredet, oder oder oder. Ist ja dein Text. Nur kurz in die Szenerie reinlutzen, um einen Ausblick zu erhaschen, damit sich der Leser den Rest selbst zusammenbastelt.

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Sammis und @jimmysalaryman und vielen Dank für euren Kommentar und eure Zeit! Ich antworte euch beiden, weil ich das Gefühl habe, dass ihr den Text auf eine ähnliche Art und Weise gelesen habt. Ich muss sagen, dass ich ihn jetzt auch noch mal viel deutlicher so lese. Und auch andere Personen, denen ich den Text zwischenzeitlich gezeigt habe, verstehen ihn so, wie ihr. Ich hatte vor dem Hochstellen hier im Forum einen kurzen Teilsatz herausgenommen, weil ich nicht zu sehr ausformulieren wollte. Nun bin ich verunsichert, weil der Text dadurch offensichtlich in eine andere Richtung geht, als ich eigentlich wollte. Ich denke, es war ein Fehler, den Teil herauszunehmen.

da steckt ein sehr guter, krasser Text drin.
Ich nehme deine Sicht auf den Text natürlich sehr gerne an @jimmysalaryman , bin aber sehr verunsichert, ob es gerechtfertigt ist, weil ich ja etwas anderes darstellen wollte.

Der Teilsatz, der herausgenommen wurde, lautet:
Ich sah sie auf dem Boden übereinanderliegen, mein ältester Bruder mit erhobenen Fäusten.
Ich werde vermutlich umformulieren in: Ich sah sie auf dem Boden übereinander, mein ältester Bruder mit erhobenen Fäusten.

Das sollte der eigentliche Kern des Textes sein. Ein gewalttätiger Übergriff des ältesten Bruder auf den anderen. Ursache dafür eine Entfremdung der beiden über die Zeit und zumindest das Gefühl des einen, der Unerfolgreichere, der Unterlegene zu sein.
- Der eine ist offensichtlich kreativer
- Der andere zerschlägt seine Sammlung von Autos mit einem Hammer (Hier war noch ein Teilsatz zu Problemen in der Schule drin. Auch den werde ich evtl wieder mit hereinnehmen).
- Früher haben sie zusammen gespielt, Witze gemacht, Kisten verleimt und heute gehen sie auf unterschiedliche Schulen/ entfernen sich/ stehen sich gegenüber.
Aus dieser Entwicklung heraus, aus Frust über Entfernung und unterschiedliche Erfolge kommt es zu dem Konflikt. Danach geht der Bruder. Ich wollte nicht ausführen, ob er freiwillig auszieht, weil er den ständigen Vergleich nicht mehr erträgt, ob er aufgrund des Übergriffs herausgeworfen wird, oder ob eine Mischung aus beidem der Grund für den Auszug ist.

Ich fürchte, dass der Text dahingehend (noch) nicht funktioniert, da offensichtlich bei euch beiden (und auch ehrlich gesagt viel deutlicher bei mir selbst, nachdem ich ihn jetzt mit anderen Augen lese) der Kernkonflikt nicht herauskommt bzw. man den Text in die von euch angedeutete Richtung liest.
Das liegt vermutlich an der Schwammigkeit (@jimmysalaryman du hast es ja an einigen Stellen benannt), an dem fehlenden Satzfragment aber vermutlich auch daran, dass ich nicht ausreichend dargestellt habe, wie sich die Entfremdung der beiden und die gefühlte ständige Unterlegenheit des einen vollzieht. Das kommt noch nicht genug rüber.
Es ist irre, wie blind man für den eigenen Text wird, wenn man sich zu sehr versteift. Für mich war vor dem Hochladen klar, dass der deutlich macht, worum es geht. Jetzt aber sehe ich das komplett anders und denke, dass der ja geradezu so gelesen werden muss(!), wie ihr ihn wahrgenommen habt.

Nun ist ein wenig die Frage, was ich mit dem Text mache. Denn im Grunde ist die Lesart, die ihr aufmacht, die eigentlich interessantere. Dann müsste ich (@jimmysalaryman hast es ja treffend in deinem Kommentar aufgezeigt) den stark Text abändern. Auch die Ausgangslage würde sich ändern. Ich muss das mal ein, zwei Tage sacken lassen und darüber nachdenken. Ich habe auf jeden Fall mal das fehlende Satzglied ergänzt. Auch den Anfang werde ich so ändern, wie @jimmysalaryman vorgeschlagen hast. Dadurch wird klar, dass der Bruder gehen musste.

Vielleicht noch etwas zum Hintergrund. Ich habe als Kind mal zwei ältere Jugendliche beobachtet. Der eine wurde von dem anderen schlimm verprügelt und ich habe die beiden tatsächlich schon von weitem gehört. Das Geräusch war wirklich eher ein schrilles Quieken, als etwas anderes und hat mich tatsächlich an eine seltsame Art Gelächter erinnert. Natürlich war es das nicht, aber in der Rückschau klang es für mich so. Vielleicht konnte ich es als Kind aber auch einfach noch nicht so Richtung einordnen. Jedenfalls hab ich das bis heute nicht vergessen, auch wenn Schlägereien zwischen Jugendlichen ja jetzt wirklich nichts so Außergewöhnliches sind. Aber das ist trotzdem bei mir hängen geblieben.

Vielen Dank für euren Kommentar und eure Zeit! Das hilft mir sehr, den Text anders zu sehen!

 

Ich sah sie auf dem Boden übereinanderliegen, mein ältester Bruder mit erhobenen Fäusten.

Jo, so liest sich anders. ABER um ehrlich zu sein, fände ich sie so, wie sie jetzt ist, oder eher, wie sie sich jetzt liest, besser, expliziter, relevanter. Dieses Gewaltthema ist sicherlich nicht weniger wichtig, aber würde man den Bruder dann einfach so wegschicken? Würde man nicht einen Therapeuten bemühen, das Jugendamt, sich professionelle Hilfe holen? Das liest sich, als würde das in den 50ern spielen, da fehlt auch der zeitliche Marker. Ist dein Text, klar, aber die Anlagen sind da!

Gruss, Jimmy

 

Hallo @Habentus

Ich habe den Kommentar bereits geschrieben, bevor Du deine Erklärung gepostet hast, bin aber wieder mal bisschen spät mit Absenden ... Die drängendsten Fragen für mich nach dem Lesen (der Ursprungsversion): Was ist zwischen den Brüdern vorgefallen und was hat der Vater gemacht?

Es könnte sein, die beiden haben sich gestritten und aneinander aufs Dach gegeben. Der ältere Bruder verletzte den jüngeren so stark, dass die daraus resultierende Wunde genäht werden musste. (oder: Der Vater hat den jüngeren Bruder bei seinem Einschreiten verletzt)

Eine andere Interpretation des Ereignisses: Es handelt sich um schwulen Inzest (einvernehmlich oder gewaltsam erzwungen vom älteren Bruder). Der Vater hat die beiden getrennt und danach verdroschen, der jüngere Bruder trug eine Verletzung davon, die genäht werden musste. Dass die Brüder 'übereinanderliegen' und der Erzähler vorher ein Quieken und Lachen hört, das lässt für mich nicht unbedingt darauf schliessen, dass sie sich prügeln. OK, sie bringen erste Freundinnen nach Hause, aber who knows, die Neigung kann ja trotzdem bestehen.

[EDIT]: Ich sehe, Du hast es jetzt geändert, aber ich fand es in der vorherigen Version ehrlich gesagt besser, weil es offener war und Raum für Interpretation liess. Ist einfach mein Lesegeschmack. Anyway, ich habe die Story -- wenn man das in Anbetracht der Thematik so sagen kann -- gerne gelesen.

Mein ältester Bruder musste ausziehen, als ich noch ein Kind war. Damals erschienen mir beide unerreichbar.
Der Einstieg ist für mein Empfinden (von der logischen Abfolge her) ein wenig verquer geraten. Ich würde das etwas anders formulieren bzw. die Sätze umstellen, vielleicht in diese Richtung: Meine beiden Brüder erschienen mir damals unerreichbar. Der ältere musste ausziehen, als ich noch ein Kind war.

Einer begann Bilder mit Tusche und Acryl zu malen.
Der andere sammelte Zeitschriften über Motoren und alte Modellautos aus Zink
Wieso ist das so konfus? Der Erzähler weiss doch, welcher Bruder was gemacht oder was gesammelt hat, oder nicht? Wieso ist da nur von 'einem' und dem 'anderen' die Rede? Wenn das einen tieferen Sinn hat, so habe ich diesen nicht verstanden. Dadurch, dass im Text keiner der Charaktere einen Namen hat, wird Distanz geschaffen, das macht durchaus Sinn im Kontext, vielleicht verdrängt er die Erinnerungen, hat Mühe, darüber zu sprechen, aber trotzdem müsste der Erzähler doch wissen, ob der jüngere oder der ältere Modellautos aus Zink gesammelt hat, finde ich.

Irgendwann zerschlug er sie alle mit einem Hammer.
Das finde ich gut. Hier kann man sich fragen: Warum hat er das gemacht? Vielleicht einfach, weil er gewalttätig ist, innere Aggressionen hat, ich nehme deshalb an, es handelt sich hier um den älteren Bruder. Vielleicht war dies eine Art Vorzeichen auf das, was danach geschehen ist.

Füllwörter und Überflüssiges killen:

Manchmal machten sie sich über mich lustig und lachten nur, wenn meine Mutter ihnen sagte, sie sollen mich in Ruhe lassen.
Sie rannten davon und meine Mutter rannte hinterher.
Irgendwann zerschlug er sie alle mit einem Hammer.
Auch eine Kiste aus Sperrholz, die sie vor Jahren gemeinsam geleimt und bunt bemalt hatten, bekam ich.
Einmal saß ich in meinem Zimmer und hatte einen Haufen Lego aus der Kiste auf dem Teppichboden verteilt.
Auch hier:
Etwas ließ mich aufhorchen. Ein Geräusch, ein schriller Ton.
Ein schriller Ton ist ein Geräusch. Schon allein das 'Etwas' im vorherigen Satz mit der Kombi 'aufhorchen' sagt doch, dass es sich um ein Geräusch handeln muss, dass ihn da beim Legospielen stört.
Ich war neugierig, wollte mitlachen.
Auch das würde ich streichen: 1.) 'Ich war neugierig' ist erklärend, behauptet. 2.) Die Neugier wird auch so ersichtlich: Er stellt den Kassettenrekorder ab, lauscht, geht durch den Flur, will wissen, was da los ist bei den Brüdern.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Habentus, starker Text. Ich habe eigentlich von Anfang an gedacht, dass es sich um eine Prügelei zwischen Brüdern handelt. Ganz sicher war ich mir aber auch nicht. Das müsstest Du klarer formulieren. Heutzutage geht es ja in den Medien viel um sexuelle Missbrauch. Ansonsten gut geschrieben. Deine Familienverhältnisse sind eigentlich so interessant, dass man noch mehr davon will. Auch ohne dramatische Geschehnisse. Eine Kindheit in der Bundesrepublik. Eigentlich nichts besonderes, aber gerade in der Normalität liegt die Kraft.
Gruß FK

 

Hallo @Sammis , @jimmysalaryman, @deserted-monkey und @Frieda Kreuz
ich antworte euch leider ein wenig verspätet auf eure Kommentare. Ich habe die letzten Tage viel über den Text nachgedacht und habe mir auch Gedanken über eure Anmerkungen gemacht. Einiges habe ich versucht einzubauen bzw. umzusetzen. Der Text ist jetzt deutlich länger als die Ursprungsversion (auch wenn er immer noch recht kurz ist). Ich habe versucht, die beiden Brüder, ihre Entwicklung und ihre Rolle in der Familie besser darzustellen. Zumindest habe ich versucht, hier einiges anzudeuten, ohne vielleicht allzu deutlich zu werden.
Ich habe auch versucht, das Wirrwarr des Anfangs zumindest so zu verändern, dass es zum späteren Textverlauf besser passt.
Ich habe außerdem die konkrete Situation mehr beschrieben. Auch hier hoffe ich, dass ich nicht zu deutlich wurde und es immer noch Interpretationsspielraum gibt, obwohl für mich klar ist, was hier passiert. Kein sexueller Übergriff, sondern eine Gewalttat, die sich von der Härte unterscheidet von herkömmlichen Prügeleien unter Geschwistern.
Durch die Veränderungen hat sich auch das Thema des Textes für mich noch mal verschoben bzw. ist jetzt deutlicher zum Vorschein gekommen. Nicht der eigentliche Übergriff, sondern der Umgang der Beteiligten und die Folgen stehen (für mich) im Vordergrund. Ob es gelungen ist, das aber in der Kürze abzubilden, ist für mich noch fraglich.

Insgesamt bin ich unschlüssig, ob die Änderungen dem Text gutgetan haben oder ob dadurch das, was ihn vielleicht davor lesenswert gemacht hat, verloren gegangen ist. Wen ihr wollt, schreibt mir doch gerne dazu wie es sich für euch darstellt!
Ich kann mir vorstellen, dass ich den Text in einigen Tagen auch noch mal anfasse. Vielleicht gelingt es mir dann, da noch in die ein oder andere Richtung zu schrauben. Momentan habe ich aber das Gefühl, hier nicht weiterzukommen. Vielleicht helfen ein paar Tage Abstand, um mit einem anderen Blick darauf schauen zu können.

Was mir aber auf jeden Fall sehr geholfen hat, waren eure unterschiedlichen Lesarten und eure Anmerkungen, die mich noch mal dazu gebracht haben, mich ganz anders mit dem Text auseinanderzusetzen! Unabhängig davon, ob es mir handwerklich gelungen ist, das abzubilden, was ich wollte. Vielen Dank euch für Zeit und Anmerkungen!

Details:

Das liest sich, als würde das in den 50ern spielen, da fehlt auch der zeitliche Marker
Ich habe versucht, den Text zeitlich zu verorten, ohne jetzt explizit zu erwähnen, in welchem Jahr er spielt. Ducktaleskassetten und solche Sachen. Das ist zumindest ja mal ein grober zeitlicher Rahmen, der auf die 90er Jahre passt. Meinst du, ich sollte das noch mehr ausbauen?

aber würde man den Bruder dann einfach so wegschicken? Würde man nicht einen Therapeuten bemühen, das Jugendamt, sich professionelle Hilfe holen?
Da bin ich mir leider sehr sicher, dass das ein Umgang ist, der auch heute vorkommt. Selbstständig das Jugendamt informieren (oder auch schon Familienberatungsstellen oder Familientherapeuten aufzusuchen), ist selten. Die Scham, das Stigma - das ist für viele zu krass. Es mag so was geben, sicher. Aber es gibt sicherlich auch eben die Versuche, so etwas durch Ausschluss und Verschweigen zu lösen. Wir leben nicht mehr in den 50ern und vieles hat sich verschoben, aber das ändert nichts daran, dass so etwas vorkommt.
Ich habe aber mal versucht, darzustellen, dass es immerhin Diskussionen zwischen den Eltern gibt. Vielleicht muss ich hier in ein paar Tagen noch mal nachbessern.

Der Einstieg ist für mein Empfinden (von der logischen Abfolge her) ein wenig verquer geraten.
Ich habe den Einstieg verändert.
Wieso ist das so konfus? Der Erzähler weiss doch, welcher Bruder was gemacht oder was gesammelt hat, oder nicht?
Stimmt! Habe den Beteiligten jetzt Namen verpasst.

Auch ein paar andere deiner Formulierungsvorschläge habe ich umgesetzt. Andere habe ich aber gelassen, weil es für mich in das Sprachbild passte. Auch wenn dadurch manche Wörter sich doppeln, schien es mir an diesen Stellen besser zu passen.
Danke aber wie immer sehr für deinen Kommentar!

Ansonsten gut geschrieben. Deine Familienverhältnisse sind eigentlich so interessant, dass man noch mehr davon will. Auch ohne dramatische Geschehnisse. Eine Kindheit in der Bundesrepublik. Eigentlich nichts besonderes, aber gerade in der Normalität liegt die Kraft
Freut mich, dass dir der Text zugesagt hat @Frieda Kreuz !

 

Hallo @Habentus!
Nur ganz kurz: Jetzt wird deutlich, wie du dir das gedacht hast. Überdeutlich, finde ich. Mir gefiel der Urtext besser, auch wenn er an deiner Idee vorbeigelesen werden konnte.
Finde es schwer, einem fertigen Text eine neu Richtung zu geben. Hatte kürzlich Ähnliches versucht, und bin mir nicht sicher, ob ich den Text tatsächlich verbessert habe.

Gruß,
Sammis

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich fürchte, dass der Text dahingehend (noch) nicht funktioniert, …

schreibstu in einer Antwort,

lieber @Habentus,

und nicht nur ich bin mir sicher, dass unsere Sprache (ob gesprochen oder niedergeschrieben, Jacke wie Hose) Ausdruck des Bewusstseins ist (dabei erfüllt ein größerer Wortschatz auch seine „Funktion“) und Du verwendest ein Verb, das vielleicht immer schon im Deutschen schlummerte (und aus dem Lateinischen „entliehen“ wurde), aber spätestens mit der frz. Revolution sich in der Verwaltung ausbreitete und mit der industriellen in eben der Industrie, an der Maschine mit dem Arbeiter als notwendigem Übel (wie auch in der Verwaltung, wo ja erst an der Automatisierung der Verwaltungsvorgänge gearbeitet wird …)
und
schon mit der Schöpfungsgeschichte und anderen mythischen Familiengeschichten, vor allem den Ursprungsfamilien, „funktionierte“ nicht alles bis hin zum Brudermord (¿gibt es eigentlich einen weibl. Schwesternmord?) - Amazonen leben ja heutzutage eher unauffällig in der Nachbarschaft.

Zum einen mag es – das m. E. dümmste in einer Ungleichbehandlung durch die Ältern geben (wer hätte nicht diese-n lieber als jene/n? Sinnigerweise formuliert die Mutter direkt zu Anfang im

..., sie sollen mich in Ruhe lassen.
und nicht, wie zu erwarten sein könnte, sie „müssten“ mich in Ruhe lassen, denn schon die in steingehauenen zehn Gebote (wie jedes Gesetz auch) fordert nicht, Du darfst/musst nicht töten, was vllt. unter Vegetariern ginge, aber nicht bei einem, der gerne auch mal ein Ei oder Schnitzel isst oder deftiger, wie will man ggfs. Putin stoppen ...

Die Kiste war voller Piraten und Gouverneure aus Lego, voller Staubflusen und alter Haare.
Warum das Attribut? Denn sind nicht alle Rückstände der Haarschur oder des -ausfalls „alte“ Haare und besonders alt, weil tot??

An jeder Küste gibt es Stürme, sagte er.
Nicht nur an Küsten -
und dass heut abend die Stürmer stürmen, wünschen nicht nur de Nederlander ...

Es klang, als würden meine Brüder schrill über etwas lachen.
Warum die würde-Konstruktion, wenn schon das „als“ den Konjunktiv verriete im „Es klang, als lachten meine Brüder schrill über etwas.“

Ähnlich hier

Er schrie ihn an und einen Moment dachte ich, dass sie jetzt miteinander kämpfen würden.
wo „denken“ in einem
Er schrie ihn an und einen Moment dachte ich, dass sie jetzt miteinander kämpften.
schon den eher fiktiven Charakter anzeigt ...

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch ein schönes Wochenende wünscht und gleich ein ordentliches Spiel ...!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @Sammis
danke fürs erneute Vorbeischauen!

Überdeutlich, finde ich.
Ja, kann ich nachvollziehen. ich selbst bin mir noch unsicher, wie ich das finde. Ich gebe dem Text noch ein paar Tage und werde es dann ggf. noch mal versuchen.

Finde es schwer, einem fertigen Text eine neu Richtung zu geben. Hatte kürzlich Ähnliches versucht, und bin mir nicht sicher, ob ich den Text tatsächlich verbessert habe.
Ja, das geht mir ähnlich. Ich habe hier auch schon Texte hochgeladen, wo ich danach verzweifelt bin, beim Überarbeiten. Andere Texte habe ich dann aber sehr stark verändern können und sie sind dadurch tatsächlich meiner Meinung nach besser geworden. Kommt aber vermutlich auch immer auf die Art der Überarbeitung an. Eine ganz neue Richtung eines stehenden Textes ist nicht einfach, das stimmt schon. Vielleicht hilft zeitlicher Abstand?


Hallo @Friedrichard und danke auch dir für deinen feinen Kommentar, der mich mal wieder sehr zum Schmunzeln gebracht und zum mehrfachen Lesen deiner Anmerkungen genötigt hat :)
Deine Verbesserungen werde ich, so ich sie denn richtig verstehe, einbauen!

Freut mich jedenfalls, dass du den Text gerne gelesen hast und ich wünsche dir noch einen schönen Sonntag!

Viele Grüße
Habentus

 

Hallo @Habentus ,


mir gefiel die geheimnisvollere Version ganz gut, finde aber, dass es auch Gründe gibt, die jetzige Version beizubehalten.
Ein paar Textstellen:

Sie rannten davon und meine Mutter rannte hinterher.
Hier würde mir auch "und meine Mutter hinterher" besser gefallen.
Tom brachte seine erste Freundin mit nach Hause. Meine Mutter mochte sie nicht.
Den zweiten Satz würde ich streichen. Zwar kann ich mir denken, welche Funktion er in deiner Absicht haben könnte (dass eben Tom sich vielleicht in der Familie auch ausgegrenzt oder unverstanden, ununterstützt etc. gefühlt hat), finde aber, dass die Info nicht wichtig genug für einen Text dieser Kürze ist. Kurz habe ich überlegt, ob es bebildern soll, dass es dazu beigetragen hat, Toms Tat sozusagen herbeizuführen im Sich-Hochschaukeln, aber das passt nicht richtig, finde ich, als Auslöser.
Mein Bruder Hauke malte Bilder mit Tusche und Acryl. Aus getrocknetem Toilettenpapier und Pappe bastelte er eine Höhle. Ein Ritter auf einem Pferd aus geknoteten Schnürsenkeln stand davor und hielt eine Lanze in der Hand, um den Drachen in Schach zu halten. In der Schule begeisterten sich alle für seine Daumenkinos, die er mit einem Bleistift zeichnete. Tom benutzte Backpapier, das er über die Seiten seiner Comics legte, um einzelne Szenen abzupausen. Ich sah ihn,
Hier habe ich eine Personalfrage: Hauke ist der, der zeichnet, die Daumenkinos sind "seine". Dann aber benutzt Tom Backpapier, um Bilder abzupausen, ist aber nicht der mit den Daumenkinos? Aber ich ahne mein Missverständnis gerade: der Fortgang ab "Tom benutzte Backpapier" hat mich verleitet, es im Zusammenhang mit den Daumenkinos zu lesen, weil er einzelne Szenen abpaust (für Daumenkinos ja relevant).
Hast du es so gemeint, dass Tom mitbekommen hat, welchen Erfolg Hauke mit den Daumenkinos hat und versucht, es ihm nachzumachen?
Ich dachte im ersten Lesen, du hättest hier Personen strukturell verwechselt, aber vielleicht ist es einfach so gemeint, wie es mir eben dämmerte.
Er begann Zeitschriften über Motoren zu lesen und sammelte Modellautos aus Zink, die er samstags auf Flohmärkten zusammensuchte und in einer langen Reihe ins Regal stellte. Irgendwann zerschlug er sie mit einem Hammer.
Das würde ich eher wieder Tom zuschreiben, also wäre die obenliegende Struktur der Anmerkung gerade höchstens etwas unklar.
ch bekam ihre alten Sachen. Ausgeleierte T-Shirts und Ducktales-Kassetten, graue Plastiksoldaten und Bücher mit Kullistrichen darin.
Kulistrichen
Die Kiste war voller Piraten und Gouverneure aus Lego, voller Staubflusen und Haare.
Das Detail finde ich ganz schön, unter andere: weil realistisch.
Etwas ließ mich aufhorchen. Ein seltsames Geräusch. Wie ein Quieken hörte sich das an. Ein Tier, dachte ich.
Überraschenderweise weiß ich genau, welche Töne du meinst und wie sich der Kampf angehört hat. :) Es hat ein paar Leserunden gedauert, aber: ja, ich weiß und höre, wie das klingt. (Damit ist der ganze Absatz gemeint, die Beschreibungen danach braucht es freilich).
Sie antwortete leise, aber so hart und kalt, wie nur sie es fertigbrachte.
Das finde ich ein erstaunliches Detail, das man beinahe überliest, könnte aber ein entscheidendes Pixel sein für die Geschichte: "Niemand kann so kalt und hart sein wie sie" hat ja dank der Rolle als Mutter eine große innerfamiliäre Tragweite von Anfang an. Hier finde ich wichtige Info auf kleinstem Raum.
Er wohnte eine Zeit bei Verwandten in Norddeutschland, arbeitete als Taxifahrer und in einer Wäscherei und kam erst später mal wieder zu Besuch.
Hier würde ich über das Wörtchen "mal" nochmal nachdenken, dieses "später mal wieder" hat für mich eine eher fröhliche Konnotation, etwas Lockeres, das ich in der hiesigen Szene ein wenig zu viel finde. Zu sehr würde ich aber auch nicht zurückfahren, weil es sonst den Erzählton stören würde.

Als ich fragte warum, sagte mein Vater mir, dass er und Hauke sich nicht mehr vertrugen. Damals war ich froh, dass er ging.
Ich finde, dass in diesem Satz einmal mehr klar wird, dass "Brüder" eben nicht nur die beiden Kämpfenden meint, sondern dass es auch noch einen dritten gibt, der ja genauso relevant ist und in dem Satz wird irgendwie klarer, dass der Kleine ein wenig hinten runterfällt und manchmal zu wenig beachtet wird. Der Vater sagt "dass er und Hauke sich nicht mehr vertrugen", was ja (für das Kind) geschönt ist, aber das Kind hat ja miterlebt, was zwischen den beiden anderen Brüdern vorgefallen ist.

Die etwas geheimnisvollere Version hat mir einen Tick besser gefallen (es ist gar nicht so einfach, das zu entscheiden), dennoch hätte ich mehr Bebilderung gebraucht als in der Ursprungsversion. "Einfach", weil es erst möglich macht, dass man mit dem Kleineren mitfühlen kann. Eine Andeutung wie in der ersten Version war dafür etwas zu wenig, dafür, dass er "es" selbst miterleben musste. Da hätte auch sein Platz zwischen ihm und dem Leser sein können, weil der Junge den Vater in der Situation nicht hat, weil dieser vielleicht nicht adäquat reagiert in dem Kurzen "... sich nicht mehr vertrugen."
Etwas mehr als am Anfang war also auch in meinen Augen nötig, dennoch ist der Text aber etwas langweiliger geworden. Ich teile deine Einschätzung, dass es mehr um die Darstellung der einzelnen Familienmitglieder und die Abläufe zu gehen scheint, als um die Tat.

Viele Grüße,
Helen

 

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