Brötchen im Freibad
Brötchen im Freibad
Kaum scheint nach einem endlosen Winter wieder die Sonne, schon kriechen alle eingefleischten Stubenhocker aus ihren Löchern und machen einen auf naturverbunden, sportlich und aktiv. Das manche dies übertreiben, wurde mir nun bewusst, da ich mich in einem Freibad befand.
Endlich kann frau ihre Bikinifigur präsentieren. Okay, der Winter war WIRKLICH lang gewesen und der Bauch ist somit nicht so flach wie einst angestrebt, auch der Po könnte was straffer sein, aber was soll’s. Ich ziehe mir trotzdem bewusst lasziv meine Klamotten aus und lege mich ganz gewollt entspannt auf mein Handtuch und achte darauf, dass meine ansatzmäßigen Bauchmuskeln dabei zur Geltung kommen. Nicht zu vergessen, die Sonnenbrille. So kann frau ganz unauffällig ihre Umgebung, männliche Potentielle und weibliche Konkurrenz, abchecken. So beginne ich also mit jener Fleischschau. Doch anstatt auf durchtrainiere Körper zu stoßen, versperren mir wohlproportionierte Gesäße einer Gruppe älterer Männer die Sicht. Nicht, dass mich dieser Anblick erotisch ansprach, trotzdem konnte ich den Blick nicht abwenden, denn in mir kam die Frage auf, wie es denn eigentlich möglich sei nicht zu merken, dass die Badehose deutlich zu tief sitzt und man soeben dabei ist ein nicht sehr attraktives Bauerarbeiterdekolleté , von mir aufgrund der optischen Parallele auch Brötchen genannt, zu präsentieren.
Während ich über diese essentielle Frage philosophierte, kam es jedoch zu einem weitaus spannenderen Phänomen: Schreie. Kinder, die panisch das Kinderbecken verlassen. Ein Fall für alle skandallustigen Tratschtanten und somit wartete ich keine zwei Sekunden und verließ meine vorteilhafte Pose um zum Kinderbecken zu eilen. Auf dem ersten Blick war allerdings nicht auffälliges festzustellen, deswegen fragte ich einen dicklichen Jungen meines Alters am Beckenrand, was denn vorgefallen sei. Dieser antwortete mir wörtlich: „Da hat ein Kind reingekackt.“ Die Ottonormalverbraucherin hätte sich jetzt wahrscheinlich, und das auch verständlicherweise, die Nase zugehalten und wäre, wie die kleinen Kinder, angeekelt geflüchtet. Warum mich dieses Geschehnis hingegen so sehr faszinierte, frag ich mich bis heute. Vielleicht, weil die Aussicht zu dem alten Platz und zu dem Ausblick auf die „Brötchen“ zurückzukehren nicht allzu verlockend war.
Bei genauerem Hinsehen konnte ich nun auch die kleinen hellbraunen Exkrete im Wasser entdecken, die sich langsam zu auflösen begannen.
Als ich mich fragte, wie es denn jetzt nur weitergehe, war der Held der Stunde schon im Anmarsch. Der Bademeister. An dieser Stelle sollte ich nun einen braungebrannten jungen Mann mit Sixpack, Zahnarztlächeln und unwiderstehlichen Charme beschreiben. Leider war dem nicht so.
Ein griesgrämiger ergrauter Mann mit Bierbauch drängte mich unsanft zur Seite, als müsse er nun als Weltretter agieren. Mit einem Köcher versuchte er die Exkrete aufzusammeln, allerdings wenig erfolgreich, denn durch sein wahlloses herumstochern, lösten sich die Exkrete nur noch weiter auf und schließlich gelang es ihm nur ein Drittel dieser herauszufischen. Na Prost Mahlzeit, dachte ich mir. Den Kindern war dies jedoch scheinbar völlig egal und sie sprangen schon wieder fröhlich jauchzend ins Wasser.
Kopfschüttelnd verließ ich meine Poleposition und begab mich wieder zu meinem Handtuch. Auch hier hatte sich etwas getan. Die orange Badehose einer der älteren Männer war inzwischen noch ein Stückchen weiter heruntergerutscht und soeben machte sich ein Käfer auf den Weg in unerforschte Gebiete.
Schließlich hatte ich nun zwei Möglichkeiten: Entweder ich würde meine Sachen packen und angewidert das Freibad verlassen oder ich würde aus tiefsten Herzen über die Absurdität dieser Situation lachen. Ich entschied mich für Letzteres.