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Borimir denkt

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01.06.2002
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Borimir denkt

Borimir denkt

Borimir liegt im Bett und blickt verschlafen auf die Uhr. 05.30 steht da auf der rot leuchtenden Anzeige und dazu plärrt irgendein Schlagerfuzzi ein Lied, das Borimir nicht mag.
Borimir denkt, dass er lieber nicht aufstehen würde und statt dessen im Bett bleiben will. Er ist müde und hat überhaupt keine Lust zur Arbeit zu gehen.
Ihm kommt die Idee den Wecker einfach aufzuessen. Das würde viele Probleme auf einmal lösen:
Er bräuchte nicht aufstehen, weil er keinen Wecker mehr hätte, der ihn weckt. Desweiteren bekäme er bestimmt Magenschmerzen davon, welche ihm ein Attest und dieses wiederum mehrere Tage zu Hause bescheren würde. Außerdem müsste er nicht mehr dieses dämliche Lied hören.
Aber dann denkt Borimir darüber nach, dass der Wecker irgendwann einmal wieder herauskommen muss. Das hat die Natur nunmal so eingerichtet und bei verdauten Speiseresten mag das ja auch ganz nützlich sein. Ob dies auch bei einem Wecker der Fall ist, darüber ist Borimir sich nicht ganz so sicher.
Darum vergisst er die Idee und drückt stattdesssen auf den Ausschalter. Wenigstens hört er nun den Schlagerfuzzi nicht mehr.

Bleibt noch das Aufstehen.
Allein bei dem Gedanken bekommt er Kopfschmerzen.
Er denkt darüber nach, ob er vielleicht hierfür ein Attest bekommen könnte. Aber dann stellt er sich vor, wie wohl Dr. Mankatz darüber denken würde und schiebt auch diese Idee beiseite.
Dr. Mankatz ist nicht gut auf ihn zu sprechen.
"Sie sind zu fett!" sagt er in letzter Zeit immer öfter.
Borimir findet das ganz und gar nicht gerechtfertigt. Er mag wohl etwas pummelig sein, aber fett bestimmt nicht.
Dann aber denkt er, dass fett sein gar nicht so schlecht ist. Fette haben öfter Kreislaufprobleme und damit können sie bestimmt nicht arbeiten.
Doch das alles hilft ihm im Moment nicht weiter. Da er ja nun einmal nicht fett ist, hat er auch keine Kreislaufprobleme und somit keinen Grund liegen zu bleiben.
Borimir rappelt sich hoch und schlurft ins Badezimmer. Sein Blick fällt auf die Waage, die unter dem Waschbecken geparkt ist. Er berührt sie leicht mit dem großen Zeh und zieht sie schließlich mit dem Fuß hervor.

163 Kilogramm.
Borimir denkt, dass er wohl doch fett ist und überlegt einen ganz flüchtigen Augenblick lang, wie so eine Waage wohl schmecken könnte.
Ich bin fett, und wie! denkt er. Borimir fragt sich, warum er eigentlich aufgestanden ist, obwohl er doch fett ist und somit auch Kreislaufprobleme haben konnte, die ein Liegenbleiben gerechtfertigt hätten. Aber jetzt war es eh zu spät, weil er bereits hellwach ist. Aus Trotz beschließt er sich heute nicht zu waschen und sich nicht die Zähne zu putzen.
Er zieht sich widerwillig an, und erkennt mit einem Mal, dass er in seinen Klamotten noch fetter aussieht. Wieder schleicht sich ein Gedanke in seinen Kopf.
Ob sein Chef wohl die Möglichkeit akzeptierte, dass er heute nicht zur Arbeit kommen kann, weil seine unvorteilhafte Kleidung die Kunden verprellen könnte? Immerhin steht er den ganzen Tag hinter dem Tresen und verkauft Hamburger und Pommes. Und das sechs Mal die Woche, ausser Sonntags natürlich.
Die Kunden ahnen sicher, dass er dabei nicht wenig in sich hineinstopft und das Ergebnis dieses Konsums ist nicht zu übersehen.
Borimir denkt, dass die Kunden bestimmt weniger kaufen, aus Angst genauso fett zu werden, wie er. Also braucht er zunächst Kleidung, die ihn schlanker aussehen lässt.
Die Aussicht ein wenig in der Stadt herum zu bummeln, anstatt zur Arbeit zu gehen hebt seine Stimmung ein wenig. Doch dann fällt ihm ein, dass es egal ist was er anzieht, denn im Geschäft muss er sowieso die Arbeitskleidung anlegen. Somit braucht er seinen Chef gar nicht erst anrufen.
Aus Wut darüber schmiert er sich das vierte Brot und packt die letzten Reste Butter und Marmelade drauf.

Borimir blickt auf die Uhr, 06.12. Der Bus geht um 06.43 - also noch eine halbe Stunde Zeit um sich etwas zu überlegen damit er nicht aus dem Haus muß.
Ihm fällt Übelkeit ein. Es sähe doch sehr blöd aus, wenn ein fetter Mann, dem auch noch anzusehen ist, dass ihm schlecht ist, Hamburger und Pommes verkauft.
Borimir denkt, dass das ja schon fast geschäftsschädigend sei.
Übelkeit ist gut. Bloß wie erreicht man das?
Borimir beschließt zunächst sich noch ein weiteres Brot zu schmieren. Es ist die letzte Scheibe und da sowohl Butter als auch Marmelade alle sind, muss er es wohl trocken essen. Während er es in sich hineinstopft überlegt er, wie ihm wohl schlecht werden könnte.
Etwas ganz ekliges essen. Ein Käsebrot mit Schlagsahne und Salz obendrauf. Oder ein weiteres Marmeladenbrot, aber diesmal mit Senf garniert und dazu Jogurt mit Sardellenfilets. Da ihm aber, während er über diese Dinge nachdenkt einfällt, dass er nichts mehr davon im Haus hat, überlegt er sich etwas anderes.

Er geht zum Kühlschrank und sucht die Milchtüte, die er gestern gesehen hat. Die war doch schon seit Tagen abgelaufen. Bei saurer Milch wird sogar ihm schlecht.
Borimir denkt, dass er das Zeug in einem großen Schluck trinken wird, danach ist ihm bestimmt übel.
Er nimmt die Tüte in die Hand und riecht daran. Angewidert verzieht er das Gesicht. Allein von dem Geruch könnte einem schlecht werden. Doch das reicht ihm noch nicht. Wenn er die Milch trinkt, dann bekommt er vielleicht eine richtige Magenverstimmung, die ihn für mehrere Tage ans Bett fesselt.
Erleichtert darüber, dass er endlich eine Lösung gefunden hat und dazu noch eine, die sicherlich wesentlich besser ist, als einen Wecker zu verspeisen, setzt er die Tüte an und trinkt sie in einem Zug aus.

Die Uhr auf der Toilette, Borimir hat in jedem Raum eine Uhr hängen, zeigt 06.27. Borimir übergibt sich gerade das dritte Mal und bemerkt dabei, dass er sich schon wieder besser fühlt. Die saure Milch hat zwar bewirkt, dass ihm schlecht geworden ist, aber dazu auch noch, dass sein gesamtes Frühstück nun in der Kloschüssel schwimmt. Auch das Gefühl der Übelkeit scheint mit seinem Mageninhalt verschwunden zu sein. Statt dessen verspürt er schon wieder Hunger.
Borimir denkt, dass die Idee mit der Milch wohl doch nicht so gut gewesen war.
Er geht zurück in die Küche und sucht nach etwas Essbarem. Da es so aussieht, dass er wohl doch zur Arbeit muss, will er wenigstens nicht mit leerem Magen gehen. Das geht auf gar keinen Fall.
Doch er stellt fest, dass er weder Brot, noch irgend etwas anderes zu Essen in der Wohnung hat.
Er findet nichtmal mehr Mikrowellenmahlzeiten, und ein weiterer Blick zur Uhr zeigt ihm, dass dafür sowieso keine Zeit mehr gewesen wäre. Der Bus geht in sieben Minuten und er muss zusehen, dass er endlich zur Haltestelle kommt.

Und mit einem Mal findet er es auch gar nicht mehr so schlimm zur Arbeit zu gehen.
Hamburger und Pommes verkaufen ist bestimmt nicht das Schlechteste. Zumal wenn man sich davon soviel nehmen kann, wie man möchte. Die Aussicht auf einen heissen Hamburger lässt ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und dazu Pommes mit Majo und Ketschup.
Was hatte er eigentlich die ganze Zeit dagegen gehabt zur Arbeit zu gehen?
Borimir denkt, dass es bestimmt nicht viele Menschen gibt, die so einen tollen Job haben wie er. Ausserdem hat er nichts mehr zu Essen im Haus. Das bedeutet, dass er nach der Arbeit auch noch in die Stadt gehen kann. Zwar nicht um zu bummeln, aber immerhin um Brot und Mikrowellenmahlzeiten einzukaufen.
Fröhlich pfeifend bindet sich Borimir die Schuhe.
Bevor er das Haus verlässt, fällt sein Blick auf die Uhr im Flur. Die hängt neben einem Kalender, den ihm sein Chef geschenkt hat. Auf den Kalenderblättern sind Fastfoodspeisen abgebildet. Für jeden Monat eine andere.
Dieser Monat zeigt ein Bild von einem Doppelhamburger und Borimir schaut ihn hungrig an.
Als sein Blick auf die Datumsanzeige fällt, nimmt er den Kalender von der Wand, setzt sich auf den Boden und beginnt ihn aufzuessen.
Mit jedem Bissen kullert eine Träne über seine Wangen und ein leichtes Zittern schüttelt ihn.
Das Stück mit dem heutigen Datum, hebt er sich als Nachspeise auf.
Es ist das Stück, auf dem Sonntag, 21.Juli steht.

ENDE

© by Matthias Laske 2002

 

HAllo Pennywise!

Ich finde die Geschichte zwar lang, aber nicht -atmig. Ein verzweifelter Versuch, Krankheit vorzutäuschen mit einem bitteren Ende für den Protagonisten - und einem witzigen für den Leser.
Nur schade, dass ihm von dem Kalender wahrscheinlich wirklich schlecht wird und er seinen freien Sonntag nich mal angenehm verbringen kann. *g*

Liebe Grüße
Barbara

 

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