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Bone
In einem kleinen Vorgarten, am Rande der Stadt, befand sich eine Bohnenranke, die sich mehrere hundert Meter hoch in den Himmel erstreckte. Sie barg ein Geheimnis, da waren sich einig, die sie erblickten. Es dauerte nur wenige Tage, bis zahlreiche Gerüchte rund um diese Pflanze kursierten. „Hast du schon von der Bohnenranke gehört? Sie soll zu einem riesigen Schloss führen.“, munkelte man in den Straßen. Es dauerte nicht lange, da wusste jeder in der Stadt - deren Namen nicht bekannt ist - von dieser besagten Bohnenranke. Es bildeten sich tollkühne Abenteurergruppen, die das Geheimnis der Bohnenranke lüften wollten. Eines schönen Tages, als die Luft besonders erfüllt von mutigen Heldenliedern und getränkt mit dem Geruch von Wein und Schweiß war, fanden einige Abenteurer diesen Tag als besonders geeignet um diese Bohnenranke zu erklimmen. Als sie nach einem langen Fußmarsch endlich die Bohnenranke erreicht hatten, wollten sie sich sofort ans Werk machen – aber was war das? Ein Mann mit einer Axt in der Hand, befand sich vor der Ranke und fügte ihr durch mächtige Axthiebe offensichtlichen Schaden zu. Es fehlten nur mehr wenige Meter, bis diese Ranke umkippen musste. Völlig außer sich stürmten die Abenteuer auf ihn zu und der Anführer stellte ihn zur Rede: „Was soll denn das? Denkst du, dass wir den ganzen Weg umsonst hierher latschen, um dann eine gefällte Ranke vorzufinden? Wir wollen Abenteuer bestehen und schöne Jungfrauen retten.“ Alle bestätigten seine Worte, indem sie laut drauf los grölten.
„Tut mir leid, meine Herren. Es besteht Gefahr, dass sich hier ein Märchen entwickelt. Mein Job ist es, das zu verhindern. Wenn sie irgend welche Einwände haben, dann richtigen sie diese doch bitte an meinen Vorgesetzten. Und jetzt treten sie bitte einige Schritte zurück.“
Ganz perplex und sichtlich geschockt taten sie was er von ihnen verlangte. Die Ranke stürzte krachend zu Boden und der Mann – offensichtlich zufrieden- stieg auf sein Pferd und ritt auf und davon. Während er über prächtige Wiesen ritt, sah er auf einer kleinen Liste nach, um zu sehen was er als nächstes zu tun hatte. „Die Sache mit der Bohnenranke ist also geklärt. Die Hexe ist im Arrest, Schneewitchen sieht die Radieschen von unten und Dornrösschen hab ich mir geschnappt“, er lachte leise, „ah, da ist ja noch die Sache mit dem Bösen Wolf.“
Er riss kräftig an den Zügeln, das Pferd bäumte sich auf und machte sofort kehrt. Nach einem Dreitagesritt fand er endlich ein kleines Haus, dass dem bösen Wolf gehören musste. „Tritt ein und bring Glück herein“ konnte er an dem Türschild lesen. Er hasste es wenn anstelle des Namen, irgend ein blöder Spruch auf dem Türschild stand.
„Dann muss ich wohl oder übel einen Blick in das Haus hineinwerfen“, dachte er und dieser Gedanke behagte ihm ganz und gar nicht. Er öffnete die Tür einen Spalt weit und konnte einen behaarten Fuß erkennen: lange Klauen, besonders haarig, grau, das musste er wohl sein. Er schloss die Tür ganz behutsam und brachte an ihr eine kleine Falle an. Das Haus, das ein Fenster an jeder Hausseite hatte – also insgesamt vier -, lag für seine Begriffe äußerst ungünstig.
„Immer nur Ärger“, dachte er, währenddessen er 3 von den 4 Fenster sorgfältig versiegelte. Jetzt saß der Wolf in der Falle. „Nehme ich ihn fest, oder töte ich ihn gleich?“, dachte der Mann, während er ein großes Messer und stählerne Handschelle an seinem Gürtel befestigte. Er war offensichtlich ein kaltblütiger Geselle, der keine Gnade gegenüber potenziellen Märchengestalten empfand.
„Ich töte ihn.“ Er nahm das Messer aus der Scheide und sein Mund verzog sich zu einem manischen Grinsen. Der Mann wollte es sich jedoch nicht so einfach machen. Er stieß einen grellen Schlachtruf aus, der den Wolf aus dem Bett riss. Panisch und völlig desorientiert, stürzte der Wolf in seinem Zimmer herum. Der Mann, stieg seelenruhig durch das Fenster in das Haus und ging mit festen Schritten auf den Wolf zu. Als der Wolf den bewaffneten Mann gesehen hatte, presste er sich flach an die Wand, und wimmerte leise.
Der kalte Stahl schnitt die Kehle, als wäre sie aus Butter, durch und hinterließ eine klaffende Wunde, die einen Fluss aus rotem Blut nährte. „Wer bist du und warum hast du das getan?“, stieß der Wolf röchelnd hervor.
„Ich werde dir nun ein kleines Märchen erzählen ... Es gab eine Zeit, in der ich glücklich und zufrieden mit meiner Familie in einem kleinen Städtchen lebte, in dessen Mitte sich ein prächtiges Schloss befand. In diesem Schloss lebte eine wunderschöne Prinzessin mit dem Namen Dornrösschen.“ Der Mann räusperte sich kurz und wischte sich eine Träne von seiner Wange. „Ich werde mich kurz fassen. Also, diese Prinzessin fiel nach einem tragischen Ereignis in einen tiefen Schlaf, aus dem sie, durch einen Kuss, der von einem Prinzen stammte, geweckt wurde. Der Haken an der Sache war, dass nur SIE geweckt wurde. Alle anderen Bewohner befanden sich jedoch in dieser Ohnmacht, bis sie verdursteten oder durch wilde Tiere, die den Braten gerochen haben, zerfleischt wurden. Ich war zu diesem Zeitpunkt bei meiner Tante Holle.
Als ich dann nach drei Wochen wieder nach Hause kam, war das ganze Städtchen ein einziger Friedhof.
Alle waren sie tot.
Das feine Prinzeschen hat sich mit dem Prinzen aus dem Staub gemacht und die Heldentaten des edlen Prinzen natürlich überall herum erzählt, mit dem Unterschied, dass sie den weniger angenehmen Teil in einen märchenhafteren umänderte. An diesem verhängnisvollen Tag, an dem ich in mein Städtchen zurückkehrte und meine tote Familie erblickte, schwor ich, alles in meiner Macht stehende zu unternehmen, um weitere, durch Märchengestalten hervorgerufenen Vorfälle, zu verhindern.“
Der Mann drehte sich um und stieg aus dem Fenster hinaus.