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Bombis Abenteuer
Schon als kleine Larve war Bombi sehr faul. Er tat nichts anderes als den leckeren Honig zu schlecken, der ihm von den Arbeiterinnen gebracht wurde, und sich dabei die Gegend anzuschauen. Es war dunkel hier im Nest und es war kalt. Kein Wunder, denn Bombi war eine Erdhummel und lebte demzufolge unter der Erde. Ständig fror er, und damit ihm warm wurde, fraß er.
Mit der Zeit wurde es wärmer im Nest, Bombi wurde größer, und eines Tages hatte er sich in eine wunderschöne schwarz-gold-weiße Hummel verwandelt. Aber faul war er immer noch. Das schien jedoch keinen zu stören, also blieb er einfach im Nest und half den anderen Hummeljungen, die Eier zu wärmen. Woher der Honig kam, interessierte ihn nicht, solange nur genug davon da war. Die Arbeiterinnen brachten immer mehr. Für die Königin, sagten sie, und für die Larven und Drohnen.
Die Königin hatte er schon öfter gesehen, denn er half ihr beim Brüten. Sie legte die vielen Eier und lag auf ihnen drauf, während ihr Rüssel im Honigtopf hing, sodass sie sich nicht vom Fleck rühren musste. Bombi beneidete sie darum, denn er wurde immer wieder weggescheucht und musste inzwischen selbst zum Honig krabbeln.
Irgendwann hatte Bombi genug davon und sagte zu seinem Freund, "Hey Max, lass uns abhauen."
"Spinnst du?", kam es zurück. "Du hast keine Ahnung, was da draußen los ist."
"Stimmt", grinste Bombi, "aber ich will's herausfinden. Kommst du mit?"
"Bombi, du weißt doch ..."
"Ja, ich weiß", seufzte Bombi, denn ihm war klar, dass er Max keinen Flügelschlag vor die Tür bekommen würde, trotz der besten Überzeugungsversuche. "Du hast Angst. Kein Problem, geh' ich eben alleine."
Und so verabschiedete er sich von Max und zog los. Denn er mochte zwar faul sein, aber sicher war er kein Angsthase.
Das erste, was er sah, als er das dunkle Nest unterhalb der Erde verließ, war die Sonne. Grell und heiß drohte sie ihn zu erschlagen, doch er kniff die Augen zusammen und schwor sich, dass er tapfer sein würde. Kein Angsthase. Also flog er los, schwankte zunächst, doch er flog immer weiter und höher und entfernte sich zusehens vom Nest. Und überall roch es herrlich süß, nach leckerem Blütenstaub und saftigem Nektar, nach bekanntem und unbekannten Gerüchen, und als er die Augen wieder aufmachte, sah er eine Blumenpracht, bunter noch als in seinen schönsten Träumen. Farben und Formen, und es summte und brummte um ihn herum, dass ihm schwindlig wurde und er sich erstmal auf eine große Sonnenblume setzen musste, um zu verschnaufen.
"So viele andere Hummeln", staunte er, bevor er bemerkte, dass sie anders aussahen als er. "Das müssen Bienen sein. Oder aber auch -" Er stockte. Wespen. Er hatte von ihnen gehört. Wilde, boshafte Wesen, die ihren Stachel in alles rammten, was ihnen zu nahe kam.
Bombi beschloß, sich von ihnen lieber fernzuhalten und flog weiter, immer der Nase nach, den herrlichen Gerüchen folgend, bis er an einen großen Baum gelangte, der übersäht war mit kleinen weißen Blüten. Er kannte ihren Duft und begann emsig, von Blüte zu Blüte zu summen und seinen Hunger zu stillen, wobei er seinen Rüssel ganz tief in die Blüten hineinsteckte und fast ganz in ihnen verschwand und nur sein weißes, flauschiges Hinterteil noch herausragte. Doch es waren so viele und so kleine Blüten, dass er müde wurde vom vielen Fliegen und sich einfach nur irgendwo zum Schlafen hinlegen wollte. Also kuschelte er sich auf eines der großen, herzförmigen Blätter und schlief ein.
Er träumte von bunten Wiesen, Wespen und dem großen Baum, von Sonne und Wind, der ihn erst sanft anstubste, sein weiches Fell kitzelte, um ihn im nächsten Moment vom Blatt zu stoßen. Und bevor er wusste, wie ihm geschah und seine Flügel ausbreiten konnte, lag er auf dem Rücken auf der Erde und keuchte vor Schreck.
Jetzt war sein Abenteuer gar kein Spaß mehr. Er war müde und ihm war kalt, denn die Sonne war weg und er bekam es langsam mit der Angst zu tun. Und Hunger hatte er immer noch.
"Ja, wer bist du denn?"
Bombi zuckte zusammen.
"Eine Hummel, wie süß."
Er merkte, wie er hochgehoben wurde, wie etwas Warmes unter seinen kleinen Füßen war und er die Sonne auch wieder spürte, als er aus dem Schatten des Jungen herausgehalten wurde.
'Oh nein, ein Mensch!', schoss es ihm durch den Kopf. 'Das muss ein Zweibeiner sein. Er wird mich umbringen! Zuhause haben sie gesagt, die Kleinen sind die Schlimmsten.'
Bombi zitterte am ganze Leib, während er die Augen langsam ganz öffnete, um seinem Schicksal tapfer entgegenzusehen. Wenn er schon sterben sollte, dann nicht als Angsthase.
"Hallo, mein Kleiner", sagte er Junge leise. "Ich tu dir nichts."
Bombi verstand ihn nicht, aber die Stimme klang nicht so, als würde er ihn töten wollen. Dennoch bemühte er sich, eine böse Haltung einzunehmen und seinen Stachel auszufahren.
"Na sowas," staunte der Junge, "da hatte Papa ja doch Recht, dass ihr auch einen Stachel habt." Er nahm seinen Finger und hielt ihn bedrohlich nahe an Bombi heran. "Aber du stichst mich doch nicht, oder?"
Bombi reckte sein Hinterteil hoch, bereit, alles zu geben, um die dicke Haut des Menschen durchstechen zu können, sollte er ihn angreifen. Doch der Junge lachte nur, und Bombi sah seine Chance. Er konzentrierte sich auf einen Blitzstart und schlug wie wild mit den Flügeln, doch er war einfach zu entkräftet, um seinen schweren Körper in die Luft heben zu können.
'Oh nein', dachte er entsetzt. 'Das ist mein Ende! Er wird mir erst die Flügel ausreißen und dann die Beine. Alle einzeln! Und dann wird er zusehen, wie ich jämmerlich versuche davonzukommen, bevor er -'
Weiter kam er nicht, denn der Junge zog einen langen, spitzen Gegenstand aus der Tasche und hielt ihn direkt vor Bombis Gesicht. So etwas hatte Bombi noch nie gesehen. Vorne sah er aus wie ein Rüssel, mit einem Loch in der Mitte, doch weiter hinten wurde er breiter, runder und war fast durchsichtig.
Ängstlich kniff Bombi die Augen zusammen und fing an zu schluchzen. Gleich war es aus. Sein kurzes Leben war vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hatte. Ach, wäre er doch bloß nicht so neugierig gewesen und bei den anderen geblieben. Im kleinen dunklen Nest, aber immerhin beschützt und bei Seinesgleichen.
Plötzlich roch er etwas. Süß. Es roch süß! Süß und lecker, und sofort meldete sich sein Magen. Trotz seiner Angst öffnete er die Augen und blinzelte, um zu erkunden, woher der Duft kam.
"Hier, mein Kleiner", hörte er die Stimme wieder, "du hast sicher Hunger. Und du hast Glück, dass ich Papa die Spritze bringen soll, damit er seine Bienen füttern kann. Das isst du sicher auch gerne."
Bombi zitterte noch immer, doch der verführerische Geruch in seiner Nase ließ ihn mutig werden und langsam an den großen Tropfen vor sich herankrabbeln.
"Ja, das schmeckt dir", freute sich der Junge. "So kannst du schnell wieder nach Hause fliegen, es wird ja gleich dunkel."
Doch Bombi war zu sehr damit beschäftigt, seinen Hunger zu stillen und Kräfte zu sammeln. Er musste wieder in sein Nest. Also trank er so viel er konnte, blieb noch kurz ruhig sitzen und flog dann davon, nicht ohne ein freundliches "Danke" zu brummen.
Am Nest angekommen, schlich er sich heimlich an den Arbeiterinnen vorbei, versprach Max, am nächsten Tag von seinem Abenteuer zu erzählen und fiel in einen langen, tiefen Schlaf. Und diesmal träumte er davon, faul auf den Eiern zu liegen und Honig zu schlecken.