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Bombenalarm
Vor mir liegt nichts. Nichts, was mich beunruhigen könnte. Tonnen von Sand. Gewaltiger noch sind die Massen von Steinen. Sie liegen nicht mehr auf meiner Brust. Dazwischen bahnt sich Wasser seinen Weg. In hellem Blau, kaum zu unterscheiden von der Farbe des Himmels. Wolkenlos.
Meine Schuhe und mein Hemd habe ich ausgezogen. Alles offen, brauche keinen Schutz. Der Sand unter meinen Nägeln fängt an zu reiben. Macht mich aufmerksam. Mein Blick senkt sich. Beinahe demütig, die Erinnerung an gestern taucht auf.
Kalter Asphalt bereitete mir Angst. Knallte mir Schaudern über den Rücken. Schlimmer noch, war das dunkle verrauchte Licht im Park. Die Bombe hatte kaum Luft zum Atmen übrig gelassen. Aber das Übel wurde weggesprengt. Die Nachwirkungen sind lediglich zu verdauen. Wir beide auf der Parkbank, weit weg von all den anderen. Fast am Ende. Bevor der nächste Stadtteil beginnt. Das war unser Platz, am Ende des Schusses. Am Anfang des Vertrauten.
Die Bombe war dein Geständnis. Ein Jahr wartete ich auf die Zündung. Trotz guter Tarnung und Optimismus glaubte ich selbst nie an eine Entschärfung.
„Ich habe getötet!“ Dein erster Satz. Drei Wörter, die keinen Schock auslösen. In mir zumindest. Sah ich dir beim Morden doch schon zu. So manches Mal war ich sogar glücklich darüber. Der Mord an sich entsetzt mich nicht. Viel unerträglicher sind unbeantwortete Fragen. Wen traf es? Oft wünschte ich, ich wäre zu gleichem fähig. Vielleicht war ich das auch. Nur der Akt, der war mir nicht bewusst. Vielleicht deshalb nicht so radikal effektiv. Sondern schleichende Veränderungen. Sanfte Übergänge und Vermischungen. Selten eine radikale Ausrottung.
Im Park war ich wieder direkt dabei. Wollte dir zusehen, von dir lernen. Und das Wichtigste, die Veränderung vom ersten Augenblick an sehen. Das Licht verschwand langsam. Meine Aufregung wurde größer. Bis zu dem Punkt, an dem noch die winzigste Steigerung mich um den Verstand gebracht hätte. Ich wollte wissen, wer das Opfer war. Dieses Mal.
Ich verspürte natürlich Angst, ich könnte betroffen sein. Direkt. Angst, ich müsste mit dem Rauch abziehen. Indirekt bin ich es immer. Oder leblos liegen bleiben, alleine zurückgelassen. Ich kenne einige deiner Taten, deine Hinrichtungen. Diese, die den nächsten Moment grundlegend verändern.
„Nähe, sie macht mich krank!“ Dein zweiter Satz. Wie eine Krankheit fühlt sie sich an. Und die eine Frau in mir, sie zieht diese Krankheit immer wieder an. Ihr wird schlecht davon. Nur sie ist es, die über Nähe so denkt. Dennoch infiziert sie die anderen. Sie ist stark genug. Nicht genug damit, selbst dich wollte sie packen! Deshalb musste sie heute sterben, ich habe sie getötet.“
Eiskalt mit dieser Klinge. Die Bombe wurde mit ihrem Blut getränkt. Die Lebensflüssigkeit gesprengt. In der Luft versprüht und verbrannt.
„Ich hasste sie so sehr! Sie wollte uns trennen!“
Der Schnitt schmerzte noch während sie sprach. Es tat ihr weh. Im halb ausgeleuchteten Park, zwischen dem Rauch war es zu spüren. Töten lässt nicht kalt. Ich bin ebenfalls starr, die Kälte macht das ihre. Ich bin beeindruckt von der Kaltblütigkeit. Keine Scheu vor dem Verlust dieser Persönlichkeit. Ich bin fasziniert und glücklich über ihren Mut.
Wir sitzen hier. Sand zwischen meinen Zehen und auf ihrem Rücken. Langsam rinnt er von meinen Händen. Wir haben Zeit genug. Vor uns liegt nichts. Nichts, das uns beunruhigen könnte.