Blutroter Morgen
Es gab viele Drachentöter im Land Islur,
viele derer, die dafür starben, den Drachen zu töten.
„Haltet ein“, rief Grossan, der in der Sonne eine erbärmliche Gestalt eines Wanderers abgab, dem Reiter hinterher. „Haltet ein und hört mich an!“ Seine Stimme war kratzig.
Der Reiter zügelte sein Pferd und blieb still im Sattel sitzen als der Gaul zum Stehen kam. Er hatte keine Zeit, denn in der Stadt Suria, noch drei Tagesritte ostwärts, wartete ein König auf ihn.
Grossan, der zu Fuß unterwegs war, rannte die Straße hinunter, um den Fremden einzuholen. Es war ein heißer Tag. Die Sonne schien dem alten Mann schon seit Stunden auf den Kopf und verbrannte ihm langsam die alte, faltige Haut. Der Fremde wartete. Stolz und in eine silberne Rüstung gekleidet, saß er auf einem schwarzen, kräftigen Pferd, das keine Bewegung machte.
„Ihr seid einsam, Herr, dass Ihr einen Mann in Eile ansprecht, ohne ihn je gesehen zu haben“, sagte der Reiter. Er war sichtlich verwundert, dass er hier draußen, Tage von einer Stadt entfernt, angesprochen wurde.
„Ich bin Grossan. Ich komme aus Anaris; wenige Tage nach Westen, diese Straße entlang“, entgegnete der alte Mann mit keuchender Stimme. Die Sonne machte ihm wirklich zu schaffen. „Ihr habt nicht zufällig Wasser für mich?“ Grossan hielt seinen Wasserschlauch in die Höhe und der Reiter sah das Loch, das im Leder klaffte.
Erst jetzt blickte er den bekutteten Wanderer an und fing seinen Blick ein. „Sir Justan Tiz aus Suria. Hier nehmt das Wasser und werdet glücklich damit. Ich muss weiter.“
„Wartet, Herr“, rief Grossan.
Widerwillig hielt der Mann sein Pferd zurück.
„Einer wird sterben“, sagte Grossan „Einer, der mit mir den Weg teilt wird sterben. Ihr teilt mit mir den Weg und seid bis heute der Einzige.“
Justan Tiz blickte misstrauisch auf den Mann herunter: „Ihr kommt aus Anaris? Dann hört mich an. Suria, die Stadt Casanundras, die Stadt der Göttin hat mich gelehrt, dass ich behütet sei; alle Zeit. Deshalb sage ich, meine Herrin, die über dem König steht, flüstert mir zu, ich solle betend zu Bett gehen und werde ewig leben. Also redet keinen Unfug, denn die, der ich bedingungslos diene, hält etwas Großes für mich bereit.“
„Die Gläubigen heißen nicht umsonst Gläubige, Herr. Es ist ein Glaube an eine schützende Hand, kein Wissen, was Ihr mit euch tragt. Hört meinen Rat und geht nicht zu eurem König. Er wird Euch in den Tod schicken und keiner wird Euch beistehen.“
Justan war empört, beugte sich zu Grossan hinab und riss ihm den Wasserschlauch aus der Hand. „Ungläubiger!“ Er merkte nicht, dass er sein Ziel, den König Surias, nie erwähnt hatte. „Ich werde sehen, was die Herrin mir entgegnet, wenn ich Eurem Rat nicht folge. Und ist es der Tod, der auf mich wartet, halte ich meine Arme auf und heiße ihn willkommen, denn er ist erst der wahre Anfang und ich fürchte ihn nicht.“
Mit diesen Worten wandte sich Justan ab und gab seinem Gaul die Sporen. Die Straße verlief eben und Grossan, der regungslos am Wegesrand verharrte, starrte dem Reiter noch lange hinterher, bis er am Horizont verschwand.
Die Welt war schon ewig dem Glauben verfallen. Grossan war alt und wusste von den Kirchen dieser Welt. Jede rief andere im Himmel an, und doch sagten alle dasselbe. Die Erziehung brachte jeden zu seinem Gott. Angst war über die Menschen gekommen und unter der Herrschaft der Großen Drachen im Westen verfielen viele der Hilflosigkeit. Sie klammerten sich an die Übermächte – Ardrivis, Myrmenis und all diese weltlichen Namen. Doch verschwunden sind die neuen Herrscher des Kontinents nicht. Kadur wird wie damals von den Bestien der alten Zeit heimgesucht. Mit den Gebeten der Kirchen könnte man Bücher füllen, die selbst das Meer nicht mehr verschlucken würde, und doch brachte kein Flehen und kein Bitten die Erlösung.
Justan Tiz fegte die Straße entlang und hatte den alten Mann schon fast vergessen. Sein Pferd schnaubte in einem steten Rhythmus. Die Hufe schlugen wild auf die teils sandige, dann wieder gepflasterte Straße. Diesen Weg war Justan schon oft geritten. Als Kind kam er mit vier Jahren das erste Mal hier entlang. Seine Eltern schickten ihn aus, um dem Glauben der Familie zu folgen.
„Suria ist dein Schicksal und das ritterliche Leben unter der schützenden Hand der Göttin der Morgenröte deine Bestimmung“, sagte sein Vater immer. Als seine Eltern starben, klammerte er sich an seinen Glauben und erfuhr die priesterliche Fürsorge der surischen Kirche. Unter ihr wuchs er zu dem heran, was er jetzt war.
Vier Tage lang ritt Justan mit aller Kraft die Straße entlang und ein viertes Mal sollte es wieder Abend werden. Hinter ihm im Westen ging der Tag zur Neige und Justan wurde müde, als plötzlich am Horizont ein Schatten auftauchten, der am Ende der Straße den Horizont säumte. Dort musste Suria liegen. Er war schon einige volle Mondzeiten nicht mehr dort gewesen. Irgend etwas war anders. Der Schatten war so plötzlich da.
Justans Augen waren trüb vom Wind, der ihm kräftig entgegen blies. Er bremste sein Pferd und blieb stehen. Die Sonne ging in seinem Rücken unter und als die letzten blutroten Strahlen der brennenden Scheibe die Erde verließen, konnte Justan Rauch erkennen, der den Horizont säumte. Wie die wehenden Banner im Königshof stieg langsam Rauch auf. Suria brannte und bei einem zweiten Blick waren der Schatten wieder verschwunden.
Justan trieb sein Pferd an. Die Straße schien ewig und der Ritter dachte für Augenblicke auf der Stelle zu reiten. Die Sporen seiner Stiefel pressten sich tief in das Fleisch des hastenden Tieres, das unter den Schmerzen aufschrie. Die Hufe schlugen schneller und das tiefe Atmen seines treuen Gefährten wurde lauter.
Als er näher kam und erneut stoppte, um hinüber zur Stadt zu schauen, erblickte er wieder einen Schatten und er konnte erkennen, was es war. Im dunklen Rauch der brennenden Zinnen Surias schwebte ein Drache mit einem mächtigen Flügelschlag. Justan lief kalter Schweiß den Rücken hinab und sein Blick erstarrte. Er hatte noch keine Drachen gesehen. In Schriften der Priester und der Gelehrten wurden sie oft erwähnt, aber Justan war jung und unerfahren.
„Mein König“, stieß er mit leiser Stimme aus.
Der Ritter konnte das Feuer riechen. Der Dampf verbrannten Fleisches stieg ihm tief in die Nase, obwohl er noch mehr als eine Wegstunde zu Fuß entfernt war. Dann trieb er sein Pferd an und stürzte weiter in Richtung Osten. Tränen, vom Wind oder dem bevorstehenden Unheil, traten ihm in die Augen und im tiefen Rot der Abenddämmerung versuchte er seiner Furcht davon zu reiten.
Als er nur noch Augenblicke von den riesigen Mauern der Stadt entfernt war, stieg mit einem lauten Schrei ein riesiger Drache, schwarz wie der Nachthimmel über die Mauern. Zwischen den Flammen der Kirchtürme Surias zog er einen großen Kreis und Justan konnte den Flügelschlag hören, der dumpf durch die Abendluft hallte. Dann flog der Drache, einem Vogelschwarm gleich davon, nach Osten in die Berge.
Vor Erschöpfung fiel Justan vom Pferd. Der Gestank vom Feuer, dem verbrannten Fleisch und die Hitze der Flammen brachten ihn der Übelkeit nah. Wieder auf die tauben Beine gerappelt sank er am großen Westtor erneut auf die Knie und riss die Arme in den Himmel.
„Hilf, Herrin, denn deine Kinder sterben. Hilf!“
Justan musste sich mit den Händen abstützen, doch nicht einmal die eigenen Arme konnten ihn halten. Er brach zusammen. Sein Gesicht in den Sand der Straße gedrückt, verfiel er einer unausweichlichen Ohnmacht. Um ihn herum wurde es still.
„Wo ist deine Herrin nun, Justan“, fragte eine Stimme unter dem Lärm der wütenden Flammen, der ihn wieder zu Bewusstsein holte. „Wo sind all die Götter dieser Welt?
Justan hob den Kopf. Grossan stand vor ihm, einem Geist gleich erschienen und blickte ihn höhnisch an. Er reichte dem Ritter den Wasserschlauch und half ihm auf. Justan fühlte Verzweiflung in sich, aber sein Glaube war stark.
„Wie? Du hast gesagt...“
„Sag mir Justan, wo ist sie, wenn du sie brauchst. Du brauchst sie doch?“ Grossan ließ nicht locker. Er redete mit harter Stimme auf den geschundenen Mann in seinem Arm ein und reichte ihm immer wieder den Schlauch mit dem Wasser. Dann hob Justan seinen Kopf und blickte dem Westtor entgegen. Zwischen dem brennenden Holz des Tores verbarg Rauch die städtischen Straßen, doch ein Mensch zeichnete sich in den Rauchschwaden ab. Erst ganz leicht, doch dann wurde er immer deutlicher. Schwarz und unförmig stand unter dem Torbogen ein Mensch, ein Mann.
„Mein König“, schrie Justan auf. „Mein König!“ Er stieß Grossan weg und versuchte sich aufzurichten. Die schmerzenden Beine und die schwachen Arme machte es ihm schwer, aber er hielt sich und ging auf den Mann am Tor zu. Das Feuer verzehrte die Stadt mehr und mehr.
Auf der Brücke unter dem eingestürzten Bogen ging Justan im Angesicht des Mannes auf die Knie und senkte seinen Kopf. Dann drehte er sich um und schrie hinaus auf die Straße: „Das ist meine Göttin. Siehst du, alter Mann, dies ist nur durch meine Göttin.“ Grossan war verschwunden. Die Worte verhallten und nur Justans Pferd hörte seinen Herrn rufen, blieb aber still stehen.
Der Ritter zog den König aus den Flammen und brachte ihn vor die Stadt. Der König blickte seinen Erretter an, als er ihn vor Surias Mauern ablegte.
„Justan Tiz. Warum kommt Ihr so spät?“ Der König war erschöpft. Sein verbranntes Gesicht vermochte kaum noch, die Augen offen zu halten und die schwarze, raue Haut verbarg jegliches Gefühl. „Warum kommt Ihr so spät?“
„Warum ich spät eintreffe, mein Herr“, fragte Justan missmutig.
„Vor acht Tagen ersuchte mich ein Mann“, flüsterte der König. „Er sprach zu mir, wie zu einem Freund. Er sagte, ich sollte einen Boten nach Osten schicken, um dem schwarzen Drachen in den Bergen zu sagen, Suria beuge sich nicht, denn die Göttin der morgendlichen Röte behütet die Stadt. Dann sprach er, er würde einen Jungen senden, der dem Drachen die Klinge biete und dieser Junge kommt aus Westen. Er soll Kind Surias und Schüler Casanundras sein.
Er war töricht, dem König Islurs eine solches Angebot zu machen. Ich ließ ihn einsperren, doch am Morgen des neuen Tages war er verschwunden. Der Kerker war leer und meinen schnellsten Boten konnte ich nicht mehr finden.“
„Wie war sein Name, Herr? Welchen Namen hat er Euch gesagt“, fragte Justan mit leiser Stimme.
„Er sagte, sein Name sei Grossan aus Anaris. Warum geht ein Mann einen so weiten Weg junger Ritter und trägt dann dem König solch Schwachsinn vor?“ Der König senkte die Lider erneut. Die Müdigkeit kam über ihn und langsam schloss der Tod seine Hand um den Sterbenden.
„Mein König! Sagt mir, warum war der Bote fort?“ Der Mann in Justans Armen wollte sterben.
„Der Bote brachte die Nachricht nach Osten, zu ihm. Er kehrte unversehrt zurück. Ich selbst, sagte er, hätte ihm den Auftrag gegeben. Ich selbst hätte ihn geschickt? Ich habe ihn nicht geschickt.
Justan, der Bote sagte, zur Morgendämmerung, zu Casanundras Zeit würde der Drache kommen, um den Jungen zu sehen. Bis dahin sollte der Junge eintreffen, der ihm die Klinge entgegen streckt.“
Und um ein weiteres Mal schlossen sich die trockenen Augen des Königs. „Justan. Ihr. Warum seid Ihr zu spät?“ Dann verließ den Sterbenden die Kraft und sein Kopf sank still zu Boden. Die trockenen Augen starrten in den düsteren Himmel, dem der Rauch der brennenden Stadt entgegenstieg. Mit der goldenen Krone auf dem Haupt starb der König Islurs in Justans Armen.
„Nein Herr, der Drache, er war zu früh. Er war zu früh.“
Justan legte den leblosen Leib des Königs nieder und stand auf. Er hatte Tränen im Gesicht. Die Nacht nahm den Trauernden auf. Der Rauch trieb ihn wieder an die Grenze der Übelkeit. Schweren Schrittes wankte er hinüber zu seinem Pferd, stieg in den Sattel und bäumte sich auf. Mit dem gezogenen Schwert und der heißen Luft des Feuers schrie er der brennenden Stadt entgegen: „Bei dem König von Suria und im Namen der Herrin des Morgens, finde ich dich Grossan und die Klinge, die du meinem König schicken wolltest, schneidet dir deine eigene Kehle durch und trennt dem Drachen das Herz aus der Brust.“
Der Ritter, der erneut Mut in sich fand, steckte den silbern blitzenden Stahl wieder ein und ritt der Nacht entgegen. Im Galopp an der Stadtmauer entlang sah Justan die Verwüstung des Drachen. Tore und Dächer waren verbrannt und in wenigen Stunden würde nur noch eine riesige Ruine aus Stein und Staub diese Gegend besiedeln. Dann ging der Mond auf.
Die ganze Nacht hindurch streifte Justan auf seinem Pferd im schnellen Schritt die Wege nach Osten entlang. Die Berge am Horizont sahen in der Finsternis aus wie Zähne eines Hais, aufgereiht um mit scharfen Kanten den Himmel zu durchschneiden. Die riesige Silhouette rückte stetig näher und unter den großen Schatten des Gebirges stieg Furcht in Justan auf. Die warme Nachtluft blies seicht in sein Gesicht, als sich vor ihm die Berge öffneten. Immer näher gelangte er an den massiven Fels und dann stand er plötzlich davor. Ein kleines Tal zwischen hohen Gipfeln erstreckte sich im Dunkel und ein Pfad drang tiefer in die Berge hinein. Justan konnte den Weg, der hineinführte, nicht wirklich erkennen, folgte ihm aber langsam. Er musste sein Pferd beruhigen, das unter der erdrückenden Enge anfing zu tänzeln und sich ab und an aufbäumte. Ihm selbst war ebenso unwohl.
Nach einigen Biegungen des Weges stand der Ritter vor einem dunkeln Tor, das in den Fels gehauen war. Einer Höhle gleich legte sich Dunkelheit auf die Schwelle des Eingangs. Der Pfad führte hinein. Justan folgte ihm.
Der Ritter war abgestiegen und hielt sein Pferd an den Zügeln, aber es war keine Höhle, die beide hier durchschritten, denn wenige Meter nach dem Torbogen tat sich der bedrückende Fels auf und Justan stand mit seinem Pferd auf einem kleinen Plateau. Unter ihren Füßen - die Dunkelheit verbarg noch vieles - erstreckte sich ein winziges Tal von nächtlicher Schönheit. Unter den Sternen der Nacht floss ein Fluss durch die Berge und in einem See, inmitten der Idylle spiegelte sich der Mond.
Doch die Stille wurde jäh unterbrochen, als ein dumpfer Flügelschlag aus der Finsternis an Justans Ohr drang. Sein Pferd tänzelte wieder und machte Anstalten zu fliehen, doch Justan hielt es fest. Beide drängten sie sich in eine Ecke im Fels, um unbemerkt zu bleiben und zu warten. Es war nichts zu sehen. Wieder hörte Justan das Geräusch von Flügeln, als würden Tausende Vögel im Takt ihre Schwingen senken. Dann vernahm er hinter sich Schritte. Langsam und widerhallend lief jemand durch den Durchgang. Er blickte in das Tal hinab, dann wieder in den Durchgang und erschrak, als vor ihm im Tal ein großes schwarzes Biest vom Gipfel eines Berges herab stieg und sich am See still wie ein Geist niederließ.
Dort war er, ein Drache, schwärzer als die Nacht. Vielleicht war es dieser, der Suria nieder brannte. Justan war sich sicher und umklammerte mit seiner Hand fest den Griff seines Schwertes. Er war bereit in die Dunkelheit zu stürzen und dem Drachen den Tod zu bringen.
Justan hatte nur in seinen Träumen Drachen getötet. Welcher Junge hatte nicht solche Träume. Aber er hatte von den legendären Drachentötern Islurs gehört. Diese Wesen waren nicht unsterblich, das wusste er.
„Casanundra steht dir bei“, drang eine Stimme fragend aus der Dunkelheit.
Grossan. Die Schritte im Durchgang hatte Justan ganz vergessen.
„Du Bastard. Dich suche ich ebenso, wie ich ihn dort suche.“ Justan zeigte mit dem Finger in das Tal hinab.
„Deine Klinge schneidet durch meine Kehle. Das sagtest du doch, oder?“
Justan hörte nicht auf die Worte, sondern versuchte den Drachen im Auge zu behalten, der unbehelligt Wasser trank.
„Warum hast du den Drachen geschickt, Grossan?“
„Der Bote war schnell, und Casanundra hat ihn geleitet“, sagte Grossan. „Ist es nicht so? Warum war er dann so schnell, zu schnell. Hätte sie ihn doch aufgehalten. Hätte sie dich doch eher gerufen. Deine Herrin hätte viele Möglichkeiten gehabt, zu verhindern, was geschehen ist, doch sie hat es nicht getan.“
„Die Göttin hat ihre Gründe, auch wenn ein Mensch sie manchmal nicht versteht“, entgegnetet Justan zornig.
„Fragst du dich manchmal, Justan, warum sie die Welt, Islur, Suria oder gar dich im einzelnen schützt? Die Gestirne sind groß und der Tiefenhimmel so weit, warum dich? Aber sie hat ihre Gründe, Justan, dessen bist du sicher.“
Justan brach aus sich heraus.
„Ja, sie hat ihre eigenen Gründe.“
Der Drache regte sich.
„Natürlich hat sie das, Justan. Sie hat immer ihre Gründe, ihre eigenen Gründe. Und auch jetzt hat die Göttin ihre Gründe. Ist es nicht so?“
Als Grossan diese Worte sprach, stiegen die ersten Sonnenstrahlen über die Berggipfel auf der anderen Seite des Tales und der Durchgang hinter Justan wurde mit Licht geflutet. Justan warf einen Schatten in die schwindende Dunkelheit und von fern sah man ihn in seiner silbernen Rüstung strahlen - eine Gestalt im Durchgang auf dem Plateau.
Der Drache am Grund der Berge blickte auf und sah sie kommen, die Morgensonne. Dann blickte er herüber zu Justan und sah ihn in seiner vollen Pracht. Justan zog sein Schwert aus der Scheide und erstarrte. Mit festem Griff hielt er die Klinge in der Hand. Mit ein, zwei, drei Flügelschlägen war der schwarze Tod in der Luft und stürzte sich auf den Ritter. Justan stand da, fest entschlossen auf dem Plateau des Tales, und er hielt das Schwert in der Hand, die Arme vor sich geschlossen.
Grossans Stimme hallte durch den Morgen: „So wolltest du dem Tod nicht begegnen, Justan: mit geschlossenen Armen und Furcht im Gesicht.“
Es gab viele Drachentöter im Lande Islur,
doch keiner trug den Namen Justan, keiner.
[ 25.05.2002, 11:30: Beitrag editiert von: Razhiel ]