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Blutiger Sand

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11.05.2018
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Blutiger Sand

Balder spürte wie ihm die heiße, sengende Sonne den Nacken verbrannte und konnte vor seinem inneren Auge bereits sehen, wie sich seine Haut pergamentartig abschälte. Es war schmerzhaft, doch hatte es nun keine Bedeutung mehr. Er hatte den Kampf gewonnen, er hatte überlebt.
Wie oft er diese niederschmetternde Tortur noch durchmachen konnte, ohne schließlich aufzugeben, konnte er selbst nicht sagen. Es war Folter, jedes Mal aufs Neue. An so etwas konnte sich ein Mensch unmöglich gewöhnen.
Raue, sonnengebräunte Hände schlugen ihm zur Gratulation auf den narbenübersähten Rücken, tiefe Stimmen brandeten ihm entgegen als er in das untere Quartier zurückkehrte. Der Erfolg tat gut, doch es zählte nur der nächste Kampf.
Die Arena war ein gigantisches, beeindruckendes Bauwerk aus hellem Gestein. Der Sand hatte sich an einigen Stellen fast schwarz vor Blut gefärbt. Viele waren heute gestorben, zu viele...
Mit jedem der unfreiwilligen Gladiatoren, die sie unbarmherzig und kaltblütig aus den Verliesen und Kerkern zerrten, starb nicht nur ein Mensch, sondern auch ein Teil der Hoffnung, eines geknechteten, besiegten Volkes.
Die Gandrell waren aus dem Süden, über den weiten, blauen Ozean gekommen. Ihre Schiffe waren voll beladen mit Waffen, Giften und Männern, in deren Augen strahlend die Blutgier flackerte. Unter dem erbarmungslosen Kommando ihres Anführers, der als der Engel bezeichnet wurde, hatten sie Balders Volk, die Valren, niedergemetzelt.
Noch heute, nach all den Qualen, hatte der muskulöse Hüne die Statue des Freiheitskämpfers Glendale, noch detailgetreu vor Augen. Eine aufrecht stehende, langbärtige Gestalt aus Marmor, in deren Augen, der Überlieferung zufolge, das Feuer der Freiheit brannte. Glendale war damals, im letzten Krieg der Valren alt gewesen, alt und doch barst er geradezu vor Mut, Tapferkeit und Willenskraft.
Oft hatte Balder, unter der Statue auf dem großen Marktplatz, zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn gebetet. Doch als die kaltblütigen und machtgierigen Gandrell die Lande mit Blut und Feuer übersähten, hatten ihnen auch ihre hoffnungsvollen Worte nichts nützen können. Es zählte nur der Stahl einer silbernen Klinge.
Die Usurpatoren hatten alle männlichen Valren, die groß und stark genug erschienen, aus ihren einstigen Leben heraus gerissen und sie zu brachialen Kriegern geformt. Einige, so wie der einfache aber kraftvolle Balder, die im letzten Krieg des gebeugten Volkes gekämpft hatten, hatten sie zunächst in dunkle Kerker geworfen, um sie dort verrotten zu lassen. Dann waren ihnen vermutlich irgendwann die Gladiatoren ausgegangen und sie hatten auf eine weitere Ressource zurückgegriffen, die Gefangenen, die in madenverseuchten Zellen vor sich hin vegetierten.
Der bärtige Hüne hob den Blick und sah heruntergekommene Männer in zerschlissener Kleidung, über und über von unbehandelten Verletzungen jedweder Art gezeichnet. Hier unten mussten diejenigen hausen, die weniger als drei Kämpfe siegreich überstanden hatten. Gewann ein Kämpfer weitere Male, in der vor Hitze flimmernden Luft der Arena, während ihn das frenetische Gebrüll der Zuschauermassen niederdrückte, konnte er in die weiter oben gelegenen Quartiere ziehen, die deutlich besser ausgestattet waren.
Auch dort standen noch überall bewaffnete Wachen der Gandrell, in ihren aufwändigen, blutfarbenen Uniformen herum, doch besaß man dort den Luxus, das die gefährlichen Verletzungen versorgt und behandelt wurden und das man als Kämpfer mit neuer Kleidung, frischem Wasser und Wein, sowie gutem Essen versorgt war.
Unten gewährten sie den Männern nur das Nötigste, doch das war nicht viel. Balder hatte von einem Mann namens Agren gehört. Er war so etwas wie ein Held der Arena, denn er hatte viele blutige und schweißtreibende Kämpfe gewonnen. Auch die Gandrell feierten und liebten ihn.
Die Valren erzählten sich, hinter vorgehaltener Hand, das er in seinem Quartier so fürstlich lebte, wie ein Prinz und es ihm an nichts mangelte. Agren, so sagten sie, wäre fast so beliebt, wie der Engel, der ungebrochene Herrscher, der diesen traurigen Krieg für sich entschieden hatte.
Balder hatte immer anerkennenden Respekt vor den Leistungen anderer gezeigt, er fragte sich jedoch, ob das was Agren tat, nicht Verrat an seinem eigenen Volk war. Viele hatten Balder bereits als Dummkopf bezeichnet, doch wenn es darum ging das Richtige zu tun, machte er sich oft eine Menge Gedanken und zermaterte sich seinen Kopf.
Die Erschöpfung floss schließlich wie Blei, durch seinen Körper und er ließ sich rückwärts in das stinkende Stroh sinken, das ihnen hier unten als Bett diente. Als Balder seine schweren Lider schloss, spürte er kaum noch etwas, außer der angenehmen weichen Decke dunklen Schlafes, die sich wie kurzzeitiges Vergessen über seinen geschundenen Verstand legte...

Seine Träume waren jedoch so unbarmherzig, wie das Herz eines Soldaten. Er erblickte den geschändeten, toten Körper seines Bruders, auf einer lebendigen, grünen Wiese. Damals hatte er versagt, obwohl er ihn hätte beschützen müssen. Doch der Junge, von damals 16 Jahren war feige geflohen. Seitdem war das Kämpfen für ihn zur heiligen Pflicht, zum Zwang geworden. Als könnte er so seinen Bruder in das Reich der Lebenden zurück holen, hatte er sich jeder Konfrontation gestellt, ohne die Furcht in seinem Herzen zuzulassen.
Das Bild seines Bruders verfloss in wabernde Nebelschwaden. Die sengende Sonne brannte, wie ein Speer aus dem quälenden Dunkel des Alptraumes hervor, die Arena erschien vor seinem inneren Auge. Das Schicksal gebot Balder, den überlebten Kampf ein weiteres Mal zu ertragen.
Das Schwert in seiner Hand zitterte, es regte sich kein einziger Windhauch. Stählerne Stille floss über die Zuschauerränge, als sich quietschend und kreischend, das große Eisengitter, auf der anderen Seite der Arena, des leichengetränkten Höllenschlundes hob. Welche dämonische Scheußlichkeit, welche Groteske Abstrusität unterweltlichen, unmenschlichen Seins, hatte der Engel, der wie der strahlende Schöpfer über allem residierte, dieses Mal auserkoren, um gegen die armen, gebeutelten Valren in den Ring zu steigen?
Rote, hasserfüllte Augen loderten in schwarzem Schatten auf. Pfote um Pfote schob sich das erwählte Untier ins Freie. Menschen schrien vor Überraschung und grausamer Verzückung auf, einer der Valren neben Balder brach kreischend und sabbernd im Sand zusammen.
Der riesenhafte, dreiköpfige Löwe brüllte so markerschütternd den blauen Himmel an, das selbst Balder vor Ehrfurcht erzitterte. Er packte sein Schwert in der Linken fester und begann zu Rennen. Aus dem Augenwinkel beobachtete er eine tragische Szenerie. Ein Gladiator erkletterte die steinerne Umgrenzung des Höllenschlundes, doch die Zuschauer bewarfen ihn mit vielen, schweren Gegenständen und er stürzte zurück.
Ein Mann, er war kleiner als Balder, rannte vor ihm und verschwand plötzlich in einem heißen Hitzestrahl. Dieses widerwärtige Ding konnte Feuer speien, wie ein urzeitlicher Drache. Die verkohlte Gestalt des Gefallenen fiel, Balder sprang mit einem Satz über sie hinweg und stand dem teuflischen, totbringenden Wesen Auge in Auge gegenüber. Vermutlich würde keiner der Männer, diesen Tag überleben.
Der mittlere der zahnbewehrten Rachen öffnete sich langsam und verheißungsvoll. Balder rollte sich zur Seite und presste sich flach auf den Boden. Hitze leckte mit brennender Zunge über seinen ungeschützten Leib, doch er war noch am Leben. Einer der Kämpfer stieß einen sagenhaften Kriegsschrei aus, das Schwert im Sprung erhoben. Ein Weiterer näherte sich der Flanke des Tieres, wenn man es so bezeichnen konnte.
Die Valren-Klinge schnitt durch zähes Fleisch, als das Untier den Kopf des Mutigen, in seine gebogenen Fänge schloss. Blut floss. Balder sah, wie der Kämpfer sich von der Seite zögerlich näherte. Er hob sein Schwert, es blitzte in der Sonne auf, wie ein strahlender Stern. Zu langsam.
Die Fangzähne des hungrigen Dämons rissen genüsslich ein weiteres Opfer. Qualvolle Schreie brandeten gen Himmel, die Zuschauer johlten vor grausamen Vergnügen. Balder realisierte seine Chance blitzschnell. Vermutlich war es seine Einzige.
Er richtete sich auf, spurtete dem Scheusal entgegen und rammte seine Klinge, mit aller Kraft in dessen Fleisch. Ein reißendes, widerwärtiges Geräusch erklang, das Untier brüllte vor Schmerz. Zwei silberne Klingen ragten jetzt, wie die unheilsbringenden Schwingen eines Todesengels, aus seinem abnormen Leib hervor. Langsam und zitternd hauchte es, unter den brennenden Strahlen einer gnadenlosen Sonne, sein niederes Leben aus.
Balder hörte das Klatschen und die Rufe der Zuschauer und hasste sie, mehr denn je...

Als er sich aus den dichten Schwaden eines traumgetränkten Schlafes hervorkämpfte, spürte der gutherzige und gleichzeitig brutale Hüne, kaltes Metall an seiner Kehle. Einen Augenblick blinzelte er verwirrt, dann war er voll da. Der Valre packte den Arm seines Peinigers mit unnachgiebigem Griff und zog ihn fest nach unten. Fast gleichzeitig hatte er seine geballte Faust auf die Hand, die den langen Dolch hielt, niedersausen lassen, sodass dieser in einem Moment der Überraschung, dem fremden Angreifer, aus den Fingern glitt. Ein schwacher Hauch des Schmerzes flackerte an seinem gebräunten Hals auf, doch Balder ignorierte ihn.
Männer schrien, Eisen prallte klirrend auf Eisen. Ohne genau zu wissen, gegen wen sie kämpften, stürzte sich Balder, mit dem Mut des Überlebenden, ins Getümmel. Er konnte sich flinker und behändiger bewegen, als seine Körperstatur dies vermuten ließ. Drei Männer brachte er zu Fall, bevor eine tiefe Stimme energisch aufflammte.
"Genug!", gebot sie.
Balder blinzelte. In der Düsternis der Nacht, konnte er nur verschwommene Schemen ausmachen. Und dann weiteten sich seine Augen vor Überraschung, als der Mann sich näherte.
"Du hast dich bewährt, Krieger", sagte Agren, der Held der Arena.

Der Krieger fühlte sich in der neuen Umgebung ein wenig unwohl. Erneut schlich sich die Frage in seinen Schädel, ob Agren durch all den Genuss seiner fast schon luxuriösen Ausstattung nicht in gewisser, subtiler Art Verrat an den Valren beging. Als er sich umsah, entdeckte er teure Vasen, ornamentgeschmückte Stühle und Tische und blitzende Waffen aus glänzendem Stahl, die nur zur Dekoration an den Wänden hingen.
Agrens Quartier konnte sich wahrlich sehen lassen. Kein anderer Gladiator konnte sich so viele Rechte und Freiheiten herausnehmen, wie er. Wie viele Kämpfe gegen abstruse Monstren hatte er bereits gewonnen? Vermutlich waren es über hundert...
Balders Blick wanderte langsam zu dem bernsteinfarbenen Getränk in seiner Hand. Es handelte sich um jahrelang eingelagerten Whiskey. So etwas hatte er seit gefühlten Äonen nicht mehr zu Gesicht bekommen, geschweige denn die Möglichkeit, sich daran zu laben.
Balders Bruder hatte Zeit seines Lebens, jedes alkoholische Getränk verurteilt, doch leider war seine Lebenszeit nicht allzu lang gewesen... Eine bleierne Schwere hüllte das Herz des Gladiators, bei diesem erdrückenden Gedanken ein. Dann forderte ein starrer Blick aus strahlend blauen Augen, seine Aufmerksamkeit.
"Ich glaube, sie haben langsam genug von mir. Ich glaube langsam wollen sie mich loswerden. Es ist mir gelungen, ein paar Informationen zu meinem kommenden Kampf einzuholen. Aller Wahrscheinlichkeit nach, wird es mein letzter Kampf sein. Vielleicht möchte der Engel den Valren zeigen, das keiner von uns in seiner Hölle lange überleben kann. Immerhin ist das hier jetzt sein Reich und wir sind kaum so viel wert, wie seine Sklaven."
"Und deswegen hast du dich entschieden, dich mit dem erstbesten Mann aus den unteren Quartieren, zusammen zu setzen und zu trinken?" fragte Balder. Sein Blick ruhte wachsam auf seinem Gegenüber, seine Sinne waren angespannt.
Agren lachte. Es war ein ehrliches, schallendes Lachen, wie es sich nur wenige unter der Herrschaft der fremdländischen Gandrell bewahren konnten. Es war das Lachen eines echten Kämpfers, der trotz all des Schmerzes und des Blutes immer noch daran glaubt, das etwas existiert, für das es sich zu kämpfen lohnt.
"Nein", erwiederte Agren kopfschüttelnd.
"Ich brauchte jemanden, der wirklich Mut hat und kämpfen kann. Ich brauche einen Verbündeten. Natürlich habe ich zuerst an Krieger aus den oberen Quartieren der Arena gedacht, immerhin haben sie ihre Stärke und ihr Geschick bereits mehrfach unter Beweis gestellt. Doch mit welcher Begründung sollte ich den Botschaftern des Engels gegenüber treten?
Nein ich musste eine andere Lösung finden. Und dann habe ich deinen Kampf beobachten können und habe die Jubelrufe der Bastarde gehört, die sich tagtäglich in ihre schönsten Gewänder kleiden und die neuesten Duftkreationen auflegen, nur um dann tausende im blutigen Todeskampf zu beobachten. Wusstest du, das Arenakämpfe mittlerweile einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft erlangt haben? Sie sind eher den Wohlhabenden vorbehalten und eignen sich vortrefflich um den neuesten Klatsch und Tratsch auszutauschen.
Aber was ich eigentlich sagen wollte war, das ich ihre Schwäche entdeckt habe. Sie lieben eine gute Show. Dafür riskieren sie alles. Und das bedeutet, wenn der Engel sich eine gute Show von meinem Kampf verspricht, darf ich eventuell gewisse Vorschläge machen. Du mein Freund, lieferst genau das: eine Show. Hast du die wachsende Begeisterung für dich, in den Herzen der Gandrell gespürt?
Eigentlich war dieser Kampf nicht viel mehr als eine Opferung, ein kleiner Einstand um sich auf die richtigen Kämpfe einzustellen. Niemand hat etwas erwartet, nicht gegen so eine Bestie, wie den dreiköpfigen Löwen... und dann kamst du und hast ihn zerlegt!"
Balder wandte sich ein wenig ab. Er hatte diese Bestie nicht zerlegt, um ein Haar wäre es genau andersherum gewesen.
"Also habe ich dich getestet. Keine Sorge, ich habe ihnen gesagt, sie sollen niemanden wirklich tiefe Verletzungen zufügen. Und wie ich festgestellt habe, bist du vermutlich der Beste, den ich bekommen kann. Also was sagst du, wirst du zusammen mit mir, gegen den bösartigsten aller Teufel antreten, den der mythische Kerker des Engels zu bieten hat?"

Balder hatte kaum eine Wahl gehabt. Natürlich hatte er, wenn auch mit einem dunklen Gefühl im Magen, zugestimmt. Alleine seine eisenharten Prinzipien, verboten ihm, einen Mann in Todesangst abzuweisen. Und vielleicht war dieser Agren, gar nicht so ein schlechter Kerl. Hatte Balder sich damit selbst zum Tode verdammt? Wahrscheinlich ja.
Jetzt jedoch, war es zu spät um umzukehren. Der Engel, der hoch oben in seinem gewaltigen Turm residierte, hatte einen weitläufigen, unterirdischen Irrgarten aus Zellen, Kammern und Gruben ausheben lassen. Der größte Kerker der Welt.
In diesem waren all seine hübschen Scheusale untergebracht, die nur zum Töten aus der Finsternis entlassen wurden. Direkt danach, wurden sie wieder in ihre Zellen gesperrt.
Der Kerker bestand aus verschiedenen Ebenen, die sich unendlich tief in die Erde hinab bohrten und im tiefsten, dunkelsten Loch schlief die Mutter allen Grauens. Ein Wesen, das einfach nur als Furcht bezeichnet wurde.
Balder wagte kaum, sich die abnormale Ausgeburt von Missgestalt und Widerwärtigkeit vorzustellen, die tödlcher war, als alles was er bisher in seinem Leben erblicken musste.
Doch jetzt musste er schlafen, also hinab in sein Quartier. Furcht wartete auf ihn.

Die Sonne brannte noch heißer, als während des letzten Kampfes, obwohl dies kaum möglich schien. Tausende waren gekommen, niemand ließ sich ein solches Ereignis entgehen.
Als der Hüne seinen Blick schweifen ließ, konnte er die fast schmale Silhouette des Engels auf seiner, reich geschmückten Empore sehen. Sein Gesicht war blass und jungenhaft, seine Gestik hatte etwas weibliches. Balder konnte kaum glauben, das das der Mann war, der sein gesamtes Volk in tyrannische Knechtschaft getrieben hatte. Flammen kaum zu beherrschenden Zorns, sprudelten aus seinem Herzen.
Agren, die beiden Hünen waren gleich groß, stand neben ihm. Es würde der Kampf des Jahrhunderts werden. Egal wie er auch ausgehen mochte, der Engel würde seine Show bekommen. Dieser Gedanke ließ den Strom der Flammen in Balders Herzen, noch höher Schlagen. Der Engel gewann immer.
Langsam und quietschend öffnete sich das Schwere Eisengitter. Die beiden, im Tod verbrüderten, sogen scharf die Luft ein. Undurchdringliche Stille breitete sich über den Sand.Dann huschte ein Schatten unter der Empore des Engels hervor.
Balder hatte angenommen, etwas irrsinnig Großes würde sich hinter dem Gitter hervorwälzen, doch dem war nicht so. Furcht war anderer Natur...
Agren nickte Balder zu und Seite an Seite, stapften sie durch die aufgeheizten Sande.
"Was siehst du?", fragte der Sieger so vieler Kämpfe und Balder kniff angestrengt seine Augen zusammen.
Kurz zögerte er.
"Ich sehe... mich selbst. Aufrecht, siegessicher und mit einer blutigen Klinge in der Hand. Das soll die Furcht sein?"
"Und ich sehe nicht dich, sondern mich selbst. Ebenfalls überlegen und siegessicher."
Balder hätte schwören können, das der Engel in diesem Moment, durchtrieben grinste.
"Es macht keinen Unterschied", sagte Balder.
"Wir müssen töten, was da kommt."
Also näherten sie sich vorsichtig der mysteriösen Gestalt. Sie heftete ihr Augenmerk auf Agren. Dieser umkreiste sie, in genau gesetzten Schritten und versuchte kurze, gezielte Angriffe, doch sie schlugen alle fehl.
Balder fiel bald auf, das Furcht Agrens Bewegungen aufs Genaueste kopierte. Er war wie sein Spiegelbild. Wie sollte man einen solchen Gegener vernichten?
Gemeinsam versuchten sie, dieses dämonische Ding in Bedrängnis zu bringen, doch dieses Unterfangen schien, schon nach kurzer Zeit aussichstslos. Jeder Angriff wurde durch einen Angriff ausgeschaltet, jeder Konter wurde gekontert.
Bald keuchte der Held, so vieler Kämpfe, während der Schweiß auf seiner Stirn glitzerte. Seine Beine zitterten, sein Brustkorb hebte und senkte sich zu schnell. Das war also der letzte Trick des Engels.
Balders Wut, hatte sich in ermüdende Frustration gewandelt. Er sah keinen Ausweg mehr, hatte kaum noch Hoffnung. Dieses Ding war sie selbst und wie sollten sie sich selbst besiegen?
Der Hüne machte einen Schritt auf Furcht zu. Er musste dieses Ding ablenken, irgendwie, sonst würde sein Bruder im Kampfe keinen einzigen Treffer setzen können. Er rief sich das Bild Glendales ins Gedächtnis, als könnte der Gedanke an den verehrten Freiheitskämpfer ihm neue Kraft schenken. Dann konzentrierte er sich und rief die Flammen der Wut, in seinem Herzen erneut wach.
Diese Bastarde, die da um ihn herum auf ihren Plätzen saßen, tranken und sich von ihm gebannt unterhalten ließen, hatten ihm alles genommen, was ihm je etwas bedeutet hatte. Seine ganze Familie, in brodelndem Hass sinnlos abgeschlachtet... niemals würde er ihnen das verzeihen!
Er trat vor, noch ein Schritt und noch ein Schritt. Die Kraft pulsierte, wie ein brennender Fluss durch seinen Schwertarm. Die Klinge schien in freudiger Erwartung zu vibrieren. Und dann rammte der Dämon, mit der Kraft des höllischen Fegefeuers, Agren die Klinge in den, um Atem ringenden Leib.
Balder entglitt vor Überraschung ein dünner Schrei. Er hatte gewusst, das das passieren könnte, dennoch war er auf diesen zerstörerischen Moment nicht vorbereitet gewesen. Nun war er ganz allein. Allein mit diesem widerwärtigen, tödlichen Ding, das ihn um keinen Preis der Welt verschonen würde... Er musste sich etwas einfallen lassen.
Mit herkömmlichen Mitteln, schien dieses Wesen nicht zu schlagen zu sein. Es war ein Trick des Engels, ein verschlagenes, teuflisches Spiel. Vielleicht konnte er selbst auf eine Art Trick zurückgreifen.
Was machte die Furcht aus? Wovon lebte sie, wovon ernährte sie sich? Und dann fiel ihm etwas ein, etwas, das er bisher nicht beachtet hatte.
Agren hatte die Furcht nur flüchtig mit seinem Blick gestreift. Sonst fokussierte er seine Gegner und die Meisten duckten sich unter der Last seines Blickes weg. Doch hier war es anders gewesen. Sobald man Furcht ansah, stieg ein unangenehmes Gefühl der Vorahnung in Balder auf, wie ein stechender Nagel, der von Sekunde zu Sekunde wuchs.
Es war erst sein zweiter Kampf, doch mit diesem überraschenden Sieg, würde er Geschichte schreiben! Er trat auf die düstere, urgewaltige Macht zu, die in allen Menschen, auch in den Gandrell schlief. Seine Klinge fiel, mit einem sanften Aufprall in den Sand. Dann packte er fest den Kopf seines Doppelgängers und sah ihm tief in die Augen. Sein Herz schrie und es fühlte sich an, als würde sein ganzer Körper in zwei Hälften gerissen, doch er wandte seine Augen nicht ab, obwohl dünne Rinnsale glitzernder Tränen, daraus hervorliefen.
"Ich sehe dich an", presste Balder, unter Aufbringung all seiner verbliebenen Kraftreserven hervor.
"Also hast du keine Macht mehr über mich. Verschwinde! Verschwinde, auf der Stelle!"
Und Furcht tat, was ihm befohlen wurde.

 

Hallo @Slin!

Willkommen bei den Wortkriegern.

Ich hatte Probleme, in deinen Text reinzukommen, weil ich mir aufgrund der mageren Informationen, die du mir gibst, kein Bild machen kann.
Balder hat also unter sengender Sonne gekämpft. So weit, so gut. Ich mache mir ein Bild, weil das nunmal das ist, was man als Leser tut: Ich sehe einen Zweikampf in der Wüste. Zuschauer habe ich mir nicht vorgestellt, daher werde ich überrascht/verwirrt, wenn andere Menschen auftauchen. Dann zauberst du Quartiere aus dem so (wie ich ihn mir vorstelle) unberührten Wüstenboden. Dann zauberst du eine Arena her und ich denke nur noch: Hä?
=> Was ich damit sagen will: Denke daran, dass der Leser nur das sehen kann, was du ihm hinschreibst. Versuche, dem Leser von Anfang an ein klares Bild zu geben, sonst wird der Leser immer wieder verwirrt, was für deinen Text nicht gut ist.

Andere Anmerkungen:

"die heiße, sengende Sonne"
=> Adjektive, die nichtsagend und/oder total überflüssig sind, solltest du am besten streichen. Wenn die Sonne sengt, ist klar, dass sie heiß ist.

"narbenübersähten Rücken"
=> Übersät, von Saat, also ohne h. Aber mach dir auch das Bild dazu: Saat, also Samen, kleine Punkte. Hat er also kleine punktförmige Narben auf dem Rücken? Ist das das richtige Bild? Wenn nicht, dann beschreibe es anders.

Nochmal Adjektive:
"Die Arena war ein gigantisches, beeindruckendes Bauwerk aus hellem Gestein."
=> Was kann sich der Leser darunter vorstellen? Großes Bauwerk aus hellem Stein. Hm, das ist nicht viel, was ich mir da vorstellen kann. "Beeindruckend" sagt dem Leser nichts, weil es eine Wertung deines Erzählers ist. Aber was ist für deinen Erzähler beeindruckend? Weiß ich nicht, ich kenne seine Maßstäbe nicht. Apropos Maßstäbe, ich weiß auch nicht, was für deinen Erzähler gigantisch ist. Zwei Fußballfelder groß? Eins? Zehn? Hoch wie das Empire State Building? Kleiner? Wenn ja, wie klein, bzw, hoch?
=> Eben das ist das Problem mit Adjektiven. Wenn du Adjektive nutzt, dann nimm starke, solche, die dem Leser ein konkretes Bild vermitteln. Oder umschreibe anders.

"Mit jedem der unfreiwilligen Gladiatoren, die sie"
=> "Sie" ist wer? Mach nicht nur vage Andeutungen, sondern erzähle dem Leser Konkretes. Der Leser möchte sehen, was sich da in deiner Geschichte abspielt.

Übrigens, kennst du "show, don't tell"?
Das hier zum Beispiel: "Unter dem erbarmungslosen Kommando ihres Anführers, der als der Engel bezeichnet wurde, hatten sie Balders Volk, die Valren, niedergemetzelt." => ist reines Tell. Der Leser bekommt etwas erzählt. Der Leser kann nur aus großer Distanz erahnen, was da vor sich geht/ging. (Ich weiß nicht mal, ob diese Völker menschlich sind oder irgendwie anders.)

Der Leser möchte viel lieber dabei sein, zusehen.

Soll mir Balders Volk leid tun? Tut es nicht, denn ich weiß nichts über Balders Volk. Womöglich ist das Volk eines, das seinerseits alle konkurrierenden Völker/Stämme aus der Umgebung abgeschlachtet hat, kann ich ja nicht wissen, weil du mir nichts über dieses Volk erzählt hast. Es ist möglich. Vielleicht ist das Vorgehen der Grandells eine gerechte Strafe für Balders Volk?

=> Was ich mit all dem sagen will: Schreibe immer detailiert/konkret, damit sich der Leser das vorstellen kann, was du erzählen willst. Nur dann wird der Leser bis zum Schluss an deinem Text dranbleiben.

Grüße,
Chris

 

Hallo Chris Stone,

erstmal vielen Dank fürs Leben und Tipps geben. Das was du über meinen Anfang geschrieben hast, finde ich einleuchtend. Das werde ich noch mal überarbeiten, um direkt ein eingängiges Bild zu erzeugen.

Den Tipp mit Show don`t Tell habe ich bereits an anderer Stelle bekommen und hab ihn mMn in diesem Text schon sehr viel umgesetzt. Tell-Elemente sind ja nicht viele vorhanden und manchmal finde ich sie angemessen, deshalb würde ich sie gerne beibehalten.

Ja Balders Volk sollte die ein wenig leid tun, da muss ich wohl noch mal ran ;)

Vielen Dank, Gruß

Slin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Slin,


Balder spürte wie ihm die heiße, sengende Sonne den Nacken verbrannte und konnte vor seinem inneren Auge bereits sehen, wie sich seine Haut pergamentartig abschälte.

Finde ich für einen Einstiegssatz sehr ausschweifend. Es muss nicht immer Telegramm-Stil sein, aber wenn du zumindest am Anfang (gern auch darüber hinaus) kurz und knackig und eher adjektivarm schreibst, erleichtert es einem das, in den Text hineinzukommen: Die Sonne verbrannte Balder den Nacken.


Wie oft er diese niederschmetternde Tortur noch durchmachen konnte, ohne schließlich aufzugeben, konnte er selbst nicht sagen

Hier auch so, ohne "niederschmetternd" fließt es gleich besser ab. In Adjektiven verstecken sich ja meist Dinge, die die Geschichte erzählen soll. Also bevor man einfach schreibt, dass das die "große" Liebe war, lieber Szenen schreiben, die ein Bild von dieser Größe entstehen lassen.


die sie unbarmherzig und kaltblütig aus den Verliesen und Kerkern zerrten, starb nicht nur ein Mensch, sondern auch ein Teil der Hoffnung, eines geknechteten, besiegten Volkes

Einmal noch: Dass die da rausge"zerrt" werden, da steckt das Unfreiwillige mit drin, also "unfreiwillig und kaltblütig" raus.


im letzten Krieg der Valren alt gewesen, alt und doch barst er geradezu vor Mut,

Komma vor und


Dann waren ihnen vermutlich irgendwann die Gladiatoren ausgegangen

Du hast bis dahin einen allwissenden Erzähler, deshalb musste ich hier ein bisschen schmunzeln.


Unten gewährten sie den Männern nur das Nötigste, doch das war nicht viel.

Warum "doch"?


Er war so etwas wie ein Held der Arena

"So etwas wie" raus. Und "Held" klingt sehr positiv für so eine unfreiwillige Schlachtplatte.


Die Valren erzählten sich, hinter vorgehaltener Hand, das er in seinem Quartier so fürstlich lebte, wie ein Prinz und es ihm an nichts mangelte.

Die Valren erzählten sich hinter vorgehaltener Hand, dass er in seinem Quartier so fürstlich lebte wie ein Prinz und es ihm an nichts mangelte.


der diesen traurigen Krieg

Wer wertet den Krieg als "traurig"? Der Erzähler?


Balder hatte immer anerkennenden Respekt

Ein allerletztes Mal, weil einen das wirklich anspringt: "anerkennender Respekt", das ist wie "zornige Wut", da reicht echt eines von beiden.


Die Erschöpfung floss schließlich wie Blei, durch seinen Körper

Komma raus


angenehmen weichen Decke dunklen Schlafes, die sich wie kurzzeitiges Vergessen über seinen geschundenen Verstand legte...

Er schloss die Augen und schlief sofort ein.


Doch der Junge, von damals 16 Jahren war feige geflohen.

Kommaregeln solltest du nochmal checken. / sechzehn


Stählerne Stille

Was soll das sein?


totbringenden

tod


die Zuschauer johlten vor grausamen Vergnügen. Balder realisierte seine Chance blitzschnell.

grausamem / das deutsche "realisieren" heißt etwas anderes als das englische "to realize"


rammte seine Klinge, mit aller Kraft in dessen Fleisch. Ein reißendes, widerwärtiges Geräusch erklang

Erstes Komma raus, und warum sollte ein Stich ein "reißendes" Geräusch verursachen?


spürte der gutherzige und gleichzeitig brutale Hüne,

Und dann auch noch so nebenbei! Zeigen, solche Eigenschaften!


Erneut schlich sich die Frage in seinen Schädel

fragte er sich


Rechte und Freiheiten herausnehmen

Freiheiten ja, aber Rechte nimmt man sich nicht heraus


Wie viele Kämpfe gegen abstruse Monstren

Erstens weiß man wieder nicht, woher diese Wertung stammt, und zweitens klingt abstrus als fragte er sich, wo die all diese billigen B-Movie-Gummiviecher herbekommen.


war, das ich ihre Schwäche entdeckt hab

dass


wie den dreiköpfigen Löwen

Da spricht die Figur mit der Stimme des Autors.


Balder wandte sich ein wenig ab.

Das ist so wie "Er sah sie kurz an", das passiert mir auch öfter. Balder wandte sich ab.


sie sollen niemanden wirklich tiefe

Niemandem


Alleine seine eisenharten Prinzipien, verboten ihm, einen Mann in Todesangst abzuweisen

Erstes Komaa raus, und "Mann in Todesangst" verrät alles, was wir bisher über Agren wissen. Er ist kein Idiot und weiß, dass er beim nächsten Kampf Hilfe braucht, aber er ist doch kein Weichei.


Sand.Dann

Sand. Dann


etwas irrsinnig Großes

Teeniesprache


Furcht war anderer Natur...

Bitte?

Warum Horror? Wegen der Monster? Das ist eindeutig Fantasy. Im Herrn der Ringe gibt es auch Werwölfe. Ist aber kein Horror, weil die Geschichte nicht in unserer Welt verortet ist, sondern in einer, in der es Werwölfe nunmal gibt und das auch für niemanden eine Überraschung ist. So wie hier. Das ist der Unterschied.

Ich hab das Gefühl, du hast dir Spartacus (Serie), Gladiator und Game of Thrones reingetan, hast dich mehr als gut unterhalten gefühlt und entsprechend Inspiration daraus gezogen.

Völlig okay. In der Geschichte steckt das Potenzial für ein spaßiges Guilty Pleasure. Eine Story, von der ich weiß, dass sie keine Kunst ist (und auch nicht sein will), und die sich ganz bewusst mit vollen Händen bei anderen bedient.

Das Problem sind vor allem die Formulierungen und Dialoge. Da versucht die Geschichte, mehr zu sein als sie ist, und das ist dann immer der Moment, in dem es cheesy wird. Mal exemplarisch:

"Was siehst du?", fragte der Sieger so vieler Kämpfe und Balder kniff angestrengt seine Augen zusammen.
Kurz zögerte er.
"Ich sehe... mich selbst. Aufrecht, siegessicher und mit einer blutigen Klinge in der Hand. Das soll die Furcht sein?"
"Und ich sehe nicht dich, sondern mich selbst. Ebenfalls überlegen und siegessicher."

Das ist so ... beknackt. "Ebenfalls überlegen und siegessicher" - Du willst rüberbringen, dass sie sich selbst sehen, und packst ihnen das in die Dialoge, was die denkbar schlechteste Entscheidung ist.

Also mein Tip wäre: Geschichte so lassen (straffen kommt natürlich immer gut), aber einfacher schreiben. Statt "der glühende Sonnenmoloch frittierte die Kämpfer in ihren Rüstungen" einfach "Es war heiß".


Willkommen im Forum!


Grüße
JC

 

Hallo Proof,

Danke fürs genaue Lesen ;) Da in meiner letzten Geschichte angemerkt wurde, das zu viele Tell-Elemente vorhanden sind, war mein Ziel dieses Mal einfach mehr handfeste, greifbare Spannung zu erzeugen mit einer stärkeren Sprache.

Deshalb ist sie natürlich auch nicht ultra tiefsinnig. Aber wie du schon meintest, ist das ja nicht schlimm.
Und nein, Kommata sind nicht meine Freunde ;)

Ich freue mich auf jeden Fall, ein Forum wie dieses gefunden zu haben.

Viele Grüße
Slin

 

Spannung zu erzeugen mit einer stärkeren Sprache. Deshalb ist sie natürlich auch nicht ultra tiefsinnig.

So natürlich finde ich das jetzt nicht, das widerspricht sich ja nicht grundsätzlich.

 

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