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Blutende Hände

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20.11.2018
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Anmerkungen zum Text

Ein sehr kurzer Text, der etwas abgedreht ist und dennoch nicht nur aus leeren, ineinander verstrickten Worten besteht.

Blutende Hände

Dunkle Wolken ziehen über das helle, klare Land. Bitter funkelnde Lava sprudelt aus der grauen Erde und hinterlässt tiefe Fußabdrücke aus Dunkelheit. Ein Vogel flieht wie ein kristallener Schimmer in die grüne Ferne. Nur ein Funke, ja ein kleiner goldener Reiz schwebt nieder auf das nun graue Land.
Dann schießt eine Fontäne aus neuer Dunkeheit in die zähe Luft, fegt den Vogel durch das verblassende Tal, versenkt ihn in der vor Lava glühenden Erde. Zuckend flattert das Lied der Natur durch den aufsteigenden Rauch.
Das einzige, das bleibt, ist die verdrehte und unaufhaltsame Zeit, die die Natur zwingt weiter zugehen.
Die Zeit, die dem hilft, der sie nicht kennt und die Natur kennt sie gut.

In der grünen Ferne rennen die Geschöpfe des Waldes davon, während die Wurzeln an den Armen des Jungen, Frischen ziehen, sodass sie ihrem Grauen ausgesetzt sind.
Das Grauen, dessen Objekt ihr Blut ist, abhängig von dem verrinnen der Zeit. Nicht einmal belebendes Wasser trägt die Farbe grün.
Nicht einem jene Macht, Freude, Luft, Wärme und Sorge werden vom Sterben im düsteren Nebel abgehalten. Nein, sie versinken mit den offenen Augen, welche lachen und gleichzeitig schreien. Im gesamten Wald fühlt man die Leere, die karges Land aufdeckt, geschaffen aus Hohn, der aus blutigen Händen entspringt.

Klares helles Wasser entspringt aus dem zuerst niedergefallenen Funken, verdeckt in einer dichten Hülle geschmolzenem Schnee. Es pflanzt sich einen Weg durch die plastische Luft, entzweigt langsam und verwurzelt jedes Chromosom in einem Bild, aus allem. Und dennoch ist es nichts. Rauschende Wellen aus nicht sichtbarem Glück schlängelen sich an den Fäden des toten Fleisches entlang und versuchen vergeblich Hoffnung zu spenden. Doch es nur tote Fliegen, die einst summten verfangen sich in flascher Hoffnunf und so erweitert sich langsam das nun gelbe Spinnennetz aus gestorbener Hoffnung.
Hält das Land fest, ohne es zu halten, es fällt und fliegt dabei gegen den Gewitterhimmel. Von Zeit zu Zeit verschwindet alles klare, das jemals existierte.
Hinterlässt eine einsame Leere, die wie ein schwarzes Loch, das beginnt zu schreien.
Ohne Worte schreibt das Loch die Welt neu, windet sich stechend durch die Nichtexistenz.
Anschließend kratzt es sich seinen Weg weiter voran und reißt an den Wunden aus der unbarmherzigen Zeit, herausläuft eine neue Welt, angeführt vom Wasser und vom Wald.

Jedoch verstrickt sich auch die Wut, der Hass, die Tendenz zur Fälschung und die Leere wie ein lauerndes Unheilsnetz auf der weiten, hellen, jungen Fläche brennend und schwache Haut verätzend. Letzlich sind zeitlosen blutige Hände, geschaffen aus Verantwortung jene, die niemals verschwinden.

 
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Hei @Wortspielerin,

ganz herzlich willkommen! (Sori, ich finde grad die Zitierfunktion für einzelne Textstellen nicht mehr, daher deinen Part in fett.)

Dunkle Streifen ziehen durch das helle, klare Land.
Als ich mit dem Satz fertig war, hatte ich die ‚dunklen Streifen‘ vergessen, weil mir das mit dem ‚hellen, klaren Land‘ gefiel. So kann man eigentlich nicht sinnvoll eine Landschaft beschreiben, aber es ist hübsch schräg und gibt mir einen guten ersten Eindruck vom Erzähler. Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen eine Häufung von Adjektiven, wenn die ungewöhnlich sind, dem Satz einen besseren Rhythmus geben und ich den Eindruck habe, sie sind nicht wahllos gesetzt, i.e. aus Faulheit. Dann fallen mir die Streifen wieder ein, und ich stoße mich daran, dass ein ‚sich‘ fehlt – ich nehme mal an, die ziehen sich durch etwas, wie die Risse von Torfabbau oder die Siele im Watt. Ohne ‚sich‘ klingt das, als würden die da mit einem eigenen Antrieb durch die Landschaft laufen wie Wanderer oder eine Pferdeherde, und dann hab ich ein unfreiwillig komisches Bild hier. (Klar, man sagt auch ‚Wolken ziehen über den Himmel‘, aber das ist eben physikalisch möglich, wenn auch Jet Streams - streifige Wolken - zu hoch sind, um herumzuziehen.)

Also, dass ich all diese Assoziationen bekomme, spricht nicht für deinen Einstieg – und das ‚dunkle‘ sollte raus, weil a) drei Adjektive bei aller Liebe ein Overkill sind, das b) keine zusätzliche Information bietet und c) das die anderen beiden Adjektive eben wahllos und faul gesetzt aussehen lässt.

Schmerzende Lava explodiert aus der grauen Erde und hinterlässt zitternde Fußabdrücke aus tiefer Dunkelheit. Ein junges Reh, es flieht wie ein goldener Schimmer in die grüne Ferne, ein Funke, nur ein kleiner goldener Reiz schwebt auf die Gräue. Wie eine feuernde Fontäne schießt der Kern in die zähe Luft, schreit das Reh durch das Tal und klappert kämpfenden durch die nasse Erde.
Wiechen? (Meine Reaktion war: What the actual fuck?! Aber du bist neu, ich schätze auch deinen Mut, einen solchen sicher ziemlich persönlichen/emotionalen Text hier einzustellen, und möchte mal höflich sein).
Schmerzende Lava – das geht so nicht, nicht als Symbol, als Bewusstseinsstrom, sonstwas – dies ist ein literarischer Text, also: Ein Autor arbeitet mit Sprache, um dem Leser etwas mitzuteilen. Irgendwie klingt das wie ein billiger 70er Jahre Porno. Surrealismus, assoziatives Schreiben, Symbolismus ist alles okay – aber auch das braucht einen sinnvollen Aufbau, eine ordnende Hand der Autorin, ihre Ideen in eine ästhetische UND zumindest in Ansätzen nachvollziehbare Ordnung zu bringen. Alles andere ist Automatisches Schreiben, und das ist sicher eine gute Übung, aber für fremde Augen / Veröffentlichung ungeeignet.

Das Wort ‚Gräue‘ existiert nicht (ein Funke schwebt oder leuchtet im Grau, von mir aus, das hätte auch eine gewisse Härte, die dem gesamten Text fehlt). Fußabdrücke zittern nicht, weder im konkreten, noch in irgendeinem übertragenen Sinne. Dann ist das Reh (Bambis Mutter ist tot!) ein dermaßener Kitsch-Overkill, dass es mich nun echt komplett aus dem Text wirft. Sori, bei allem gutem Willen, bei sowas kann und will ich nicht mehr mitgehen.

Das Reh klappert? As in: Gerippe? Hufe klappern (obwohl das ein sehr grober Ausdruck in all diesem Drama ist), aber dann auch sicher nicht in nasser Erde.

Das einzige, das alles ist, was bleibt, ist das Wunder der Zeit.
Der Text wechselt öfter unvermittelt die Perspektive zwischen symbolschweren, sehr persönlichen Assoziationen und Behauptungen (XY ist soundso), was es einem erschwert, hier einen Protagonisten oder zumindest Erzähler zuzuordnen – eigentlich liest sich das wie zwischengeschobene Aussagen, die die Autorin machen will, wenn sie mal mit den Bildern eine Pause machen muss (keine Unterstellung, sondern mein Leseeindruck!). Auch die zerfaserte Erzählperspektive macht das Erfassen von etwas wie Plot, Prämisse, Setting etc. sehr mühsam.

Zuckend flattert das Lied durch den zehrenden Rauch.
Zehrend heißt etwas sich einverleiben, wovon nicht viel da ist. Das ergibt für mich zusammen mit Rauch absolut kein Bild.

Nur die Zeit, die nichts ist, hilft dem, der sie nicht kennt.
Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Nicht nur, weil etwas, das nicht ist, auch nix kann. Sondern, weil die Zeit willenlos und unbelebt ist, quasi ein neutrales Konzept (ich sag das mal so, weil sich Astrophysiker immer noch streiten, ob es ‚Zeit‘ überhaupt gibt).

Das Blut ist das Objekt, das Rinnen des Blutes ist abhängig von der Zeit.
Ein Objekt wessen oder wofür? Nicht das Rinnen ist abhängig von der Zeit, sondern entweder auch alles andere oder gar nichts, eben besser: das Rinnen als eine Bewegung/Veränderung selbst beschreiben. (Zeit ist ja nur durch Veränderungen wahrzunehmen.)

lechtzend -> lechzend (Vorsicht: Fehler in Pathostexten erzeugen Komik = Ironie entsteht durch die Diskrepanz zwischen dem Gesagten und der Aussage.)

Zeit und Blut und Macht und Freude und Luft und Atem und Wärme und Sorge.
Wieder so eine Behauptung, die da so reingegrätscht wird, und die Hälfte davon sollte gestrichen werden, um für fremde Augen eine Assoziationskette ansatzweise nachvollziehbar zu machen.

Ich breche hier mal ab.

Da ich nicht genau weiß, was du eigentlich schreiben wolltest, fällt es mir ein bissl schwer, dir einen Tipp zu geben. Aber egal, was deine Intention war, würde ich raten:
- Aus all den Assoziationen maximal vier dominante Bilder herauszusuchen, die du passend und sinnvoll einsetzt und vor allem ein-/herleitest – auch im Sinne eines Plots (selbst wenn das mehr eine innere Handlung denn Action ist).
- Eine in sich stimmige (auch stilistisch stimmige) Erzählstimme zu schaffen, die nicht wechselt zwischen auktorial und die der Autorin.
- Weniger Pathos! Und stimmige Bilder, das meine ich durchaus im physischen/physikalischen Sinne. Also mehr Nachvollziehbarkeit schaffen (das muss ja nicht Mainstream sein). Schön wäre es, wenn die Bilder einen thematischen Fluss - also eine Art symbolischer Folgerichtigkeit, die auch von Fremdlesern erfasst werden kann – bilden würden.
- Wähle ein klares Thema, ein Bild, eine Sache, die du erzählen willst. Lass den Text eine Weile liegen und/oder lies ihn dir laut vor, um mehr kritische Distanz zu bekommen. Es liest sich, als hättest du dich zu sehr von deinen Worten treiben lassen und das dann uneditiert gepostet. Das ergibt selten einen guten Text.

Ästhetische Texte entstehen nicht automatisch durch die massive Anhäufung ‚schöner‘ Wörter, sondern durch die klare, individuelle Hand des Autors, der genau weiß, wohin er seinen Leser wie führt.

Kennst du das Gedicht „Der Gott der Stadt“ von Georg Heym? Das ist auch ziemlich dramatisch oder gar pathetisch, ein expressionistischer Text, der eine deutliche Kritik an der industriellen Großstadt ist. Das ist EINE klare, nachvollziehbare Symbolik, die sich durch das ganze Gedicht zieht, auch wenn die einzelnen Bilder der Phantastik und nicht der Realität entliehen sind.

Ich wär mal sehr gespannt, was du draus machst! Wirklich neugierig.
Viele Grüße,
Katla

p.s. Philosophisches kann ich hier nicht erkennen. Das bedingte, eine These und ihre Herleitung aufzustellen, und durch eine Kette von stark individualistischen Assoziationen allein ist das unmöglich. Und Seltsam enthebt einen Autoren nicht davon, einen literarisch gut strukturierten Aufbau und den Hauch eines Plots bzw. zumindest einer Prämisse zu leisten.

 

Hey @Katla ,
vielen Dank für Deine Kritik.
Ich wollte mal einen absurden Text schreiben, in dem jedes Wort, fast ausnahmslos, als Metapher gesehen werden kann und dem Leser freie Interpretationsmöglichkeiten (ebenso wie philosophische Gedankenfreiheit) lässt.
Ich werde meinen Text mal überarbeiten und die vielen ,,schönen" Adjektive auf mehrere Sätze verteilen. Vielleicht kann ich auch noch eine Person in den Text einfügen, die den Leser etwas mehr durch das ganze Wirrwarr führt.
Vielen Dank nochmal!

Liebe Grüße,
Wortspielerin

 

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