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Blut, Tränen und Scherben
Meine Welt brach auseinander.
Jedenfalls kam es mir in diesem Moment so vor.
Ich war voll und ganz damit beschäftigt, den Menschen zu verletzen, den ich über alles liebte. Ich war unglaublich gemein und unfair.
Kontrollieren konnte ich solche Wutausbrüche allerdings nicht. Die kamen immer so über mich. Ich hasste es, nicht das letzte Wort zu haben, wenn es darum ging sich anzuschreien und Sachen vorzuwerfen.
An diesem Tag jedoch, schien mir alles aus den Händen zu gleiten.
Ja, ich provozierte ihn und ja, ich ging zu weit.
Viel zu weit.
Ihm schien das nicht das Geringste auszumachen, so als habe er uns bereits aufgegeben. Er strafte mich mit einer hartnäckigen Ignoranz, welche mich traf, wie ein Schlag ins Gesicht.
Es machte mich wahnsinnig und ich ging bis zum Äußersten.
„Ruf mich nie wieder an.“, sagte ich kühl und mit einem abwertenden Blick.
„Versprochen.“, erwiderte er lässig und brachte mich damit zur Weißglut.
„Ich werde so schnell einen Neuen haben, so schnell kannst du gar nicht gucken und der wird es mir im Bett wenigstens besorgen, im Gegensatz zu dir.“
Das hätte ihn eigentlich schwer treffen müssen. Doch er erwiderte nur emotionslos
„Das würde mich für dich freuen.“
Ich konnte das einfach nicht glauben, war es ihm vollkommen egal, was ich ihm an den Kopf warf.
„Du brauchst nie wieder hierherzukommen.“ Ich strafte ihn mit einem Blick der Verachtung.
„Okay.“ Er nahm ein paar Stapel Hosen aus dem Schrank und packte sie in den Koffer.
„Was machst du da?“, fragte ich bissig und deutete auf den Koffer, der auf dem Bett lag.
Insgeheim wusste ich natürlich was er tat, ich hatte aber einen Hang dazu, die Sachen hören zu wollen, die ich leise dachte und die mich meistens, tief im Inneren, schwer verletzten.
„Packen.“, sagte er leise ohne aufzublicken.
In mir schrie etwas. Es nannte sich Verzweiflung.
Doch ich konnte sie nach außen nicht zeigen.
Ich würde nicht einfach so aufgeben.
Er durfte nicht gewinnen.
„Schön. Ach ja und die Kette hier kannst du wiederhaben.“
Voller Wut schmiss ich ihm die Kette vor die Füße.
Er blickte nicht auf und war immer noch am Packen.
„Kannst du behalten“, murmelte er und legte sorgfältig die letzten Kleidungsstücke in den Koffer.
In mir brodelte es unaufhörlich.
„Du bist ein Arschloch und feige, weißt du das?“, fragte ich herausfordernd.
„Wenn du meinst.“, sagte er knapp und begann damit den Koffer zu schließen.
„Ich verachte dich zutiefst.“ Das waren meine Worte, ich benahm mich unmöglich, das wusste ich.
„Das ist mir egal.“ Er nahm den Koffer und begab sich in Richtung Haustür.
„Ja hau‘ endlich ab, damit ich deine hässliche Visage nicht mehr sehen muss, du Idiot“, brüllte ich, obwohl ich innerlich weinte.
„Ich gehe doch schon.“
Es war so leise ich musste mich richtig anstrengen um seine Worte zu verstehen. Er war im Begriff zu gehen.
Ich konnte das nicht zulassen.
„Ich werde nie mehr auch nur einen Gedanken an dich verschwenden“, rief ich in meiner Panik.
„Ist in Ordnung“, seufzte er.
Gott, ich konnte es nicht ertragen wie nett er sich verhielt, konnte er mich nicht einfach anschreien und beleidigen. Jetzt erst kam ich so richtig in Fahrt: Ich nahm die hässliche Vase vom Hausflurschrank und warf sie gegen die Tür.
Sie zersplitterte und die Scherben waren über den ganzen Flur verteilt.
Jetzt endlich schaute er mich an, ich erwartete Hass in seinen Augen zu sehen, doch ich sah nur Trauer und Enttäuschung. Ich merkte wie mein Herz in Millionen kleine Stückchen zerbrach. Ich hatte ihn wohl für immer verloren, also konnte ich auch aufs Ganze gehen.
„Ich hasse mich dafür, mit dir etwas angefangen zu haben“, schrie ich aus vollem Leib.
Er sagte gar nichts und sammelte die Scherben auf.
„Lass das!“, kreischte ich hysterisch. Er sollte sich nicht schneiden,nicht wegen mir. Das sagte ich ihm natürlich nicht.
„Ich werde jetzt gehen.“ Er hatte die Türklinke schon in der Hand.
Ich hatte alles verspielt.
„Ich hab‘ dich sowieso nie geliebt,“ sagte ich voller Schmerz und so hart dass jeder andere sofort das Haus verlassen hätte.
Doch die Qualen, die ich innerlich in diesem Moment erlitt, waren nichts gegen die Qualen, die mich zu Boden zwangen, als er mir in die Augen schaute und ruhig sagte:„Ich weiß, ich habe dich auch nie geliebt, tut mir Leid.“
Ohne ein weiteres Wort verschwand er durch die Tür.
Ich sank zu Boden, in die Scherben, einige schnitten sich in meine Haut.
Er hätte die Tür zuknallen können.
Hatte er nicht.
Sie stand immer noch einen spaltbreit offen.
Ich brach zusammen und weinte.
Ich weinte nicht vor Schmerz, wegen der Schnitte, ich weinte um ihn und ein bisschen auch um mich weil ich zu stur gewesen war, weil ich grausam war, weil ich alles zerstört hatte und weil ich plötzlich nicht verstand, wie er es mit mir überhaupt hatte aushalten können. Am meisten weinte ich darum, dass er auch gesagt hatte, er habe mich nie geliebt.Das konnte ich ihm nicht einmal überlnehmen!
Blut, Tränen, Scherben alles befand sich auf dem Fußboden, auf dem ich kniete.
Plötzlich wurde mir etwas bewusst.
Ich stand auf mit blutigen Knien und rannte durch die Scherben nach draußen, ich rannte so schnell ich konnte. Ich drückte auf den Fahrstuhlknopf, doch das ging mir nicht schnell genug, also rannte ich die Treppe hinunter. Meine Knie und Füße schmerzten, doch es war mir egal. Als ich aus dem Haus lief bemerkte ich, dass jemand vor der Eingangstür saß, ein Koffer stand daneben. Ich setzte mich neben den Koffer, so dass dieser zwischen uns stand, für den Fall, dass er die Distanz wahren wollte.
„Was willst du mir noch an den Kopf werfen, dass ich noch nicht weg bin? Keine Angst ich gehe gleich!“
Jetzt konnte ich an seiner Stimme erkennen, wie verletzt er war.
„Ich war nie gut in sowas, ich war nie gut darin, zu sagen, dass ich etwas falsch gemacht habe. Ich kann es einfach irgendwie nicht. Ich weiß, ich habe dich tief verletzt. Ich bin eine Idiotin, ein Monster, ich habe dich gar nicht verdient. Ich werde dich wahrscheinlich aus Verzweiflung anrufen und mir nachts die Augen aus dem Kopf heulen. Andere Männer sind mir gleichgültig, da könnten Johnny Depp, Matt Damon und co einpacken. Ich will sie nicht. Als ich gesehen hab‘ wie du packst, hat es mich innerlich zerrissen, ich wollte dich anflehen nicht zu gehen. Stattdessen hab ich das Gegenteil getan. Die Kette ist die einzige Kette, die ich je tragen würde. Der Teppich sieht mit ihr darauf um einiges besser aus. Obwohl ich sie lieber aus Liebe zu dir tragen würden, auch wenn ich weiß, du fühlst nicht dasselbe für mich.“
Ich hielt kurz inne.
„Ich finde du bist der hübscheste, klügste und der mutigste Mann und wenn ich mich für jemanden opfern sollte, dann für dich!
Ich habe vorhin gelogen.
Ich habe dich immer geliebt, selbst als du mich noch nicht kanntest.
Ich habe abends vor deinem Haus gestanden und mir vorgestellt, ich wäre deine Frau und würde nach Hause kommen, krank oder?!
Ich habe deine Ex-Freundin nach dir ausgefragt mich mit deinen Kumpels gutgestellt.
Ich habe einen Kunstkurs belegt, um dich kennen zu lernen. Man könnte sagen, du warst mir alles andere als egal.“
Eine kurze Pause entstand dann endlich kam auch er zu Wort
„Weißt du was?“ Er schob den Koffer zur Seite so dass wir uns ganz sehen konnten. (es war ein großer Koffer ^^)
„Ich habe das gemerkt, ich wusste von Anfang an, dass du in mich verliebt warst, damals. Mir ging es nämlich genauso. Ich fand es unglaublich, was du alles getan hast, um mich kennen zu lernen. Ich hätte das gleiche getan und ich würde es immer noch tun.“
Ich konnte nicht anders ich musste lächeln.
„Ich weiß, dass du denkst, ich merke nicht wie emotional du in Wirklichkeit bist, du tust immer so hart um nicht verletzbar zu wirken, du hast Angst verletzt zu werden. Wir beide wissen warum, trotzdem brauche ich dich nur anzusehen und ich sehe die junge hübsche Frau, die so unsicher ist und Angst vor dem Alleinsein hat. Ich kenne dich und liebe dich wie du bist aber ich mache mir auch Sorgen um dich, du musst deine Gefühle öfter zulassen. Du brauchst nicht immer hart zu sein. Lass‘ es zu, dass jemand erfährt, wie du dich tief im Innersten fühlst, du brauchst dich nämlich für nichts verstecken. Ich weiß, dass du sehr fürsorglich bist, ich hab‘ gesehen wie du mit meiner Nichte umgehst. Du bist so lieb zu ihr und zeigst so wenig davon anderen gegenüber. Ich will, dass es dir gut geht und du unendlich glücklich bist, denn ich hoffe insgeheim, dass es irgendwann nicht mehr nur meine Nichte ist, zu der du so mütterlich bist, sondern unser gemeinsames Kind.“
Normalerweise hätte ich ihn jetzt leicht geschubst und ihm gesagt, wie kitschig sich das doch anhöre, aber komischerweise fand ich jetzt, dass die Idee nicht vollkommen abwegig war.
„Okay“, sagte ich nur und rückte näher an ihn heran. „Du musst mir öfter mal die Meinung sagen, das steht dir.“
Ich grinse leicht, dann überwinde ich mich nochmal und sage:
„Es tut mir Leid was ich alles gesagt habe, es war dumm und kindisch von mir.“
Ich schlucke und warte darauf, dass ich mich schwach fühle, aber dieses Gefühl bleibt aus. Stattdessen fühle ich mich irgendwie gestärkt und mutig.
Wow.
Wir kommen uns immer näher und schließlich küssen wir uns, zuerst ganz leicht, dann etwas leidenschaftlicher.
Als wir schließlich aufstehen und raufgehen wollen, fallen ihm meine Verletzungen auf.
„Du. Bist. In die Scherben gefallen?“ Besorgt begutachtet er meine Schnitte an den Knien.
„Und darüber gelaufen, ich musste dich doch aufhalten.“, fügte ich hinzu.
Daraufhin küsste er mich erneut und trug mich ins Haus.