Blut auf Haut
Ich schreibe mit Blut auf zarte weiße Haut. Die Adlerfeder ist scharf und spitz denn ich habe sie lange geschnitzt und so vermengt sich nun mein dunkles zähes Blut mit dem hellroten nun unnütz gewordenen Lebenssaft des kleinen Körpers.
Die Sirenen heulen in der ganzen Stadt und zeugen von der verzweifelten Suche nach dem Schrecken.
Ich bin es den sie suchen, ich bin der Schrecken der euch schlaflose Nächte bereitet, der euch verführt eure Kinder einzuschließen aus Angst ich könnte sie holen.
Und ich hole sie, nicht weil ich es will, nicht weil ich dabei Freude empfinde, nein ich hole sie, weil ihr es so wollt, weil ihr mich herbeigesehnt habt , weil ihr mich braucht, nicht ich euch.
Ich schreibe mit Blut auf Haut und weis, dass keiner von euch überrascht sein wird, wenn mich die Sirenen erreicht haben und ihr morgen von meiner Tat in der Zeitung lesen könnt.
Nur das was ihr schon immer gedacht habt ist nun eingetreten , nichts ist neu, nur eine Bestätigung eurer Gedanken.
Ich weis, ich hätte mich nicht von dem Strudel in den ihr mich gestoßen habt in die Tiefe ziehen lassen dürfen, hätte stark sein und euch ignorieren müssen.
Die zarte Haut wird allmählich kalt und starr. Vermischt mit meinen Tränen wird das auf ihr geschriebene morgen kaum noch zu lesen sein. Ich hoffe ihr könnt es noch lesen, wenn man uns findet.
Mein Vater war ein Mörder. Sechs Menschen hat er ermordet, mit einem Küchenmesser, schnell, effizient und eiskalt, nicht einmal geblinzelt hat er, als er die Kehlen seiner Opfer öffnete. Nur mich hat er verschont, seinen jüngsten Sohn, weil ich ihm so ähnlich sähe, hatte er mir ins Ohr geflüstert, als das Küchenmesser auch sein Herz durchdrang.
Man brachte mich, den kalkweißen, verängstigten, acht jährigen Knaben in ein staatliches Heim, denn alle Angehörigen zu denen ich hätte gehen können waren von meinem Vater ermordet worden.
Ich schreibe mit Blut auf Haut das Leiden meines Lebens, das Leiden eines Mörders Sohn.
Keine Schwester hatte etwas gesagt, aber die Kinder des Waisenheimes, so wie alle Menschen denen ich je begegnet bin, wussten wer ich, nein wussten was ich war.
Ich weis nicht, vielleicht konnten sie es in meinen Augen sehen, vielleicht sieht man in ihnen das blutige Messer geführt von meines Mörders Hand.
Nein, sie haben sich nicht verlesen und das dünne Blut hat das Wort auch nicht entstellt.
Ich wollte Mörder schreiben, denn nichts anderes ist er. Er tötete meine Zukunft, als er mich am Leben lies.
Die Kinder im Heim mieden mich, wo sie nur konnten, nicht weil sie mich nicht mochten oder weil ich hässlich war, sie mieden mich, weil sie Angst vor mir hatten, Angst vor meinen Augen und vor dem Messer was nie da war, aber da zu sein schien.
Ich habe ein einsames Leben gelebt, dabei liebe ich Gesellschaft, aber wo ich auch hinkam , sei es nun ins Heim, aufs Gymnasium oder auf die Uni, nie fand ich das Ersehnte, denn stets verrieten mich meine Augen.
Ich hatte Sex mit ein oder zwei Frauen, die es wohl geil fanden mit dem Sohn eines Monsters zu ficken, ja sogar diese Schlampen wussten es, aber es war nicht das, was ich wollte.
Was ich wollte war Freundschaft , Liebe und Respekt, nicht mehr und nicht weniger.
Durch die dicken fleischigen Regentropfen hindurch kann ich die blauen umherwirbelnden Lichter schon sehen. Sie tauchen kurz auf und verschwinden dann wieder im Schleier des dichten Regens. Wie Motten ums Licht schwirren sie um mich herum und werden mich bald finden.
Wie sehr habe ich mir ein normales Leben gewünscht, wie habe ich all diese Mittelschichtkinder mit einer geordneten Familie und all ihren belanglosen Freundschaften beneidet, deren einzige Sorge eine schlechte Note in Mathe ist. Ich hätte alles dafür gegeben dieses Leben, so langweilig es auch sein mag, führen zu können, aber es war mir nicht vergönnt, denn ich bin der Sohn eines Mörders.
Ihr habt mich nie als Mensch gesehen, egal was ich tat. Ich habe immer fleißig für die Schule gelernt, war im Schulchor, habe Fußball gespielt und immer die Kleidung getragen die gerade Mode war.
Ich war normal, mein Gott ich war sogar normaler als ihr alle zusammen und doch war ich immer das Monster. Früher in euren Augen und heute auf der Haut dieses schlaffen Menschenkörpers.
Ich bin so wie ihr mich immer wolltet, das Monster eurer kranken Phantasie, der Spiegel eurer dunkelsten Träume. Ihr habt mich erschaffen weil ihr mich braucht.
Vielleicht ist dies eine abgedroschene Phrase, eine Entschuldigung für all jene die ihr Leben nicht in den Griff bekommen.
Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft die Verantwortung für die Tat eines Einzelnen trägt, wenn er sie aus freiem Willen beging.
Ich bin bereit die Verantwortung zu übernehmen und die Rechnung zu bezahlen, aber ich will, das ihr wisst, das es nicht meine Rechnung ist. Ich habe die Speisekarte nie gesehen, ihr habt für mich bestellt.
Ich schreibe mit Blut auf Haut die letzten Zeilen meines Lebens, denn die Sirenen nahen und ich werde nicht in eure Arme laufen. Lange genug war ich die Schaufensterpuppe eurer perversen Phantasie. Ich sprenge das Glas und folge meinem Mörder.