Was ist neu

Blut auf Haut

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20.04.2002
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Blut auf Haut

Ich schreibe mit Blut auf zarte weiße Haut. Die Adlerfeder ist scharf und spitz denn ich habe sie lange geschnitzt und so vermengt sich nun mein dunkles zähes Blut mit dem hellroten nun unnütz gewordenen Lebenssaft des kleinen Körpers.
Die Sirenen heulen in der ganzen Stadt und zeugen von der verzweifelten Suche nach dem Schrecken.
Ich bin es den sie suchen, ich bin der Schrecken der euch schlaflose Nächte bereitet, der euch verführt eure Kinder einzuschließen aus Angst ich könnte sie holen.
Und ich hole sie, nicht weil ich es will, nicht weil ich dabei Freude empfinde, nein ich hole sie, weil ihr es so wollt, weil ihr mich herbeigesehnt habt , weil ihr mich braucht, nicht ich euch.

Ich schreibe mit Blut auf Haut und weis, dass keiner von euch überrascht sein wird, wenn mich die Sirenen erreicht haben und ihr morgen von meiner Tat in der Zeitung lesen könnt.
Nur das was ihr schon immer gedacht habt ist nun eingetreten , nichts ist neu, nur eine Bestätigung eurer Gedanken.
Ich weis, ich hätte mich nicht von dem Strudel in den ihr mich gestoßen habt in die Tiefe ziehen lassen dürfen, hätte stark sein und euch ignorieren müssen.

Die zarte Haut wird allmählich kalt und starr. Vermischt mit meinen Tränen wird das auf ihr geschriebene morgen kaum noch zu lesen sein. Ich hoffe ihr könnt es noch lesen, wenn man uns findet.

Mein Vater war ein Mörder. Sechs Menschen hat er ermordet, mit einem Küchenmesser, schnell, effizient und eiskalt, nicht einmal geblinzelt hat er, als er die Kehlen seiner Opfer öffnete. Nur mich hat er verschont, seinen jüngsten Sohn, weil ich ihm so ähnlich sähe, hatte er mir ins Ohr geflüstert, als das Küchenmesser auch sein Herz durchdrang.
Man brachte mich, den kalkweißen, verängstigten, acht jährigen Knaben in ein staatliches Heim, denn alle Angehörigen zu denen ich hätte gehen können waren von meinem Vater ermordet worden.

Ich schreibe mit Blut auf Haut das Leiden meines Lebens, das Leiden eines Mörders Sohn.

Keine Schwester hatte etwas gesagt, aber die Kinder des Waisenheimes, so wie alle Menschen denen ich je begegnet bin, wussten wer ich, nein wussten was ich war.
Ich weis nicht, vielleicht konnten sie es in meinen Augen sehen, vielleicht sieht man in ihnen das blutige Messer geführt von meines Mörders Hand.
Nein, sie haben sich nicht verlesen und das dünne Blut hat das Wort auch nicht entstellt.
Ich wollte Mörder schreiben, denn nichts anderes ist er. Er tötete meine Zukunft, als er mich am Leben lies.
Die Kinder im Heim mieden mich, wo sie nur konnten, nicht weil sie mich nicht mochten oder weil ich hässlich war, sie mieden mich, weil sie Angst vor mir hatten, Angst vor meinen Augen und vor dem Messer was nie da war, aber da zu sein schien.
Ich habe ein einsames Leben gelebt, dabei liebe ich Gesellschaft, aber wo ich auch hinkam , sei es nun ins Heim, aufs Gymnasium oder auf die Uni, nie fand ich das Ersehnte, denn stets verrieten mich meine Augen.
Ich hatte Sex mit ein oder zwei Frauen, die es wohl geil fanden mit dem Sohn eines Monsters zu ficken, ja sogar diese Schlampen wussten es, aber es war nicht das, was ich wollte.
Was ich wollte war Freundschaft , Liebe und Respekt, nicht mehr und nicht weniger.

Durch die dicken fleischigen Regentropfen hindurch kann ich die blauen umherwirbelnden Lichter schon sehen. Sie tauchen kurz auf und verschwinden dann wieder im Schleier des dichten Regens. Wie Motten ums Licht schwirren sie um mich herum und werden mich bald finden.

Wie sehr habe ich mir ein normales Leben gewünscht, wie habe ich all diese Mittelschichtkinder mit einer geordneten Familie und all ihren belanglosen Freundschaften beneidet, deren einzige Sorge eine schlechte Note in Mathe ist. Ich hätte alles dafür gegeben dieses Leben, so langweilig es auch sein mag, führen zu können, aber es war mir nicht vergönnt, denn ich bin der Sohn eines Mörders.
Ihr habt mich nie als Mensch gesehen, egal was ich tat. Ich habe immer fleißig für die Schule gelernt, war im Schulchor, habe Fußball gespielt und immer die Kleidung getragen die gerade Mode war.
Ich war normal, mein Gott ich war sogar normaler als ihr alle zusammen und doch war ich immer das Monster. Früher in euren Augen und heute auf der Haut dieses schlaffen Menschenkörpers.
Ich bin so wie ihr mich immer wolltet, das Monster eurer kranken Phantasie, der Spiegel eurer dunkelsten Träume. Ihr habt mich erschaffen weil ihr mich braucht.

Vielleicht ist dies eine abgedroschene Phrase, eine Entschuldigung für all jene die ihr Leben nicht in den Griff bekommen.
Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft die Verantwortung für die Tat eines Einzelnen trägt, wenn er sie aus freiem Willen beging.
Ich bin bereit die Verantwortung zu übernehmen und die Rechnung zu bezahlen, aber ich will, das ihr wisst, das es nicht meine Rechnung ist. Ich habe die Speisekarte nie gesehen, ihr habt für mich bestellt.
Ich schreibe mit Blut auf Haut die letzten Zeilen meines Lebens, denn die Sirenen nahen und ich werde nicht in eure Arme laufen. Lange genug war ich die Schaufensterpuppe eurer perversen Phantasie. Ich sprenge das Glas und folge meinem Mörder.

 

Moin Marot.

Mir hat deine Geschichte supi gut gefallen :thumbsup: :thumbsup:

Der erste Satz ist schon krass und ich befürchtete schon, eine Horrorgeschichte zu lesen (ich bin da nicht so ne ganz Harte :rotfl: )
Tolle Bilder, wenn auch teils grauslig und viele schöne sprachliche Züge. Auch der Aufbau gefällt mir, der ganz "harte" Anfang, der Brutale, der Schrecken, der Mörder und dann sein Leben, man bekommt fast Mitleid, aber eben nur fast.

Einige Kommafehler hast du noch drin:

Die Adlerfeder ist scharf und spitz denn ich habe sie lange geschnitzt und so vermengt sich nun mein dunkles zähes Blut mit dem hellroten nun unnütz gewordenen Lebenssaft des kleinen Körpers.
scharf und spitz, denn...
hellroten, nun unnütz gewordenen, Lebenssaft....

Ich bin es den sie suchen, ich bin der Schrecken der euch schlaflose Nächte bereitet, der euch verführt eure Kinder einzuschließen aus Angst ich könnte sie holen.
, eure Kinder einzuschließen, aus Angst, ich könnte sie holen.

Ich schreibe mit Blut auf Haut und weis,
weiß oder weiss

Nur das was ihr schon immer gedacht habt ist nun eingetreten , nichts ist neu, nur eine Bestätigung eurer Gedanken.
eingetreten, ...

Ich weis
s. o.

Vermischt mit meinen Tränen wird das auf ihr geschriebene morgen kaum noch zu lesen sein.
hier Nomen: das Geschriebene

acht jährigen Knaben
achtjährigen

Ich schreibe mit Blut auf Haut das Leiden meines Lebens, das Leiden eines Mörders Sohn.
auf Haut, das Leiden meines Lebens,...

Ich weis nicht
s.o.

Und ich hole sie, nicht weil ich es will, nicht weil ich dabei Freude empfinde, nein ich hole sie, weil ihr es so wollt, weil ihr mich herbeigesehnt habt , weil ihr mich braucht, nicht ich euch.
Der Satz gefällt mir besonders.

Ich bin bereit die Verantwortung zu übernehmen und die Rechnung zu bezahlen, aber ich will, das ihr wisst, das es nicht meine Rechnung ist. Ich habe die Speisekarte nie gesehen, ihr habt für mich bestellt.
Ebenfalls ein toller Satz!

Das Leiden eines Mörders Sohn. Damit könnte man deinen Text ebenso betitlen, aber das würde zuviel verraten.
Hat mir gut gefallen, deine gesellschaftliche Kritik, fast Anklage.

Lieben Gruß
Maya

editiert weil, thumpsup jetzt mit b!

[ 06.06.2002, 14:45: Beitrag editiert von: Maya20 ]

 

Hallo,
ich lese ja nicht wirklich viel hier, aber einer der letzten Texte handelte von den Beiden Knaben die in Schweden das Grab des Vaters des einen besuchten, worauf ein Amoklauf folgte, übrigens genial geschrieben (Amok). Dieser Text rief heftige Entrüstung und Diskussionen hervor. Ich fand ihn gut und habe eine etwas andere Sichtweise von mir gegeben. Nun scheint ein wahrer Mörderkult zu entstehen, was ja auch nicht unbedingt negativ behaftet sein muß.

@Maya

Den ersten Satz finde ich mit am banalsten an der ganzen Erzählung!

@alle

Marots Ideen sind KLASSE, allerdings finde ich die Umsetzung flach und überarbeitungswürdig.

Wieso schnitzt der Täter sich eine Feder, vielleicht hätte er sie anspitzen sollen.
Wieso schreibt jemand mit Blut auf weißer Haut, wenn er mit seiner Feder seine Signatur als letzte Inschrift in dem Objekt des Begehrens hinterlassen könnte? Wenn er erst mal sein Blut opferbereit dem Ganzen, der großen Sache, die ihm angetan geben können, bzw. der Gesellschaft darbieten als eine Huldigung ihrer Macht?

Wieso verführt man die Eltern ihre Kinder in Sicherheit zu bringen, ich denke das der Täter sie eher dazu zwingt.

Insgesamt scheint mir der Icherzähler etwas unentschlossen, nicht fanatisch, ihm fehlt das was den Leser davon überzeugt, das er wirklich der Täter ist. Ihm fehlt die Triebfeder, er macht das alles so weil mein Vater meine Familie umgebracht hat und ich sitze da und brauche jetzt mal eine Limo.

Gebe dem Täter doch ein wenig mehr Herz und Entschlossenheit, man muss von einer Sache besessen sein um eine Solche Tat, inklusive Ritualisierung, zu vollstrecken.

Verstehe mich jetzt bitte nicht falsch, das soll Ansporn und nicht Zerstörung sein. Vielleicht sollte ich noch etwas anderes von Dir lesen, um mir ein vernünftiges Bild zu machen. Ich hätte mich hier nicht so ausgelassen, wenn ich die Ideen und den Ablauf nicht faszinierend fände.
Mit freundlichen Grüßen
Rikki.o

[ 08.06.2002, 01:22: Beitrag editiert von: rikki.o ]

 

@rikki.o: Danke für deine Ausführliche Kritik.
Ich versuch mal deine Fragen zu beantworten:

1.Was die Fehder angeght, so kann man die so weit ich weis nicht spitzen sondern schnitzt sie spitz .
2. Der Täter hat kein interesse daran seien tat zu signieren. Was er will ist seine geschichte erzählen. Er schreibt sie auf den körper , weil er damit ausdrücken will was aus ihm geworden ist.
3. Natülich ist er unentschlossen,und er möchte gar nicht der Täter sein, eigentlich ist er ein recht normaler Bursche der zu etwas gemacht wurde, was er nicht sein will. Etschlossenheit oder Fanatismus kann bei ihm nicht existieren, die Tat könnte eher als Flucht interpretiert werden.
Wichtig ist halt , dass dieser Text absichtlich aus der Sicht eines verwirrten und verzweifelten Menschen geschrieben wurde, der nicht immer alles was er denkt logisch überdenkt, sonder es einfach schreibt, ähnlich wie in einem Tagebuch, aber eben auf Haut.
Ich hoffe ich konnte dir weiter helfen.

 

Hallo Marot !
:) Sehr gewandt geschrieben.
Das ist die eine Seite.
Ich wüßte nur gern, ob du mein Entsetzen verstehst.
:sconf:

 

kann dein entsetzen nachvollziehen und freue mich darüber, deshalb hab ich die Geschichte geschrieben.

 

Hi Marot,
eine Erzählung, die unter die Haut geht.
Und außerdem sehr Aktuell, sprich Gesellschaftskritisch.
Heute klagt man nicht mehr einfach nur die Mörder an, sondern sucht die Schuld bei der Gesellschafft oder dem Umfeld.

Eine supi Story, die zum Nachdenken anregt.

Rub.

 

Morgen Marot,

Gleich vorweg: Wahnsinnsstory!

Du hast einen sehr feinen Schreibstil und der Content deiner Story ist innovativ und erzeugt Grauen.

Eines ist mir jedoch nicht ganz klar:

Wieso ist er aus seiner unbefriedigenden und traurigen Situation nicht geflohen - bevor er zum Täter wurde?
Er hätte ja einen anderen Namen annehmen können, sein Zeug zusammenpacken und sich irgendwo anders ein neues Leben aufbauen können.

Ach ja:

Ich habe die Speisekarte nie gesehen, ihr habt für mich bestellt.

Dieser Satz ist genial.

Grüße!

 

Servus Marot,

war sehr interssant zu lesen. Ein paar einzelne Situationen, die der Protagonist erlebt hat, haben meiner Ansicht nach gefehlt. Besonders einprägende Ereignisse, die dann den Protagonisten zu der Entscheidung treiben. (Was weiß ich.. ausgesprochen verletzende Verspottung am Schulhof, Beleidigungen, etc.). Er hat sich schlichtweg gegen das Menschsein entschieden, und einem anderen Menschen das Leben genommen.

Meiner Ansicht nach, hat er sich so entschieden, nicht die Gesellschaft per se (auch wenn sie alles dazu tut, solche Menschen hervorzubringen). Er hätte ja zumindest ab der Uni schwindeln können, aber offenbar hat er es erzählt und dann halt wurden die Menschen mißtrauisch. Er hätte sich ja dafür entscheiden können, nur soweit in der Gesellschaft zu leben, daß es ihm den Broterwerb ermöglicht. Gut er war einsam, brauchte Freunde.

Aber deshalb auch gleich zum Mörder zu werden, heißt für mich, daß er halt nicht ganz dicht war.

Trotzdem fand ich die Idee mit der Feder und so.. extrem schaurig.

liebe Grüße

 

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