Blue Eyes
Als ich eines Abends den Bach entlang lief, kam mir ein merkwürdiges Wesen entgegen, es sah aus wie ein Wolf, hatte eisblaue Augen, ein schneeweißes Fell und war geschätzt zwei bis drei Meter groß. Fast hätte dieses leicht angsteinflößende Wesen mich mit seinen riesigen Pranken erwischt, wäre ich nicht rechtzeitig aus Reflex in den Bach gesprungen.
So schnell, wie es aufgetaucht war, war es auch wieder verschwunden. Ich sah mich noch einmal genau um bevor ich aufstand und mich mit meinen Klitschnassen Sachen auf den Weg nachhause machte.
Ein Glück war gerade Sommer und selbst zu so später Zeit war es noch sehr warm.
Ich öffnete die Tür des Hauses, was abseits vom Dorf stand. "Mama, ich bin zuhause!" Aus der Küche schallte eine rauchige Stimme zurück "Gerade richtig, das Essen ist fertig!"
Ich ging schnell auf mein viel zu großes Zimmer und zog mir ein Paar frische Sachen an, bevor ich in die Küche stürmte und mich an den Tisch setzte. Die Küche war relativ klein im Gegensatz zu den anderen Zimmern im Haus, aber sie hatte sich gut gehalten, das Haus war bestimmt schon um die 100 Jahre alt.
Meine Mutter hatte das Essen schon auf den Tisch gestellt und wartete auf mich "Bedien' dich."
Mehr konnte sie nicht sagen und schon stopfte ich mir das Essen in den Mund. Es gab Kartoffeln und Hühnerfleisch, mein Lieblingsessen.
Ich hatte nicht vor, Mutter zu erzählen, was mir heute passiert ist, wer weiß was sie wieder für Panik bekommen würde, wie vor zwei Jahren als ich vom Baum gefallen war und mir die Hand verstaucht hatte.
Eine halbe Stunde später war ich fertig und ging auf mein Zimmer, ich setzte mich an den Schreibtisch, wo ich gleich Zettel und Stift rauskramte und anfing dieses angsteinflößende und doch wunderschöne Wesen zu zeichnen.
Am nächsten Morgen wachte ich an meinem Schreibtisch wieder auf, ich muss wohl eingeschlafen sein, zumindest hatte ich die Zeichnung noch nicht fertig gestellt.
Ich sah aus dem Fenster und die Morgensonne strahlte mir entgegen.
Ich muss dieses Wesen wiedersehen, ich muss es finden. Schoss es mir Blitzartig durch den Kopf und ich kramte ein paar Dinge aus dem Schrank die ich vielleicht gebrauchen könnte.
Ich machte mich fertig und schlich mich aus dem Haus da meine Mutter noch schlief.
Ich ging an die Stelle vom Bach gestern zurück. Etwas war komisch, denn den ganzen Bach entlang verlief eine Blutspur neben den Fußabdrücken, die es hinterlassen hatte. Es war verletzt, keine Frage, aber ob es noch lebte war eine andere Sache. Also machte ich mich schnell auf den Weg und folgte der Spur. Es dauerte einige Zeit bis ich schließlich an einer Höhle angelangt war. Ich ging in die Höhle hinein, zu blöd dass ich meine Taschenlampe vergessen hatte und mich nun im dunkeln zurechtfinden musste. Ich versuchte so leise wie möglich zu sein und dem Wesen, wenn es in der Höhle war, keine Angst einzujagen.
Ich hörte etwas knurren, mein Magen konnte es nicht gewesen sei also ging ich davon aus dass es das war nachdem ich gesucht hatte.
Ich ging etwas weiter und seine blauen Augen blitzen mir entgegen.
Ich kam ihm näher. Es ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Schon etwas unheimlich, aber ich wollte wissen, was es hatte.
Als ich dann mit ungefähr einem Meter abstand vor ihm stand knurrte und bellte es mich an "Pscht.. ganz ruhig, ich will dir nichts böses.."
Ich ging noch einen Schritt näher heran, das knurren hörte auf und ich hielt ihm vorsichtig meine Hand vor die Nase, es schnupperte kurz daran und plötzlich leckte ein nasser langer Lappen darüber.
Ich musste lächeln und streichelte vorsichtig über seinen Kopf.
Ich tastete seinen Körper ab und blieb ungefähr bei den Rippen hängen, wo ich eine tiefe Wunde merkte, desinfizierte und verband.
"In ein paar Wochen sollte sie so gut wie verheilt sein."
Ich wuschelte durch sein Fell, es war Weich und kuschelig.
"Vielen Dank junger Mensch, ohne deine Hilfe wäre ich dem Tod zum Opfer gefallen."
Ich erschrak. "Du kannst sprechen?"
"Ja, doch nur du kannst es verstehen,da du ein reines Herz hast, mein Name ist Kagura und ich freue mich dich kennengelernt zu haben."
Ich war sprachlos, das einzige was ich herausbrachte war Wortgulasch "Ehm ehm gerne...freut...ebenfalls..."
Sie lachte und stand langsam auf.
"Komm mit, ich erzähle dir etwas über mich."
Sie wies daraufhin dass ich auf ihren Rücken klettern solle, was ich auch tat, aber ich stellte mich sehr ungeschickt an. Als ich dann endlich oben saß, ging sie langsam los und fing an, mir etwas über sich und ihre Vergangenheit zu erzählen...
"Es fing alles damit an, als mich das erste Mal ein Mensch zu Gesicht bekommen hat. Ihm vielen meine herausstechenden Augen auf und er versuchte so viel wie möglich über mich herauszufinden. Eines Tages fand er heraus dass meine Augen ein Geheimnis verbergen und er fing an mich zu jagen. Auf der ganzen Welt sprach sich mein Geheimnis rum, und irgendwann fingen die Menschen an mich zu verfolgen, und versuchten mich zu töten...Ich habe keinem Menschen mehr seit dem vertraut."
"Es tut mir furchtbar Leid für dich, und ich will dir helfen." Ich lächelte und wuschelte sanft durch Kaguras Fell.
"Ich danke dir. Sag mal, wie ist eigentlich dein Name?"
"Mein Name ist Lu." Sagte ich, immer noch lächelnd.
"Das ist ein sehr schöner Name." Sagte sie und sah mich an.
"Aber gut, nun erzähle ich dir das Geheimnis meiner Augen.
In meinen Augen ist ein Kristall verborgen und dieser Kristall sorgt in nur kleinen Mengen dafür, dass man unsterblich wird. Er hält mich schon seit hunderten von Jahren am Leben, und meine Aufgabe ist es, ihn bis in die Ewigkeit zu beschützen."
"Ein Kristall? Wie ist der in dein Auge gekommen?" fragte ich mit erstauntem Blick.
"Ich wurde mit diesem Kristall zur Welt gebracht, aber meine Rasse ist schon vor 2oo Jahren ausgerottet worden." sagte sie kalt.
"Oha, dass ist hart. Wo wollen wir jetzt eigentlich hin?" fragte ich neugierig.
"Sehr weit weg von hier. In dieser Gegend kennen schon zu viele Menschen, mein Geheimnis."
"Dann muss ich meiner Mutter wohl, auf Wiedersehen sagen. Sie wird schon allein um die Runden kommen, sie hat bis jetzt immer alles auf die Reihe bekommen, dann wird sie es jetzt auch ohne mich schaffen." Ich lächelte und sah Kagura an.
Wir machten uns ohne weitere Umstände auf den Weg. Es war nicht sonderlich leicht, mit so einem großen Wesen an der Seite unentdeckt zu bleiben, da wir Dörfer durchkreuzen mussten. Manche Leute kreischten und rannten weg, andere starrten und einige verfolgten uns mit Mistgabeln und verscheuchten uns. Es war hart, ohne Geld um die Runden zu kommen, also musste ich klauen, und bevor uns jemand erwischte, mussten wir das Dorf so schnell wie möglich wieder verlassen.
Einige Tage nach unserem Aufbruch kamen wir in einer großen Stadt an. Es waren viele Streuner unterwegs und die Straßen sahen aus als wären sie seit einigen Jahren nicht mehr gereinigt worden, an fast jeder Straßenecke saß ein Bettler.
Die Hunde die Kreuz und Quer über die Straßen liefen und den Verkehr behinderten, knurrten und bellten Kagura an, Autofahrer hielten an und klatschen uns irgendwelche Sprüche an die Backe, aus den Häusern schmissen Hausfrauen und kleine Kinder Dinge nach uns. Wir waren hier nicht erwünscht, das war uns klar, aber wir mussten hier durch, denn im nächsten Dorf wohnte eine alte Freundin von mir, die uns vielleicht helfen könnte.
Also durchkreutzten wir die Stadt, so schnell es ging. An der nächsten Straßenecke machten wir kurz halt, da Kagura etwas loswerden musste. Es hat ganz schön gemüffelt.
Wir verließen die Stadt und liefen einen schmalen Feldweg entlang.
An einer großen Trauerweide legten wir uns hin, denn wir hatten noch einen weiten Weg vor uns.
Ich legte meinen Kopf auf ihren Rücken und ließ meine Hände über ihr Fell gleiten. Wir schliefen schnell ein.
Am nächsten Morgen waren wir früh wach und brachen schnell wieder auf. Wir mussten einen Wald durchkreuzen. Die perfekte Gelegenheit etwas Essbares aufzutreiben. Wir entdeckten ein Wildschwein, und dank Kagura war es schnell erlegt. Ich suchte Äste zusammen und machte ein Feuer. Das Schwein spießten wir auf und hielten es darüber. Drei bis vier Stunden hat es gebraucht, bis das Essen fertig war, es war nicht sonderlich genießbar, doch hauptsache hatten wir etwas im Magen.
Es war ungefähr Mittagszeit als wir wieder aufbrachen. Ich saß auf Kaguras Rücken, damit es schneller ging sprintete sie los.
Zwei Stunden brauchten wir, bis wir im Dorf ankamen.
Ihr Haus war etwas kleiner als die anderen und überall liefen Wölfe herum. Ich klopfte an ihrer Tür und dahinter hörte man ein jaulen. Die Tür ging auf. " Oh Lu, du hier?"
"Ja, ich dachte du könntest mir helfen." Ich wies auf Kagura.
"Schon von gehört, wie lange willst du hier bleiben?"
"Am besten solange wie es geht. Wir müssen uns etwas überlegen, damit die Menschen nicht mehr hinter ihr her sind." Ich sah zu Kagura. "Nunja, tretet ein, fühlt euch wie zuhause." Endlich habe ich dieses Wesen gefunden, und es wurde mir sogar direkt ins Haus geliefert, was für ein Glück.
Jane, so war ihr Name, zeigte uns ein Zimmer. Ihr Wolf folgte uns bis zur Türschwelle, dann blieb er stehen und beobachtete uns genau.
"Du, Lu..."fing Kagura an," Deine Freundin hat keine reine Seele, genauso wie ihr Wolf, wir können ihnen nicht trauen."
"Ja, ich weiß, doch sie wird den richtigen Zeitpunkt abwarten, bevor sie uns angreift, und wenn der gekommen ist, sind wir verschwunden. Sie war noch nie sonderlich ehrlich." Sagte ich lächelnd.
Es wurde spät und wir legten uns hin. Janes Wolf starrte uns die ganze Zeit an, ohne sich auch nur einmal zu bewegen.
Ich blieb wach, um zu schauen ob Jane uns angreifen würde.
Einige Stunden vergingen und plötzlich sprang der Wolf auf und stürtzte sich auf Kagura. Ohne einen Muks sprang sie auf und schleuderte den nun winselnden Wolf gegen die Wand.
Innerhalb von Sekunden sprangen wir aus dem Fenster, in Richtung Wald, wo auch schon Jane auf uns wartete. "Für ein Leben ohne Tod, würde ich alles machen." Sagte sie grinsend und schoß mit der Pistole, auf Kagura.
Doch Kagura sprang darüber und direkt auf Jane. Die die Waffe immernoch auf Kagura richtete. Kagura hob ihre Pranke und wollte zum Schlag ausholen. "Nein! Tu das nicht! Du darfst sie nicht umbringen!" Schrie ich verzweifelt.
"Ahahahaha. Du bist so eine Närrin!" Rief Jane und schoß im selben Moment auf Kaguras Herz, die zur Seite kippte und mit einem Rums zu Boden fiel. Ihr schneeweißes Fell färbte sich rot. Ich rannte zu ihr hin und ging auf die Knie. "Neein! Verdammt! Du darfst nicht sterben!" Meine Schreie konnten sie nicht mehr erreichen, ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen, sie atmete nicht mehr.
Ich fing an zu weinen. "Es ist alles meine Schuld..." Ich stand auf und sah zu Jane. "Du...! Du hast sie umgebracht! Ich zog Jane am Kragen hoch und schlug ihr einige Male ins Gesicht. Sie lachte nur und richtete die Waffe auf mich. "Eine Kugel ist noch drin." Sie drückte den Abzug und die Kugel bohrte sich in meine Brust. Ich fiel zu Boden.
Nun liege ich hier neben Kagura und mein letzter Gedanke ist es, ihr Fell noch ein einziges Mal zu berühren.
-ENDE-