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- 07.08.2003
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Blitzgewitter
Angst.
Dieses Wort hatte für Thomas eine ganz neue Bedeutung bekommen.
Angst war für ihn die schreckliche Erinnerung an längst vergangene Zeit. Ein Dauerzustand.
Verzweiflung.
Oft auch panische Ausbrüche. Schweiß. Nervosität. Unkontrolliertes Kauen an seinen Fingernägeln.
Ab und zu auch Nasenbluten.
In der Nacht auf den 13. Juli war es wieder einmal besonders schlimm.
Wie auch in vielen Nächten zuvor, konnte Thomas nicht schlafen. Lag wach. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
Möglichkeiten wie Schlaftabletten zeigten lange schon keine Wirkung mehr. Nicht, wenn er an einem Angstausbruch litt.
Er wirkte apathisch. Weit entfernt. Dem irdischen Leben entrückt.
Starrte stundenlang regungslos an die Decke.
Sein Atem ging langsam und flach. Gefühlsregungen zeichneten sich keine ab. Nicht einmal, als sich eine kleine Fliege auf seine Nase setzte.
Es war ungewöhnlich kalt in dieser Nacht. Eisiger Wind heulte unheimlich durch das alte Gebäude.
Bedrohliche Geräusche erfüllten die beklemmende Dunkelheit. Monoton prasselte Regen auf ein übrig gebliebenes Stück Wellblech, welches im Hof vor sich hin korrodierte. Ein bedrohliches Geräusch entstand dadurch.
Seit zwei Tagen bereits Dauerregen.
Diese ganze Geräuschkulisse nahm Thomas nur weit entfernt wahr.
Immer wieder holte ihn die schreckliche Vergangenheit ein. Ein Laster, dem er sich nicht entledigen konnte.
13. Juli. 5 Jahre zuvor.
Seit Wochen herrschte eine nicht auszuhaltende Hitze. Sogar im Schatten war es zu heiß. Hoffnungslos überfüllte Schwimmbäder.
Thomas war mit seiner Frau Eve in die Berge gefahren. Ausspannen. Fernab der Hektik, dem Stress.
Im Grunde hätte es ein schönes, verlängertes Wochenende werden sollen. Thomas hatte sich dafür zwei Tage Urlaub genommen.
Nur sie zwei. Niemand sonst. Kein Straßenlärm. Keine Handys. Nichts.
Vollkommen unvorhergesehen brach es über sie und die Stadt herein.
Innerhalb weniger Sekunden verdunkelten schwarze Wolken den Himmel, sperrten die Sonne aus.
Die Temperatur fiel. Man konnte fast schon sagen, es war kalt geworden. Starker Regen hatte eingesetzt. Heftige Windböen bliesen durch die alte Berghütte. Das alte Gehölz knarrte und ächzte im eisigen Wind.
Es war verdammt düster. Durchaus auch als bedrohlich zu beschreiben.
Ein beispielloses Blitzgewitter setzte ein. Alle paar Sekunden zuckten fein verästelte Blicke durch die Dunkelheit. Erhellten die gefährlich wirkende Düsternis
Donnern folgte keines.
Dieses einmalige Schauspiel bestand nur aus Blitzen.
Es hatte wieder aufgehört zu regnen. Auch der plötzlich aufgetretene Wind ließ nach.
Das Schauspiel beanspruchte etwa eine Stunde, dann hörte es ebenso plötzlich auf, wie es gekommen war. Als wäre nichts geschehen.
Und doch hatte sich etwas verändert. Die ungeahnten Auswirkungen kamen erst viel später zum Tragen.
Die Luft!
Heiße, trockene Luft. Wie aus einem Backrohr. "Schmeckte" nach nichts. Das Atmen in dieser trockenen Luft fiel schwer.
Jeder Atemzug brannte in der Kehle. Als tränke man kochendes Wasser.
Etwas Schlimmes musste geschehen sein. Thomas hätte nicht sagen können, was es war, doch er brachte es mit dem Gewitter in Zusammenhang.
An diesem Tag hatte Thomas das erste Mal ein ganz besonders merkwürdiges Gefühl. Ein Gefühl, welches er nicht kannte. Konnte es nicht einmal beschreiben.
Später sollte dieses Gefühl zu einem Dauerzustand werden und ihm auch das Leben retten.
Alles hatte sich verändert.
Die Stadt wirkte, als Thomas und Eve in die Zivilisation zurückkehrten, wie ausgestorben.
Eine Geisterstadt.
Jenes Gefühl, welches Thomas das erste Mal in den Bergen hatte, war intensiver geworden. Es ließ ihn auch nicht mehr los.
Dabei wusste er noch nicht einmal, wie er es beschreiben sollte.
Leere Autos standen mitten auf der Straße. Zeichen von Plünderungen waren zu sehen. Unzählige Scheiben waren eingeschlagen worden.
Irgendwo heulte eine Alarmanlage. Aber niemanden schien es zu interessieren.
Keine Polizei. Keine Rettung. Keine Feuerwehr.
Nichts.
Noch nie in seinem bisherigen Leben hatte Thomas sich derart unwohl gefühlt. Es war zum Teil auch diese beklemmende Stille.
Diese Leblosigkeit. Alles trug Schuld daran. Auch seine Frau. Seit dem Gewitter zeichneten sich seltsame Veränderungen bei ihr ab. Ungezügelte Gier nach rohem Fleisch. Seine Frau war Vegetarierin gewesen.
Hatte Fleisch immer verabscheut.
Nicht mehr. Rohes, blutiges Fleisch. Sie gierte danach. Wie ein Tier. Ein Raubtier.
Ihre Freundlichkeit wich allmählich Stumpfheit und einem gewissen Grad an Abneigung. Sie wirkte abwesend. Sah ihren Mann kaum an, sondern schien in ihre eigenen sonderbaren Gedanken vertieft zu sein. Es war unmöglich, Konversation zu führen. Thomas hatte den Eindruck, als sprach er mit einer Wand.
Er bekam keine Antwort auf seine Fragen. Nichts. Nicht einmal ein Nicken.
Durch gequälte Schreie erwachte Thomas. Zuerst wusste er nicht, woher diese Schreie kamen. Dann fiel ihm auf, dass seine Frau gar nicht neben ihm im Bett lag.
Es waren die Schreie seiner Frau. Aus dem Badezimmer.
Sofort sprang er auf. Wollte ins Badezimmer laufen, prallte mit dem Kopf jedoch voll gegen den Türstock, taumelte ein paar Schritte zurück, fiel um.
Benommen blieb er neben den blutigen Fußabdrücken seiner Frau liegen.
Eve hatte sich im Badezimmer eingeschlossen. Wollte nicht, dass sie ihr Mann in ihrem jetzigen Zustand zu sehen bekam.
Sie starrte regungslos in den Spiegel. Wollte gar nicht glauben, dass sie es war. Starrte in eine ausdruckslose Fratze.
Um viele Jahre gealtert. Schlaff hing ihr die Haut von den Wangen und vom Kinn. Ihre Augen waren tief in die Höhlen zurück gesunken.
Die Lippen waren trocken und rissig. Kleine tropfen Blut quollen hervor. Sie war nicht mehr die hübsche, junge Frau. Sie war etwas anderes. Eine Mutation.
Vielleicht.
Gerade noch entsetzt über ihr Aussehen, wich diese allmählich einer absonderlichen Zufriedenheit.
… und Wahnsinn…
Der Spiegel barst, als Eve mit ihrer rechten Faust darauf schlug. Scherben verteilten sich im Waschbecken und am Boden. Feine Splitter steckten in Eves rechter Faust.
Blut quoll hervor und bildete kleine Rinnsale, die sich ihren Weg zu den Fingerspitzen bahnten. Doch noch bevor es dort ankam, war es geronnen. Eve griff in das Waschbecken. Griff nach den Scherben.
Fügte sich dabei tiefe Wunden zu. War ihr egal.
Sie schob sich die Scherben in den Mund und begann zu kauen. Hässliche Geräusche entstanden, als ihre Zähne die Scherben berührten. Ähnlich dem Geräusch, welches entstand, wenn man mit einem metallischen Gegenstand über eine Tafel kratzte.
Blut begann ihr allmählich aus den Mundwinkeln zu rinnen.
Es störte sie nicht.
Sie war kreidebleich, glich mehr einer allmählich verwesenden Leiche denn einem menschlichen Wesen.
Thomas kam schleppend zu sich. Im ersten Moment hatte er keinerlei Erinnerung an das, was geschehen war. Schließlich fiel es ihm aber wieder ein.
Da waren Schreie.
Seine Frau. Er wollte sehen, ob ihr etwas zugestoßen war.
Dann… Black-out.
Er tastete den Boden ab. Warum? Wusste er wahrscheinlich selbst nicht. Plötzlich griff er in etwas Klebriges, Feuchtes.
Durch die Dunkelheit konnte er nicht erkennen, um was es sich handelte. Aber wissen wollte er es trotzdem.
Mühsam erhob er sich. Erinnerte eher an einen alten Mann. Immer noch leicht benommen tastete er nach dem Lichtschalter.
Bevor er darauf drückte, hielt er noch einmal kurz inne. Überlegte. Drehte das Licht auf.
In den ersten Sekunden schmerzten seine Augen durch das grelle Licht.
Er sah es…
Blutige Fußabdrücke, die zum Bad führten. Blut und Hautfetzen. Übelkeit überkam ihn, er konnte nicht anders, übergab sich.
Schmerzen in seiner Brust. Unvorstellbar. Säuerlicher Gestank stieg ihm in die Nase.
Verzweiflung. Panik.
Angst.
An diesem Tag bekam Thomas zum ersten Mal das Angstgefühl, welches ihn noch über viele Jahre verfolgen sollte.
Ein zweites Mal übergab sich Thomas im Badezimmer. Überall war Blut. Der Boden unter seinen Füßen knirschte. Es waren die Glassplitter. Was war bloß geschehen? Wo war Eve?
Verschwunden. Eisige Stille herrschte im Haus. Kein Geräusch. Nichts. Beunruhigend. Gefahrvoll.
Verzweifelt rief Thomas nach Eve. Es war mehr ein Schreien.
Panik schwang mit.
Keine Antwort.
Eve war weg. Müde und voller Verzweiflung sackte Thomas zusammen. Saß zusammengekauert am Boden in der Küche. Zitterte am ganzen Körper.
Er hatte nur dieses ganze Blut vor Augen. Blut. Scherben.
Vermischt mit seinem Erbrochenen.
Er selbst trug den säuerlich ekligen Gestank seiner Kotze an sich. Hatte nicht verhindern können selbst etwas abzubekommen. Die Panik lag wie ein dunkler Mantel über ihm. Er fühlte sich hilflos.
Schuld daran trug dieses merkwürdige Blitzgewitter.
Es hatte Menschen verändert. Zuerst nur leichte Hinweise auf den Wandel… und plötzlich die totale Verwandlung.
Keine Menschen mehr. Mutanten.
Blutrünstige Monster. Entstellte Fratzen.
Die Straßen waren überfüllt mit diesen Monstern. Thomas beobachtete sie aus seinem Haus. Alle Türen waren verriegelt. Hatte sein Haus zu einer kleinen Festung gemacht.
Unverhofft sah er Eve. Auf der Straße. Torkelnd, als hätte sie zu viel getrunken kam sie auf das Haus zu, in welchem sich Thomas aufhielt. Eigentlich war es etwas, was nur im entfernten noch Ähnlichkeit mit seiner Frau hatte.
Definition für das, was er sah hatte er keine.
Zombies?
Vampire?
Dämonen?
Thomas war klar, er musste versuchen andere "Überlebende" zu finden. Alleine hatte er keine Chance. Und noch eines war klar, früher oder später kamen diese Wesen in sein Haus.
Und er hatte bestimmt keine Lust darauf zu warten…
An diesem Tag war es nicht wirklich hell geworden. Bleierne Wolken hingen am Himmel. Wie jene vor ein paar Tagen, als das Blitzgewitter stattfand.
Alles deutete auf großes Unheil hin. Große Gefahr.
Er hatte Angst. Fast schon panische Angst.
Fassungslos stand er am Fenster, beobachtete, wie sich diese Wesen zusammenrotteten. Eine Armee aus blutrünstigen Kreaturen.
Da waren Sheriff Bowser. Der alte Mr. Poll, welcher vor einigen Jahren seine Frau verloren hatte. Joe Morningham, der Besitzer eines kleinen Lokals am Stadtrand. Auch Bürgermeister Stevens war dabei. Und noch viele mehr.
Ein weiterer kam dazu. Dieser kaute an etwas, was verdammt viel Ähnlichkeit mit einem menschlichen Bein hatte.
Als die anderen Kreaturen dies sahen, wandten sie sich vom Haus ab. Wie die Geier stürzten sie sich auf das Bein, versuchten sie zumindest.
Als sie es nicht bekamen, töteten sie kurzerhand den "Besitzer" des Beins. Er wurde einfach in Stücke gerissen.
Blut spritzte. Körperteile flogen.
Thomas konnte nicht anders, übergab sich erneut. Das Erbrechen schmerzte fürchterlich. Gegessen hatte er auch noch nicht. Deshalb kam wohl auch nur eine schleimige, gelblich-graue Flüssigkeit heraus. Sah ein wenig aus wie Rotz.
Er schnappte nach Luft. Hätte am liebsten geschrieen.
Es war unmenschlich und brutal.
SIE waren keine Zombies. Zombies fraßen sich nicht gegenseitig. Diese Wesen schon. Thomas riskierte vorsichtig einen Blick.
Einige dieser Kreaturen fraßen genüsslich die Körperteile und Eingeweide des Toten.
Nicht seine Frau. Sie beobachtete das Haus. Sah in seine Richtung, konnte ihn jedoch nicht sehen. Thomas war sich sicher, dass sie etwas ausheckte.
Sie wusste, dass er da war.
Wenn sie es wusste, dann auch die anderen.
Er glaubte nicht mehr, dass diese Wesen so stumpf und dumm waren wie er am Anfang dachte. Zombies schon.
Aber es waren keine Zombies. Es waren andere Kreaturen. Viel gefährlicher.
Abgesandte der Hölle.
Eine mörderische Brut.
Er wurde unsanft aus seinen Gedanken gerissen. Passte nur wenige Sekunden nicht auf. Einige der Kreaturen machten sich an der Türe zu schaffen. Scheiben barsten. Allen voran Eve.
Jetzt war es soweit. Sie würden ins Haus kommen.
Er musste fliehen. Vielleicht durch den Hof. Nicht vielleicht.
Sicher!
Das war der einzige Weg welcher ihm noch offen stand. Er musste sich beeilen.
Der Hof war alles andere als einladend. Einladend war er noch nie gewesen. Würde er auch nie sein. Altes Gerümpel stand dort rum und rostete vor sich hin. Die Bäume, welche dort standen waren alt, morsch und faulten bereits.
Unkraut wucherte und verwandelte den Hof in einen kleinen Urwald, übersät mit Brennesseln und anderen unschönen Gräsern.
Irgendwo in der unkontrolliert wuchernden Hecke war ein kleines Loch.
Durch dieses Loch war vor einigen Jahren ihr Hund entwischt, bevor ihn ein LKW überrollte.
Dieses Loch konnte für ihn die Rettung sein. Dabei wollte er es erst vor kurzem schließen. Zum Glück hatte er es nicht getan.
Durch dieses Loch kam man in einen weiteren Hinterhof und dann auf die Straße.
Thomas schloss die Türe auf, riskierte einen kurzen Blick, ob hier auch ja keine dieser Kreaturen lauerte. Kam zum Schluss, dass niemand hier war.
Betrat den Hof, sperrte die Türe hinter sich wieder zu.
Gerade noch rechtzeitig.
Er konnte grunzende und rülpsende Laute hören. Hörte torkelnde Schritte. Sie waren im Haus, suchten nach ihm.
Wahrscheinlich hatten sie ihn zum Fressen gerne…
Er hatte jedoch keine Lust, zu warten bis sie an der Hintertür waren. Ergriff die Flucht. Beinahe war das Loch zu klein für ihn.
Thomas musste sich regelrecht durchzwängen. Jetzt war er bei den Goddins im Hinterhof. Dieser war sauber und gepflegt. Es duftete nach Rosen.
Thomas sah sich suchend um. Er brauchte einen Ausweg. Irgendwo, wo ihn diese mordlüsternen Monster nicht fanden…
Noch ehe er sich versah, stand Mrs. Goddin mit einer Schrotflinte vor ihm. Hielt ihm den Lauf der Waffe unter die Nase.
Die alte Frau war auf und auf voller Blut. Auch Fleisch- und Haufetzen klebten an ihr. Sie war wütend. Ihre Blicke giftig. Ihre Augen funkelten regelrecht vor Wut. Aber auch Angst lag darin.
„Was willst du hier?“, zischte sie ihn an. Ließ ihn keine Sekunde aus den Augen.
„Sie“, Pause. Thomas schnappte nach Luft. Es war immer noch die heiße, trockene Luft. Nichts hatte sich daran geändert.
„Sie sind in mein Haus eingedrungen.“, stammelte er schließlich. Auch er ließ die alte Frau nicht aus den Augen.
Vorsichtig senkte sie die Waffe ein wenig. Sie zielte jetzt auf sein Geschlechtsteil.
In der Folge nahm sie die Waffe dann ganz weg. Tränen hatten sich gebildet und kullerten jetzt die Wangen hinab.
„Ich habe meinen Mann erschossen“, presste sie heraus. Anschließend begann sie richtig zu weinen.
Die Kreaturen machten sich an der Türe zu Thomas’ Hinterhof zu schaffen. Rüttelten wütend daran. Grunzten. Rülpsten.
Mrs. Goddin warf Thomas einen Blick zu, der ihn aufforderte, ihr zu folgen und gleichzeitig auch keinen Widerspruch duldete.
Sie führte ihn ins Wohnzimmer. Dorthin, wo die Leiche ihres Mannes lag. Sie hatte ihm mit der Schrotflinte den Kopf weggeschossen.
Sein Gehirn, oder besser gesagt die Überreste davon, klebten an der Wand.
Es stank widerlich. Thomas musste unterdrücken, sich ein weiteres Mal zu übergeben. Mrs. Goddin hatte sich wieder auf ihre Couch gesetzt und nippte an einem Glas Whisky.
Sie war erschöpft.
Möglicherweise überlebte sie dies hier nicht. Vielleicht überlebte niemand. Wenn es allerdings Mrs. Goddin bisher geschafft hatte zu überleben, dann gab es bestimmt noch andere, welche ebenfalls überlebt hatten.
In knappen Worten und vielen Unterbrechungen erzählte sie, was geschehen war. Ihr Mann war zu einem der Monster geworden. Hatte versucht sie zu töten.
Sie musste es tun. Sie musste ihren Mann erschießen.
Doch noch etwas erzählte sie. Als das Blitzgewitter zu ende war, murmelte ihr Mann etwas von einem gefallenen Engel. Nicht Luzifer.
Ein Name, welcher mit "E" begann.
Vielleicht war es wirklich so. Vielleicht wurde die Ankunft für etwas vorbereitet, was die menschliche Vorstellung überstieg.
Ein Dämon.
Unheil. Grauen.
Thomas versank wieder in seine Gedanken und wieder wurde er unsanft herausgerissen.
Ein Schuss!
Im selben Moment stechende, heiße Schmerzen. Die Schrotmunition hatte ihn gestreift. Blut rann über seine rechte Wange. Er wollte vor Schmerz schreien, doch der Schrei blieb ihm im Halse stecken. Vielleicht war es auch der Schock.
Abermals ein Schuss.
Die Kreatur wurde einige Meter zurückgeschleudert, blieb dann regungslos liegen. Weitere Kreaturen stürzten sich gierig auf ihren toten "Kameraden", begannen ihn in Stücke zu reißen.
Für wenige Augenblicke kümmerten sie sich nicht um die Überlebenden.
Eve hatte sie gefunden. Er hätte es wissen müssen. Er hätte wissen müssen, dass er nicht entkommen konnte. Niemand schien entkommen zu können.
Ein Schuss folgte dem nächsten.
Solange, bis Mrs. Goddin nur noch eine einzige Kugel übrig hatte. In ihrem Haus stank es nach Verwesung und totem Fleisch. Die getöteten Monster wurden von den Lebenden gefressen. Brutal in Stücke gerissen und ausgeweidet.
Noch ehe sich Thomas versah, schob sich Mrs. Goddin den heißen Lauf in den Mund, schloss die Augen und drückte den Abzug.
Dann fiel sie um. Wie ein Sack Kartoffeln. Die Schrotflinte fiel krachend zu Boden. Der Whisky hatte sich rot gefärbt.
Thomas war wieder alleine. Und wieder musste er fliehen. Durch den Eingang kam er nicht. Dort draußen lauerten diese blutrünstigen Kreaturen. Diese Abgesandten der Hölle. Er musste einen anderen Weg finden…
Musste herausfinden, wie er die Ankunft des Engels mit "E" verhindern konnte. Zuerst aber sollte er sich überlegen, wie er verhindern konnte, gefressen zu werden.
Eve betrat das Wohnzimmer. Aus leblosen, toten Augen starrte sie ihren Mann an. In ihrem Gesicht waren die ersten Fäulnisspuren zu erkennen. Eiter. Blut. Die Haut war leicht gräulich. Ein ekelhafter Gestank ging von ihr aus.
Nach Verwesung.
Erst wenige Stunden waren vergangen, seitdem Eve verschwunden war. Seit dem Black-out. Und nun… sie war eine wandelnde Leiche.
Ein mordlüsternes Wesen der Hölle.
Etwas, was aussah wie ein Lächeln kam über ihre Lippen. Im gleichen Moment quoll Blut, vermischt mit Eiter, aus ihrem Mund.
Eines ihrer Augen platzte. Eine milchige, eklige Flüssigkeit trat aus. Sie nickte Thomas zu. Formte ihre Lippen zu Worten…
Thomas verstand nicht. Wollte auch nicht verstehen.
Im nächsten Atemzug donnerte der Gewehrkolben auf Eves Kopf herab. Ein knackendes Geräusch. Thomas schlug einige Male zu.
Hatte seinen Ekel überwunden. Hielt den Lauf der Flinte fest mit beiden Händen umklammert. Drosch auf die Kreatur ein, welche vor wenigen Stunden noch seine Frau gewesen war.
Blut spritzte ihm ins Gesicht. Am Gewehrkolben klebten Reste von Eves Gehirn, Blut und Hautfetzen. Auch Haare.
Beunruhigende Stille kehrte ein. Als hätte jemand den Ton abgeschaltet. Es war unheimlich.
Keine grunzenden Laute mehr. Kein Rülpsen.
Thomas sah sich um… Die Kreaturen, sie waren verschwunden. Zurück blieben nur die grausam verstümmelten Leichen.
Thomas stand zentimetertief im blutigen Matsch aus Eingeweiden und Körperteilen.
Schockiert ließ er die Waffe fallen. Er hatte jemanden getötet. Sein Angstgefühl war so stark wie nie zuvor. Aber genau dieses Angstgefühl hatte ihm das Leben gerettet…
Thomas musste seine Frau töten, um zu verhindern, dass der Gefallene Engel Ergamor auf die Erde kam. Der Henker der Hölle.
Das absolut Böse.
Doch zu welchem Preis…?
So viel Unheil war über die Stadt gekommen. So viele Menschen waren tot…
Fünf Jahre später. 13. Juli.
Thomas war endlich eingeschlafen. Ein unruhiger Schlaf. Sein Angstausbruch dauerte auch im Schlaf an.
Das Rosshaar, an welchem das Schwert des Damokles hing begann allmählich zu reißen.
Draußen braute sich ein schlimmes Unwetter zusammen. Eisiger Wind. Starker Regen, welcher seit zwei Tagen andauerte und ein unvorstellbares Blitzgewitter…
ENDE