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Blicke
Joshua saß mitten in der Nacht auf dem Bett, in der einen Hand das Leben, dass er bisher geführt hatte, die andere leer. Drei Stunden hatte er dort gesessen und auf seine bare Hand gestarrt. Ständig gingen ihm Fragen durch den Kopf, mit was er diese Hand füllen könnte. Alles ging er durch. Sollte er ein Werkzeug hineinlegen und wenn ja welches? Sollte er sie zum Gestikulieren benutzen? Er könnte sie auch trainieren, damit sie stark und unbezwingbar würde. Aber woran sollte er sehen, welches sein Weg wäre?
Schließlich stand er auf, seine leere Hand vor sich zu einer Faust geballt, die andere hing schlaff an seiner rechten Seite, sie hatte im Moment keinen Platz in seinen Gedanken. Er ging ein paar Schritte in die Mitte seines Schlafzimmers. Verwirrung machte sich in ihm breit. Er begann langsam zu vergessen, warum er hier stand und hob den Kopf. Seine bis eben leblose Hand griff nach einer auf seinem Schreibtisch liegenden Schachtel Zigaretten, die Linke streckte er nach einem Feuerzeug aus. Sein Blick fokussierte sich auf eine Zigarette, die wie von selbst in seinem Mund aufgetaucht war, und wanderte dann zur immer noch geballten linken Faust, die aufs Feuerzeug zielte. Ein Ruck durchfuhr ihn, seine Faust öffnete sich und schlug ihm unsanft die Zigarette aus dem Gesicht. Mit geöffnetem Mund ins Leere blickend spürte er einen kleinen Schmerz über seine Lippen wandern. Er setzte sich auf sein Bett, legte die zur flachen gespreizten Hand verkrampfte Linke auf seinen Schoß und starrte sie wieder an.
Ein Tropfen Blut fiel von irgendwo aus seinem Gesicht auf die Handfläche. Sie zuckte und er beobachtete, wie sich das Blut in die feinen und groben Linien der Hand verteilte. Ein zweiter Tropfen fiel zielsicher auf die Stelle an der sich die meisten groben Linien treffen, bespritze dabei die Kuppe des kleinen und des Zeigefingers. Wie von selbst klappten Mittel- und Ringfinger nach innen und tauchten kurz in die kleine, verästelte Pfütze. Er beugte seinen Kopf um alles genauer zu betrachten und ein weiterer Tropfen fiel auf die innere Seite seines Daumens. Einige Minuten passierte nichts bis Joshua bemerkte, dass das Blut langsam zu trocknen begann. Er zwang seinen Blick ins Zimmer hinein und erhob sich. Ein Bogen Papier lag auf dem Schreibtisch. Er stellte sich davor, drückte die ausgestreckte Linke ruckartig auf das Blatt und riss sie sofort wieder hoch. Seine Augen geschlossen, beide Hände hinter seinem Kopf, bereitete er sich darauf vor zu erkennen, was ihm das Blatt zeigen würde.
Eine halbe Stunde später saß Joshua an seinem Küchentisch, das Blatt neben ihm. Er hatte gerade seinen Kaffee ausgetrunken ohne auch nur einmal den Blick von dem Blatt abzuwenden. Er stellte die Tasse ab. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie von der Tischkante kippte. Der Henkel wurde beim Aufprall abgesprengt und in den Raum katapultiert. Mit gehöriger Wucht prallte er gegen Joshuas Schläfe. Er stand auf und sammelte den Henkel ein, legte ihn auf den Tisch und räumte die restlichen Scherben weg. Er setzte sich wieder und starrte auf seinen Peiniger, der ihm anscheinend ein deutlicheres Zeichen geben wollte als sein Blutblatt. Bei diesem Gedanken fiel sein Blick wieder auf den Handabdruck und er schmunzelte. Joshua wickelte den Henkel in das Blatt, griff die Kugel und warf sie in Richtung Papierkorb, daneben. Er stand auf und nahm sein Leben in die Hand.