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Bleischwer

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02.01.2011
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Bleischwer

Dieses Gefühl stieg das erste Mal in ihm auf, als er mit den anderen Vätern unter dem großen, weiß-roten Schirm rechts vom Limonadenwagen stand, auf dem Sommerfest seiner Tochter.
Sie war ihm sofort aufgefallen. Sie kam mit den anderen Bewohnern und den Pflegern über die kleine Anhöhe heruntergelaufen, die vom Tor und vom Zaun runter zur Spielwiese fiel.
Die heiße, helle, brennende Sonne brach auf sie herab, glänzte auf ihren krausigen, dunklen Haaren – und sie lachte. Sie tat nichts, als zu lachen. Ja, wenn er heute rückblickend darüber nachdenkt, dann ist er sich fast sicher, dass es ihr Lachen gewesen war, das dieses Gefühl in ihm ausgelöst hatte. Dieses ehrliche, echte Lachen, mit den weit auseinander gerissenen Lippen, den Sommersprossen, den fröhlich-funkelnden Augen – und dazu ihre humpelnden, ungeschickten Bewegungen, als wolle ihr Körper ihr nicht richtig gehorchen, als sei er ihr gänzlich fremd.

Seine Frau holte die gefüllten Paprika aus dem Ofen. Sie war sehr schön, seine Frau – da war er sich ganz sicher. Er sah es an den Blicken seiner Kollegen, wenn ihm seine Frau das Mittagessen vorbeibrachte oder wenn sie ihn von der Werkstatt abholte. Er sah es an den Bewegungen der anderen Väter auf dem Sommerfest, wenn sich seine Frau in ihrer Nähe aufhielt – nervös, steif, unsicher, überdreht.
Auch seine Tochter war sehr schön. Sie schien bereits jetzt einzelne Nuancen ihrer Mutter zu übernehmen: die Art, wie sie ihre Arme hob, ihren Blick auf eine Sache fokussierte oder lief. Er sah seiner Tochter gerne dabei zu, wie sie spielte oder rannte oder malte oder schlief. Er liebte sie sehr.

Dieses Gefühl, das die lachende Frau mit den fröhlich-funkelnden Augen in ihm losgetreten hatte, es verschwand nicht. Es nahm nicht ab. Es war wie ein Gift, das sich einmal in die Venen injiziert festsetzte, ausbreitete, alle Organe befiel.
Auf der Arbeit wurde ihm oft schlecht. Einmal übergab er sich auf der Toilette, und der Chef schickte ihn nach Hause. Nachts, nachdem er mit seiner Frau geschlafen hatte und auf der Seite lag, brach er in Schweiß aus. In kalten, fiebrigen Schweiß.

Er sah sie erst Wochen später wieder, als er seine Tochter vom Kindergarten abholte. Sie stand auf der anderen Straßenseite, vor dem Wohnheim, mit einer roten Käppi auf dem Kopf und einem Waffeleis in der Hand. Sie lachte wieder. Sie sah ihn an, über die Straße hinweg, und lachte – und da musste auch er lachen.
»Warte mal hier«, sagte er zu seiner Tochter, und ließ ihre Hand los.
Als er auf der anderen Straßenseite stand, vor ihr, da wusste er nicht, was er sagen sollte. Er kannte sie ja gar nicht.
»Wer bist ’n du?«, fragte sie ihn schließlich, und leckte am Eis.
»Der Thomas«, sagte er – Schweiß brach aus jeder seiner Poren, ihm wurde schwindelig, er schluckte.
»Ich bin die Sabine«, sagte sie, und lächelte. Gelbes, geschmolzenes Eis klebte ihr um den Mund, auf der Nase. Er lächelte zurück. Das Gefühl, das ihn seit Wochen gequält hatte, es wandelte sich nun, legte sich auf ihn, war warm, schwer wie Blei.

Als sie das erste Mal miteinander schliefen, hatten sie sich erst wenige Male getroffen. Er war mit ihr in den Park gegangen, in den Zoo, er hatte ihr Limonade gekauft und jede Menge Vanille-Eis. Sie liebte Vanille-Eis. Wenn sie es aß, lachte sie immer laut auf, und er sah sie gerne an, wenn sie laut auflachte. Das warme, bleischwere Gefühl legte sich jedes Mal von Neuem auf ihn, wenn er sie laut auflachen sah.
Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, empfand er zu seinem Erstaunen kein schlechtes Gewissen. Keine Reue. Sie lag neben ihm, in seinem Arm, und schnaufte. Er roch den satten, würzigen, lieblichen Geruch ihres Haares, ihres Körpers. Sie hatten es in ihrem Zimmer getan, sie hatten der Betreuerin gesagt, er sei ihr Cousin. Sie küsste ihn. Er hatte große Angst, dass etwas herauskommen könnte – dass ihn einer der Betreuer ansprechen würde, wenn er auf der anderen Straßenseite seine Tochter abholen käme.
Er sah sie an und sah ihre Schönheit, und er fragte sich, wieso all die anderen sie nicht sehen konnten, ihre Schönheit.

Als er nach Hause gekommen war, sich geduscht, gekämmt und rasiert hatte, setzte er sich an den Küchentisch und begann, die Reste des Auflaufs zu essen, die ihn seine Frau in Alufolie gepackt hatte. Er nahm einen Bissen und fragte sich, ob das, was er getan hatte, verboten war. Er dachte an Schmitti und Gelhüber, seine Kollegen aus der Werkstatt, und mit welchen Blicken sie ihn ansehen würden, wenn sie davon wüssten. Er dachte an seine Frau und an seine Tochter.
Er fühlte sich ruhig, ausgeglichen, aber gleichzeitig angespannt und überdreht. Das, was er getan hatte, hatte sich richtig angefühlt, aber je mehr er jetzt darüber nachdachte, desto mehr verkam es zu etwas Falschem, Krankem.

Nach dem Essen war ihm übel. Er legte sich ins Bett. Er fiel sofort in tiefe, unruhige Träume.
Dunkelheit. Seine Mutter: über ihm, am Waschbecken; er spürte diese eisige Kälte, die immer in ihm aufstieg, wenn er seine Mutter sah: ihre schlanken, knochigen, weißen Finger – ihr graziles Wesen, die Haut wie Schnee, der Dutt streng auf ihrem Hinterkopf.
Sein Schreien, sein Flehen, aber die Mutter spült bloß, ihr Gesicht verkrampft, ihre Augen starr fixiert auf den Topf und den Schwamm. Er spürte diese eisige Kälte, die immer in ihm aufstieg, wenn er neben seiner Mutter stand.
Und dann Marie, im Nebenzimmer. Ihre warmen schwesterlichen Küsse, ihr lautes Lachen, wenn er auf ihrem Schoß sitzt und sie mit dem Rollstuhl vor und zurück fährt. Ihr Geruch, ihr Gesicht, ihre ungeschickte Zunge, die jedem Wort nachhängt.

Als er aufwachte, saß seine Frau auf der Bettkante.
»Alles klar?«, fragte sie, und schnürte sich die Jogging-Schuhe zu.
»Ja«, sagte er. »Mir war vorhin bloß wieder so ’n bisschen schwindelig.«
Sie nickte, dann ging sie. Draußen stand die Sonne hoch oben im blauen Himmel. Vögel zwitscherten. Kinder spritzten sich im Nachbargarten mit dem Schlauch ab, lachten.
Dieses Gefühl, das sich so bleischwer auf ihn legte – es erdrückte ihn, erstickte ihn, machte ihn wütend, traurig, ohnmächtig.

 
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Hallo,

Dieses komische Gefühl stieg das erste Mal in ihm auf, als er mit den anderen Vätern unter dem großen, weiß-roten Schirm rechts vom Limonadenwagen stand, auf dem Sommerfest seiner Tochter.

Das komisch würde ich rausnehmen, weil du beschreibst es danach. Dem Leser wird klar, dass es irgendwie anders ist.

und dazu ihre drolligen, humpelnden Bewegungen, als wolle ihr Körper ihr nicht richtig gehorchen, als sei er ihr gänzlich fremd.

drollig, humpelnd - das klingt so verniedlichend. Einfach sagen, dass ihr Körper ihr nicht richtig gehorchen will. Hier eher verknappen.

Es war eine sehr schöne und anziehende Art, wie sie sich bewegte, und er sah seiner Tochter gerne dabei zu, wie sie spielte oder rannte oder malte oder schlief. Er liebte sie sehr.

Zweimal in aufeinanderfolgenden Absätzen "schön" und "Bewegungen." Motivverdopplung ist toll, aber auf so einem komprimierten Text schon schwer. Ich würde hier raus machen: Er sah seiner Tochter gerne dabei zu, wie sie ... das zeigt die anziehende Art, und wie sie sich bewegt.

wird forgesetzt, ich muss eben meinen Akku aufladen! Sorry!

so weiter:

Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, empfand er zu seinem Erstaunen kein schlechtes Gewissen. Keine Reue. Das würde ich auch versuchen zu zeigen: Wie sieht das aus? Was tut er denn nicht? Ich würde das mit etwas Aktivem, einer Handlung verknüpfen.

Die Traumsequenz finde ich, die passt da nicht. Das hat so einen Touch von Erklärung, Rechtfertigung. Die würde ich eigentlich rausnehmen.

Dieses Gefühl, das sich so bleischwer auf ihn legte, als er an sie dachte – es erdrückte ihn, erstickte ihn, machte ihn wütend, traurig, ohnmächtig.

Du musst dieses Gefühl und seine Wirkung nicht erklären. Wenn du den Satz rausnimmt und es dann endet, wird der Text am Ende viel unruhiger, versagt einem die Karthasis.

Finde ich gut, das Teil. Man spürt, dass du noch mal eine Schippe draufgelegt hast, du klingst irgendwie älter hier, so ruhig und auch elegant.

Gruss, Jimmy

 
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Hallo zigga,

Die heiße, helle, brennende Sonne...

Für meinen Geschmack ist das ein bisschen zu viel. Du könntest heiße eventuell raus nehmen, ich finde brennend sagt bereits aus, dass sie heiß ist.

Warum er sich übergibt versteh ich ehrlich gesagt nicht ganz, ist für mich nicht gerade eine nachvollziehbare Reaktion auf verliebt sein. Egal wie sehr. Im vorhinein findet er es ja auch noch nicht verwerflich. Oder überseh ich da was?

Er sah sie an und sah ihre Schönheit, und er fragte sich, wieso all die anderen sie nicht sehen konnten, ihre Schönheit.

Der Satz gefällt mir eigentlich sehr gut, besser fänd ichs allerdings ohne ihre Schönheit nochmal am Ende.

Seine Mutter: über ihn, am Waschbecken;

das sollte, denke ich, über ihm heißen.

Den Traum versteh ich ehrlich gesagt auch nicht ganz, vielleicht hab ich grad einfach eine Blockade im Kopf, aber das schreien und flehen von ihm, wirft für mich viele Fragen auf, die einfach nicht beantwortet werden. Warum schreit er? Ist seine Mutter so eine kalte Frau? Was tut das zur Geschichte?

Insgesamt greifst du mit deiner Geschichte ein interessantes und kontroverses Thema auf, was ich sehr spannend finde und sie gefällt mir im großen und ganzen auch gut. :) Allerdings fehlt mir persönlich ein richtiges Ende. Die Geschichte wirkt auf mich irgendwie unfertig, mehr als würde sie gerade erst beginnen. Ist aber nur so ein Gefühl von mir :)

Lg miri

 

Hej Zigga,

bis auf Kleinigkeiten fand ich es gut geschrieben.

Der Einstieg hat mir gefallen, mich aber auch auf eine falsche Fährte gelockt, ich dachte wiederholt, es handelt sich um ein Kind.
Ich bin hier

Dieses Gefühl, das die lachende Frau mit den fröhlich-funkelnden Augen in ihm losgetreten hatte
aus allen Wolken gefallen und hier
Als er auf der anderen Straßenseite stand, vor ihr, da wusste er nicht, was er sagen sollte. Er kannte sie ja gar nicht.
»Wer bist ’n du?«, fragte sie ihn schließlich, und leckte am Eis.
»Der Thomas«, sagte er – Schweiß brach aus jeder seiner Poren, ihm wurde schwindelig, er schluckte.
»Ich bin die Sabine«, sagte sie, und lächelte. Gelbes, geschmolzenes Eis klebte ihr um den Mund, auf der Nase.
dachte ich, ich hätte mit dem Kind doch recht gehabt.

Warum machst Du die Behinderung nicht eindeutig? Meine spontane Vermutung ist, dass es Dir dann schwerer fallen würde, die Attraktivität der Frau für den Leser nachvollziehbar zu gestalten.

Damit wären wir bei dem Manko, das ich bei der Geschichte sehe:
Dieser Mann sieht

sie an und sah ihre Schönheit, und er fragte sich, wieso all die anderen sie nicht sehen konnten, ihre Schönheit.
aber abgesehen davon, dass ich diese Schönheit nirgends finde, geht es ja auch gar nicht darum, sondern die sexuelle Attraktivität. Dass das nicht automatisch ein und dasselbe ist, zeigt schon, dass der Mann eine "schöne" Frau geheiratet hat, sich aber wünscht, mit einer Frau zu schlafen, die körperlich oder geistig behindert ist.
Wie gesagt, es würde der Geschichte nicht schaden, wenn das deutlicher werden würde, Dich aber mit Sicherheit vor einige Schwierigkeiten stellen.

Der Traum wirkt auf mich, als sollte er etwas erklären, als hättest Du als Autor den Eindruck gehabt, dass Dein Protagonist so etwas erlebt haben muss, damit Deine Leser ihn besser verstehen.
Aber ich verstehe ihn und auch den Zweck des Traumes leider nicht.

Sie nickte, dann ging sie. Draußen stand die Sonne hoch oben im blauen Himmel. Vögel zwitscherten. Kinder spritzten sich im Nachbargarten mit dem Schlauch ab, lachten.
Fänd ich ein sehr gelungenes Ende.
Die Gedanken an so viel verschiedene Menschen bleiben mir zu vage, das bleischwere Gefühl hat bis dahin auch schon seine Schuldigkeit getan und sagt mir nichts Neues.

Also für mich hat die Geschichte ziemlich ausgewogen gute und auch noch weniger gute Anteile.
Für die Glaubwürdigkeit fehlt mir da noch was.

Gruß
Ane

 

Hey zigga,

Also, Thomas hat eine reizende Frau zuhause und betrügt sie mit einer Behinderten. Da wäre es für mich schon interessanter warum er dies tut?

Ja, wenn er heute rückblickend darüber nachdenkt, dann ist er sich fast sicher, dass es ihr Lachen gewesen war, das dieses komische Gefühl in ihm ausgelöst hatte.

Nene, du hast genügend gute Geschichten geschrieben um zu wissen, dass dies hier zu banal ist. Ist die Ehe vielleicht langweilig, weil sie vielleicht sich keine Zeit für ihn nimmt, sondern sich nur um ihren Körper kümmert? Oder ist Thomas ein Fettsack, der unter der Figur seiner Frau darunter leidet, dass er halt ein Fettsack ist? Kompensiert er daher irgendwelche Minderwertigkeitskomplexe? Am Ende tauchen dann schwammige Ansätze einer Erklärung auf. Vielleicht weiß Thomas ja selber nicht warum, aber gerade hier würde es dann interessant werden, was sich der Autor dazu einfällen lässt - Vergangenheitsbewältigung mit Selbstreflexion!

Als er auf der anderen Straßenseite stand, vor ihr, da wusste er nicht, was er sagen sollte. Er kannte sie ja gar nicht.

Ich mag den Satz. Mit all den Einschüben passt er zur Situation von Thomas, wenn er vor Sabine steht.

Betoncity fand ich bedeutend besser. Habe hier eher das Gefühl, dass du den Leser versuchst zu verwirren, ob es sich hier nun um einen Pädophilen handelt oder nicht.

Und sonst ... schreib endlich deine Erotikgeschichte!

lg
Kroko

 

Hi Jimmy,

vielen Dank für deine Detailarbeit, ich werde beim Überarbeiten der Story deine Verbesserungs- und Kürzungsvorschläge auf jeden Fall beherzigen, sie sind gut.

Die Traumsequenz finde ich, die passt da nicht. Das hat so einen Touch von Erklärung, Rechtfertigung. Die würde ich eigentlich rausnehmen.
Ja ... mal sehen. Ich mag die Traumsequenz, ich dachte sogar, dass ich die evtl. ausbaue, einfach, um die Motivation, wieso er sich in diese Frau verliebt, noch verständlicher machen kann. Mal sehen

Du musst dieses Gefühl und seine Wirkung nicht erklären. Wenn du den Satz rausnimmt und es dann endet, wird der Text am Ende viel unruhiger, versagt einem die Karthasis.
Das ist auf jeden Fall einen Gedanken wert. Der letzte Satz bringt halt noch mal so eine allgemeine Unruhe, eine Ohnmacht zum Vorschein - aber ohne den Satz, stimmt schon, könnte das auch schön enden. Ich werde mal drüber nachdenken.

Finde ich gut, das Teil. Man spürt, dass du noch mal eine Schippe draufgelegt hast, du klingst irgendwie älter hier, so ruhig und auch elegant.
Ja super, vielen Dank.
Ja ja, auch ich werde älter (und eleganter) :D.

Vielen Dank fürs Kommentieren und Lesen, Jimmy.

Hi miri,

Warum er sich übergibt versteh ich ehrlich gesagt nicht ganz, ist für mich nicht gerade eine nachvollziehbare Reaktion auf verliebt sein. Egal wie sehr. Im vorhinein findet er es ja auch noch nicht verwerflich. Oder überseh ich da was?
Na ja, von mir aus war das so gedacht, dass dieser innere Trieb, dieses Verlangen, das die Frau in ihm ausgelöst hat, ihn aufwühlt, durcheinander bringt, alte Konflikte an die Oberfläche spült. Er schwankt dazwischen, ob das legitim ist, oder doch total verwerflich.

das sollte, denke ich, über ihm heißen.
right!

Den Traum versteh ich ehrlich gesagt auch nicht ganz, vielleicht hab ich grad einfach eine Blockade im Kopf, aber das schreien und flehen von ihm, wirft für mich viele Fragen auf, die einfach nicht beantwortet werden. Warum schreit er? Ist seine Mutter so eine kalte Frau? Was tut das zur Geschichte?
Ahh ... ihr mögt den Traum alle nicht. :D Na ja, er sollte schon sowas wie eine Erklärung zur Motivation geben, wieso sich ein Mann mit einer attraktiven Frau zu einer Behinderten hingezogen fühlt.

Insgesamt greifst du mit deiner Geschichte ein interessantes und kontroverses Thema auf, was ich sehr spannend finde und sie gefällt mir im großen und ganzen auch gut.
super!

Allerdings fehlt mir persönlich ein richtiges Ende. Die Geschichte wirkt auf mich irgendwie unfertig, mehr als würde sie gerade erst beginnen. Ist aber nur so ein Gefühl von mir
alles klar, vielen Dank für deine Einschätzung!

Auch danke für die Überarbeitungsvorschläge, die lasse ich mir mal durch den Kopf gehen.

Vielen Dank dir auf jeden Fall, miri, fürs Vorbeischauen und Lesen und Kommentieren!


Hi Ane,

habe ich schon mal erwähnt, dass ich immer Angst kriege, wenn ich sehe, dass du mir einen Kommentar geschrieben hast? :D

bis auf Kleinigkeiten fand ich es gut geschrieben.
da bin ich schon mal erleichtert!

Der Einstieg hat mir gefallen, mich aber auch auf eine falsche Fährte gelockt, ich dachte wiederholt, es handelt sich um ein Kind.
Ja, ah, das ist die Schwachstelle des Textes. Ich war mir echt nicht sicher, ob das gut herauskommt, dass es sich hier um eine Behinderte handelt und nicht um ein Kind. Manchmal kürze ich Infos an den falschen Stellen. Ja ... ich kann das auch nicht direkt da rein schreiben, es geht einfach nicht - ich dachte, also, der Leser muss die behinderte Frau so sehen, wie der Prot sie sieht - würde ich schreiben: Sie ist behindert ... dann läge der Fokus immer auf die Behinderung. Aber der Prot sieht Sabrina eben an, und sieht nicht die Behinderung, sondern eine schöne Frau. Das war der Plan.

aber abgesehen davon, dass ich diese Schönheit nirgends finde, geht es ja auch gar nicht darum, sondern die sexuelle Attraktivität. Dass das nicht automatisch ein und dasselbe ist, zeigt schon, dass der Mann eine "schöne" Frau geheiratet hat, sich aber wünscht, mit einer Frau zu schlafen, die körperlich oder geistig behindert ist.
Mhm, ja, kann man so lesen. Ich schätze, mit einer behinderten Frau zusammenzusein ist halt ein Tabu. Da schaut dich jeder an, es wird getuschelt. Ich denke, bei Homopaaren ist das heute in gewissen Kreisen noch schwierig, man wird angeschaut, ausgegrenzt, aber wenn man mit einem Behinderten zusammen ist, ist das noch mal eine ganz andere Liga, glaube ich. Also das war so die Intention hinter dem Text. Ich konnte mir eben vorstellen, dass so jemand sein Verlangen lange Zeit unterdrückt, auch "normal" heiratet, Kind bekommt alles, aber dass ihn das später einholen kann.

Der Traum wirkt auf mich, als sollte er etwas erklären, als hättest Du als Autor den Eindruck gehabt, dass Dein Protagonist so etwas erlebt haben muss, damit Deine Leser ihn besser verstehen.
Aber ich verstehe ihn und auch den Zweck des Traumes leider nicht.
Ja, das ist schade. Klar, ich wollte damit schon was erklären, wieso der Prot dieses Verlangen hat ... bin mir noch unsicher, was ich damit mache.

Fänd ich ein sehr gelungenes Ende.
Genau, hat jimmy schon vorgeschlagen, mehr oder weniger. Ich überleg's mir.

Also für mich hat die Geschichte ziemlich ausgewogen gute und auch noch weniger gute Anteile.
Für die Glaubwürdigkeit fehlt mir da noch was.
Okay, vielen Dank für deine Einschätzung, Ane, fürs Lesen und Zeitnehmen und das alles.


Hi Kroko,

Da wäre es für mich schon interessanter warum er dies tut?
Ja ... das sollte die Traumsequenz andeuten, aber whrs. hab cih da wieder zu viel gekürzt. :D Also ich wollte schon hier von einer Sache erzählen, in der ein Mann einfach in eine behinderte Frau verliebt/verknallt ist. Obwohl er eigentlich 'ne schöne Frau und ein Kind zuhause hat. Wieso? Ja ... wollte ich eben mit der Traumsequenz andeuten. Also am Traum stören sich echt alle, entweder baue ich den noch weiter aus, damit die Motivation wirklich total klar wird, oder ... ich schau mal.


Habe hier eher das Gefühl, dass du den Leser versuchst zu verwirren, ob es sich hier nun um einen Pädophilen handelt oder nicht.
Ja! Oh Mann. Nee, das war nicht mein Plan. Ich hab da bloß zu viel rumgekürzt und zu viel vorausgesetzt, dass der Leser genau weiß, was ich meine. Das passiert mir manchmal, ich werde da nachbessern.

Betoncity fand ich bedeutend besser.
Hey, das freut mich dann doch. Ja ja, die Betoncity - ich schreibe da gerade eine Fassung 2, schon seit Wochen, wenn die fertig ist, lade ich sie auch mal hoch. Aber freut mich, dass du dich noch an die Story erinnerst, weil ich sie auch sehr gerne habe.


Vielen Dank auch dir, Kroko, fürs Lesen, Zeitnehmen, Kommentieren usw.!


Ach ja, Kroko:

Und sonst ... schreib endlich deine Erotikgeschichte!
:confused: Was für eine Erotikgeschichte?

 

deine Antwort aus Betoncity ...

Stimmt, irgndwie wusste ich von Anfang an, dass der Erotikbutton falsch ist, aber ich konnte es nicht lassen

und deine x Anspielung in "Bleischwer".

Bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung von Betoncity :thumbsup: .

lg
Kroko

 

Hey zigga,

das ist eine echt interessante Geschichte, finde die Idee super.
Die Handungen und Gedanken des Protagonisten sind für mich immer nachvollziehbar und authentisch. Was mir irgendwie auch gefällt, ist der sehr einfache Schreibstil. Ich finde, er klingt manchmal fast kindlich, ohne dass ich direkt sagen könnte, woran es liegt. Aber es passt gut zu der Geschichte, zu der irgendwie auch kindlichen "Beziehung" der beiden und Sabine. Ach, ich weiß nicht, ob du verstehst was ich mein, ich hoffs mal :D

Der Text ist ja ziemlich verkürzt erzählt - ich hätte gern mehr erfahren: z.B., wieso der Protagonist überhaupt seine Frau geheiratet hat bzw. wie die Beziehung zwischen den beiden verläuft, ein bisschen mehr über Sabine. Ist aber vielleicht nur meine Meinung.

So, dann noch paar Anmerkungen:

Er sah es an den Bewegungen der anderen Väter auf dem Sommerfest, wenn sich seine Frau in ihrer Nähe aufhielt – nervös, steif, unsicher, überdreht.
sehr gute Beobachtung, find ich

Auch seine Tochter war sehr schön. Sie schien bereits jetzt einzelne Nuancen ihrer Mutter zu übernehmen: die Art, wie sie ihre Arme hob, ihren Blick auf eine Sache fokussierte oder lief. Es war eine sehr schöne und anziehende Art, wie sie sich bewegte
hier hat mich das doppelte "sehr schön" gestört

»Ich bin die Sabine«, sagte sie, und lächelte. Gelbes, geschmolzenes Eis klebte ihr um den Mund, auf der Nase. Er lächlte zurück. Das Gefühl, das ihn seit Wochen gequält hatte, es wandelte sich nun, legte sich auf ihn, war warm, schwer wie Blei.
Die Stelle find ich richtig gut

Das, was er getan hatte, hatte sich richtig angefühlt, aber je mehr er jetzt darüber nachdachte, desto mehr verkam es zu etwas Flaschem, Krankem.
Tippfehler ;)

Also, mir hat die Geschichte an sich gefallen, auch wenn sie mich noch etwas "unbefriedigt" zurücklässt.
Ach ja, und falls es dich etwas beruhigt: ich hab nicht gedacht, dass Sabine ein Kind ist ;)

Liebe Grüße,
Tintenfisch

 

Zigga, ich wollte noch was sagen: Lollek hat auch mal eine thematisch ähnliche Geschichte geschrieben, mit einem anderen Erzähler, einem Ich-Erzähler, der natürlich auch näher dran war.

Ich finde auch, du sollest es klarer werden lassen, dass es sich hier um eine Frau mit Behinderung handelt. Ane hat da viel Gutes gesagt (ich zittere übrigens auch immer, wenn sie meine Sachen kommentieren, weil sie oft gnadenlos, aber eben auch sehr, sehr präzise ist). Das Warum fehlt, und du kannst das jetzt mit dieser Traumsequenz erklären oder einfach weglassen, diese Begierde zeigen, und auch den Unterschied, die Differenz zu der Begierde, die er für seine Frau empfindet. Da musst du natürlich etwas riskieren, weil du deine Figur offenbarst, da muss etwas authentisches kommen, das ist nicht einfach. Also, Hut ab nochmal, dass du dich an dieses heikle Thema rangemacht hast.

 

Hi Kroko,

Bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung von Betoncity .
Nee, eine Version 2 gibts, keine Fortsetzung! :D


Hey Tintenfisch,

das ist eine echt interessante Geschichte, finde die Idee super.
das freut mich!

Der Text ist ja ziemlich verkürzt erzählt - ich hätte gern mehr erfahren: z.B., wieso der Protagonist überhaupt seine Frau geheiratet hat bzw. wie die Beziehung zwischen den beiden verläuft, ein bisschen mehr über Sabine. Ist aber vielleicht nur meine Meinung.
Ja, sehr verkürzt. Ich bin mir auch noch nicht sicher, wie die Überarbeitung aussehen wird. Evtl. fahre ich da noch ein bisschen mehr aus, aber vllt gefällt mir das auch so, so minimiert

hier hat mich das doppelte "sehr schön" gestört
ist gekickt!

Also, mir hat die Geschichte an sich gefallen, auch wenn sie mich noch etwas "unbefriedigt" zurücklässt.
Ach ja, und falls es dich etwas beruhigt: ich hab nicht gedacht, dass Sabine ein Kind ist
Ja cool. Ja, an ein paar Stellen muss ich echt noch ausfahren, z.B. bei der Motivation, wieso genau Sabine, eine Behinderte. Ich hab gestern den Text noch bisschen dahin gedreht, dass sie nicht mehr so kindlich wirkt, und wenn du die aktualisierte "unkindliche" Fassung gelesen hast (wie ich hoffe), dann könnte das sogar geklappt haben. :)


Vielen Dank dir fürs Vorbeischauen, Lesen, Zeitnehmen, Kommentieren!


Hey Jimmy,

Zigga, ich wollte noch was sagen: Lollek hat auch mal eine thematisch ähnliche Geschichte geschrieben, mit einem anderen Erzähler, einem Ich-Erzähler, der natürlich auch näher dran war.
Werde ich gleich mal nachsehen, danke für den Hinweis!

Ich finde auch, du sollest es klarer werden lassen, dass es sich hier um eine Frau mit Behinderung handelt. Ane
Sehe ich mittlerweile genauso. Wenn man so eine Idee im Kopf hat, und die dann runterschreibt und zu minimieren versucht, ist die Gefahr eben groß, dass man an den falschen Stellen was weglässt, und der Leser dann nicht die selben Bilder wie der Autor im Kopf hat.

(ich zittere übrigens auch immer, wenn sie meine Sachen kommentieren, weil sie oft gnadenlos, aber eben auch sehr, sehr präzise ist).
:D da bin ich ja beruhigt! Ja, ich schätze ihre Kommentare immer sehr, v.a. ihr genaues Auge und die Ehrlichkeit, mit der sie einem die Meinung sagt.

Ane hat da viel Gutes gesagt
Ja. Ich werde bei der Überarbeitung da genau drauf achten. Die Motivation muss ausgebaut werden, ich muss da noch mehr riskieren, mehr Figur zeigen.

Viele Dank für deinen erneuten Kommentar, Jimmy.

 

Hallo zigga,

eine sehr interessante, ungewöhnliche Geschichte. Mutig auch, das haben ja schon mehrere gesagt.

Auch ich habe bei der Beschreibung von Sabine zuerst an ein Kind gedacht, aber ich finde das gar nicht so verkehrt. Du beschreibst sie ja - nach meinem Verständnis - als primär geistig behindert, indem Du ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit sowie einige weitere eher kindliche Züge betonst. Und das vertieft gerade die Problematik für den Prot: Mit einer rein körperlich behinderten Partnerin wird man vielleicht komisch angeguckt, aber mit einer geistigen Behinderung stellen sich ja noch zusätzliche Fragen nach Selbstbestimmung, Mündigkeit usw. Je nach Grad der Behinderung ist man da ganz ähnlich wie mit Kindern schnell in einem Missbrauchsszenario. Deshalb würde ich diese Assoziation gar nicht unbedingt wegnehmen wollen - je nachdem, ob sie beabsichtigt ist oder nicht.

Du scheinst zu schwanken, ob Du die Traumszene ausbauen oder streichen solltest. Ich wäre für ausbauen, weil ich finde, dass die Szene schon einiges vom Prot erklärt. Ich lese den Traum so: Seine Mutter war ziemlich hart, fast gefühllos (oder hat Gefühle zumindest nicht gezeigt), während er mit seiner behinderten Schwester viel mehr Spaß und menschliche Wärme erfahren hat. Die platte Deutung wäre jetzt, dass seine Frau irgendwie der Mutter entspricht (schön, aber unnahbar) und die Sabine seiner Schwester, so dass er sich zu Sabine hingezogen fühlt. Daraus könnte man mit negativem Blick folgern, dass seine verkorkste Kindheit seine "kranken" Neigungen erklärt, während ein "normaler" Mensch mit "normaler" Kindheit "natürlich nie" was mit einer Behinderten anfangen würde. Das wäre einigermaßen fatal für die Aussage Deiner Geschichte. Meine positivere Deutung (die mir bei der Szene auch als erste in den Sinn kam) ist, dass er in seiner Kindheit Behinderung als etwas völlig Normales erfahren hat und nicht mit denselben Berührungsängsten belastet ist, die andere Leute gegenüber Behinderten haben; deshalb ist es ihm auch möglich, sich in eine behinderte Frau zu verlieben. Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen, oder vielleicht möchtest Du dem Leser die eine oder die andere (oder eine dritte) Interpretation nahebringen. Dafür müsstest Du bzw. die Traumszene aber eindeutiger werden. Deshalb: ausbauen.

Kroko hat die Frage nach dem Warum aufgeworfen, und die finde ich berechtigt. Meine Antwort darauf wäre, dass ihm genau dieser Frohsinn, den Sabine ausstrahlt, in seiner Ehe fehlt - das Leichte, Unbeschwerte, das ja genau mit der Bleischwere kontrastiert. Das würde wiederum zu der Traumsequenz passen. Aber ich glaube schon, dass ich da arg am Spekulieren bin und Du das klarer, eindeutiger vermitteln könntest, damit Deine Leser nicht aufs Raten angewiesen ist. Denn sonst raten die womöglich auch was ganz anderes, was Du nicht beabsichtigst.

Das offene Ende empfinde ich zwiespältig: Einerseits wirkt es irgendwie geschummelt, so als hättest Du Dich davor gedrückt, eine Entscheidung zu treffen. Andererseits hätte ich null Ideen, wie ein eindeutiges Ende aussehen sollte, ohne in Kitsch oder Allgemeinplätze abzudriften. (Er beendet die Beziehung? Zu einfach. Er führt sie heimlich weiter? Ist genauso offen. Er führt sie offen weiter? Da kommt ganz viel nach, was Du dann noch schildern müsstest, das wäre kein Schluss. Sie brennen durch? Unrealistisch.) Da habe ich keine Empfehlung für Dich.

Ein paar Kleinigkeiten noch:

auf dem Sommerfest seiner Tochter

Das hat mich eine Zeitlang glauben lassen, auch seine Tochter sei in dieser Behinderteneinrichtung. Bin dann aber zu dem Schluss gekommen, dass die Heimbewohner nur zufällig oder als Gäste beim Sommerfest vorbeikamen, weil der Kindergarten gegenüber liegt. Vielleicht könnte man das etwas klarer machen, aber womöglich war ich da auch als einziger auf der falschen Fährte.

Es war wie ein Gift, das sich einmal in die Venen injiziert festsetzte, ausbreitete, alle Organe befiel.

Auch ich hatte anfangs meine Probleme mit den Körperempfindungen Deines Prot, habe mich aber beim zweiten Lesen doch ganz gut reinfühlen können. Dann hat auch das Bild vom Gift, was mich beim ersten Lesen noch am stärksten gestört hat, Sinn ergeben.

Den fett markierten Part wurde ich mit beiderseitigen Gedankenstrichen abgrenzen.

mit einem roten Käppi auf dem Kopf

»Warte mal hier«, sagte er zu seiner Tochter[, Komma raus] und ließ ihre Hand los.

Er lächelte zurück.

Er fühlte sich ruhig, ausgeglichen, aber gleichzeitig angespannt und überdreht.

Das kann ich mir leider so gar nicht vorstellen, das klingt für mich nach einem glatten Widerspruch. Wenn ich angespannt bin, kann ich nicht gleichzeitig ruhig sein. Ausgeglichen - vielleicht in gewisser Hinsicht.

»Alles klar?«, fragte sie[, Komma raus] und schnürte sich die Jogging-Schuhe zu.

Sehr interessante Geschichte!

Grüße vom Holg ...

 

Hi Holg,

vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.

eine sehr interessante, ungewöhnliche Geschichte. Mutig auch, das haben ja schon mehrere gesagt.
danke

Auch ich habe bei der Beschreibung von Sabine zuerst an ein Kind gedacht, aber ich finde das gar nicht so verkehrt.
Ich sehe das ähnlich wie du. Da bestehen parallelen zwischen einem Menschen mit einer geistigen Behinderung und einem Kind. Und wenn ein Nichtbehinderter dann etwas mit einem Behinderten hat, wissen der Großteil der Menschen nicht, wie sie darauf reagieren sollen, ob das Missbrauch ist oder nicht. Also das stelle ich jetzt einfach mal so in den Raum, das ist so meine Einschätzung.

Du scheinst zu schwanken, ob Du die Traumszene ausbauen oder streichen solltest. Ich wäre für ausbauen, weil ich finde, dass die Szene schon einiges vom Prot erklärt.
Ok, ich tendiere gerade auch eher für ausbauen.

Ich lese den Traum so: Seine Mutter war ziemlich hart, fast gefühllos (oder hat Gefühle zumindest nicht gezeigt), während er mit seiner behinderten Schwester viel mehr Spaß und menschliche Wärme erfahren hat.
So wie du den Traum deutest, war er auch von mir gedacht. Ja, man kann das so deuten und sagen, jemand, der mit einer Behinderung Wärme, Liebe verbindet, wird sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einem solchen Menschen hingezogen fühlen, als jemand, der überhaupt nichts mit einer Behinderung verbindet. Ich denke, die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, wie du schon sagtest. Ich denke, dass jemand, der allgemein eine Behinderung für normal hält, für nichts Schlimmes, Ekliges, dass sojemand dann auch so eine Vorliebe entwickeln kann.

Kroko hat die Frage nach dem Warum aufgeworfen, und die finde ich berechtigt. Meine Antwort darauf wäre, dass ihm genau dieser Frohsinn, den Sabine ausstrahlt, in seiner Ehe fehlt - das Leichte, Unbeschwerte, das ja genau mit der Bleischwere kontrastiert. Das würde wiederum zu der Traumsequenz passen. Aber ich glaube schon, dass ich da arg am Spekulieren bin und Du das klarer, eindeutiger vermitteln könntest, damit Deine Leser nicht aufs Raten angewiesen ist. Denn sonst raten die womöglich auch was ganz anderes, was Du nicht beabsichtigst.
Ja, das Warum - ich werde das noch ausbauen, ihr habt recht.

Das offene Ende empfinde ich zwiespältig: Einerseits wirkt es irgendwie geschummelt, so als hättest Du Dich davor gedrückt, eine Entscheidung zu treffen. Andererseits hätte ich null Ideen, wie ein eindeutiges Ende aussehen sollte, ohne in Kitsch oder Allgemeinplätze abzudriften.
Och, ich mag das Ende. Für mich ist das eine ausweglose Situation für den Prot, ja ein Moment, aus dem er keinen Ausweg findet, sich gefangen fühlt, nicht weiß, was richtig oder falsch ist. Ich mag sowas - mir persönlich reicht das auch von der Figurenentwicklung, die ging ja praktisch von: Glücklicher, bodenständiger Familientyp zu: zerrissener, unglücklicher Mann, der jede Sekunde vor dem gesellschaftlichen Aus stehen könnte. Also so war das zumindest geplant. :D

Das hat mich eine Zeitlang glauben lassen, auch seine Tochter sei in dieser Behinderteneinrichtung. Bin dann aber zu dem Schluss gekommen, dass die Heimbewohner nur zufällig oder als Gäste beim Sommerfest vorbeikamen, weil der Kindergarten gegenüber liegt. Vielleicht könnte man das etwas klarer machen, aber womöglich war ich da auch als einziger auf der falschen Fährte.
Ja, so wie du es deutest ist es von mir beabsichtigt, ich hab das Wohnheim noch mal wo klarer verortet, danke!

Auch ich hatte anfangs meine Probleme mit den Körperempfindungen Deines Prot, habe mich aber beim zweiten Lesen doch ganz gut reinfühlen können. Dann hat auch das Bild vom Gift, was mich beim ersten Lesen noch am stärksten gestört hat, Sinn ergeben.
Ja, für mich ist das auch bloß so ein 95%iges Bild, also so minimal ist das schief, fühlt sich zumindest auch bei mir so an, aber ich kann nicht genau sagen, wieso. Aber ich mag das Bild irgendwie total. Auch, weil ich es dann so schön weiterspinnen konnte, dass das Gift alle Organe befällt, und ihm wird ja dann tatsächlich ständig schlecht und er bricht in kaltem Schweiß aus, als hätte er eine Vergiftung.

mit einem roten Käppi auf dem Kopf
ahh ... es gibt so 2-3 Worte im Duden, mit deren Geschlecht ich einfach nicht klarkomme. Einem Käppi? Wirklich? Oh Gott. Ich habe das noch nie jemanden sagen hören, wirklich. Backstage ist noch so ein Wort. Das wird im Duden auch als weiblich konjungiert, und, oh Gott, das ist doch grausig, das ist doch total falsch. Ich bringe das leider nicht übers Herz, das zu ändern, Holg, dann hat sich meinetwegen der Erzähler versprochen :D

Er fühlte sich ruhig, ausgeglichen, aber gleichzeitig angespannt und überdreht.
Das kann ich mir leider so gar nicht vorstellen, das klingt für mich nach einem glatten Widerspruch.
Hm ... ich kann es mir vorstellen. Also ich kann mich an Situationen erinnern, in denen eigentlich alles glatt läuft, man sich nach außen hin gut fühlen müsste, aber in einem drin schlummert etwas, ein schlechtes Gewissen, eine Angst - und dann fühlt man sich total zerrissen. Aber ich denke noch mal drüber nach.

Sehr interessante Geschichte!
Merci! Danke dir auch für Zeit, Kommentar und Lesen, Holg, hat mich gefreut.


Viele Grüße,
zigga

 

Hallo zigga!

Ich finde, dass Holgs Deutung in die richtige Richtung weist:

Auch ich habe bei der Beschreibung von Sabine zuerst an ein Kind gedacht, aber ich finde das gar nicht so verkehrt. Du beschreibst sie ja - nach meinem Verständnis - als primär geistig behindert, indem Du ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit sowie einige weitere eher kindliche Züge betonst. Und das vertieft gerade die Problematik für den Prot: ... mit einer geistigen Behinderung stellen sich ja noch zusätzliche Fragen nach Selbstbestimmung, Mündigkeit usw. Je nach Grad der Behinderung ist man da ganz ähnlich wie mit Kindern schnell in einem Missbrauchsszenario.

Ich stelle mir Sabine als geistig retardiert vor: Im ausgereiften Körper einer jungen Frau steckt eine Kinderseele. Du gibst zwar ihr Alter nicht an, bezeichnest sie aber als Frau:

die lachende Frau mit den fröhlich-funkelnden Augen

Sabine ist naiv, kindlich geblieben, und gerade das hat es Thomas angetan. Der Zauber, den Kinder auf Erwachsene ausstrahlen, besteht ja vor allem in ihrer Unbekümmertheit, die vom Ernst des Lebens noch nicht getrübt ist, in ihrer Naivität. Sie haben es noch nicht gelernt, sich zu verstellen, zum Beispiel, ein falsches Lächeln aufzusetzen, was auch für Sabine gilt: Ihr unverstelltes Lachen bezaubert Thomas:

Ja, wenn er heute rückblickend darüber nachdenkt, dann ist er sich fast sicher, dass es ihr Lachen gewesen war, das dieses komische Gefühl in ihm ausgelöst hatte. Dieses ehrliche, echte Lachen

Und das hat schon etwas mit Pädophilie zu tun, denn geistig-seelisch ist Sabine ein Kind geblieben, so dass Thomas Schuldgefühle empfindet und zwar zu Recht:

je mehr er jetzt darüber nachdachte, desto mehr verkam es zu etwas Falschem, Krankem.

Es ist ja auch unrecht gegenüber seiner Frau, deren körperliche Schönheit zwar noch nicht verblüht ist, aber die, weil sie Mutter geworden ist und eine Tochter großzieht, weil für sie die unbeschwerte Kindheit aufgehört und der Ernst des Lebens begonnen hat, ihrem Ehemann diese kindliche Naivität nicht mehr bieten kann.

Deine psychologisch in sich stimmige Erzählung habe ich gerne gelesen!
Grüße
gerthans

 

Hallo zigga,

noch mal kurz:

ahh ... es gibt so 2-3 Worte im Duden, mit deren Geschlecht ich einfach nicht klarkomme. Einem Käppi? Wirklich? Oh Gott. Ich habe das noch nie jemanden sagen hören, wirklich. (...) Ich bringe das leider nicht übers Herz, das zu ändern, Holg, dann hat sich meinetwegen der Erzähler versprochen :D

Naja, mir hat nicht erst der Duden gesagt, dass das Neutrum ist (obwohl ich sicherheitshalber nachgeguckt habe, ob ich mich irre). Für mich klang "eine Käppi" beim Lesen falsch. Aber ich kann natürlich in der Minderheit sein.

Also ich kann mich an Situationen erinnern, in denen eigentlich alles glatt läuft, man sich nach außen hin gut fühlen müsste, aber in einem drin schlummert etwas, ein schlechtes Gewissen, eine Angst - und dann fühlt man sich total zerrissen.

Das kann ich auch nachfühlen, dass man glaubt, dass man sich anders fühlen müsste, als man es tut. Geschrieben hast Du aber, dass er sich tatsächlich so fühlt - und gleichzeitig genau umgekehrt. Das ist für mich nicht dasselbe.

Grüße vom Holg ...

 

Grüß dich, Holg,

vielen Dank für deine erneute Rückmeldung.

"Das kann ich auch nachfühlen, dass man glaubt, dass man sich anders fühlen müsste, als man es tut. Geschrieben hast Du aber, dass er sich tatsächlich so fühlt - und gleichzeitig genau umgekehrt. Das ist für mich nicht dasselbe."

Ja, du hast recht, das Gefühl sollte ich anders beschreiben, verständlicher.

Viele Grüße,
zigga

 

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