Mitglied
- Beitritt
- 29.07.2019
- Beiträge
- 1
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 3
Blaues Fahrrad
An einem Dezembertag fuhr Rudolf mit seinem Fahrrad in einem menschenleeren Dorf auf dem glatten Bürgersteig. Zu seiner Überraschung öffnete eine Beifahrertür, die ihm den Weg versperrte. Rudolf bemerkte das allerdings viel zu spät, was der Grund dafür war, dass er mit dem Fahrrad gegen die Tür fuhr und im hohen Bogen im weichen Schnee landete. Als Rudolf ohne Schmerzen aufstand und sich langsam umdrehte, sah er einen etwas größeren und schlankeren Mann, der genervt aus dem blauen Kombi guckte. Er sah am Auto, dass ein Stück Lack abgegangen war. Rudolf überlegte sich schnell ein paar Argumente, wie er den Mann von seiner Unschuld überzeugen kann. Mitten in seinen Gedanken hörte er eine aufgeregte Stimme, die sagte: ,,Oh, Mist das Auto war doch nur geliehen, Hans!“ Rudolf sah einen zweiten Mann. Er war kleiner als Hans und er sah ein wenig verärgert aus. Rudolf sagte: ,,Es ist nicht meine schuld , ich bin nur auf dem Bürgersteig gefahren. Sie müssen aufpassen, wenn sie die Tür öffnen.“ Hans war zurückgeschreckt und trotzdem ging er einen Schritt auf Rudolf zu und reichte ihm die Hand. Rudolf nahm sie und bemerkte, dass die Hand leicht zitterte. Der Autofahrer namens Klaudius rief die Polizei an. In der Wartezeit wurde nicht viel gesprochen. Ab und zu wischte sich Hans mit einem Papiertaschentuch über das Gesicht. Als die Polizei kam, ließ sie sich beide Varianten erklären. ,, Sie sind viel zu schnell auf dem Bürgersteig gefahren “, behauptete Hans. Der Polizist protokolierte, dass Hans den Schaden bezahlen muss. Hans hatte finanzielle Schwierigkeiten und deshalb brachte dieser kleine Unfall ordentlich ins Schwitzen.
Rudolf hatte ein wenig Mitleid mit dem Mann, da er selbst in leichter Geldnot war. Deshalb war das Radfahren für ihn auch eine so wichtige Geldquelle. Da konnte er sich etwas Kleingeld dazu verdienen. Nachdem der Polizist alles geklärt und sich Hans bei Rudolf entschuldigt hatte, fuhr er mit dem blaulackierten Rennrad weiter.
Einige Jahre vergingen. Rudolf war umgezogen und nicht mehr der Jüngste, dazu kam, dass Rudolf unter Bauchkrämpfen litt. Er ging weniger Radfahren und betrieb auch nicht mehr so viel Sport. Trotz der Krämpfe wollte Rudolf jeden Tag einen Spaziergang durch den Park in seiner Nähe machen. An einem warmen Nachmittag setzte sich Rudolf auf eine grüne Bank, die neben einem Baum im Schatten stand. Er hörte ein paar Amseln beim Singen zu und beobachtete Radfahrer beim Fahren. Rudolf dachte an die Zeit zurück als er noch jünger war. Er grub in seiner Tasche und holte ein Bilderbuch hervor. Er sah auf der ersten Seite sich selbst mit dem blauen Sportrad während seines ersten Wettkampfs. Er hatte ein blaues Trikot passend zu seinem Fahrrad an. Seine ganze Familie war anwesend. Auch der Hund. Roby sprang immer an ihm und seinem Fahrrad hoch. Rudolf vermisste Roby jeden Tag, er war ein kleiner weißer Hund mit ein paar schwarzen Punkten. Er ist vor drei Jahren eingeschläfert worden. Da liefen Rudolf Tränen herunter. Ein großer schlanker Mann kam und setzte sich neben ihn. Rudolf fragte den Mann wie viel Uhr es sei und sie kamen ins Gespräch. Der Mann hinterließ einen sympathischen Eindruck und sie sprachen über das Thema Radfahren. Rudolf erzählte dem Mann von dem kleinen Unfall und der Mann musste lachen. Rudolf wusste nicht, wieso und guckte sich um. Er sah allerdings nichts Lustiges und ganz aus dem Nichts sprach der Mann ihn mit seinem Namen an und in dem Moment wusste Rudolf es. ,,Sie sind Hans“, rief Rudolf. Die beiden mussten lachen.
Sie trafen sich ab dem Zeitpunkt regelmäßig entweder zum Kaffee trinken oder zum Radsport gucken.