- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 4
Blaue Rose
Eine blaue Rose, so mystisch, verzaubernd und schön. Liebende schenken sie gerne ihren Partnern als Symbol für die Ewigkeit ihrer Gefühle. Aber gibt es die ewige Liebe überhaupt, oder ist sie nur eine Illusion? So wie die blaue Rose selbst, ein durch Farbstoffe künstlich hergestelltes Produkt der Blumenindustrie.
Diese Überlegungen gingen durch seinen Kopf, als er das Blumengeschäft mit eben einer solchen, in glanzvoller Folie verpackten, blauen Rose verließ und sich auf den Weg zu ihr machte. Es war ein nasskalter und trüber Novembertag, dünner Nebel hing in der Luft und in der Ferne läuteten Kirchenglocken. Nur sehr vereinzelt kamen ihm Fußgänger entgegen. Ein älteres Pärchen, in dicken Mänteln und warmen Schals eingehüllt, das wahrscheinlich seinen alltäglichen Nachmittagsspaziergang absolvierte und eine junge Frau, die hastig ihren kleinen Dackel Gassi führte, um wohl rasch wieder in die warme Wohnung zurückzukehren. Regentropfen liefen ihm über das Gesicht und der Herbstwind fegte Blätter verschiedenster Farben über die Straße. Ein zerknittertes Stück Papier wehte auf dem Boden an ihm vorüber und ihm kam in den Sinn, dass das Papier jetzt, wo es einmal zerknüllt war, nie wieder perfekt sein konnte. Er erinnerte sich an Dienstag, vor drei Tagen, als er das letzte Mal mit ihr zusammen gewesen war. Sie saßen auf ihrem Bett, das Kerzenlicht flackerte und Schatten tanzten am Fenster. Er bewunderte ihre Schönheit. Die Haare, schwarz wie die dunkelste Nacht, wie sie sie immer wieder aus ihrem makellosen Gesicht strich. Die Haut, so weiß als wäre jegliches Leben aus ihr entwichen und die sinnlichen Lippen, rot wie Wein. Er schaute in ihre blauen Augen, in die er versinken konnte wie in ein tiefes Meer und aus denen jetzt Tränen auf die Bettdecke regneten. Eine konstante Welle von Schuldzuweisungen und verletzten Gefühlen peitschte ihm entgegen. Sie hatte es zufällig von einer Freundin erfahren, wie er die andere Frau in der Bar geküsst hatte. Es war eine Bekannte, sie hatten sich gut unterhalten und auch ein bisschen was getrunken. Ein einfacher Kuss, bedeutungslos und aus einer spontanen, launenhaften Dummheit heraus entstanden. Er konnte sich selber nicht erklären, wie es dazu kam. Vor allem aber konnte er sie jetzt nicht von der Geringfügigkeit seiner Sünde überzeugen, für sie hatte er ein Sakrileg an ihrer Liebe begangen. Bestärkt durch Wut und Eifersucht kroch das Gift des Zweifels immer tiefer in ihr blutendes Herz .Er konnte tiefe Traurigkeit aus ihren Augen lesen und versuchte auf sie einzugehen, aber als er ihr behutsam einen Arm auf die Schulter legte erkannte er, anhand ihrer abwehrenden Gestik, dass er obwohl er direkt neben ihr saß, doch ganz weit weg war. Ihr ein und alles war er einmal gewesen, es schien ihm als sei es ewig her. Als er sie kennen lernte war sie ein, von Hoffnungslosigkeit betäubter, gefallener Engel, tief in ihrer Seele von zarter Todessehnsucht erfüllt. Nur sehr langsam, mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen, schaffte er es, dass sie ihm ihre sensible Seele öffnete und es entstand mit der Zeit eine innige Liebe und tiefes Vertrauen, welches ihr immer als Krücke diente, aber nun zu ihrem Kreuz geworden war .Wie ein kalter Orkan war er jetzt für sie, der all ihre Ängste, Probleme und schlimmen Erinnerungen, die sie hinter sich gelassen zu haben glaubte, wieder hereinschmetterte. Plötzlich stand sie auf und versuchte auf ihn einzuschlagen und bei seinen halbherzigen Abwehrversuchen sank sie zu Boden. Er hatte es noch genau vor Augen wie sie da kroch, ein Häufchen Elend, Verzweiflung ins Gesicht tätowiert. So unbeschreiblich leer fühlte er sich, als sie ihm sagte, dass es keinen Sinn mehr mache und ihn drängte zu gehen. In seiner ohnmächtigen Stimmung dachte er die Beziehung wäre vorüber, aber echte Liebe währt doch ewig, oder etwa nicht? Stunden später, als er wieder einigermaßen klare Gedanken fassen konnte, dämmerte es ihm. Er hätte sie nicht einfach alleine lassen dürfen, sie brauchte ihn doch. Er kehrte zu ihrer Wohnung zurück und öffnete die Tür mit seinem Schlüssel. Zu spät, sie war nicht da, das Kerzenlicht war erloschen. Ein Zettel lag auf dem Wohnzimmertisch, den er mit Tränen in den Augen las...
Jetzt war er fast wieder bei ihr. Langsam begann es schon dunkler zu werden und Straßenlaternen spendeten mattes Licht, als er sie von weitem schon sehen konnte. Dunkle, trostlose Gestalten begleiteten und, einige davon, trugen sie dorthin wo auch er hinwollte, um die blaue Rose auf ihr Grab zu legen.