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Blaue Augen
Ich habe nie verstanden, warum die Augen das Tor der Seele sein sollten.
Für mich waren Augen immer nur flache, platte Farbtupfer, die manchmal schön oder eben weniger schön waren. Noch nicht mal eine Lieblingsaugenfarbe hatte ich.
Und ich möchte ja nicht lügen, aber deine Augen, was waren deine Augen schon für mich. Blaue Farbtupfer in deinem Gesicht, nichts weiter.
Aber dann ist es irgendwann passiert und ich wünschte, es wäre nicht so.
Da waren du und ich und so viele andere Augenpaare in diesem Raum und so viele Stimmen und Geräusche. Und ich saß in der einen Ecke und du in der anderen, die Luft war stickig und meine Laune war am Boden. Mein Blick verfolgte den Stift, der auf das weiße Papier kritzelte und plötzlich hörte ich dich räuspern und plötzlich war da deine Stimme und ich konnte einfach nicht anders und musste mich von den schwarzen Strichen lösen.
Meine Augen trafen sofort auf deine. Blau und Braun vermischte sich, nur für einen so kurzen Moment, aber es war genug für mich. Du löstest deinen Blick von mir, aber ich konnte nicht. Ich musste dich einfach weiter anstarren und deine Augen leuchten sehen.
Plötzlich verstand ich die Menschen, die davon sprachen, ein ganzes Universum in den richtigen Augen sehen zu können. Denn da war es. Ich konnte es klar und deutlich sehen.
Dein Blau war nicht mehr nur dein Blau, sondern es war auch meins. Dein Blau war von einer Sekunde auf die andere mein gesamtes Universum geworden.
Und seitdem waren die anderen Augen nicht nur noch Farbtupfer, sondern schwarz-weiß.
Ich bin farbenblind geworden, seitdem ich dein Blau kenne.
Plötzlich ist alles nur noch grau, und plötzlich bin ich süchtig nach der Farbe, aber ich kann sie nur in dir finden und finde und finde sie einfach nur in dir.
Dabei wünschte ich mir, ich hätte meinen Blick niemals von den schwarzen Strichen gelöst und niemals mein Universum gefunden. Denn dabei habe ich meine Farbe verloren.