Black Lady - Episode fünf
Episode fünf:
Geheimauftrag auf Hades neun
„Auf geht’s, mein Süßer.“
Thor war verwirrt. In den Gedanken der Lady war eine seltsame Mischung aus Hektik, Freude und Aufbruchstimmung zu erkennen … das war schon seltsam. Zumindest hatte er etwas Derartiges bisher noch nicht an ihr wahrnehmen können. Also dachte er erst einmal lieber gar nichts und blieb weiter auf Empfang. Und verschlafen war er auch noch, denn letzte Nacht hatte es seine Herrin wieder mal ganz genau wissen wollen …
„Es gibt Wichtiges zu tun, Thor. Wir werden Hades einen kleinen Besuch abstatten … und du wirst dort etwas für mich anfertigen. Etwas, das einmalig im gesamten bekannten Universum sein wird.“ Die Lady lächelte, und allein für dieses Lächeln wäre Thor bereit gewesen, den Hades zu Fuß zu durchqueren.
„Hier sind die Daten, die du dafür benötigst. Den Großteil erledigen die Maschinen von selbst … aber jemand muss sie bedienen. Und diesen Job wirst du übernehmen … Thor, diese Sache ist von eminent wichtiger Bedeutung für mich.“
Thor gab ihr einen fragenden Blick. Was konnte so wichtig sein, dass es die Lady dermaßen in Erregung versetzen konnte …?
„Es handelt sich um eine Spezialausrüstung. Streng geheim! Sobald ich sie habe, wird mir kein Wesen der Galaxis mehr widerstehen können.“
Alles klar, dachte Thor … und fügte sich in sein Schicksal. Die Reise konnte beginnen.
Röhrend und bebend sprangen die Hyperlicht-Triebwerke des schwarzen Kugelraumers an und brachten sie in eine ferne Galaxis.
Schritt für Schritt tastete Thor sich mental in das Innere der gigantischen Maschine vor. Und tatsächlich, da war Resonanz … Mit der bloßen Kraft seiner Gedanken betätigte der blonde Telepath einige Schalter. Beinahe augenblicklich heulten die schweren Wasserstoff-Helium-Meiler auf und entfachten ein Feuer, das tausendmal heißer als alle Sonnen war ... Gleißendes Plasma jagte durch den ringförmigen Reaktor und erzeugte eine Energie, die nur dank der einmaligen Technologie dieses Himmelskörpers unter Kontrolle zu halten war.
Bei Hades neun, dem neunten Planeten dieses Systems, handelte es sich um eine unbewohnte Robotwelt. Die ausgedehnten Industrieanlagen, die sich hier nicht nur entlang der unwirtlichen Oberfläche, sondern auch weit in die Tiefe des Planeten erstreckten, erlaubten die Herstellung von Gegenständen praktisch jeder Form und Beschaffenheit. Die dazu notwendige Energie kam von Verschmelzungsreaktoren der Art, wie Thor gerade einen angeworfen hatte. Die zur Verfügung stehenden Kraftressourcen waren annähernd unerschöpflich.
Noch einmal überflog der Telepath die Pläne, die er im Auftrag seiner Herrin, der Schwarzen Lady, umzusetzen hatte. Trotz seiner überragenden mentalen Fähigkeiten war er nicht in der Lage, die Details auch nur annähernd zu verstehen. Aber das war auch gar nicht notwendig - die Produktion auf Hades neun war dermaßen perfektioniert, dass lediglich die Wünsche des Auftraggebers in den Computer, der die Größe einer ganzen Stadt hatte, eingegeben werden mussten. Und genau das war es, was Thor jetzt tat … Diese Arbeit erforderte sehr viel Zeit und noch mehr Konzentration. Doch dann war es endlich geschafft.
Ermattet wischte sich der blonde Telepath den Schweiß von der Stirn. „Ich hab’ dich voll drin“, hatte SIE soeben gesagt. SIE, das war jene virtuelle Stimme, mit der der Computer zu Thor sprach. SIE erklang in einem melodischen Alt und hatte genau jenen rauchig-lasziven Unterton, der Thors Kreislauf augenblicklich auf Touren brachte. Doch das war nicht wichtig. Wichtig war einzig das Bewusstsein, es geschafft zu haben … Die Daten waren eingegeben, der Generator aktiviert. Jetzt blieb nur noch, abzuwarten und das fertige Produkt an Bord des Raumers der Schwarzen Lady zu bringen.
Grelles Leuchten gigantischer Blitze durchzuckte die riesige Halle. Die eigentliche Produktionsstätte befand sich in den unergründlichen Tiefen weit unter der Oberfläche des Industrieplaneten, und kein lebendes Wesen hätte auch nur die geringste Chance gehabt, dieses Inferno lebend zu überstehen. Eben jene ausgedehnten unterirdischen Anlagen waren es, die dem Planeten letztlich seinen Namen gegeben hatten: Hades. Doch war die Unterwelt der Alten Griechen noch ein vergleichsweise lieblicher Ort gegen das, was dieser Planet in seinem Inneren an absolut lebensfeindlicher Umgebung aufzuweisen hatte. Bündel purer Energie wirbelten donnernd durch den Raum, gespeist von den hitzefauchenden Höllenschlünden des Fusionsreaktors. Flüssiges Titanium wogte dahin in tosenden Wellen, bleierne Meere aus sengenden schweren Metallen verschmolzen zu wechselnden Formen. Gewaltige Magnetfelder, eingebettet in das blaue Funkeln ionisierender Partikelströme, hielten die Massen im Zaume und gaben den Klumpen Gestalt.
Das Innere von Hades neun war nichts anderes als eine gewaltige Schmiede ungeheuren Ausmaßes. Und hier, in dieser galaktischen Glut des Feuers von tausenden Sonnen, reifte nun langsam das heran, was die Schwarze Lady so dringend benötigte, um wahrhaft unwiderstehlich zu sein. Thor beobachtete das Geschehen aus der sicheren Distanz des monitorbestückten Kontrollraums. Er sah quirlendes glänzendes Schwarz, vermengt mit metallischen Stäben … Flimmernd huschten die Bilder über die Schirme und ließen dem Telepathen keine Chance, irgendwelche Details auszumachen. Kein Zweifel, da war etwas … es schien aus einer Mehrzahl von Einzelteilen zu bestehen, die sich zu einem harmonischen Ganzen zusammenfügten … einen kurzen Moment lang vermeinte Thor, vertraute Formen zu sehen, doch bereits im nächsten Augenblick war alles wieder ganz anders. Wie auch immer - sein Auftrag war beinahe erledigt. Das Heulen und Tosen, das selbst hier an der Oberfläche noch dumpf, aber deutlich zu vernehmen war, ebbte allmählich ab und kam schließlich ganz zum Erliegen.
„Jetzt hast du mich aber ganz schön fertig gemacht“, stöhnte die virtuelle Altstimme des Steuercomputers. Beinahe zeitgleich war ein hartes Klacken zu vernehmen, bei dem Thor unwillkürlich an eine Untersuchung mit dem Kristeller denken musste, wie er sie an der Lady schon so oft vorgenommen hatte, da sie dieser geradezu steinzeitlichen Technik immer noch ein hohes Maß an Lust abgewinnen konnte. Doch von einem Spekulum war hier natürlich weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen lag jetzt ein fix und fertig verschnürter Transportkarton auf dem Kundenpult des Kontrollraums.
Der Telepath nahm den Karton an sich und konzentrierte sich auf das Schiff. Im Nu war der mentale Kontakt zur Schwarzen Lady hergestellt, die ihren treuen Gespielen unverzüglich an Bord holte.
Das Saxophon improvisierte in aufwühlenden, geradezu nervenzerfetzenden Sequenzen, und die Beleuchtung war auf ein dunkelrotes Glühen heruntergedimmt. Der schwere Duft des Parfüms, der das in Holz und Leder gehaltene Schlafzimmer süßlich durchdrang, trug ebenfalls seinen Teil dazu bei, Thor in eine Stimmung gespannter Erwartung zu versetzen. Die Schwarze Lady hatte angekündigt, sich ihm heute in ihrer neuen Ausrüstung, die er auf Hades neun in ihrem Auftrag hatte anfertigen lassen, zu zeigen. Wie mochte sie wohl darin aussehen? Umgeben von einem Blechpanzer ähnlich einem Ritter des irdischen Mittelalters? Oder eher wie ein tentakelbewehrter Spinnenfisch von Aldebaran dreizehn? Und wieso hatte sie ihn ausgerechnet hierher an diesen Ort befohlen, in ihren luxuriös bestückten Lederschlafraum? Und vor allem - aus welchem Grund musste er, Thor, in völlig unbekleidetem Zustand ihr Kommen erwarten? Fragen über Fragen. Doch bald würde sich ja alles aufklären …
Der blonde Telepath nahm einen tiefen Atemzug. Die schwere Süße des Parfüms machte ihn jetzt doch ein wenig benommen … zudem schien es das Saxophon darauf angelegt zu haben, sein Bewusstsein wie ein Spiralbohrer zu durchdringen und nach und nach seinen Geist zu paralysieren … er blinzelte nach der schwarzen Doppeltür, die er im spärlichen Schein der dunkel glimmenden Schlafzimmerbeleuchtung gerade noch ausnehmen konnte. Nichts rührte sich.
Doch das änderte sich mit einem Schlag.
In behänder Lautlosigkeit glitten die beiden Teile der schweren Tür zur Seite, und helles Licht fokussierte den schlanken Körper der langsamen Schrittes eintretenden Lady. Kaskaden ihrer pechschwarzen Mähne ergossen sich über Schultern und Rücken, kontrastierend zu ihrer beinahe weißen Haut, und das Saxophon spielte einen Tusch.
Die Lady war - nackt. Beinahe zumindest.
Ihre Hände steckten in langschäftigen Handschuhen aus schwarz glänzendem Lack.
Und ihre Beine, von denen Thor immer schon vermutet hatte, dass es sich dabei um die längsten, schlanksten und grazilsten des gesamten bekannten Universums handelte … diese Beine also waren umhüllt von schwarzen High-Heel-Overknee-Stiefeln. Die bleistiftdünnen Metallabsätze mochten eine Höhe von gut zehn Zentimeter haben, wenn nicht mehr.
Mit einer schwungvollen Kopfbewegung warf sie ihr Haar in den Nacken, hob den Kopf und stemmte die Hände in die Taille. Ihre Augen strahlten. Ein überlegenes Lächeln umspielte ihre vollen Lippen ... Es war das Lächeln des Siegers.
„Na, mein Lieber, habe ich dir etwa zu viel versprochen? Mal ganz ehrlich - wie findest du mich?“
Es dauerte einen Augenblick oder zwei, bis Thor antworten konnte. Doch seine Antwort fiel eindeutig aus.
„Lady, du hast absolut Recht … diese Ausrüstung … sie macht dich … also die macht dich einfach …“ Er befeuchtete seine Lippen mit der Zunge, schluckte und holte Luft.
„… einfach unwiderstehlich.“
© by stardust