Black Lady - Episode drei
Episode 3:
Die dunkle Energie
Wohlwollend umwallten wärmende Wellen weicher Weiblichkeit des Telepathen blond wogende Mähne ... Er konnte nicht eindeutig wahrnehmen, ob die Lady ihm wirklich mit der Hand durchs Haar fuhr, oder ob es die pure Energie ihrer Gedanken war, die ihm dieses wundervolle Gefühl zärtlicher Geborgenheit verschaffte. Seine Augen waren geschlossen. Seite an Seite mit IHR, mit jenem unbegreiflichen Wesen aus einer fernen Milchstraße, streckte er alle Glieder von sich, räkelte sich auf der weißen Ledercouch und war zufrieden. Er fühlte sich müde ... aber auf eine höchst angenehme Art.
"Sag' mal, mein Kleiner ... Wie heißt du eigentlich? Du hast doch sicher auch einen Namen, eh?" Wieder das gleiche Phänomen. Sprach die Schwarze Lady diese Worte wirklich aus, oder empfing er bloß ihre Gedankenströme? Jedenfalls hatte sie es aufgegeben, ihre Gedanken vor ihm abzuschirmen. Sie lagen vor ihm wie ein offenes Buch.
Die Frage verwirrte ihn einen Moment lang, doch dann wusste er, was damit nur gemeint sein konnte. "Meine Registrationsnummer ist G1-S3-4886-HU23111", antwortete er nach kurzer Überlegung. "Galaxis 1, geboren auf dem 3. Planeten meines Sonnensystems, humanoid. Einen richtigen Namen habe ich noch nicht - dazu bin ich noch zu jung. Erst wenn man einen höheren Rang in der Terranischen Regierung oder im Sicherheitsdienst erreicht hat, bekommt man einen Namen verliehen. Es ist ein Privileg, das nicht Jedem zuteil wird."
Mit einer Mischung aus Skepsis und Mitleid musterte die Lady den Mann, den sie von Sol 3, einem kleinen blauen Planeten in einem unbedeutenden und daher nur selten besuchten Spiralarm der Galaxis, als Gefährten für besondere Stunden aufgelesen hatte. Das Registrationssystem von Terra - so hieß der Heimatplanet des Telepathen - war ihr bekannt, doch sie konnte nur Verachtung dafür empfinden. Zuerst hatte man begonnen, die Häuser mit Nummern zu versehen; dann folgten die Straßen, und schließlich die Menschen. Als ob das Universum nichts anderes wäre als eine bloße Matrix aus Zahlen, Daten und Koordinaten!
Ein Name musste her ... Mit Wehmut dachte die Lady an ihre entfernten Vorfahren zurück. Doch diese existierten nicht mehr, seit die denkenden und fühlenden Wesen des Universums sie aus ihren Herzen verbannt hatten. Längst war Walhalla in Flammen aufgegangen; neue Götter waren heraufgedämmert und wieder versunken. Was blieb, war die Erinnerung ... allem voran an ihren Lieblingsonkel, den donnernden und polternden Thor ...
Ein Lächeln seliger Nostalgie huschte über die ebenmäßig geformten, von fülliger schwarzer Haarpracht umrahmten Gesichtszüge der Lady. "Ich nenne dich Thor", eröffnete sie ihrem blonden Gespielen. Sie kicherte. "Und ich werde dafür sorgen, dass du dieses Namens auch würdig bist. Du wirst deine geistigen Fähigkeiten steigern - unter meiner Anleitung wird dir das möglich sein. Zuerst einmal werde ich dich mit der nötigen Energie aufladen ... es gibt nur sehr wenige Orte im Universum, wo das möglich ist. Einer davon ist dieses Raumschiff. Bist du einverstanden?"
"Ich bin bereit, Lady." Er sagte es ernst und ohne jedes Pathos.
"Es ist allerdings nicht ganz ungefährlich. Die Energie, die du in dich aufnehmen musst, ist sehr heiß. Was auch immer jetzt geschehen wird, Thor ... sei vorsichtig." Sie gab ihm einen langen, eindringlichen Blick. "Folge mir. Wir begeben uns jetzt exakt ins Zentrum des Schiffes - nur dort ist eine Fokussierung möglich."
Über schier endlose Gänge und Schächte bewegten sich die Schwarze Lady und ihr blonder Telepath auf den Mittelpunkt des riesigen Kugelraumers zu. Schließlich standen sie vor einem massiven Stahlschott, das die Lady durch eine sanfte Berührung ihrer Hand, kombiniert mit einer mentalen Konzentration auf den Code, öffnete. Lautlos glitt die schwere Stahltür zur Seite ... Der dahinter liegende Raum war kugelrund und hatte einen gigantischen Durchmesser. Ein schmaler Metallsteg führte zu einer kleinen, genau in der Kugelmitte positionierten Plattform.
Als sie sich der Plattform näherten, erkannte Thor - der Telepath hatte sich mit seinem neuen Namen bereits abgefunden - darauf einen kreisrunden Tisch, auf dem sich eine höchst seltsame Apparatur befand. Die Vorrichtung bestand aus einem chromblitzenden senkrechten Zylinder, der auf einem Gestell ruhte und aus dessen Unterseite ein kurzes Metallrohr herausragte. Unter dem Rohr stand eine perlweiß schimmernde bauchige Schale, oben breit und sich nach unten verjüngend. Am unteren Teil des Zylinders waren mehrere Armaturen angebracht - Schalter und Drehknöpfe, Anzeigen und Leuchtdioden ...
Einen Moment lang hielten sie inne. Dann streckte die Lady in einer bedächtigen, beinahe feierlich wirkenden Bewegung ihre Hand aus und berührte eine der Armaturen. Augenblicklich begannen mehrere rote, gelbe und grüne Lichter aufzuflackern, und ein tiefes Brummen erfüllte den Raum. "Die Fokussierung beginnt", flüsterte sie ihrem Begleiter zu, der in atemloses Schweigen versunken war. "Es dauert ein paar Minuten. Hab' keine Angst und sei festen Mutes - dann wird dir nichts geschehen."
Bald änderte das Geräusch seinen Charakter; das Brummen ging jetzt in ein helles Zischen und Fauchen über. Thor traute seinen Augen kaum ... Zwischen dem aus der Unterseite des Zylinders ragenden Rohr und der darunter stehenden Schale entspann sich ein in hellem Goldgelb oszillierender Lichtbogen. Das Phänomen erinnerte Thor entfernt an jene Energieausstöße, die er schon einige Male an der Unterseite startender oder landender Raumschiffe wahrgenommen hatte ... doch das hier war etwas Anderes. So etwas hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Er schluckte und sagte kein Wort.
Dann, mit einem Schlag, riss die Energiebrücke ab und das Geräusch verstummte ... einige gelblich schimmernde Funken zischelten noch aus dem Rohr, dann trat endgültig Ruhe ein. Dampfwolken umschwebten den Zylinder und lösten sich in Nichts auf. Ein fremdartiger, exotisch anmutender Duft erfüllte den Raum ... und alles schien wieder wie früher zu sein.
Nein - nicht alles. Langsam und vorsichtig, jedoch ohne zu zögern, griff die Lady nach der perlweiß schimmernden Schale und reichte sie dem Telepathen. "Trink das", sagte sie leise. "Aber denk dran, was ich dir gesagt habe. Es ist sehr heiß."
Die Schale war jetzt mit einer dunklen, dampfenden Flüssigkeit gefüllt. Thor sah der Schwarzen Lady in die Augen ... und verlor sich darin. Wie in Trance führte er das seltsame Behältnis an seine Lippen.
Zögerlich nahm er einen Schluck. Ein zweiter folgte ... und noch einige weitere, in immer kürzeren Abständen. Er holte tief Luft. Ein helles Leuchten trat in seine blauen Augen, und ein verklärtes Lächeln huschte über seine durch und durch blonden Gesichtszüge.
"Aaaaaaaahhhhhhhh ................" Mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung setzte er die Schale wieder ab. "Aber das ist ja ... "
"Was fühlst du, Thor, mein Lieber? Geht es dir auch gut?"
"Lady, das ist mit Abstand der beste Kaffee, den das bekannte Universum zu bieten hat!!"
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