Blödarschscheißkeks
„Blödarschscheißkeks“
So hatte ihn doch tatsächlich sein kleiner Sohn genannt. Tim war fast vier und seit knapp einem Jahr im Kindergarten. Er war jetzt voll in der Phase, diverse Fäkalausdrücke aus der KiTa mitzubringen und an nichtsahnenden Verwandten und anderen Opfern auszuprobieren.
„Blödarschscheißkeks“
Das Wort ging ihm nicht aus dem Kopf. Eine gewisse Kreativität konnte man dem Knirps ja nicht absprechen. Meist warf er mit einfacheren Schmähworten um sich, in der Regel ein Fäkalwort gefolgt von „Mama“, „Papa“ oder „Jan“. Jan war der große Bruder und gute zwei Jahre älter. Er hatte genau so eine Phase gehabt in dem Alter, konnte sich inzwischen aber besser beherrschen.
„Blödarschscheißkeks“
Er hatte sich schnell umgedreht, als der Kleine den Spruch gebracht hatte. Schließlich durfte dieser nicht sehen, wie er sich das Lachen kaum verkneifen konnte. Als er sich wieder gefangen hatte, hatte er sich mit väterlich-ernstem Ton an seinen Sohn gewandt und ihm klargemacht, dass solche Ausdrücke in diesem Haus nicht erwünscht waren. Später hatte er seiner Frau davon erzählt, die den Ausdruck ebenfalls lustig, wenn auch unpassend fand.
„Blödarschscheißkeks“
Was würde wohl als Nächstes kommen? Das konnte ja heiter werden. In Kürze würde der 80. Geburtstag des Schwiegervaters gefeiert werden. Er hoffte inständig, dass die jungen Herren sich dann nicht zu sehr daneben benehmen würden. Außer ihnen würden wohl keine weiteren Kinder da sein, sondern nur gut situierte Herrschaften, die meisten jenseits der 70.
„Blödarschscheißkeks“
War das der Dank für all die Zeit, Energie, Mühe und Nerven, die man investiert hatte? Jahrelanges Windelwechseln, Füttern, Baden, Erziehen, Trösten und so weiter und so fort. Alleine das Ins-Bett-Bringen nahm jeden Abend locker eineinhalb Stunden in Anspruch. Dazu ständig der Streit zwischen den Geschwistern. Wahrscheinlich ganz normale Rivalitäten zwischen Jungs, nerven tat es trotzdem. Am schlimmsten war es meist, wenn andere Kinder dabei waren und es galt, die Reviere zu verteidigen. Und was hatten wohlmeinende Bekannte, vor allem aus der Großelterngeneration, immer gesagt? „Das zweite läuft einfach so mit!“ Ha, von wegen!
„Blödarschscheißkeks“
Es wurde wirklich langsam Zeit, dass der Jüngste lernte, dass solch ein Benehmen nicht akzeptiert wird. Wo kamen wir denn da hin? So hatte man sich ja schließlich selbst als Kind auch nicht aufgeführt. Sagten jedenfalls die Eltern, die eigene Erinnerung ist da doch arg selektiv. Angeblich war man ja immer ganz brav und ist auch schön artig bei Tisch sitzen geblieben. Wer’s glaubt!
„Blödarschscheißkeks“
Und auf was man nicht alles wegen der Brut verzichtete! Einfach mal mit der holden Gattin ins Kino, Theater oder Kabarett. Oder schlicht ein Bier trinken. Immer mussten erst Babysitter organisiert werden, da hatte man schon gleich keine Lust mehr, überhaupt wegzugehen. Mann, war das Leben früher einfach. Man wusste es nur nicht. Ähnlich wie die Sache mit der Schule. Damals kam einem das Ganze zeitintensiv vor, dabei war’s im Vergleich ein Klacks. Soviel Freizeit hatte man nie mehr, aber das stellte sich erst hinterher raus. Gemeinheit. Aber wir schweifen ab.
„Blödarschscheißkeks“
Das Wortungetüm ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf. Ein bisschen wie eine Melodie, die man manchmal für einige Tage ständig im Kopf hatte. Er nahm sich vor, bald mal andere Saiten aufzuziehen, sich mehr Zeit für sich zu nehmen und den Kindern mehr Grenzen zu setzen. Schließlich wollte man ja pädagogisch wertvoll mit dem Nachwuchs umgehen und so weiter und so weiter.
„Blödarschscheißkeks“ dachte er gerade noch. Da stand der Übeltäter schon wieder vor ihm, reckte ihm sein momentanes Lieblingsbuch „Meine Lieblingsgeschichten vom kleinen Murmeltier Murmel“ entgegen und sprach im besten Kasernenhofbefehlston: „Vorlesen!“ Na gut, für diesmal noch. Morgen geht’s so aber nicht weiter!
„Blödarschscheißkeks“…