Blätterteig
Kunz ist Gallerist und ledig.
Eva nicht.
Eva studiert Blätterteig.
Sie lernten sich im Frühling 1990 in einem Restaurant auf Sylt kennen.
Eva besuchte die Insel zum ersten Mal und entdeckte Kunz gleich neben einer kreischenden Möwe.
"Guten Abend", flüsterte sie erleichtert, ihn endlich angesprochen zu haben.
"Guten Abend", erwiderte Kunz.
Knapp und in einem Wortlaut.
So war Kunz.
Immer kurz angebunden.
"Störe ich?" fragte Eva mit noch unsicherer Stimme und schaute ihn nicht mehr an.
"Nein." war die prompte, kalte Antwort.
Mittlerweile, 6 Jahre später, sind sie verheiratet und leben in einer kleinen Haushälfte Frankfurts.
Eva backt Blätterteig.
Kunz formt Frauenkörper aus Ton, schweigsam.
Der Verkauf ist zufriedenstellend und ermöglicht ihnen ein sorgenloses Leben.
Einmal kam es jedoch zu einem seltsamen Gespräch:
Kunz: Eva?
Eva nickt.
Kunz: Ist es anatomisch vereinbar, dass ich den Venushügel aus einem Stück fertige?
Eva: Sicher, warum denn nicht, es ist bestimmt die einfachste Methode, ihn zu formrn.
Kunz: Aber was ist mit den Facetten, die eben diesen Hügel zu dem Prachtwerk machen, das er ist, findest Du nicht, sie sollten sich abzeichnen?
Eva: Nein, finde ich nicht.
Kunz: Weißt Du was? - Du bist prüde.
Eva sieht kurz auf den Boden, blickt dann herauf und antwortet mit lauter Stimme: Was hat das eine mit dem anderen zutun?
Kunz: Ach, schon gut. Du hast wahrscheinlich recht, Facetten sind überflüssig.
Eva sah ihn für einen Moment lang skeptisch an und verließ anschließend den Raum, mit der Behauptung, sie müsse nach dem Blätterteig sehen, der in der Rührtrommel verweilte.