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Bitterkeit

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03.05.2002
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Bitterkeit

"Ich komme wieder", sprach sie, warf ihm einen letzten Blick zu, bevor sie die Tür hinter sich schloss, die Treppen hinunterging und in den kalten Winterspätnachmittag verschwand. Er blieb zurück, schaute ihr nicht hinterher. Er trank den letzten Rest des erkalteten Tees, schmeckte jeden Tropfen der dunklen Flüssigkeit und presste dann die Lippen aufeinander. Für Momente verschwamm das Zimmer hinter einem Schleier feuchter Tränen, doch ließ er nicht zu, dass sie ausbrachen.

Er hatte lange darüber nachgedacht. Hatte er das Recht, nein zu sagen? Unzählige Nächte hatte er über diese Frage nicht schlafen können. Welche Konsequenzen wogen schwerer? Und dachte er nicht eher an die Konsequenzen für sich selbst als für sie? Genauso oft wie er sich als verständnisvoll angesehen hatte, war in ihm doch das Gefühl aufgekommen, egoistisch zu sein, würde er sie aufhalten. Und sie würde doch wiederkommen... Er klammerte sich an dieses Versprechen. Es war doch nur Neugier. Nichts änderte sich an ihren Gefühlen für ihn... Oft sagte er sich diese Worte.

Doch fühlte er, dass es heute anders sein würde. Als vor nicht einmal einer Stunde das Telefon geklingelt hatte, da hatte er es schon gespürt. Er hatte nur in ihr Gesicht sehen müssen, um es zu erkennen. Sehnsucht war darin geschrieben. Sehnsucht, die nicht ihm galt. Sehnsucht nach etwas, das er ihr nie würde geben können. Nach etwas, das vor einiger Zeit nur dann und wann in ihr gedrängt hatte. Das mittlerweile aber einen - wie er fand - Großteil ihrer Zeit ausmachte. Er hatte auch Liebe in ihrem Gesicht gesehen. Als sie in den Hörer sprach, Liebe zu der Frau am anderen Ende. Und als sie den Hörer auflegte und mit einer Hand seine Wange streichelte, Liebe auch zu ihm.

Er hatte die Hand kaum gespürt. Er wusste, diesmal würde es anders werden... Das Zimmer um ihn hatte sich in seinem Geist ins Schwarze gefärbt, sich um ihn verengt, und Angst, dies dunkle drückende Gefühl, von dem er wusste, heute war es nicht länger unbegründet, verkrampfte seine Hände. Gegen Gefühle, mit denen sie nie gerechnet hatte, konnte er nichts tun, konnte sie nichts tun. Sie zu unterdrücken, würde eine Lüge bedeuten. Sie hatten sich geschworen, nie zu lügen. Sich weder anzulügen, noch Lügen zu leben. Deshalb konnte er nur warten. Und er wartete. Den Abend. Die Nacht.

Sie kam nie wieder.

 

Hallo Mario,

eine traurige Geschichte über das Loslassen, das Liebe oft bedeutet hast du geschrieben. Schön, dass du auf jede Schuldzuweisung verzichtest, auf jedes Selbstmitleid deines Protagonisten. Daduch wird die Geschichte umso trauriger.
Es ist tatsächlich oft Intuiton, die einen das Geschehen ahnen lässt. So wie auch bei deinem Prot, der zwar mit sich ringt, aber der Frau, die er liebt das Glück nicht verwehren mag, fern davon, sich von Besitzgedanken blenden zu lassen leidet er doch daran, dass er nicht der Einzige ist.
Deine Geschichte hat mir gut gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

Danke für den Kommentar... Ich wollte über jemanden schreiben, der wirklich liebt... bis zur letzten Konsequenz. Schon traurig, ja... :(

 

... über jemanden schreiben, der wirklich liebt...
Deine Geschichte hat auch mir gefallen. Kurz und wahr. Traurig? Zum Teil.

Die Gefühle und Ahnungen des Prots sind gut dargestellt. Man fühlt mit. Gefällt mir sehr.

Doch irgendwie habe ich das Ende nicht so erwartet. Vielleicht paßt es nicht. Womöglich paßt es auch nur mir nicht. Ist es nicht ein Widerspruch, wenn in einer Beziehung so absolute Wahrheit herrscht, daß die Dame ohne ein letztes Wort, eine Verabschiedung, eine Begründung nicht wiederkommt? Wenn sie zurück gekommen wäre und ihm gesagt hätte, daß sie sich trennen will, wäre mir das logischer gewesen.

Noch etwas. Du beginnst viele Sätze mit "er". Ist das gewollt?
Meiner Meinung nach könnte man ein zwei Sätze umformulieren, so daß sie nicht mit "er" anfangen.

LG
Bea

 

Hallo Bea,

hmm... es mag ja sein, dass diese Ehrlichkeit dann, wenn es drauf ankommt, nur bei ihm als dem vielleicht naiveren Teil vorhanden war... Eine andere Begründung für den von dir entdeckten Widerspruch könnte sein, dass meine Formulierung "kam nie wieder" nicht nur das wörtliche, kurzfristige nach-Hause-kommen meint, sondern eher übergreifend zu betrachten ist... Sie kehrte nie wieder in die Beziehung zurück, oder so. Ich weiß nicht, ob diese beiden Varianten einer Ausrede Erklärung genug sind. Vielleicht könnte ich das "Sie kam nie wieder" auch einfach weglassen und es offen lassen, ob sie wiederkommt, oder voraussetzen, dass sie wahrscheinlich NICHT wiederkommt... Hm... was für Gedanken fallen dir zu meinen Überlegungen ein?

Zu der Sache mit dem "er"... Es hat einen leicht monotonen Klang, finde ich. Das könnte ein bisschen für seine Stimmung stehen, und wenn man überinterpretieren will, könnte man auch sagen, der Autor hat versucht, mit dem "er" implizit doch den Egoismus des Prot auszudrücken. Aber das wäre weit hergeholt. Wenn es doll stört, würde ich's nochmal bearbeiten.

LG,
Mario

 

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