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Bis morgen

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08.05.2002
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Bis morgen

„Meier?“
„Ich bin´s.“
„Was willst du? Ich muss zum Training!“
„Aber es ist wichtig.“
„Sprich.“
„Ach komm, wenn du schon so genervt klingst, kann ich auch gleich wieder auflegen!“
„Ja, Mann- ich muss zum Training!“
„Ja, Mann- und ich hab gedacht, du bist immer für mich da.“
„Ja, dann red halt endlich. Was ist los?“
„Ich find das scheiße von dir, dass du immer so bist.“
„Wie bin ich denn?“
„Du bist wie immer! Du denkst nur an dich selbst!“
„Ja, ja, ich weiß.“
„Ja, es ist so! Warum kannst du nicht einfach mal nett sein?“
„Ich bin immer nett!“
„Ja, klar. Dir ist es doch egal, wie´s mir geht.“
„Ja, komm.“
„Ja. Ich war dir schon immer egal. Und mit dir war ich zusammen!“
„Oh und du zickst schon wieder rum! Das machst du auch immer!“
„Ich zick überhaupt nicht rum. Ich dachte nur...“
„Was?“
„...dass ich zu dir kommen kann, wenn ich ein Problem habe!“
„Aber net wenn ich zum Training muss! Ich bin eh schon zu spät!“
„Ja, schönen Tag noch.“
„Oh Mann, jetzt sei halt net wieder gleich beleidigt! Ich kann doch nix dafür!“
„Doch! Weil es dich einen Dreck kümmert, wie es anderen geht!“
„Das stimmt doch gar nicht! Aber ich hab halt jetzt keine Zeit!“
„Ja. Wie immer.“
„Hey, echt! Du rufst mich an und dann hältst du mich immer ewig am Telefon fest!“
„Gut, dann leg ich halt auf.“
„Dann leg auf!“
„Du bist so ein Arsch! Du kannst nicht mal sagen: Ruf halt bitte später noch mal an!“
„Ruf halt bitte später noch mal an!“
„Danke, darauf kann ich jetzt auch verzichten!“
„Dann halt nicht. Mann, ich muss jetzt gehen!“
„Dann geh halt!“
„Ja, dann leg auf!“
„Leg halt du auf!“
„Nein, du hast angerufen!“
„Oh Mann, was soll denn dieser Kinderkram?"
„Ok, dann leg ich auf!“
„Ja. Also dann. Kann ich morgen mal anrufen?“
„Wenn´s sein muss. Aber nicht vor 12!“
„Nein, muss nicht sein. Ich will dir nicht zur Last fallen.“
„Ruf an oder net, aber ich muss jetzt gehen. Tschüss!“
„Tschüss!“
„Leg auf!“
„Ok. Bis morgen.“
„Ja. Tschüss.“
Bis morgen.

 

Hm, ja, was will uns dieser Dialog mitteilen?

Wo liegt der Schwerpunkt?
Dass die Anruferin - ich tendiere mal dazu - nicht von ihrer alten Liebe loskommt und ihn deshalb Tag für Tag am Telefon behelligt, obwohl nichts dabei rauskommt?
Oder dass diese Art von Gesprächen - die wohl Tag für Tag stattfinden - nichts als heiße Luft ist?

Mir persönlich sagt der Text nichts aus. Kein Erinnerungsgehalt vorhanden. Der Dialog driftet monoton dahin, was womöglich auch so geplant gewesen ist. Doch auch Monotonie bzw. gar Verzweiflung ließe sich mit mehr Feingefühl transportieren.
Dies wird hier vor allem durch die Umgangssprache verhindert ("net", "an dich selber").
Im Prinzip könnte die Umgangssprache in einem reinen Dialogtext problemlos durchgehen, wollte man auf emotionaler Schiene sparen; jedoch nicht die fehlenden Apostrophzeichen und einige Kommata.

 
Zuletzt bearbeitet:

So können sich Meinungen teilen, lieber Hendek, auch wenn ich eine Geschichte, die nur aus einem Dialog zweier Unbekannter besteht vielleicht eher den Experimenten zugeordnet hätte.
Lieber Singerl, ich finde diese Geschichte gut. Diese Form liebeerpresserischer Telefonate wird nun einmal in so stockenden sprachlosen Worten geführt. Beide Betieligten fühlen sich hinterher schlechter, denn sie kommunzieren ohne sich zu verstehen.
Ich habe diese Geschichte nicht als ´die Geschichte einer beendeten Beziehung verstanden, sondern als einer gegenwärtigen Beziehung, in der ein(e) Beteiligte(r) sofort die Liebe des anderen in Frage stellt, wenn der mal keine Zeit hat. Es wird das eigene minderwertige Selbswertgefühl auf den anderen abgewälzt, er wird zur Rechenschaft dafür gezogen und entsprechend zu manipulieren versucht. Die Aufgabe des Trainings wird als Liebesbeweis verlangt. Die Liebe wird durch Erzeugung eines schlechten Gewissens erpresst.
Das alles liest sich quälend, denn es ist ja auch ein quälender Prozess, der uns hier vor Augen geführt wird.

Gut finde ich, dass du die Geschlechter neutral hälst, auch wenn Hendek sie, auf Grunde einiger Gesprächssterotypen, zugeordnet hat. Aber Männer können in dieser Beziehung genauso "zickig" sein. Dieses Gespräch wäre also in jeder nur möglichen Rollenkonstellation denkbar.

 

Hallo!
Danke für die Kommentare.
@sim Du hast Recht mit dem, was du geschrieben hast. Dazu kommt noch, dass die beiden sich längere Zeit unterhalten, jedoch das eigentliche Problem, wegen dem die eine Person angerufen hat, nicht einmal angeschnitten wird, was traurig ist.
"Kommunizieren ohne sich zu verstehen" und "sprachlose Worte" finde ich sehr passend!
Nebenbei: Hätte es an deinem Kommentar etwas geändert wenn du mich nicht für eine männliche Person halten würdest?:D Ich bin nämlich keine!
Greetings Singerl

 

Nebenbei: Hätte es an deinem Kommentar etwas geändert wenn du mich nicht für eine männliche Person halten würdest? Ich bin nämlich keine!
Ich bitte um Vergebung, Singerl, ich sollte mir angewöhnen vor dem Antworten noch einmal in das Profil dessen zu schauen, dem ich antworte. Nein, das hätte nichts an meinem Kommentar geändert.
Dass das Problem des Anrufenden nicht konkret zur Sprache kam, fand ich weniger traurig, als typisch. Ich ging davon aus, dass es gar kein akutes Problem gab, außer dass sich dieser Mensch mit sich alleine zu unvollkommen empfindet.

 

Mh..ja wie schon oben genannt würde ich diesen Dialog auch eher in die Rubrik Experiment stellen.
Mit diesem Dialog hast Du ein großes Problem der Gesellschaft angesprochen, jedoch fehlt mir persönlich eine Art Schlusskommentar. Ich denke, dass man aus diesem Dialog noch mehr hätte rausholen können. Dennoch:interessant!
Gruß,
annablume

 

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